Die Begleitbeistandschaft

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3.6 Parlamentarische Beratungen

154

Die Beistandschaftsarten waren in den Räten nicht bestritten. Das einzige Votum zu ihnen betraf die Begleitbeistandschaft. Kommissionsprecher Franz Wicki hat darauf hingewiesen, dass die Begleitbeistandschaft die niedrigste Stufe der Beistandschaft sei, welche die Handlungsfreiheit und –fähigkeit nicht einschränke. Sie ermögliche es, betagten Personen, die allein nicht mehr ganz zurechtkommen würden, helfend beizustehen und eine gewisse Kontrolle (sic!)[342] auszuüben. Zudem habe sich aus der Diskussion in der Kommission ergeben, dass die Hürde für die Errichtung einer Begleitbeistandschaft nicht «hoch angesetzt» sein dürfe.[343] Ansonsten findet sich in der gesamten parlamentarischen Debatte keine weitere Erwähnung betreffend die Eintrittsschwelle der Beistandschaften bzw. betreffend etwaige Einschränkungen der Handlungsfreiheit.

3.7 Fazit bzw. Ratio legis

155

Aus den Materialien zum Erwachsenenschutzrecht wird ersichtlich, dass gerade der Begleitbeistandschaft im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses verschiedene Änderungen zuteil wurden:

–Terminologisch wurde sie zunächst persönliche Betreuung, dann persönliche Beistandschaft und schließlich Begleitbeistandschaft genannt.

–Inhaltlich entwickelte sie sich von der Grundmassnahme, welche in jedem Falle – mit Ausnahme von subsidiären Hilfen – bei Vorliegen eines Schwächezustandes und eines Schutzbedarfes angeordnet werden muss, zu einer im Vergleich zur Vertretungs–, Mitwirkungs- und umfassenden Beistandschaft gleichberechtigten Massnahme. Dadurch wurde aber zugleich unklar, inwiefern sie überhaupt Anwendung finden wird bzw. wie sie im Verhältnis zur Vertretungs- und Mitwirkungsbeistandschaft anzuwenden ist. Insbesondere das Verhältnis zu subsidiären Dienstleistungsangeboten der öffentlichen Hand oder von Privaten verblieb unklar.

–Zeitweise war die Begleitbeistandschaft auch als Aufsichtsstelle bzw. –person der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ausgestaltet. Dies wurde im Rahmen des Entwurfs bereinigt, aber trotzdem immer wieder als Teil der Massnahme erwähnt.

–In Bezug auf die Voraussetzungen bedarf die Begleitbeistandschaft wie alle Beistandschaftsarten eines Schwächezustandes und eines sich daraus ergebenden Schutzbedarfs. Soweit eine Person im jeweiligen Aufgabenbereich der Personen- oder Vermögenssorge ausschliesslich begleitende Unterstützung benötigt und sie zudem die Zustimmung zur Massnahme erteilt, kann eine Begleitbeistandschaft errichtet werden. Bis zum Entwurf konnte die Massnahme auch ex officio angeordnet werden. Durch das Erfordernis der Zustimmung wird einerseits das Verhältnis zu den genannten subsidiären Dienstleistungsangeboten erschwert; zusätzlich stellen sich diverse weitere Fragen, insbesondere, was bei einer Verweigerung der Zustimmung oder im Einzelfall bei Urteilsunfähigkeit zu geschehen habe bzw. inwiefern Begleithandeln auch in der Vertretungs- und Mitwirkungsbeistandschaft enthalten ist.

–Primäres Vorbild der Massnahme war die Erziehungsbeistandschaft «mit Rat und Tat» gemäss Art. 308 Abs. 1 ZGB, weil sie in Bezug auf die Wirkungen vorab tatsächliches und beraterisches Einwirken auf das schutzbedürftige System zum Inhalt hat. Sie stellt sich als eine Form der Unterstützung dar, die nicht Vertretungs- und Mitwirkungshandeln ist.

–Sekundäres Vorbild scheint auch die Beistandschaft auf eigenes Begehren gemäss Art. 394 aZGB gewesen zu sein, weil die Massnahme in der geltenden Version die Zustimmung der betroffenen Person benötigt. Beide Massnahmen benötigen die Zustimmung der betroffenen Person, weshalb sie einen Bezug zueinander haben. Diese Bezugnahme entstand ursprünglich im Bericht 1995 und lebte in der Vernehmlassung wieder auf. Weshalb gerade die Beistandschaft nach Art. 394 aZGB und nicht die Vormundschaft auf eigenes Begehren gemäss Art. 371 aZGB oder die Beiratschaft auf eigenes Begehren hier Vorbild war, ist unklar. Materiellrechtlich unterscheiden sich aber die altrechtlichen Massnahmen von der Begleitbeistandschaft in Bezug auf die sehr unterschiedliche Rechtsmacht.

–In Bezug auf die Wirkungen der Massnahme besteht Einigkeit, dass es sich um die schwächste Beistandschaftsart handelt, welche die Handlungsfähigkeit nicht einschränkt. Unklar verblieb, inwiefern die Massnahme auch die Handlungsfreiheit tangiert. Hier haben sich im Gesetzgebungsprozess verschiedene Zugänge entwickelt.

–Inwiefern der Auftrag der Beistandsperson ausschliesslich Unterstützung oder auch Kontrolle beinhaltet, wurde im Laufe des Gesetzgebungsprozesses unterschiedlich beantwortet.

II. Begleithandlungen bzw. Personensorge im österreichischen, deutschen und italienischen Recht

1. Einleitung

156

Die Expertengruppe 1995 hat sich intensiv mit der Frage der Revisionsbedürftigkeit des alten Vormundschaftsrechts auseinandergesetzt. Dabei ist sie vertiefend auf die Entwicklung in Europa eingegangen und hat insbesondere das deutsche, österreichische, belgische, französische und schwedische Recht beleuchtet.[344] Für die Frage der Revisionsbedürftigkeit, aber auch hinsichtlich der Vorschläge für eine Revision des Vormundschaftsrechts hat sie sich massgeblich auf das deutsche und österreichische Recht gestützt.[345] Gründe hierfür waren, dass es sich bei diesen «um die jüngsten Revisionen handelt, aber auch um die in unseren Breiten am weitesten gehenden Versuche, heutigen Anliegen zu entsprechen».[346] Deshalb werden im Folgenden ebenfalls das österreichische und das deutsche Recht für die Frage herangezogen, ob diese Begleithandlungen im Sinne der Personensorge vorsehen und in welcher Form diese erscheinen. Zusätzlich wird das italienische Recht beleuchtet, weil die italienische Fassung der Begleitbeistandschaft in der Übersetzung terminologisch an dieses Recht anlehnt und somit Rückschlüsse möglich sind.[347]

2. Österreichisches Recht
2.1 Das geltende Sachwalterrecht

157

Das österreichische Sachwalterschaftsrecht ist per 1. Juli 2007 in Kraft getreten. Unterdessen wird das österreichische Recht erneut revidiert.[348] Im Folgenden werden zunächst die geltenden Normen beleuchtet.

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Gemäss § 275 Abs. 1 ABGB umfasst die Sachwalterschaft alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die dem Sachwalter übertragenen Angelegenheiten zu besorgen. Dazu gehört nach § 282 ABGB auch die Personensorge bzw. das Betreuungshandeln. Der Sachwalter hat mit der behinderten Person im nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmass persönlichen Kontakt zu halten und sich im Sinne der Aufgabenbereiche darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird. Die Entschädigung umfasst gemäss § 276 Abs. 1 ABGB auch die Tätigkeit im Rahmen der Personensorge. Weitere spezifische Bestimmungen in Teilbereichen der Personensorge in Bezug auf den Wirkungskreis (Aufgabenbereich) wie medizinische Behandlung oder Wechsel des Wohnortes finden sich spezialgesetzlich geregelt.

159

Der Sachwalter soll insbesondere mit § 282 ABGB unabhängig von seinem Wirkungskreis zu einem bestimmten Mindestmass an Personensorge verpflichtet werden.[349] Darunter wird eine rein faktische Bemühungspflicht ohne Vertretungsbefugnisse verstanden, die unabhängig des Wirkungskreises der Sachwalterschaft besteht.[350] Eine über § 282 ABGB hinausgehende Angelegenheit der Personensorge in Bezug auf die Aufgabenbereiche oder eine Angelegenheit der Personensorge, wo Vertretungskompetenzen zugeteilt werden, bedarf einer ausdrücklichen und spezifischen Umschreibung.[351] Inwiefern die Personensorge auch faktische Hilfeleistungen umfasst, scheint uneinheitlich beantwortet zu werden.[352] Hauptaufgabe eines Sachwalters soll aber darin bestehen, allfällige Dienstleistungen im Bereiche von faktischen Hilfeleistungen zu organisieren.[353]

2.2 Der Reformvorschlag der Erwachsenenvertretung

160

Im Zusammenhang mit den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention[354] und den entsprechenden Rückmeldungen des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat Österreich ein Modellprojekt Clearing plus[355] getestet, evaluiert und gleichzeitig einen Reformvorschlag zur Abänderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches im Bereich des Erwachsenenschutzes vorgenommen. Im September 2016 ist die Vernehmlassungsfrist abgelaufen.[356] Ziele der Revision sind die folgenden:

 

–Ausbau der Vertretungsmodelle und der Alternativen zur Sachwalterschaft

–Stärkung der Autonomie im Rechtsverkehr und in persönlichen Angelegenheiten

–weitere kleinere Anpassungen

–Anpassung der Terminologie[357]

2.2.1 Ausbau der Vertretungsmodelle und Alternativen zur Sachwalterschaft

161

Es soll künftig vier mögliche Arten der Vertretung schutzbedürftiger Menschen geben:

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Zunächst gibt es weiterhin den gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter,[358] welcher den Sachwalter ersetzen soll. Seine Rechtsmacht soll deutlicher auf bestimmte Vertretungshandlungen beschränkt sein. Die Massnahme endet spätestens nach drei Jahren.[359]

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Eine erste Alternative zum gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter wird die gesetzliche Erwachsenenvertretung sein.[360] Es ist die bisher schon mögliche Vertretungsbefugnis der nächsten Angehörigen und beinhaltet einen relativ weitgehenden Aufgabenkatalog.[361] Sie bedarf künftig der Eintragung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV).[362] Mit dieser Erwachsenenvertretung sollen den Angehörigen künftig weitergehende Befugnisse ermöglicht werden, die gleichzeitig auch eingeschränkter als bisher einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Sie endet ebenfalls spätestens nach drei Jahren,[363] kann aber erneuert werden.

164

Als zweite Alternative findet sich die gewählte Erwachsenenvertretung bei geminderter Entscheidungsfähigkeit.[364] Hier kann eine volljährige Person für den Fall ihrer Handlungsunfähigkeit einen Vertreter wählen und hat eine Vereinbarung mit diesem abzuschliessen,[365] die ebenfalls eines Eintrags im ÖZVV[366] bedarf und wie die gesetzliche Erwachsenenvertretung einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

165

Als dritte Alternative findet sich die Vorsorgevollmacht, die es auch im geltenden Recht schon gab.[367]

2.2.2 Stärkung der Autonomie im Rechtsverkehr und in persönlichen Angelegenheiten

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Die Erwachsenenvertretung führt nicht zu einem automatischen Verlust der Geschäftsfähigkeit. Das Gericht hat jedoch die Möglichkeit, punktuell ein Rechtsgeschäft unter den Genehmigungsvorbehalt des Erwachsenenvertreters zu stellen.

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Der Erwachsenenvertreter hat sodann mindestens einmal im Monat persönlichen Kontakt mit der betroffenen Person zu haben.[368]

2.2.3 Personensorge

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Neu wird in § 250 E-ABGB die Personensorge umschrieben als «Angelegenheiten, die in der Persönlichkeit der vertretenen Person oder deren familiären Verhältnissen gründen.» Dazu gehören die medizinische Behandlung[369] und auch die Betreuung.[370] Im Rahmen der Personensorge, darf ein Erwachsenenvertreter oder ein Vorsorgebevollmächtigter nur handeln, wenn die Personensorge von seinem Wirkungskreis umfasst ist, die betroffene Person nicht entscheidungsfähig ist, kein Ausschluss der Stellvertretung besteht und eine Vertretungshandlung zur Wahrung des Wohles der betroffenen Person erforderlich ist.[371] Gibt die entscheidungsunfähige Person aber zu erkennen, dass sie die geplante Vertretungshandlung des Vertreters ablehnt, so hat diese zu unterbleiben.[372] Zudem hat der Vertreter in wichtigen Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichtes einzuholen.[373]

Hierzu gehört, dass der Erwachsenenvertreter nicht die Betreuung einer von ihm vertretenen Person übernehmen muss. Er hat sich aber um die Betreuung zu bemühen.[374] Unter «Betreuung» werden sämtliche Massnahmen verstanden, «die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die ein pflegebedürftiger Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre.»[375] Subsidiär hat er aber für die soziale und ärztliche Betreuung besorgt zu sein.[376] Diese letztgenannte Bestimmung betrifft nur den Erwachsenenvertreter, nicht aber den Vorsorgebevollmächtigen[377] und entspricht dem geltenden § 282 ABGB.

2.2 Schlussfolgerung für das schweizerische Recht

170

Damit zeigt sich, dass im geltenden österreichischen Recht ein Grundstock an Personensorge bzw. an Betreuungshandeln im Innenverhältnis zwischen Sachwalter bzw. Erwachsenenvertreter und betroffener Person[378] vorgesehen ist in Form von Kontaktaufnahme. Im schweizerischen Recht sind die Kontaktaufnahme und der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses auch als allgemeine Pflichten im Innenverhältnis unabhängig vom Aufgabenbereich vorgesehen (Art. 405 Abs. 1, Art. 406 ZGB). Zusätzlich findet sich im schweizerischen Recht eine auf Personensorge im Sinne der Rechtsmacht explizit für das Aussenverhältnis[379] gedachte Massnahme, nämlich die Begleitbeistandschaft gemäss Art. 393 ZGB.

171

Zudem sehen das österreichische Sachwalterrecht sowie das in Reform sich befindliche Erwachsenenschutzrecht Personensorge im Sinne der Aufgabenbereiche in Form eines wenig bestimmten Auftrages vor, sich um die Gewährung der gebotenen ärztlichen und sozialen Betreuung zu bemühen. Dies soll unabhängig vom ausformulierten Aufgabenbereich immer zum Auftrag des Sachwalters bzw. des Erwachsenenvertreters gehören. Daneben können aber Aufgabenbereiche der Personensorge massgeschneidert werden.

172

Im schweizerischen Recht ist kein allgemeiner Auftrag zu finden, sich um die Gewährung der gebotenen ärztlichen und sozialen Betreuung zu bemühen. Personensorge im Sinne der Aufgabenbereiche ist gemäss Art. 391 Abs. 2 ZGB als Aufgabenbereich auszugestalten. Dementsprechend stellen sich im österreichischen Recht auch Abgrenzungsfragen, inwiefern Aspekte der Personensorge immer rechtsgeschäftlich sein (inklusive Tathandlungsaufträgen[380]) oder auch rein faktische Verhaltensweisen umfassen sollen. Diese letztere Diskussion um die Bedeutung faktischer Verhaltensweisen des Sachwalters bzw. des Erwachsenenvertreters findet sich auch im deutschen Recht.

3. Deutsches Recht
3.1 Die Eignung des Betreuers

173

Der deutsche Gesetzgeber hat die persönliche Betreuung nicht als eine selbstständige Aufgabe des Betreuers formuliert, sondern sie ist eine Eignungsvoraussetzung für die Person des Betreuers gemäss § 1897 Abs. 1 BGB.[381] Danach muss der Betreuer geeignet sein, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis (Aufgabenbereich) die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Der Bedarf an persönlicher Betreuung und auch deren Ausmass und Ausgestaltung beziehen sich somit auf die rechtliche Betreuung, und zwar darauf, was im Einzelfall erforderlich ist. Damit zeigt sich auch, dass im deutschen Recht die rechtliche Betreuung im Fokus steht. Betreuung wird vorab als gesetzliche Vertretung und nicht als persönliche Pflegeleistung und Hilfe verstanden.[382]

3.2 Rechtliche Betreuung und tatsächliche Hilfeleistung

174

Das deutsche Recht unterteilt somit die rechtliche Betreuung von der tatsächlichen Hilfeleistung bzw. von Betreuungs- oder Begleithandlungen. Die Betreuung umfasst gemäss § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Damit wird die Rechtsmacht des Betreuers nicht nur durch den Aufgabenkreis gemäss § 1902 BGB begrenzt, sondern auch innerhalb des Aufgabenkreises hat der Betreuer de facto nur rechtliche Angelegenheiten zu besorgen,[383] wobei § 1901 BGB das Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem[384] betrifft und § 1902 BGB das Aussenverhältnis.[385] Damit beschlägt § 1901 BGB nicht die Verantwortlichkeit; sie umschreibt nur, wie zu betreuen ist. Die Verantwortlichkeit wird durch die Aufgabenkreise festgelegt.[386] Ursprünglich war diese Abgrenzung von rechtlicher und persönlicher Betreuung im Zusammenhang mit der Vergütung des Betreuers erfolgt.[387] Damit hat sich auch die Bedeutung der Abgrenzung zur persönlichen Betreuung akzentuiert, wobei man sich darüber einig ist, dass eine genaue Grenze der beiden Bereiche kaum zu ziehen ist,[388] was aber auch nicht beabsichtigt war.[389] Als Grundsatz wird genannt, dass der Betreuer tatsächliche Hilfeleistungen nicht selbst erbringen soll, sondern diese bloss zu organisieren hat. Wenn aber keine Hilfsorganisationen die notwendigen Hilfemassnahmen anbieten, oder der Betreuer dieselben mit geringem Aufwand leisten könne, könnten auch solche Massnahmen Betreuungsleistungen sein, wie auch die Situation, dass eine Handlung aufgrund des Vertrauensverhältnisses ausschliesslich mit dem Betreuer möglich ist.[390] Damit gehören auch noch faktische Tätigkeiten zur Betreuung, die zur Rechtsfürsorge für den Betreuten erforderlich sind, wie regelmässige Kontaktaufnahme sowie vertrauensbildende Massnahmen,[391] also solche, die als vor- oder nachbereitende Tätigkeiten der Rechtsfürsorge verstanden werden müssen.[392] Solche sind die Pflege von Kontakten mit dem Betreuten, um dessen Vorstellung und Wünsche zu erfahren und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, Einholung von Informationen, um die Betreuung nach Wohl und Wünschen zu gewährleisten, faktische Handlungen zur Vorbereitung einer Rechtshandlung, sowie solche zur Durchführung einer rechtlich relevanten Handlung (Hilfe zur Veränderung), die nötigen Anlagen von Akten und Dokumentationen.[393] Eindeutig keine Betreuungsleistungen sind Begleitung bei Einkäufen oder die Tätigkeiten im pflegenden und versorgenden oder therapeutischen Bereich.[394] Die Bedeutung der Unterscheidung hat sich infolge der Pauschalierung der Vergütung des Berufsbetreuers im Rahmen des 12. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes relativiert.[395]

3.3 Schlussfolgerungen für das schweizerische Recht

175

Das deutsche Recht sieht, wie aufgezeigt, durchaus Personensorge als Aufgabenkreis bzw. Aufgabenbereich vor.[396] Im Unterschied zum schweizerischen Recht ist es aber viel stärker auf die rechtliche Vertretung ausgerichtet. Personensorge im Sinne der Rechtsmacht findet sich nicht eigenständig, sondern ausschliesslich als Nebenpflicht zur Erfüllung einer Vertretungsaufgabe. Dazu gehören die Herstellung eines Vertrauensverhältnisses und die persönliche Kontaktaufnahme,[397] wie sie das schweizerische Recht ebenso im Zivilgesetzbuch ausdrücklich verankert hat. Persönliche Betreuung hängt massgeblich davon ab, welche subsidiären Unterstützungen ebenfalls möglich sind oder inwiefern Aufwand diese zu organisieren (un–)verhältnismässig wäre. Damit zeigt sich eine durchwegs vergleichbare Ausgangslage wie im österreichischen Recht: Es gibt Aufgabenbereiche, welche die Personensorge betreffen; Begleithandlungen als Personensorge im Sinne der Rechtsmacht finden sich nicht im Aussenverhältnis, sondern beschlagen ausschliesslich das Innenverhältnis.[398]

 

4. Italienisches Recht

176

Die Sachwalterschaft bzw. amministrazione di sostegno regelt der italienische Codice Civile Italiana in Art. 404 ff. CC it. Die Bestimmungen wurden mit dem Gesetz Nr. 6 vom 9. Januar 2006 in das italienische Privatrecht aufgenommen und sollten eine Alternative zur Entmündigung der Art. 414 CC it. schaffen, ohne dass diese selbst abgeschafft wurde.[399]

177

Gemäss Art. 405 Abs. 4 CC it. wie auch Art. 405 Abs. 5 CC it. geht es bei der Rechtsmacht des Sachwalters dem Wortlaut entsprechend um Rechtshandlungen im Sinne von Vertretungsrechten mit besonderer Berücksichtigung von Verwaltungsaufgaben, wie es die italienische Originalfassung des Codice Civile bereits andeutet.[400] Diese sind gemäss Art. 409 CC it. in Bezug auf die Beschränkung der Handlungsfähigkeit masszuschneidern. Die betroffene Person verbleibt grundsätzlich handlungsfähig, soweit die ausschliessliche Vertretung durch einen Sachwalter nicht erforderlich ist und entsprechend angeordnet wurde. Zu den Aufgabenbereichen können auch Aufgabenbereiche der Personensorge gehören.[401] Gemäss Art. 410 Abs. 1 CC it. hat der Sachwalter sodann im Innenverhältnis[402] bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf die Bedürfnisse und Wünsche der betroffenen Person Rücksicht zu nehmen.

178

Insofern erscheint die diesbezügliche Rechtslage vergleichbar mit derjenigen von Deutschland zu sein, welche auch Rechtshandlungen ins Zentrum stellt. Zudem sieht das italienische Recht wie das österreichische, deutsche und schweizerische Recht vor, dass Personensorge im Sinne der Aufgabenbereiche vorgesehen ist und dass der Betreuer im Innenverhältnis Selbstbestimmung ermöglichen soll. Es findet sich auch hier keine Personensorge im Sinne der Rechtsmacht im Aussenverhältnis.[403]

179

Aus obigen Ausführungen ist ferner zu schliessen, dass der terminologischen Anlehnung der Begleitbeistandschaft an die Sachwalterschaft des Codice Civile Italiano keine materielle Bedeutung zukommt.[404]