Oliver Twist

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Oliver Twist
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Oliver Twist
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Czyta Cora McDonald
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»Un­sinn, lie­ber Freund, Un­sinn«, such­te ihn der Lei­chen­be­stat­ter, der mit dem Elend in al­len Ge­stal­ten wohl ver­traut war, zu be­ru­hi­gen. »Un­sinn, sage ich Ih­nen, Un­sinn.«

»Und ich sage Ih­nen«, rief der Mann, ball­te die Fäus­te und stampf­te wie ein Ra­sen­der auf den Bo­den, »ich sage Ih­nen: ich will nicht, dass Ihr sie ein­scharrt. Sie könn­te kei­ne Ruhe dort fin­den. Die Wür­mer wür­den sie quä­len und pla­gen – fres­sen wohl nicht – sie ist nur noch Haut und Kno­chen.«

Mr. So­wer­ber­ry gab wei­ter kei­ne Ant­wort, son­dern zog ein Band aus sei­ner Ta­sche und knie­te einen Au­gen­blick ne­ben der Lei­che nie­der.

»Ja«, rief der alte Mann und brach in Trä­nen aus, »kniet nur nie­der, kniet alle nie­der; ich sag Euch, man hat sie hun­gern las­sen, bis sie ge­stor­ben ist. Ich hab’ ja nicht ge­ahnt, wie schlimm es mit ihr stand, bis sie das Fie­ber be­kam. Und da sta­chen ihr auch schon die Kno­chen durch die Haut. Nicht ein­mal ein Licht brann­te hier, als sie starb. In der Dun­kel­heit hat sie ster­ben müs­sen. Nicht ein­mal das Ge­sicht ih­rer Kin­der hat sie se­hen kön­nen; nur ihre Na­men hat sie stam­meln dür­fen. Ich hab’ für sie auf der Stra­ße ge­bet­telt, aber da ha­ben sie mich ins Ge­fäng­nis ge­steckt. Und als ich frei­kam, lag sie schon im Ster­ben. Mein Herz­blut ist aus­ge­dörrt bis auf den letz­ten Trop­fen. Man hat sie ver­hun­gern las­sen! Ich schwö­re bei Gott, dass es wahr ist. Sie ha­ben sie ver­hun­gern las­sen!«

Der Mann rauf­te sich das Haar und sank stöh­nend mit stie­ren Au­gen und Schaum vor dem Mund zu­sam­men.

Die ent­setz­ten Kin­der jam­mer­ten und wein­ten, aber die Alte, die bis­her stumm ge­blie­ben, als ob sie taub sei ge­gen al­les, was rings um sie her vor­ging, wies sie zur Ruhe. Dann lös­te sie dem Mann, der noch im­mer aus­ge­streckt auf dem Bo­den lag, das Hals­tuch und tau­mel­te auf den Lei­chen­be­stat­ter zu.

»Sie war mei­ne Toch­ter«, krächz­te sie und nick­te mit dem Kopf nach der Lei­che hin. Das blöd­sin­ni­ge Grin­sen, mit dem sie ihre Wor­te be­glei­te­te, wirk­te grau­en­haf­ter als selbst die Ge­gen­wart des To­des an ei­nem sol­chen Ort. »Gott, Gott«, ächz­te sie, »es ist so merk­wür­dig, dass ich, ihre Mut­ter, noch spre­chen und la­chen kann, wäh­rend sie hier liegt – kalt und starr. Gott Gott, es ist wie eine Ko­mö­die, es ist die reins­te Ko­mö­die.« Dann ki­cher­te die Arme wie­der wie eine Irr­sin­ni­ge. Der Lei­chen­be­stat­ter wand­te sich zum Ge­hen. »War­ten Sie, war­ten Sie«, rief ihm die Alte nach. »Wird sie mor­gen be­gra­ben oder erst über­mor­gen oder schon heut abend? Ich hab’ sie doch ge­bo­ren; da muss ich doch mit­ge­hen; ver­ste­hen Sie? Schi­cken Sie mir doch einen großen Man­tel – einen recht war­men Man­tel, es ist so kalt hier. Wir müs­sen auch Ku­chen und Wein be­kom­men, ehe wir ge­hen. Oder bes­ser: schi­cken Sie Brot her, einen Laib Brot und einen Krug Was­ser. Wer­den wir auch Brot be­kom­men, lie­ber Herr?« frag­te sie gie­rig und klam­mer­te sich an den Lei­chen­be­stat­ter, als die­ser zur Türe ge­hen woll­te.

»Ge­wiss, ge­wiss«, ant­wor­te­te Mr. So­wer­ber­ry, »na­tür­lich al­les, was Sie wol­len.« Dann be­frei­te er sich von dem Griff der Al­ten, zog Oli­ver hin­ter sich her und eil­te hin­aus.

Am nächs­ten Tag – man hat­te die Fa­mi­lie in­zwi­schen mit ei­nem hal­b­en Vier­tel­laib Brot und ei­nem Stück Käse ge­labt, was al­les Mr. Bum­ble in ei­ge­ner Per­son ge­bracht hat­te – kehr­te Oli­ver mit sei­nem Herrn in die elen­de Höh­le zu­rück, wo Mr. Bum­ble be­reits an­ge­kom­men war, von vier Ar­men­häus­lern, die das Amt der Lei­chen­trä­ger be­sor­gen soll­ten, ge­folgt. Ein al­ter schwar­zer Man­tel war der Grei­sin und ei­ner dem Mann über die Schul­tern ge­wor­fen wor­den; der ein­fa­che Sarg wur­de zu­ge­schraubt und auf die Stra­ße hin­un­ter­ge­tra­gen. »Schrei­ten Sie schnell aus, alte Dame«, flüs­ter­te So­wer­ber­ry der Grei­sin ins Ohr, »wir sind et­was spät dar­an und dür­fen den Herrn Pfar­rer nicht war­ten las­sen. Vor­wärts, Leu­te! So schnell wie mög­lich!«

Ihre Bür­de auf den Schul­tern, trot­te­ten die Trä­ger des Wegs. Die bei­den Leid­tra­gen­den hiel­ten sich, so gut sie konn­ten, in ih­rer Nähe, und Mr. Bum­ble und Mr. So­wer­ber­ry trab­ten ei­lig vor­aus. Oli­ver atem­los ne­ben ih­nen.

Die Eile war über­flüs­sig ge­we­sen, denn als sie den fins­tern trüb­se­li­gen Ar­men­kirch­hof er­reich­ten, in dem die Bren­nes­seln nur so wu­cher­ten, war der Geist­li­che noch nicht ge­kom­men, und der Küs­ter in der Sa­kris­tei glaub­te, dass es noch gut eine Stun­de dau­ern könn­te, be­vor er er­schei­nen wer­de. Die Bah­re wur­de am Rand des Gra­bes nie­der­ge­setzt, und die bei­den Leid­tra­gen­den war­te­ten ge­dul­dig auf dem feuch­ten Lehm­bo­den und in dem kal­ten Re­gen, der in Schau­ern her­nie­der­feg­te, wäh­rend die zer­lump­ten Gas­sen­jun­gen, die das Schau­spiel auf den Fried­hof ge­lockt, schrei­end und lär­mend zwi­schen den Lei­chen­stei­nen Ver­ste­cken spiel­ten oder zur Ab­wechs­lung ein­mal über den Sarg hin und her­spran­gen. Mr. So­wer­ber­ry und Mr. Bum­ble, die bei­de per­sön­li­che Freun­de des Herrn Küs­ters wa­ren, setz­ten sich zu ihm ans Feu­er und stu­dier­ten die Zei­tung.

End­lich nach mehr als ei­ner Stun­de sah man Mr. Bum­ble und Mr. So­wer­ber­ry zum Gra­be lau­fen, und gleich dar­auf er­schi­en der Geist­li­che, sich un­ter­wegs has­tig den Talar an­zie­hend. Mr. Bum­ble prü­gel­te noch rasch ein paar Gas­sen­bu­ben durch, und dann hiel­ten sei­ne Hoch­wür­den eine Grab­re­de, die ein paar Mi­nu­ten dau­er­te, über­ga­ben dem Küs­ter sei­nen Talar und ver­füg­ten sich wie­der nach Hau­se.

»Also los, Bill«, be­fahl Mr. So­wer­ber­ry dem To­ten­grä­ber, »los­ge­schau­felt!«

Das war bald ge­sche­hen, denn die Gruft war be­reits so voll, dass der Sarg nur we­ni­ge Fuß un­ter der Erd­ober­flä­che zu lie­gen kam.

Der To­ten­grä­ber schau­fel­te die Schol­len hin­ein und stampf­te sie ober­fläch­lich mit den Fü­ßen fest.

Die Gas­sen­bu­ben murr­ten, dass der Spaß so bald zu Ende war.

»Kom­men Sie, lie­ber Freund«, sag­te Mr. Bum­ble und klopf­te dem al­ten Mann auf den Rücken. »Der Kirch­hof wird gleich ge­schlos­sen wer­den.«

Nicht ein ein­zi­ges Mal hat­te sich der Mann, so lan­ge er ne­ben dem Gra­be ge­stan­den, ge­rührt, aber jetzt schreck­te er zu­sam­men, stier­te den Kirch­spiel­die­ner an, tau­mel­te ein paar Schritt vor­wärts und sank dann ohn­mäch­tig zu Bo­den. Die irr­sin­ni­ge Alte jam­mer­te fort­wäh­rend, dass man ihr den Man­tel wie­der ab­ge­nom­men habe, und fand gar kei­ne Zeit, sich mit dem Be­wusst­lo­sen ab­zu­ge­ben. Man schüt­te­te da­her eine Kan­ne kal­ten Was­sers über ihn, wor­auf er wie­der zum Be­wusst­sein kam, und dann wur­de das Tor ver­rie­gelt und je­der ging sei­nes We­ges.

»Na, Oli­ver«, frag­te Mr. So­wer­ber­ry den Lehr­jun­gen auf dem Heim­weg, »wie hat’s dir ge­fal­len?«

»Ich dan­ke, Sir, so­weit ganz gut«, ant­wor­te­te Oli­ver sto­ckend. »Ei­gent­lich nicht so be­son­ders.«

»Du wirst dich schon dran ge­wöh­nen«, trös­te­te So­wer­ber­ry. »Es wird schon ganz gut ge­hen, wenn du dich nur erst mal dran ge­wöhnt hast, Bur­sche.«

Oli­ver dach­te dar­über nach, wie lan­ge es wohl ge­braucht ha­ben möch­te, bis sich Mr. So­wer­ber­ry an der­glei­chen ge­wöhnt habe. Er un­ter­drück­te je­doch die Fra­ge und ging stumm in den La­den zu­rück.

6 – Oliver rafft sich, durch Noah gereizt, zu tatkräftigem Handeln auf.

Als der üb­li­che Pro­be­mo­nat vor­über war, wur­de Oli­ver in al­ler Form als Lehr­ling ins Ge­schäft ein­ge­stellt. Es war ge­ra­de so­zu­sa­gen Ster­be­sai­son, und nach Sär­gen herrsch­te rege Nach­fra­ge. Die äl­tes­ten Ein­woh­ner der Stadt konn­ten sich nicht er­in­nern, dass je­mals die Ma­sern so ge­wü­tet hät­ten, wie es ge­ra­de der Fall war. Da Oli­ver von jetzt an auch bei den meis­ten Be­gräb­nis­sen er­wach­se­ner Per­so­nen im Zuge mit­zu­ge­hen hat­te, um die nö­ti­ge Gleich­gül­tig­keit in Hal­tung und Ge­bär­den zu ler­nen, die ei­nem rich­ti­gen Lei­chen­be­stat­ter un­be­dingt nö­tig sind, so fand er gar oft Ge­le­gen­heit, die be­mer­kens­wer­te Stand­haf­tig­keit zu be­wun­dern, mit der ge­wis­se Leu­te, die sich ei­nes star­ken Ge­müts er­freu­ten, Ver­lus­te an Be­kann­ten, Freun­den und Ver­wand­ten zu tra­gen wuss­ten.

Be­fremd­li­cher­wei­se wirk­ten sol­che Bei­spie­le von Re­si­gna­ti­on nicht an­ste­ckend auf Oli­ver Twist; er kam viel­mehr nicht aus der Ver­wun­de­rung her­aus. Trotz­dem er­trug er ge­dul­dig mo­na­te­lang die schlech­te Be­hand­lung von sei­ten Noah Clay­po­les, der im­mer ge­häs­si­ger ge­gen ihn wur­de, da er sich zu­rück­ge­setzt fühl­te und kaum mit­an­se­hen konn­te, wie Oli­ver, der jün­ge­re Lehr­ling, tag­aus tagein im schwar­zen Rock und Flor aus­rücken durf­te, wäh­rend er, der Se­ni­or, sich mit Pelz­kap­pe und Le­der­ho­se be­gnü­gen muss­te. Char­lot­te be­han­del­te Oli­ver schlecht, weil Noah ihn schlecht be­han­del­te, und Mrs. So­wer­ber­ry war sei­ne aus­ge­spro­che­ne Fein­din, weil Mr. So­wer­ber­ry eher dazu neig­te, ihn freund­lich als un­freund­lich zu be­han­deln.

Ei­nes Ta­ges nun zur ge­wöhn­li­chen Mit­tags­stun­de wa­ren Oli­ver und Noah in die Kü­che hin­ab­ge­klet­tert, um sich an ei­ner knap­pen Ra­ti­on Ham­mel­fleisch vom schlech­tes­ten Na­cken­stück güt­lich zu tun, da wur­de Char­lot­te hin­auf­ge­ru­fen und Noah Clay­po­le, hung­rig und ver­bit­tert, glaub­te ihre Ab­we­sen­heit nicht bes­ser be­nüt­zen zu kön­nen, als sei­nen jun­gen Kol­le­gen zu hän­seln.

Als Ein­lei­tung leg­te er die Füße auf das Tisch­tuch, zupf­te Oli­ver an den Haa­ren, zwick­te ihn in die Ohren und gab der An­sicht Aus­druck, Oli­ver sei ein »Krie­cher«. Des wei­te­ren gab er der Hoff­nung Aus­druck, Oli­ver noch ein­mal am Gal­gen bau­meln zu se­hen, und dass es ihm auch auf den wei­tes­ten Weg nicht an­kom­men wer­de, falls ein­mal die­ses er­sehn­te Er­eig­nis ein­tre­ten soll­te. Da aber alle die­se hä­mi­schen Ver­su­che, Oli­ver zum Wei­nen zu brin­gen, fehl­schlu­gen, fing Noah Clay­po­le an, im­mer di­cker und di­cker auf­zu­tra­gen.

 

»Zucht­häus­ler!« rief er end­lich. »Was macht üb­ri­gens dei­ne Mut­ter?«

»Sie ist tot«, sag­te Oli­ver, »sprich nicht von ihr.«

Das Blut stieg ihm in die Wan­gen, und sei­ne Lip­pen zuck­ten selt­sam. Noah Clay­po­le hielt das für ein Vor­zei­chen, dass Oli­ver gleich in Trä­nen aus­bre­chen wür­de, und mach­te eine neue At­ta­cke.

»Woran ist sie denn ge­stor­ben, Zucht­häus­ler?« frag­te er.

»An ge­bro­che­nem Her­zen, hör­te ich die alte Wär­te­rin sa­gen«, mur­mel­te Oli­ver, mehr zu sich selbst spre­chend als zu sei­nem Kol­le­gen. »Ich glau­be, ich ver­ste­he, was das heißt.«

»A was, dum­mes Zeug, Zucht­häus­ler«, sag­te Noah, wäh­rend eine Trä­ne Oli­ver über die Wan­ge lief. »Was hat dich denn so plötz­lich zum Flen­nen ge­bracht?«

»Ach nichts«, er­wi­der­te Oli­ver, sich schnell die Au­gen trock­nend. »Du brauchst dir nichts dar­auf ein­zu­bil­den. Aber schweig jetzt, das rat ich dir.«

»Was? Ra­ten tust du’s mir?« rief Noah. »Ist das eine Frech­heit! Na, und dei­ne Mut­ter, das war auch so die Rech­te.« Da­bei nick­te er hä­misch mit dem Kopf und rümpf­te sei­ne klei­ne rote Stülp­na­se.

»Du tust mir ja leid, du Ar­men­häus­ler«, fuhr er, durch Oli­vers Schwei­gen kühn ge­macht, höh­nisch mit er­heu­chel­tem Mit­leid fort. »Aber es lässt sich mal nicht mehr än­dern. Du kannst ja auch nichts da­für und dau­erst mich ja von Her­zen. Aber dei­ne Mut­ter war halt – na, du weißt schon was.«

»Was sagst du da!« fuhr Oli­ver auf.

»Na ja, so eine ganz Schlech­te«, er­wi­der­te Noah kalt­blü­tig. »Für dich war es wohl das bes­te, du Ar­men­häus­ler, dass sie recht­zei­tig ins Grab ge­bis­sen hat, sonst wär sie jetzt im Zucht­haus oder am Gal­gen. Oder viel­leicht nicht?«

Pur­pur­rot vor Wut sprang Oli­ver auf, pack­te Noah an der Gur­gel und schüt­tel­te ihn, dass ihm die Zäh­ne im Mun­de klap­per­ten. Dann schlug er ihn mit ei­nem ein­zi­gen ge­schick­ten Hieb zu Bo­den.


Noch eine Mi­nu­te vor­her war Oli­ver das ru­higs­te sanf­tes­te Ge­schöpf der Welt ge­we­sen. Aber jetzt hat­te die scheuß­li­che Be­schimp­fung sei­ner Mut­ter sein Blut zum Wal­len ge­bracht. Sei­ne Au­gen blitz­ten, und er war völ­lig um­ge­wan­delt, wie er auf den fei­gen Quäl­geist, der vor ihm auf dem Bo­den lag, nie­der­blick­te.

»Er will mich er­mor­den«, heul­te Noah. »Char­lot­te! Mrs. So­wer­ber­ry! – Er schlägt mich tot – Hil­fe – zu Hil­fe! Oli­ver ist ver­rückt ge­wor­den. Char – lot­te!«

Ein lau­tes Ge­kreisch aus Char­lot­tens und ein noch lau­te­res aus Mrs. So­wer­ber­rys Mund war die Ant­wort, und gleich dar­auf kam das Dienst­mäd­chen in die Kü­che her­ein­ge­stürzt, wäh­rend die Meis­te­rin wohl­weis­lich auf der Trep­pe oben ste­hen blieb, bis sie sich ver­ge­wis­sert, dass nichts für sie auf dem Spie­le stän­de, wenn sie ganz die Trep­pe her­un­ter­käme.

»O du elen­des Un­ge­heu­er«, kreisch­te Char­lot­te und pack­te Oli­ver mit al­ler Kraft an der Brust. »Du – klei – ner – mord – gie­ri­ger – Schuft.« Und bei je­der Sil­be ver­setz­te sie dem ar­men Oli­ver zum Er­göt­zen der An­we­sen­den einen Hieb.

Ihre Faust war ziem­lich ge­wich­tig und hät­te Oli­vers Mord­lust, wenn eine sol­che vor­han­den ge­we­sen wäre, si­cher ge­dämpft. So aber kam auch noch Mrs. So­wer­ber­ry dazu, stürz­te in die Kü­che, hielt ihn mit ei­ner Hand fest und zer­kratz­te ihm mit der an­de­ren das Ge­sicht. Das gab na­tür­lich Noah sei­nen Mut wie­der zu­rück, er stand auf und be­gann von rück­wärts auf Oli­ver ein­zu­hau­en.

Die­ser über­stürz­te An­griff war doch et­was zu hef­tig, als dass er hät­te lan­ge dau­ern kön­nen. Als sich die drei müde ge­prü­gelt hat­ten und nicht mehr wei­ter konn­ten, schlepp­ten sie Oli­ver, der sich im­mer noch aus Lei­bes­kräf­ten wehr­te und aus vol­lem Hal­se schrie, in den Koh­len­kel­ler, wo sie ihn ein­sperr­ten. Dann sank Mrs. So­wer­ber­ry in einen Stuhl und brach in Trä­nen aus.

»O Gott, sie stirbt«, jam­mer­te Char­lot­te. »Ein Glas Was­ser, Noah! Was­ser! Schnell, schnell!«

»Ach, Char­lot­te, wir kön­nen Gott dan­ken, dass wir nicht längst alle in un­sern Bet­ten er­mor­det wor­den sind.«

»Ja, ja, es ist eine Gna­de des Him­mels, Ma­da­me«, er­wi­der­te das Dienst­mäd­chen. »Der arme Noah, er war schon halb tot, als ich her­ein­kam.«

»Der arme, arme Jun­ge«, rief Mrs. So­wer­ber­ry mit­lei­dig. Und auch Noah war ganz er­grif­fen und heu­chel­te ein paar Trä­nen.

»Was sol­len wir nur tun?« riet Mrs. So­wer­ber­ry. »Mein Mann ist nicht zu Hau­se, nie­mand ist da, und die Tür wird uns der Mord­bu­be in ein paar Mi­nu­ten ein­ge­tre­ten ha­ben.« Oli­vers ener­gi­sche At­ta­cken ge­gen die Bret­ter­wand des Koh­len­kel­lers lie­ßen ein sol­ches Er­eig­nis al­ler­dings als höchst wahr­schein­lich an­neh­men.

»O Gott, o Gott, ich weiß auch nicht, was wir tun sol­len, Mrs. So­wer­ber­ry«, jam­mer­te Char­lot­te. »Sol­len wir nicht viel­leicht nach der Po­li­zei schi­cken?«

»Oder nach dem Mü­li­där«, rief Mr. Clay­po­le.

»Nein, nein«, wi­der­sprach Mrs. So­wer­ber­ry, sich in die­sem Au­gen­blick an Oli­vers al­ten Freund er­in­nernd. »Lauf zu Mr. Bum­ble, Noah, und sage ihm, er sol­le doch gleich her­kom­men. Such erst nicht lang nach dei­ner Müt­ze, son­dern eil dich. Halt dir beim Lau­fen eine Mes­ser­klin­ge an dei­ne Beu­le, da ver­geht die Ge­schwulst am schnells­ten.«

Noah ließ sich nicht erst lan­ge Zeit, eine Ant­wort zu ge­ben, son­dern rann­te so schnell er konn­te, ein Mes­ser an sei­ne Stirn drückend, durch die Stra­ßen ins Ge­mein­de­ar­beits­haus.

7 – Oliver bleibt verstockt.

Noah Clay­po­le hielt nicht einen Au­gen­blick im Lau­fen inne und kam atem­los vor dem Tor des Ge­mein­de­ar­beits­hau­ses an. Ei­nen Au­gen­blick blieb er ste­hen, um eine mög­lichst kläg­li­che Mie­ne an­zu­neh­men, klopf­te dann laut und zeig­te dem al­ten Ar­men­häus­ler, der ihm öff­ne­te, ein so jam­mer­vol­les Ge­sicht, dass die­ser vor Er­stau­nen zu­rück­prall­te und frag­te: »Um Got­tes wil­len, was hast du denn, Jun­ge?«

»Mr. Bum­ble, Mr. Bum­ble«, schrie Noah in gut ge­heu­chel­ter Angst und so laut und gel­lend, dass Mr. Bum­ble, der ihn so­fort hör­te, au­gen­blick­lich ohne sei­nen Drei­spitz in die Flur ge­stürzt kam – ein deut­li­cher Be­weis, dass un­ter Um­stän­den so­gar ein Kirch­spiel­die­ner die Be­sin­nung ver­lie­ren und alle Wür­de au­ßer acht las­sen kann.

»Mr. Bum­ble, Mr. Bum­ble«, keuch­te Noah, »Oli­ver, Mr. Bum­ble, – Oli­ver – Oli­ver ist -«

»Was denn, was ist er denn?« frag­te Mr. Bum­ble, und ein Strahl von Freu­de leuch­te­te aus sei­nen glä­ser­nen Au­gen. »Doch nicht da­von­ge­lau­fen? So sprich doch, Noah!«

»Nein, Sir, nein, fort­ge­lau­fen ist er nicht, Sir. Aber mich, Char­lot­te und Mrs. So­wer­ber­ry hat er er­mor­den wol­len. O Gott, o Gott, Sir, – mein Hals, mein Kopf, mei­ne Brust – ich halts nicht aus vor Schmer­zen.«

Sein Jam­mer­ge­heul lock­te den Gent­le­man mit der wei­ßen Wes­te her­bei.

»Sir!« schrie Bum­ble. »Hö­ren Sie! Hier ist ein Jun­ge aus dem Wai­sen­stift, der von Oli­ver Twist bei­na­he er­mor­det wor­den wäre.«

»Se­hen Sie, se­hen Sie«, rief der Gent­le­man mit der wei­ßen Wes­te und blieb er­starrt ste­hen. »Hab ichs nicht gleich ge­sagt! Ich habe im­mer pro­phe­zeit: der Bur­sche wird noch ein­mal am Gal­gen en­den.«

»Und das Dienst­mäd­chen hat er auch er­mor­den wol­len«, stot­ter­te Mr. Bum­ble mit asch­fah­lem Ge­sicht.

»Und Mrs. So­wer­ber­ry auch«, setz­te Mr. Clay­po­le hin­zu.

»Und sei­nen Herrn eben­falls, nicht wahr, Noah?«

»Nein, der war aus­ge­gan­gen«, er­klär­te Noah, »sonst hätt er ihn si­cher auch er­mor­det.«

»So? Hat er das an­ge­droht?« frag­te der Gent­le­man in der wei­ßen Wes­te.

»Ja, Sir«, ant­wor­te­te Noah. »Und eine Emp­feh­lung von Mrs. So­wer­ber­ry, und Sie lässt fra­gen, ob Mr. Bum­ble nicht Zeit hat, gleich mit­zu­kom­men und ihn durch­zu­prü­geln, da der Herr Meis­ter nicht zu Hau­se ist.«

»Ge­wiss, mein Jun­ge, ge­wiss«, ver­si­cher­te der Gent­le­man mit der wei­ßen Wes­te und lä­chel­te gü­tig. »Du bist ein bra­ver Jun­ge – ein bra­ver Jun­ge. Hier hast du einen Pen­ny. Bum­ble, neh­men Sie mal gleich Ihren Stock und ge­hen Sie hin­über und tun Sie, was Sie kön­nen. Scho­nen Sie den Bur­schen nicht, Bum­ble!«

»Nein, ge­wiss nicht, Sir«, ver­sprach der Kirch­spiel­die­ner und rieb das Ende sei­nes Stockes mit Wachs ein, wie es im Kirch­spiel üb­lich war, wenn eine Prü­gel­stra­fe voll­streckt wer­den soll­te.

»Sa­gen Sie auch So­wer­ber­ry, dass er ihn ja nicht schont. Ohne Strie­men und Beu­len tuts der Laus­ben­gel nicht«, er­mahn­te der Gent­le­man mit der wei­ßen Wes­te.

»Ich wer­de die Sa­che schon be­sor­gen, Sir«, ver­sprach der Kirch­spiel­die­ner und mach­te sich mit Noah ei­ligst auf den Weg zum La­den des Sarg­tisch­lers.

Hier hat­ten die Din­ge in­zwi­schen kei­ne we­sent­li­che Än­de­rung er­fah­ren. Mr. So­wer­ber­ry war noch im­mer nicht zu­rück, im­mer noch schlug und stieß Oli­ver aus Lei­bes­kräf­ten ge­gen die Bret­ter­wand. Die Schil­de­run­gen, die Mrs. So­wer­ber­ry und Char­lot­te von sei­ner Wild­heit ga­ben, wa­ren so ver­blüf­fen­der Art, dass Mr. Bum­ble es für an­ge­bracht hielt, vor­erst ein­mal zu par­la­men­tie­ren, ehe er die Kel­ler­tü­re auf­sperr­te. Er leg­te zu die­sem Zweck sei­nen Mund an das Schlüs­sel­loch und rief mit Bass­s­tim­me hin­ein:

»Oli­ver.«

»Las­sen Sie mich hin­aus«, ant­wor­te­te Oli­ver von in­nen.

»Kennst du mei­ne Stim­me, Oli­ver?« forsch­te Mr. Bum­ble.

»Ja.«

»Und du fürch­test dich nicht vor mir? Du zit­terst nicht?«

»Nein«, ver­setz­te Oli­ver kühn.

Mr. Bum­ble war sprach­los vor Er­stau­nen. »Er muss ver­rückt ge­wor­den sein«, be­merk­te Mrs. So­wer­ber­ry.

»Nein, das ist nicht Ver­rückt­heit, Ma­da­me«, sag­te Mr. Bum­ble, »das macht das Fleisch.«

»Was?« rief Mrs. So­wer­ber­ry.

»Ja, ja, das kommt vom Flei­sches­sen, Mrs. So­wer­ber­ry. Da ha­ben Sies. Über­füt­tert ha­ben Sie ihn. Sie ha­ben sei­nen re­bel­li­schen Sinn ge­weckt. Und das war un­recht ge­han­delt, wie Ih­nen auch die Her­ren Amts­vor­stän­de, die ge­wiss er­fah­re­ne Män­ner sind, be­stä­ti­gen wer­den. Hät­ten Sie ihm wei­ter sei­nen Ha­fer­schleim ge­ge­ben, wäre so et­was nie pas­siert.«

»O Gott im Him­mel, Gott im Him­mel«, jam­mer­te Mrs. So­wer­ber­ry, die Au­gen fromm zur De­cke er­he­bend. »Das hat man da­von, wenn man li­be­ral denkt.«

Wie­der fing Oli­ver an, ge­gen die Bret­ter­wand zu häm­mern, da ging die Türe un­ten und Mr. So­wer­ber­ry kam nach Hau­se. Nach­dem ihm Oli­vers Mis­se­tat haarklein ge­schil­dert wor­den, wo­bei es an Über­trei­bun­gen na­tür­lich nicht fehl­te, rie­gel­te er un­ver­züg­lich die Kel­ler­tü­re auf und zog sei­nen re­bel­li­schen Lehr­jun­gen am Kra­gen her­aus.

Oli­vers Klei­der wa­ren in­fol­ge der Prü­ge­lei to­tal zer­ris­sen. Sein Ge­sicht war zer­kratzt und mit Beu­len be­deckt, und das Haar hing ihm wild über die Stirn. Aber im­mer noch lag die Zor­nes­rö­te auf sei­nen Wan­gen, und wie er her­aus­ge­zerrt wur­de, schoss er einen grim­mi­gen Blick auf Noah.

»Du bist mir ja ein net­ter Bur­sche«, schrie Mr. So­wer­ber­ry, schüt­tel­te ihn tüch­tig durch und gab ihm eine Ohr­fei­ge.

»Er hat mei­ne Mut­ter be­schimpft«, ant­wor­te­te Oli­ver.

»Na, was ist denn da wei­ter da­bei, du un­dank­ba­rer Tau­ge­nichts«, gell­te Mrs. So­wer­ber­ry. »Hat er da­mit viel­leicht nicht recht ge­habt.«

»Nein, er hat nicht recht ge­habt«, rief Oli­ver.

»Sie hat es ver­dient«, schrie Mrs. So­wer­ber­ry.

»Das ist eine Lüge«, er­klär­te Oli­ver kühn.

So­fort brach Mrs. So­wer­ber­ry in eine Flut von Trä­nen aus, die ih­rem Gat­ten kei­ne Wahl mehr wei­ter ließ. Woll­te er wirk­lich einen Au­gen­blick zö­gern, Oli­ver streng zu be­stra­fen, so gab es für ihn jetzt kei­ne Ent­schul­di­gung mehr; sei­ne Ehe­hälf­te wür­de ihm die schreck­lichs­ten Pre­dig­ten ge­hal­ten ha­ben. Er züch­tig­te Oli­ver da­her in ei­ner Wei­se, die Mr. Bum­bles Ein­grei­fen mehr als über­flüs­sig mach­te. Dann wur­de der klei­ne Mis­se­tä­ter bei Was­ser und Brot wie­der ein­ge­sperrt, und lan­ge noch ver­hän­sel­ten und be­schimpf­ten ihn Noah, Char­lot­te und Mrs. So­wer­ber­ry durch die Türe durch, bis auch sie sich end­lich schla­fen leg­ten.

 

Erst als es ganz still ge­wor­den, konn­te Oli­ver sich sei­nen Ge­füh­len über­las­sen. Al­len ih­ren Sti­che­lei­en hat­te er nur ein ver­stock­tes Schwei­gen ent­ge­gen­ge­setzt, und ohne ein ein­zi­ges Mal zu schrei­en, hat­te er die Züch­ti­gung sei­nes Meis­ters hin­ge­nom­men. Jetzt aber, wo nie­mand da war, der ihn se­hen konn­te, knie­te er nie­der, ver­barg sein Ge­sicht in den Hän­den und wein­te – wein­te, wie wohl we­ni­ge Kin­der vor ihm ge­weint ha­ben mö­gen.

Es dau­er­te lan­ge, bis er sich wie­der er­hob, und die Ker­ze brann­te schon tief im Leuch­ter, als er auf­stand. Vor­sich­tig späh­te er um­her und lausch­te ge­spannt. Dann müh­te er sich ab, den Rie­gel zu­rück­zu­schie­ben, was ihm end­lich ge­lang, und lug­te hin­aus.

Es war eine kal­te fins­te­re Nacht, und die Ster­ne schie­nen in viel grö­ße­rer Ent­fer­nung von der Erde, als Oli­ver sie je­mals ge­se­hen zu ha­ben sich er­in­ner­te. Kein Luft­hauch reg­te sich. Lei­se schloss er die Türe wie­der, und nach­dem er bei dem er­lö­schen­den Ker­zen­licht die we­ni­gen Klei­dungs­stücke, die er sein ei­gen nann­te, in ein Bün­del ge­schnürt, setz­te er sich auf eine Bank, um den An­bruch des Mor­gens zu er­war­ten.

Mit dem ers­ten Licht­strahl, der durch die Rit­zen des La­dens schi­en, er­hob er sich, – ein Schau­er­blick nach rück­wärts, ein Mo­ment der Un­ent­schlos­sen­heit, – dann hat­te er die Türe hin­ter sich ge­schlos­sen und stand drau­ßen auf der Stra­ße. Er blick­te nach rechts und links, un­ge­wiss, wo­hin er sich wen­den sol­le. Es fiel ihm ein, ein­mal ge­se­hen zu ha­ben, dass alle Wa­gen, wenn sie nach der Stadt fuh­ren, den Hü­gel hin­auf­wank­ten. Er schlug den­sel­ben Weg ein. Und als er auf der Land­stra­ße an­lang­te, schritt er rüs­tig wei­ter. Er kam am Ar­beits­haus vor­über. Nichts ver­riet, dass sei­ne In­sas­sen zu so frü­her Stun­de schon auf sein könn­ten. Oli­ver blieb ste­hen und späh­te in den Gar­ten. Ein Kind jä­te­te mit dem Spa­ten in ei­nem klei­nen Beet, hob sein blas­ses Ge­sicht, und Oli­ver er­kann­te die Züge ei­nes frü­he­ren Lei­dens­ge­fähr­ten. Er freu­te sich, dass er den klei­nen Jun­gen vor sei­nem Fort­ge­hen noch ein­mal sah, denn er war ihm, wenn er auch jün­ger als er war, ein lie­ber Freund und Spiel­ka­me­rad ge­we­sen. Sie hat­ten zu­sam­men ge­lit­ten, wa­ren zu­sam­men ein­ge­sperrt wor­den und hat­ten im­mer mit­ein­an­der hun­gern müs­sen.

»Heda, Dick«, sag­te Oli­ver, als der Jun­ge zum Ge­län­der ge­lau­fen kam und ihm sei­nen dün­nen Arm zum Will­kom­men durch die Stä­be reich­te. »Ist schon je­mand auf?«

»Nur ich.«

»Sag nicht, dass du mich ge­se­hen hast, Dick«, flüs­ter­te Oli­ver, »ich bin ge­flo­hen. Man hat mich ge­schla­gen und miss­han­delt. Ich gehe und such mir mein Glück wo an­ders. Wo, weiß ich noch nicht. Wie blass du aus­siehst.«

»Der Dok­tor hat ge­sagt, ich muss ster­ben – ich habs ge­hört«, ant­wor­te­te der Klei­ne mit ei­nem schwa­chen Lä­cheln. »Ich freue mich, dass ich dich noch ein­mal sehe, lie­ber Oli­ver. Aber halt dich nicht auf, geh rasch fort.«

»Ich will dir nur Le­be­wohl sa­gen«, ant­wor­te­te Oli­ver. »Ich wer­de dich schon noch wie­der­se­hen, Dick. Ich weiß es be­stimmt, Dick. Es wird dir noch ein­mal gut ge­hen und du wirst glück­lich wer­den.«

»Ich will es hof­fen«, er­wi­der­te der Klei­ne. »Aber erst, wenn ich mal ge­stor­ben bin; vor­her kann’s nicht sein. Der Dok­tor wird schon recht ha­ben, Oli­ver; und ich träu­me so viel vom Him­mel und von En­geln mit mil­den Ge­sich­tern, wie sie hier auf Er­den nicht sind. Komm, gib mir einen Kuss«, – der Klei­ne klet­ter­te auf das nied­ri­ge Git­ter­tor und schlang sei­ne Hän­de um Oli­vers Hals. »Leb wohl, lie­ber Freund, und Got­tes Se­gen.«

Der Se­gens­wunsch kam von den Lip­pen ei­nes klei­nen Jun­gens, aber es war der ers­te Se­gen, den Oli­ver zu hö­ren be­kam. In al­len Kämp­fen, in al­len Müh­sa­len und Lei­den, die ihn be­tra­fen, ver­gaß er ihn nie.