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Die kunstlichen Paradiese

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Erinnert euch das nicht ein wenig an Jean-Jacques, der auch dem Universum nicht ohne eine gewisse Wollust beichtete und denselben Triumphschrei (der Unterschied wenigstens ist gering) mit derselben Überzeugung und Ehrlichkeit auszustossen wagte? Der Enthusiasmus, mit dem er die Tugend betrachtete, die nervöse Weichheit, die ihm beim Anblick einer guten Tat oder beim Gedanken an all die schönen Handlungen, die er gern vollbracht hätte, die Tränen in die Augen trieb, genügten, um ihm ein äusserstes Gefühl seines moralischen Wertes zu geben. Jean-Jacques hat sich ohne Haschisch berauscht.

Soll ich die Analyse dieser siegreichen Monomanie weiter verfolgen, erklären, wie unter der Herrschaft des Giftes mein Held sich bald zum Mittelpunkt des Universums macht? Wie er zum lebenden und übertriebenen Ausdruck des Sprichwortes wird, welches besagt, dass die Leidenschaft aus sich selbst lebt ? Er glaubt an seine Tugend und an sein Genie: Errät man das Ende? Alle Dinge der Umgebung bedeuten ebensoviel Suggestionen, die in ihm eine Welt von Gedanken erregen, farbiger alle, lebendiger, zarter als je, und strahlend im magischen Glanz. »Diese herrlichen Städte,« sagt er sich, »in denen die herrlichen Gebäude wie kulissenhaft aufgebaut sind, – diese schönen, auf den Wellen des Hafens heimwehschwer schaukelnden Schiffe, die unseren Gedanken auszudrücken scheinen: Wann reisen wir in das Glück? – diese Museen in ihrem Überfluss schöner Formen und berauschender Farben, – diese Bibliotheken in denen die Arbeiten der Wissenschaft und die Träume der Musen sich stapeln, – diese vereinten Instrumente, die in einer einzigen Stimme singen, – diese bezaubernden Frauen, reizvoller noch durch die Kunst der Kleidung und die Sparsamkeit des Blicks, – all diese Dinge wurden für mich, für mich, für mich geschaffen! Für mich hat die Menschheit gearbeitet, hat sie gelitten, – ist sie geopfert worden, – um meinem unstillbaren Hunger nach Erregung, Wissen und Schönheit als Weide, als Pabulum zu dienen.«

Ich überspringe und kürze ab, keiner wird sich wundern, dass ein endlicher, höchster Gedanke dem Gehirn des Träumers entspringt: »Ich bin Gott geworden!«, dass ein wilder, brennender Schrei seiner Brust mit solch treibender Kraft sich entringt, dass, hätten Willen und Glauben eines trunkenen Menschen tatsächlichen Wert, dieser Schrei die Engel auf dem Wege des Himmels hinschmettern würde: »Ich bin Gott!« Aber bald verwandelt sich dieser Sturm des Stolzes in eine wohltemperierte, stumme,ausruhsame Glückseligkeit und die Universalität der Wesen zeigt sich in ihrer Buntheit wie in phosphoreszierendes Morgenrot getaucht. Wenn zufällig eine vage Erinnerung in die Seele dieses bedauernswerten Glücklichen gleitet: »gibt es nicht noch einen anderen Gott?«, so glaubt mir, dass er sich über diesen erheben wird, dass er seinen Willen verteidigen und ihm ohne Furcht entgegentreten wird. Welches war der französische Philosoph, der, um die modernen deutschen Doktrinen zu verspotten, sagte: »Ich bin ein Gott, der schlecht zu Mittag speiste.« Diese Ironie würde einen Haschischberauschten nicht treffen. Ruhig würde er antworten: »Es ist möglich, dass ich schlecht gespeist habe, aber ich bin ein Gott.«

Moral

Aber der andere Morgen! Der schreckliche andere Morgen, Erschlaffung und Ermüdung aller Organe, die Entspannung der Nerven, die brennende Lust zu weinen, die Unmöglichkeit bei einer Arbeit auszuharren, belehren dich grausam, dass du ein verbotenes Spiel gespielt hast. Die hässliche Natur, ihres gestrigen Glanzes beraubt, gleicht den traurigen Überresten eines Festes. Der Wille vornehmlich, dieses köstlichste aller Güter, ist angegriffen. Man behauptet, und es mag stimmen, dass der Haschisch keine körperlichen Schäden, zumindest keine grossen, verursacht, aber will man behaupten, dass ein zu jeder Tat unfähiger Mensch, der nur noch träumen kann, sich wirklich wohlbefindet, auch wenn seine Glieder gesund sind? Wir kennen im übrigen die menschliche Natur zur Genüge um zu wissen, dass ein Mensch, der sich durch einen Löffel Konfekt alsbald alle Wohltaten des Himmels und der Erde verschaffen kann, durch die Arbeit nicht den tausendsten Teil erreichen würde. Man stelle sich eine Stadt vor, deren sämtliche Bürger sich am Haschisch berauschten. Was für Bürger! Was für Soldaten! Was für Gesetzgeber! Selbst im Orient, wo sein Gebrauch so verbreitet ist, gibt es Regierungen, die die Notwendigkeit einsehen, ihn zu verbieten. Und in der Tat ist es den Menschen bei Strafe des Verfalls und des geistigen Todes verboten, die Grundbedingungen seiner Existenz zu stören und das Gleichgewicht seiner Fähigkeiten mit der Umgebung zu stören, in der er sich zu bewegen bestimmt ist – in einem Wort, sein Schicksal zu ändern, um es durch ein neues Fatum zu ersetzen. Erinnern wir uns Melmoths als wunderbaren Beispiels. Seine entsetzliche Qual liegt in dem Missverhältnis zwischen seinen wunderbaren Fähigkeiten, die er im Augenblick durch einen Pakt mit dem Teufel erwarb, und der Umgebung, in der er als Geschöpf Gottes zu leben gezwungen ist. Und keiner von denen, die er verführen will, willigte ein, ihm zu denselben Bedingungen sein furchtbares Privilegium abzukaufen. Wahrhaftig, jeder Mensch, der die Bedingungen des Lebens nicht annimmt, verkauft seine Seele. Es ist leicht, die Beziehungen zwischen den teuflischen Erfindungen der Dichter und den lebendigen Kreaturen, die Reizmitteln verfallen sind, herzustellen. Der Mensch wollte gut sein und bald fiel er infolge eines unbestimmbaren Moralgesetzes tief unter seine wahrhafte Natur. Eine Seele, die sich im Detail verkauft.

Balzac glaubte wohl, dass es für den Menschen keine grössere Schande noch grösseres Leid gäbe, als auf die Willenskraft zu verzichten. Ich traf ihn einmal in einer Gesellschaft, in der man über die wunderbaren Wirkungen des Haschisch sprach. Er hörte und fragte mit belustigender Aufmerksamkeit und Lebhaftigkeit. Die Leute, die ihn kennen, erraten, dass er interessiert sein musste. Aber die Idee, entgegen seinem Willen zu denken, stiess ihn heftig ab. Man bot ihm Dawamesk an; er betrachtete es, roch daran und gab es zurück, ohne es zu berühren. Der Kampf zwischen seiner fast kindischen Neugier und seinem Widerwillen gegen den Willensverzicht verriet sich in seinem ausdrucksvollen Gesicht in erstaunlicher Weise. Die Liebe zur Würde siegte, und in der Tat wäre es schwer, sich von diesem Theoretiker des Willens, diesem geistigen Zwillingsbruder Louis Lamberts vorzustellen, dass er einwilligen würde, auch eine Spur nur dieser kostbaren Substanz zu verlieren.

Trotz der wunderbaren Dienste, die Äther und Chloroform geleistet haben, erscheint es mir vom Standpunkt geistiger Philosophie aus, dass man alle modernen Erfindungen moralisch tadeln muss, die dahin zielen, die menschliche Freiheit und den unerlässlichen Schmerz zu vermindern. Nicht ohne Bewunderung vernahm ich einstmals das Paradoxon eines Offiziers, der mir von der grausamen Operation berichtete, der sich ein französischer General in El-Aghouat unterzog, und an der er trotz des Chloroforms starb. Dieser General war ein sehr tapferer Mann, etwas mehr sogar, eine jener Seelen, die man ohne weiteres mit ›chevaleresk‹ bezeichnet. »Er hätte«, erzählte er mir, »kein Chloroform gebraucht, sondern den Anblick der ganzen Armee und die Musik der Regimenter. So vielleicht wäre er gerettet worden!« Der Chirurg war nicht der Ansicht des Offiziers; aber der Feldgeistliche hätte diese Gefühle vielleicht bewundert.

Es ist wirklich übrig, nach all diesen Betrachtungen noch länger beim moralischen Charakter des Haschisch zu verweilen. Kein vernünftiger Mensch wird mir widersprechen, wenn ich ihn mit dem Selbstmord vergleiche, einem langsamen Selbstmord, mit einer immer blutigen und immer geschärften Waffe. Keine philosophische Seele wird den Vergleich ablehnen, wenn ich ihn der Hexerei und der Magie gleichsetze, die auf die Materie wirken und durch Geheimmittel, deren Unwirksamkeit ebensowenig wie ihre Wirksamkeit bewiesen ist, dem Menschen eine unerlaubte oder doch nur dann erlaubte Macht verleihen, wenn er deren würdig befunden wurde. Wenn die Kirche die Magie und die Hexerei verdammt, geschieht es, weil sie gegen die Absichten Gottes streiten, die Arbeit der Zeit unterdrücken, Reinheit und Moral überflüssig machen wollen; und sie, die Kirche, als gesetzmässig und wahr jene Schätze nur betrachtet, die durch guten freudigen Willen errungen werden. Den Spieler, der das Mittel fand, immer mit Gewinn zu spielen, nennen wir Falschspieler; wie werden wir den Menschen nennen, der mit wenig Geld Glück und Genie kaufen will? Die Unfehlbarkeit selbst des Mittels begründet seine Unmoral, ebenso wie die behauptete Unfehlbarkeit der Magie ihr das teuflische Stigma aufdrückt. Soll ich noch hinzufügen, dass der Haschisch, wie alle einsamen Freuden, den Menschen für die Menschen und die Gesellschaft unbrauchbar, dem Einzelwesen überflüssig macht, weil er ihn fortwährend zwingt, sich selbst zu bewundern, und ihn Tag um Tag dem leuchtenden Abgrund zutreibt, in dem er sich wie Narziss spiegelt.

Wenn aber der Mensch auf Kosten seiner Würde, seines freien Willens und seiner Ehrlichkeit aus dem Haschisch grosse geistige Vorteile ziehen, aus ihm eine Art Denkmaschine, ein nutzbringendes Instrument machen könnte? Diese Frage habe ich oft gehört und antworte darauf: Erstens erhöht, wie ich es schon ausführlich erklärt habe, der Haschisch im Menschen nichts als den eigenen Menschen. Allerdings ist dieser Mensch sozusagen potenziert und aufs äusserste gesteigert, und da er sich andererseits an die Eindrücke der Orgie erinnert, erscheint die Hoffnung auf deren Nutzbarmachung zunächst nicht ganz sinnlos. Aber sie mögen beachten, dass die Gedanken, aus denen sie so grosse Vorteile zu ziehen hoffen, in Wirklichkeit nicht so schön sind, wie sie es in ihrer augenblicklichen Verkleidung und mit magischem Rauschgold bedeckt scheinen. Sie stehen der Erde näher als dem Himmel und danken einen grossen Teil ihrer Schönheit der nervösen Erregung und der Gier, mit der der Geist sich auf sie stürzt. Und dann ist diese Hoffnung ein circulus vitiosus: nehmen wir für einen Augenblick an, dass der Haschisch Genie verleiht oder es zum mindesten steigert, so dürfen wir nicht vergessen, dass die Natur des Haschisch den Willen schwächt und so auf der einen Seite das fortnimmt, was er auf der anderen Seite gewährt; das heisst die Einbildungskraft ohne die Möglichkeit sie auszunutzen. Endlich weiss man, dass es selbst dann, wenn man einen Menschen annimmt, der geschickt und stark genug wäre, sich dieser Alternative zu fügen, eine weitere tragische und furchtbare Gefahr gibt, nämlich die der Gewöhnung. Denn jede Gewöhnung verwandelt sich alsbald in Notwendigkeit. Wer ein Gift zum Denken einnimmt, wird bald nicht mehr ohne Gift denken können. Stellt man sich den schrecklichen Anblick eines Mannes vor, dessen gelähmte Einbildungskraft ohne die Hilfe von Haschisch und Opium nicht mehr gehorcht?

 

Der menschliche Geist muss in der Philosophie ähnlich der Sternenbahn eine Kurve durchlaufen, die ihn an seinen Ausgangspunkt zurückführt. Enden heisst einen Kreis schliessen. Ich habe anfangs oft von diesem merkwürdigen Zustand gesprochen, in dem der menschliche Geist mitunter wie durch besondere Gnade dahinstürmte; ich habe gesagt, dass er im steten Wunsch, seine Hoffnungen neu zu beleben und sich in die Unendlichkeit zu erheben, in allen Ländern und zu jeder Zeit die unbändige Lust zu allen selbst gefährlichen Mitteln zeigte, die durch Steigerung seiner Person auch nur für einen Augenblick vor seinen Augen dieses zufällige Paradies hervorzaubern konnten, dieses Ziel aller Wünsche, und dass dieser wagemutige Geist, der, ohne es zu wissen, bis in die Hölle dringt, so seine ursprüngliche Grösse bewies. Aber der Mensch ist so verlassen nicht, nicht so bar aller ehrlichen Mittel, um den Himmel zu gewinnen, dass er sich unbedingt der Apotheke und Hexenkunst verschreiben muss; er braucht nicht seine Seele zu verkaufen, um die Freundschaft und die berauschenden Zärtlichkeiten der Houris zu bezahlen. Was bedeutet ein Paradies, das man mit seiner ewigen Seligkeit erkauft? Ich stelle mir einen Mann vor (soll er Brahmane, Dichter oder christlicher Philosoph sein ?), der auf dem schroffen Olymp seines Geistes steht. Um ihn herum die Musen Raffaels oder Mantegnas, die ihn über seine lange Fastenzeit und seine heissen Gebete trösten. Die edelsten Tänzer sehen ihn mit ihren sanftesten Augen und ihrem süssesten Lächeln an; der göttliche Apollo, dieser allwissende Meister, (der Francavillas, Albrecht Dürers, Goltzius'? gleichviel – hat nicht jeder, der es verdient, seinen Erfolg?) streicht die zitternden Saiten mit seinem Bogen. Unter ihm, am Fusse des Berges, mitten in Dornen und Schmerz schneidet die Masse der Menschen, der Haufen Heloten falsche Grimassen der Freude und stösst die Schreie aus, die ihr die Schmerzen des Giftes entreissen; der traurige Dichter spricht: »Diese Unglücklichen, die niemals fasteten noch beteten, die die Erlösung durch die Arbeit verweigerten, wollen durch die schwarze Magie die Mittel finden, sich mit einemmal in das übernatürliche Leben zu erheben. Die Magie betrügt sie, entzündet in ihnen ein falsches Glück und falsches Licht, während wir Poeten und Philosophen unsere Seelen durch stete Arbeit und Versenkung erneuert haben; durch die fleissige Übung des Willens und den ewigen Adel der Anstrengung haben wir für uns einen Garten voll wahrer Schönheit erschaffen. Auf die Worte vertrauend, nach denen der Glaube Berge versetzt, haben wir das einzige Wunder vollbracht, zu dem uns Gott die Möglichkeit verlieh.«

Teil 2
Der Wein

I
Vom Wein als Mittel, die Individualität zu steigern4

 Ein sehr berühmter Mann, der zu gleicher Zeit ein grosser Dummkopf war, zwei Dinge, die durchaus zueinander zu passen scheinen, wie ich es zu beweisen mehr als einmal das zweifelsohne sehr schmerzliche Vergnügen haben werde, wagte es, in einem Buch über die Gastronomie, unter besonderer Berücksichtigung der Hygiene und des Vergnügens, das Folgende im Artikel ›Wein‹ zu schreiben: »Der Stammvater Noah soll der Erfinder des Weines sein; es ist eine aus den Früchten der Rebe gewonnene Flüssigkeit.«

Und weiter? Nichts weiter. Das ist alles. Du kannst den Band nach allen Richtungen durchblättern, ihn nach allen Seiten wenden, ihn von hinten, über Kreuz, von rechts nach links und von links nach rechts lesen, du wirst kein weiteres Wort über den Wein in der Physiologie des Geschmacks des sehr berühmten und sehr geachteten Brillat-Savarin finden: »Der Urvater Noah … « und »ist eine Flüssigkeit … «

Ich will annehmen, dass ein Bewohner des Mondes oder irgendeines fernen Planeten auf unserer Welt reist, und müde von langen Märschen daran denkt, den Gaumen zu erquicken und den Magen zu erwärmen. Er will sich mit den Vergnügungen und den Sitten unserer Erde vertraut machen. Er hat irgendwo von köstlichen Flüssigkeiten sprechen gehört, mit denen die Bewohner der Erdkugel sich Lust, Mut und Heiterkeit verschaffen. Um sicher zu wählen, schlägt der Mondbewohner das Geschmacksorakel des berühmten und unfehlbaren Brillat-Savarin auf und findet im Artikel Wein diese kostbare Aufklärung: »Der Urvater Noah … « und »diese Flüssigkeit besteht … « Das ist völlig verdaulich. Das erschöpft die Sache gründlich, und wenn man diesen Satz gelesen hat, muss man unbedingt einen richtigen und klaren Eindruck von allen Weinen, ihren verschiedenen Eigenschaften, ihren Unzuträglichkeiten und ihrer Macht auf Magen und auf das Gehirn haben.

Ach, lieben Freunde, lest nicht Brillat-Savarin! »Gott beschütze die, die er liebt, vor überflüssiger Lektüre«; dies ist der erste Merksatz eines kleinen Buches von Lavater, eines Philosophen, der die Menschen mehr als alle alten und modernen Lehrer der Welt geliebt hat. Man hat keinen Kuchen nach Lavater getauft; aber die Erinnerung an diesen englischen Menschen wird unter den Christen noch leben, wenn die braven Bürger selbst den ›Brillat-Savarin‹ vergessen haben werden, ein törichtes Gebäck, dessen geringster Fehler es ist, zum Vorwand für ein Herunterleiern albern pedantischer Maximen aus dem berühmten Meisterwerk zu dienen.

Wenn eine neue Ausgabe dieses falschen Meisterwerkes den Verstand der modernen Menschlichkeit zu beleidigen wagt, dann, ihr traurigen Trinker, ihr fröhlichen Trinker, ihr, die ihr im Wein Erinnerung oder Vergessen sucht, und doch beides nie ganz vollkommen nach euren Wünschen findet, und darum den Himmel nur noch durch den Flaschenhintern betrachtet, vergessene und verkannte Trinker, werdet ihr dann ein Exemplar kaufen und Böses mit Gutem, Wohltat mit Gleichgültigkeit vergelten?

Ich öffne die Kreisleriana des göttlichen Hoffmann und finde dort ein merkwürdiges Rezept. Der pflichtbewusste Musiker muss Champagner trinken, um eine komische Oper zu komponieren. Er wird in ihm die sprudelnde und leichte Heiterkeit finden, die diese Art erfordert. Religiöse Musik braucht Rheinwein oder Jurancon; darin liegt wie auf dem Grund tiefer Gedanken eine berauschende Bitterkeit. Aber heroische Musik braucht unbedingt Burgunder: in ihm liegt Begeisterung und patriotischer Schwung. Das ist schon besser und, abgesehen von der Leidenschaft des Trinkers, finde ich darin eine Unparteilichkeit, die einem Deutschen grösste Ehre macht.

Hoffmann hatte ein merkwürdiges psychologisches Barometer erfunden, das dazu bestimmt war, ihm die verschiedenen Temperaturen und atmosphärischen Phänomene seiner Seele anzuzeigen; man findet solcherlei Einteilungen: Leicht ironischer, durch Nachsicht ausgeglichener Geist; Geist der Einsamkeit und vollkommener Selbstzufriedenheit; musikalische Heiterkeit, musikalischer Enthusiasmus, musikalischer Sturm, mir selbst unerträgliche sarkastische Heiterkeit, Wunsch, aus mir herauszutreten, äusserste Objektivität, Vermischung meines Wesens mit der Natur. Natürlich war das moralische Barometer Hoffmanns wie die wirklichen Barometer entsprechend der Entstehungsreihenfolge eingeteilt. Mir scheint, dass zwischen diesem psychischen Barometer und der Erklärung der musikalischen Eigenschaften der Weine eine auf der Hand liegende Ähnlichkeit besteht. Hoffmann begann in dem Augenblick Geld zu verdienen, da der Tod ihn holte. Das Glück lächelte ihm. Wie bei unserem lieben und grossen Balzac sah er in seinen letzten Tagen nun das Nordlicht seiner alten Sehnsucht aufflammen. In jener Zeit pflegten die Verleger, die sich um seine Erzählungen für ihre Almanache stritten, um ihn guter Laune zu machen, ihrer Geldsendung eine Kiste französischen Weines hinzuzufügen.

4Diese Arbeit erschien zuerst unter dem Titel: Vom Wein und vom Haschisch als Mittel usw. Der den Haschisch behandelnde Teil dieser Arbeit ist der erste Entwurf zu dem vorstehenden Aufsatz: Das Gedicht vom Haschisch. Da sie eine fast wörtliche Wiederholung dieser Arbeit ist, wurde darauf verzichtet, sie diesem Bande abermals beizufügen, und nur der den Wein behandelnde Teil des Essays übersetzt.