Die Vögelfarm

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Einsamer Jonathan

Die Julisonne schien auf das kleine Örtchen in Bayern. Unterpfaffenhofen gehörte zu München und lag weit von der Innenstadt entfernt. Die Landschaft war hügelig und geprägt von verstreuten Bauernhöfen. Das satte Grün der Wiesen und die vielen Wildblumen erfüllten die Frühsommerluft mit einem süßlichen Duft. Vogelgezwitscher begleitete Jonathans Weg. Er streifte durch die Wiesen, hielt seine Handflächen vom Körper abgespreizt nach unten, ließ sie von den Grashalmen kitzeln, und lauschte der Feldlärche. Es war warm, sodass Jonathan beschlossen hatte, ohne Shirt, nur mit langen Hosen und Gummistiefeln bekleidet, zu den Wiesen zu gehen. Dadurch würde sein Oberkörper bald eine knackige Bräune erhalten. Das passte zu seinem naturburschenhaften Aussehen, fand er. Er hatte sein braunes Haar bis in den Nacken wachsen lassen und sich seit Längerem nicht rasiert, sodass es an dichten Barthaaren nicht mangelte. Der plätschernde Wiesenbach faszinierte ihn, er floss über eine Natursteinstufe und das spritzige Wasser glitzerte in der Mittagssonne. Über den Bach spannte sich eine breite Holzbrücke, die bei jedem Schritt knarzte. Als er über die Brücke ging, hörten sich seine schweren Gummistiefel an, wie dumpfe Schläge auf eine Holztruhe. Der Bach teilte zwei große Wiesen voneinander, die Jonathan abwechselnd von seinen Rindern beweiden ließ. Heute war er unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen. Ob die Zäune dicht waren, ob es den Tieren gut ging und ob der Unterstand intakt war, falls es ein Gewitter gäbe. Hier und da rüttelte er prüfend an einem Zaunpfahl. Alle Tiere standen zufrieden grasend in der Sonne, alles war normal, es gab anscheinend keine besonderen Vorkommnisse.

Jonathan stieß einen grellen Pfiff aus und alle Rinder hoben den Kopf oder wackelten mit den Ohren. Zenzi, seine Lieblingskuh kam sogleich gemächlich schaukelnd auf ihn zu, wurde jedoch am Stacheldrahtzaun gestoppt. Jonathan streichelte und kraulte ihre breite Stirn, dass seine Finger in den dicken weißen Locken versanken und bewunderte die Anhänglichkeit dieser Kuh. Sie sah ihn mit großen Kulleraugen an. Wunderbar geschwungene, weiße Wimpern verdeckten das halbe Auge. Jonathan hatte diese Rasse zur Zucht gewählt, weil sie für überdurchschnittlich gute Fleischerträge und einer hohen Milchleistung bekannt war. Zenzi und die anderen wurden als Original Simmertaler Fleckvieh bezeichnet und Jonathan war stolz darauf, aus eigener Zucht schon über zwanzig Rinder großgezogen zu haben.

»Wenn ein Mädel so treu wäre, wie meine Kuh …« Verträumt strich er seinen Vollbart mit den Fingern der rechten Hand glatt und dachte daran, wie schön es wäre, eine Frau zum Kuscheln und Reden zu haben, die an seiner Seite die leichten landwirtschaftlichen Arbeiten erledigte oder den Haushalt schmeißen könnte. Eine Frau wäre eine himmlische Gabe, die sein Leben komplettieren würde. Er würde alles mit ihr teilen, das Frühstück und die Gefühle. Selbst die Lust am Sex würde sich in Sekundenschnelle entfalten.

Ein unerklärliches Gefühl der Sehnsucht übermannte ihn und ihm wurde bewusst, dass er endlich mit dem Suchen anfangen musste.

Er kehrte zu der Brücke zurück. Das Wasser hatte einen besonderen Klang, wenn es unter der Holzbrücke hindurchfloss. Es gluckerte dumpf unter dem Holz und rauschte hell und spritzig auf der anderen Seite heraus. Jonathan liebte diese Geräusche. Er verweilte auf der Brücke und dachte nach.

Er war achtundzwanzig, der einzige Sohn eines senil werdenden Großbauern und auf der Suche nach einer Frau. Es wurde Zeit, dass Jonathan echte Liebe und von Herzen kommende Zärtlichkeit kennenlernen sollte. Zwar hatte er Versuch unternommen, die Richtige zu finden, ab und zu ergab sich auch ein One-Night-Stand, aber ansonsten war alles ergebnislos geblieben. Jonathan war naturverbunden, passte sich seiner Umwelt an und war einer, der wusste, was es bedeutete, mit der Natur und ihren unvorhersehbaren Ereignissen zu leben.

Vielleicht war das der Grund: sein Leben war typisch ländlich.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte er. Irgendwo da draußen, wo das Leben der Stadt pulsierte, wartete sie vielleicht auf ihn. Er lehnte sich auf das breite Geländer der Holzbrücke, kaute auf einem dürren Grashalm und blickte in den blauen Himmel. Hinter dem Hügel, etliche Kilometer entfernt, hörte das Landleben auf. Dort musste er suchen. Es wurde ihm bewusster, je länger er darüber nachdachte. Sein Vater hatte ihm des Öfteren die Frau vom Nachbarhof ans Herz gelegt, doch sie war eine unsympathische Bohnenstange, ohne Form, ohne Stil und von einer unordentlichen Art. Und erst ihr Name. Elisabeth Genswürger. Jonathan musste unwillkürlich lachen, bei der Vorstellung, wie dieser Name vermutlich entstanden war. Die hätte ihm gerade noch gefehlt. Sie passte nicht zu ihm und hatte sicher keinen Sinn für die schönen Dinge im Leben. Überdies war sie mit ihren vierzig Jahren viel zu alt für ihn. Was sie wohl arbeitete? Jonathan wusste nichts über sie, außer was sein Vater und die Leute im Dorf erzählten.

Er dachte eine Weile über diese Frau nach, hob die Hand und winkte kopfschüttelnd ab. Lieber würde er noch einige Jahre suchen, bevor er sich auf Elisabeth einlassen würde. Er spuckte den Grashalm aus und ging weiter. Es war ein Juliwochenende, nicht zu heiß, nicht verregnet und Jonathans Lust auf eine neue Bekanntschaft stieg.

Heute Abend wollte er sich auf den Weg machen, beschloss er spontan. Samstagabend, da traf sich das halbe Dorf in der Stadt.

Er betrat das Haus.

»Wo warst du so lange?« Eine alte Stimme erklang aus dem hinteren Raum. Jonathans Vater war voller Sorge. Das war er immer, wenn Jonathan sich nicht abmeldete.

»Auf dem Feld. Ich habe die Zäune überprüft.«

»Sind sie in Ordnung?«

»Klar.«

»Ich habe heute Elisabeth getroffen.«

»Die Genswürger. Bitte fang nicht schon wieder damit an, Vater.« Jonathan wandte sich genervt ab. »Ich geh heute Abend aus.«

»Mit Elisabeth?« Der Alte neckte seinen Sohn bei jeder Gelegenheit.

»Vater!« Es würde noch in einem Streit enden, wenn er nicht aufhörte.

»Jaja, schon gut«, grummelte der Alte und schlurfte zu dem abgewetzten Ohrensessel, in dem er am liebsten saß. »Ich weiß nicht, was du an ihr so schrecklich findest. Es wäre hundertprozentig eine gute Verbindung, wenn sich die Höfe zweier Großbauern zusammenschließen würden. Die Grundstückegrenzen aneinander, es wäre perfekt, mein Junge!«

»Du denkst nur an den Reibach. Geld, Geld, Geld. Als wenn es das einzig Wichtige im Leben wäre.«

»Wieso? An was denkst du?«

»An Liebe. An aufrichtige Liebe und Zusammengehörigkeit. Dafür würde ich auf Reichtum verzichten.«

»Ach was!« Unwirsch wedelte der Alte mit der Hand. »Das gibt es heutzutage nicht mehr.«

»Für dich wahrscheinlich nicht mehr, aber ich glaube fest daran.«

»Glaub, was du willst. Ich hab mehr Lebenserfahrung, du wirst noch an mich denken.«

Jonathan bemerkte, dass auch dessen Laune sank. Bevor ihm der Vater seine Meinung geigen würde, sollte er lieber verschwinden.

»Das werden wir sehen. Ich geh jetzt in die Stadt und sehe mich um«, erklärte Jonathan und konnte einen leicht erbosten Gesichtsausdruck nicht zurückhalten.

»Viel Spaß und treib es nicht zu doll!« Ein raues Lachen drang aus dem faltigen Hals des alten Herrn.

Jonathan lächelte gespielt und verließ das Zimmer, um sich im Bad fertigzumachen.


»Marie-Claire, bist du da?«, rief Susanna in den langen Flur des alten Jugendstilhauses.

Ihre Stimme hallte in dem hohen Korridor wider. Sie hielt den Messingtürknauf in der Hand und wartete eine Antwort ab. Wenn Marie-Claire Besuch erwartete, ließ sie die Tür meist offen stehen. Sie kannten sich seit der Schulzeit und waren ein Herz und eine Seele, wenn es darum ging, dieselbe Musik zu hören oder am Wochenende essen zu gehen. Beim Italiener waren sie am liebsten. Sie hatten ziemlich gleiche Ansichten und das war es, was diese Freundschaft für Susanna besonders wertvoll machte, obwohl sie sich äußerlich deutlich voneinander unterschieden. Marie-Claire war im Vergleich zu Susanna hibbeliger, lauter und direkter. Sie nahm kein Blatt vor den Mund. Sie war rastlos, wie ein Hai, der das Wasser mit seiner spatenartigen Flosse zerpflügt. Susanna dagegen war wie ein Manta in der Weite des Stillen Ozeans, ruhig und beharrlich. Kaum etwas konnte sie aus der Ruhe bringen. Zusätzlich war sie kleinlaut und schüchtern. Sie hatte es schwer, aus sich herauszugehen und sich an allem zu beteiligen. Sie war eher das Mäuschen, das bei kleinster Gefahr davonhuschte und sich versteckte. Gut, dass Marie-Claire ihre beste Freundin war, durch sie fand sie den Ansporn, den sie brauchte. Sie war ihr Anschubser, wenn sie sich nicht traute.

Marie-Claire wohnte allein in dem alten Jugendstilhaus. Für ihre sechsundzwanzig Jahre war sie äußerst selbstbewusst. Ihr langes blondes Haar hatte eine rote Strähne an der Seite, was ihr einen teuflischen, sexy Touch verlieh. Wenn Marie-Claire ausging, sah sie elegant aus und ihre schlanke Figur ließ sie ständig von Männern umringt sein. Dann drehte sie besonders betonend ihre Hüften und fuhr sich provokant mit den Fingern durchs volle Haar, als sei sie mit Marilyn Monroe verwandt. Nicht selten wurde um sie geworben, als wären die Männer aufgeblasene Truthähne, die gurrend um sie herumschwänzelten. Susanna wünschte sich eine Portion von Marie-Claires Selbstbewusstsein und auf ihre Attraktivität war sie neidisch. Sie konnte nichts daran ändern, Marie-Claire war nun mal schlanker und begehrenswerter als sie. Insgeheim hatte sie beschlossen, möglichst viel von Marie-Claire abzugucken und zu lernen, wie man Männer um sich scharte.

 

»Komm rein, ich bin im Bad.«

Susanna machte sich auf den Weg über den langen Flur durch das gemütliche Wohnzimmer. Am anderen Ende des Raumes war das Bad. Marie-Claire lugte um den Türpfosten herum und hielt eine Lockenbürste in der Hand, die sich anscheinend in ihren goldblonden Haaren verfangen hatte. In der anderen Hand hielt sie einen Fön.

»Oh, du bist noch beschäftigt?« Susanna sah zur Seite und beschloss, auf dem bequemen Sofa Platz zu nehmen und zu warten.

»Ich bin gleich fertig«, rief Marie-Claire und ließ den Fön blasen.

Hatte Susanna richtig gesehen? Marie-Claire hatte nichts an. Nackt und ungeniert stellte sie sich erneut in den Türrahmen und lächelte Susanna zu. Das war typisch für sie. Marie-Claires Wesen war offenherzig und unverblümt. Sie sagte, was sie meinte und tat, wonach ihr war. Es gab kaum eine Situation, derer sie sich schämte. Ihre Art, sich zu zeigen, schien ohne moralische Grenzen zu sein. Zumindest in ihrem Freundeskreis. Sie war wie ein Wirbelwind, ständig unterwegs, hatte den Terminplaner stets griffbereit. Es schien, als bräuchte sie keine Ruhepausen und gleich nach Feierabend ging es erst richtig los. So ein Leben wäre für Susanna zu stressig, sie brauchte ihre Tasse Kaffee nach Feierabend und eine Ruhepause, bevor sie wieder loslegen konnte. Heute Abend erhoffte sich Susanna ein gutes Gespräch, aus dem hervorging, was sie tun könnte, um ebenfalls bei den Männern erfolgreich zu sein. Susanna lehnte sich zur Seite und beobachtete, wie Marie-Claire ihre üppigen Haare in den kräftigen Wind des Föns hielt. Sie neigte ihren Kopf, dass der Fön ihre blonde Mähne nach oben blies. Was für ein Bild!

Die Haare sahen aus, wie ein Fächer aus goldblonden Fäden, die sich zu einer flauschigen Matte vereinten und in kunstvollen Luftwirbeln tanzten. Die rote Strähne zuckte wie eine Feuerflamme. Susanna hatte ebenfalls blondes Haar, aber nicht dermaßen goldblond, füllig und schön über die Schultern fallend. Ihre Haare waren von dunklerem Blond und ziemlich dünn. Sie hatte es schwer, aus diesen Fransen eine Frisur zu machen, doch das machten ihre großen blauen Augen wieder wett. Sie betrachtete Marie-Claires makellosen, schlanken Körper. Ihre Schultern waren leicht muskulös. Ihre Rundungen waren optimal, sie hatte eine schmale Taille, die nach unten hin in einem wohlgeformten runden Hintern endete. Warum gab es so eine ungerechte Verteilung? Susanna kam sich neben Marie-Claire vor, wie eine Passantin, die durch ein Schaufenster auf die Modepuppen starrt. Marie-Claires Brüste waren prall und wesentlich größer als eine Handvoll. Es schien der einzige Aspekt zu sein, bei dem Susanna punkten konnte, ihr Busen war noch größer. Unwillkürlich musste sie grinsen und freute sich, dass sie auch Vorzüge besaß. Es war sogar schon einmal vorgekommen, dass sie einen gierigen Männerblick bemerkt und insgeheim genossen hatte. Sie traute sich nur nicht, so offen wie Marie-Claire zu sein. Aber in ihrer Fantasie streckte sie oft ihre Brust nach vorn, dass sie sich selber auf den Ausschnitt sehen konnte. Ihre straffen 90DD konnten sich sehen lassen. Niemand aus ihrem Bekanntenkreis konnte mit ihr konkurrieren. Susannas Rundungen passten optisch gut zusammen und darauf war sie stolz.

Sie ließ ihren Blick weiter über Marie-Claires Körper gleiten. Ihre Beine waren schlank und unendlich lang. Wenn sie High Heels trug, sah es aus, als wollten die Beine kein Ende nehmen.

Die wohlgeformten Waden und die sportlichen Füße sahen perfekt aus. Kein Wunder, dass sie ständig von Männern umschwärmt wurde. Sie hatte das Aussehen einer Barbie und Susanna fand sie wunderschön. Sie seufzte, als sie daran dachte, dass sie nicht zu der Sorte Frau zählte, die nur mit dem Finger schnippen brauchten, um scharenweise Männer anzuziehen, die sich hinterher gern verführen ließen. Ob sie es irgendwann schaffen würde, sich so geben zu können wie Marie-Claire?

Marie-Claire stellte den Fön aus und legte ihn im Bad beiseite. Was kam jetzt? Das Gegenteil von einem Strip? Ein Anzieh-Augenschmaus? Das gehörte sich doch nicht! Susanna hielt sich eine Hand über das halbe Gesicht, um ihre Augen sofort verdecken zu können, wenn Marie-Claire sie als Voyeur erwischen sollte. Sie schämte sich, ihr zuzusehen, konnte aber den Blick nicht von ihr abwenden.

Marie-Claire zog sich an, statt aus. Lasziv forderte sie Susanna mit Blicken auf, ihr zuzusehen. Zuerst legte sie einen schwarzen Spitzen-BH an, den sie mit verrenkten Armen auf dem Rücken verschloss. Sie stieg in den passenden Spitzenstring und kehrte mehr als aufreizend Susanna den Rücken zu. Erst mit dem letzten Schulterblick ließ sie Susanna aus den Augen. Sie drehte locker und auffallend langsam ihre Hüften, um den String näher an den Po zu ziehen. Sie fasste ihn jeweils links und rechts mit den Fingerspitzen an und reckte ihren Po in Susannas Richtung. Ab den Knien rutschte das dünne Stöffchen höher, bis es die Po-Hälften erreicht hatte. Es sah überaus aufreizend aus, als der Faden in der Ritze verschwand.

Als sich Marie-Claire die schwarzen Nylonstrümpfe überzog, stellte sie einen Fuß auf den Badehocker, schlüpfte in den Anfang des zusammengerafften Strumpfes und streifte ihn sich mit langsamen Bewegungen über das Bein. Die Strümpfe hielten von selbst auf der Haut, eine Gummibeschichtung auf den Halterlosen verhinderte das Heruntergleiten. Das Gleiche machte sie mit dem anderen Bein, bis beide Beine am Ende des Oberschenkels perfekt in den schwarzen Nylons steckten.

Dann machte sie eine aufreizende Umdrehung und stieg in einen schwarzen Minirock, den sie mit windenden Bewegungen ihres Beckens in die richtige Position zog. Sie bückte sich und ließ einen minimalen Einblick zur Pobacke zu, der String blitzte kurz hervor. Wie geil war das denn? Die Beine ließ sie kerzengerade durchgestreckt.

Susanna wusste nicht, ob sie die Szene wirklich beobachten sollte, obwohl Marie-Claire sie am Anfang mit ihrem Blick gefangen genommen hatte.

Anschließend war die neckische rote Spitzenbluse an der Reihe, die mit ihrem halbtransparenten Stoff total sexy aussah.

Marie-Claire hatte sich auf den Badehocker gesetzt und knöpfte ihre Bluse von unten angefangen zu, bis kurz über ihrem Busenansatz. Der schwarze BH schimmerte durch den Stoff. Ihr runder und wohlgeformter Busen füllte die Bluse und Marie-Claire sah filmreif aus. Ihr Blick traf auf Susanna, die sofort die Hand über ihrem Gesicht ausbreitete und Marie-Claire zwischen zwei Fingern weiter zusah.

Marie-Claire lachte.

Susanna konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob Marie-Claire sie ausgelacht hatte, oder ob es Teil der Show war. Sie beobachtete weiter fasziniert, wie sich die schöne Marie-Claire herausputzte. Am Schluss zog sie sich schwarz glänzende High Heels an, hob ein Bein in die Höhe, sodass sie akrobatisch in den Schuh steigen konnte und das schmale Riemchen seitlich der schlanken Fessel schloss.

Susanna hatte ihre Hand heruntergenommen und starrte fasziniert auf die unendlich langen Beine. Marie-Claire erhob sich vom Badehocker. Sie war fertig gestylt, bis auf ihr Gesicht. Das bekam ein samtenes Make-up mit dunklem Rouge. Ihre Augen strahlten durch grünen Lidschatten und geschwungen gezogenen Kajal. Zum Abschluss nebelte sie eine Portion Haarspray über ihre Frisur und betonte die rote Strähne. Der ferrari-rote Lippenstift durfte nicht fehlen.

Nach dem Schminken kam Marie-Claire auf Susanna zu. »Na? Hat es dir gefallen?«

»Du solltest in einem Striplokal arbeiten, das war echt unterhaltsam.«

Marie-Claire lachte lauthals. »Ich wollte wissen, ob du es gut fandest. Den Männern gefällt es, ich habe es letzte Woche ausprobiert. Ich sollte es vielleicht meinen Mädels beibringen.«

»Bei wem hast du es ausprobiert?«

»Stell dir vor, bei Ricardo Foresee.«

»Nein, im Ernst? Seid ihr denn zusammen? Ich meine, ein Paar?«, stammelte Susanna irritiert.

»Na klar, was denkst du denn? Meinst du, ich könnte solch geheimnisvollen Augen widerstehen?«

Es fühlte sich an, wie ein Stich ins Herz. »Wann hast du ihn kennengelernt?«, fragte sie enttäuscht und mit gedämpfter Stimme.

»Letzte Woche.« Marie-Claire sah anscheinend nicht, was in Susanna vorging.

Susanna fand es unendlich schade, sie erinnerte sich, wie sie von seinen Verführungskünsten geträumt hatte, nachdem sie zu ihm gegangen war. Doch wie hätte es sonst kommen sollen? Es wäre zu schön gewesen, wenn sich für Susanna gleich beim ersten Kontakt mit einem Mann ein Traum erfüllt und sie ihn bekommen hätte. Wehmütig tat sie es als verpasste Chance ab.

Wenn sie ihn nur früher kennengelernt hätte! Wenn sie Marie-Claire zuvorgekommen wäre … Sie schüttelte innerlich den Kopf und drückte die große Enttäuschung hinunter, die in ihr aufstieg und sich als Kloß in ihrem Hals festsetzen wollte. Am besten nichts anmerken lassen. Aber Moment mal! Susanna spürte einen Verdacht aufkeimen, erst durch Marie-Claire hatte sie Ricardo kennengelernt. Hatte Marie-Claire etwas mit dem Date zu tun?

»Sag nicht, du steckst dahinter. Marie-Claire?« Susannas Stimme hatte einen leicht drohenden Unterton bekommen.

»Hast du ihm von mir erzählt?«, fragte Susanna.

»Ö, nein. Ich äh … habe ihn ungefähr zur gleichen Zeit entdeckt. Ich weiß von nichts.«

»Schwöre es!«

»Im Ernst«, verteidigte sich Marie-Claire und hob die rechte Hand zum Ehrenwort.

»Da hast du bedenkenlos einen Strip hingelegt?«

»Nach dem Kartenlegen sind wir noch in ein gemütliches Lokal namens Irish Love gefahren und haben uns einen schönen Abend gemacht«, versuchte Marie-Claire abzulenken. »Es kam, wie es kommen musste, du weißt schon, was ich meine. Erst später in seiner Wohnung habe ich mein Bestes gegeben. Ich hab mich vor ihm ausgezogen und dann sind wir in der Kiste gelandet.«

Marie-Claire lächelte zwinkernd und Susanna stieg Hitze ins Gesicht.

»Du brauchst nicht rot zu werden.« Marie-Claire grinste.

War ihre Freundin wirklich so blind? Konnte sie nicht sehen, wie Susanna litt?

»Wie war das eigentlich mit der Sitzung und dem Kartenlegen?

Hat es dir gefallen? Hat Ricardo gut erklärt, was dich erwartet?«

»O ja, er hat mir mystische Dinge erzählt. Viele Sachen haben gestimmt, einiges war rätselhaft und er empfahl mir eine Veränderung. Ich wollte mit dir darüber reden. Was denkst du, soll ich machen? Soll ich woanders hinziehen? Soll ich mein Aussehen verändern?«

»Erzähl mir genauer, was du meinst.«

»Diese Unruhe, weißt du? Etwas nervt mich schon lange, ich wusste nicht, was es war. Durch Ricardo bin ich drauf gekommen. Die Arbeit, die ewig dasselbe ist. Die lebhafte Straße mit dem ständigen Straßenverkehr und der quietschenden Tram, meine lauten, spießigen Nachbarn mit den Kindern. Ich finde kaum noch Ruhe. Es würde mir viel besser gefallen, wenn meine Umgebung ruhiger wäre. Meine Wohnung sperrt mich irgendwie ein, ich kann nicht frei denken. Ich will hier raus. Ich muss hier weg!«

In diesem Moment wollte Susanna auch von Marie-Claire getrennt sein. Aus Neid, aus Scham oder vor Misstrauen. Sie konnte immer noch nicht verstehen, warum Ricardo nicht sie gewollt hatte, sondern Marie-Claire. Aber sie war ihre Freundin und sie wollte sich nicht mit ihr streiten. Schon gar nicht um einen Mann. Da würde Susanna den Kürzeren ziehen.

»Nimm dir nicht zu viel auf einmal vor. Ich würde dir ein Fitnessstudio empfehlen, dort wirst du dich kräftigen können, im körperlichen wie im psychologischen Sinn. Dein Körper wird es dir danken und du fühlst dich nachher viel besser. Du wirst mutiger und hast viel mehr Energie. Danach kannst du dir ein größeres Ziel stecken.«

»Ja, neue Energie, das könnte ich jetzt gut gebrauchen. Zeigst du mir, wie das geht?«

»Nein, das zeigen dir die Trainer, aber ich kann gern mitkommen, wenn du willst.«

Susanna nickte erleichtert. Ein anderes Thema würde sie schnell vergessen lassen, was sie vorhin noch gedacht hatte. Auf einmal hatte sie das Gefühl, ihr Ego würde größer werden. Ab jetzt ging es um ihre Zukunft. Das Fitnessstudio war ein Anfang, der eventuell ihr ganzes Lebensbild verändern würde.

 

Morgen ging Marie-Claire zum Training, wie sie es jeden zweiten Tag tat. Sie würde Susanna mitnehmen. Sie war neugierig auf das, was kommen würde. Bestimmt würde sie vor Aufregung heute Nacht nicht schlafen können.

»Darauf müssen wir anstoßen! Lass uns noch weggehen. Komm, schlag ein!« Marie-Claire hob die Handfläche und Susanna klatschte die ihre dagegen.

Marie-Claire sollte heute der nach vorn treibende Peitschenknall sein, falls Susanna sich wieder wie ein Esel benehmen würde.