Dienstanweisung für einen Unterteufel

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IV

Mein lieber Wormwood, die stümperhaften Vorschläge in deinem letzten Brief machen mich darauf aufmerksam, dass es höchste Zeit ist, dich ausführlich über das schmerzliche Thema Gebet aufzuklären. Den Kommentar, mein Rat bezüglich seiner Gebete für seine Mutter habe sich »als außerordentlich unglücklich erwiesen«, hättest du dir sparen können. Dergleichen sollte ein Neffe sich nicht gegenüber seinem Onkel herausnehmen – geschweige denn ein junger Versucher gegenüber einem Staatssekretär eines Ministeriums. Darin offenbart sich auch eine unerfreuliche Neigung, die Verantwortung von dir zu schieben. Du musst lernen, für deine eigenen Fehler zu bezahlen.

Das Beste ist, wo immer möglich, den Patienten ganz und gar von der ernsthaften Absicht zu beten abzuhalten. Ist der Patient, wie dein Mann, ein Erwachsener, der sich erst kürzlich wieder zur Partei des Feindes bekehrt hat, so erreicht man das am besten, indem man ihn dazu bringt, sich an die papageienhafte Natur seiner Kindheitsgebete zu erinnern – oder sich einzubilden, er erinnere sich an sie. Als Gegenreaktion lässt er sich möglicherweise überzeugen, etwas gänzlich Spontanes, Innerliches, Informelles, Ungeregeltes anzustreben. Für einen Anfänger bedeutet das in Wirklichkeit die Bemühung, in sich eine verschwommen andächtige Stimmung hervorzurufen, in der wirkliche Konzentration des Willens und Verstandes keine Rolle spielt.

Einer von ihren Dichtern, Coleridge, hat geschrieben, er bete nicht »mit sich bewegenden Lippen und gebeugten Knien«, sondern er »sammle seinen Geist zum Lieben« und gebe einem »Gefühl der Fürbitte« nach.

Das ist genau die Art von Gebet, die wir brauchen. Da es eine oberflächliche Ähnlichkeit zu dem stillen Gebet aufweist, wie es diejenigen praktizieren, die im Dienst des Feindes schon weit fortgeschritten sind, kann man pfiffige und faule Patienten dadurch recht lange täuschen. Zumindest kann man ihnen weismachen, dass ihre Körperhaltung für ihre Gebete keine Rolle spielt. Denn sie vergessen ständig, was du stets bedenken musst, nämlich dass sie Tiere sind und dass alles, was ihr Körper tut, auch ihre Seele beeinflusst. Es ist zu komisch, dass die Sterblichen sich immer vorstellen, wir würden ihnen Dinge in den Kopf setzen: In Wirklichkeit erzielen wir die besten Ergebnisse, indem wir Dinge daraus fern halten.

Sollte das fehlschlagen, musst du darauf zurückgreifen, seine Absicht unauffälliger in eine falsche Richtung zu lenken. Wann immer sie ihre Aufmerksamkeit auf den Feind selbst richten, sind wir geschlagen, aber es gibt Möglichkeiten, sie davon abzuhalten.

Die einfachste ist, ihren Blick von ihm weg und auf sich selbst hin zu lenken. Lass sie immerzu ihren eigenen Geist beobachten und versuchen, dort durch einen Akt ihres eigenen Willens Gefühle hervorzubringen.

Wenn sie vorhatten, ihn um Nächstenliebe zu bitten, lass sie stattdessen versuchen, aus sich selbst heraus Gefühle der Nächstenliebe zu fabrizieren, freilich ohne dass sie merken, was sie da tun.

Wenn sie vorhatten, um Mut zu beten, lass sie in Wirklichkeit versuchen, sich mutig zu fühlen. Wenn sie sagen, sie beten um Vergebung, so lass sie versuchen, sich zu fühlen, als sei ihnen vergeben.

Lehre sie, den Wert jedes Gebetes daran zu messen, inwieweit es ihnen gelungen ist, das erwünschte Gefühl hervorzubringen. Lass sie nie auf den Gedanken kommen, wie stark ein derartiges Gelingen oder Misslingen davon abhängt, ob sie im jeweiligen Moment gesund oder krank, erfrischt oder müde sind.

Freilich wird der Feind in der Zwischenzeit nicht untätig bleiben. Wo immer gebetet wird, besteht die Gefahr, dass er selbst unmittelbar eingreift. Er ist von geradezu zynischer Gleichgültigkeit gegenüber der Würde seiner und unserer Stellung als reine Geister, und menschliche Tiere auf Knien überschüttet er in ganz schamloser Weise mit Selbsterkenntnis. Doch selbst wenn er deinen ersten Versuch der Ablenkung zunichte macht, haben wir noch eine subtilere Waffe.

Die Menschen haben zunächst einmal nicht seinen unmittelbaren Anblick vor Augen, den wir unglücklicherweise nicht vermeiden können. Sie kennen noch nicht jenes grausige Leuchten, jenen durchbohrenden und schneidenden Glanz, der unser Leben mit einem Hintergrund ständigen Schmerzes unterlegt. Wenn du in den Geist deines Patienten blickst, während er betet, wirst du davon nichts finden. Siehst du dir das Objekt näher an, auf das er seine Aufmerksamkeit richtet, so wirst du feststellen, dass es sich aus vielen völlig lächerlichen Zutaten zusammensetzt. Darin werden Bilder enthalten sein, die aus Darstellungen des Feindes stammen, wie er während jener schmachvollen Episode aussah, die wir als die Inkarnation kennen; dann werden da noch verschwommenere – vielleicht sogar ziemlich primitive und infantile – Vorstellungen sein, die sich auf die anderen beiden Personen beziehen. Selbst etwas von seiner eigenen Ehrfurcht (und von den körperlichen Empfindungen, die sie begleiten) wird er vergegenständlichen und dem verehrten Objekt anhängen.

Mir sind schon Fälle begegnet, wo das, was der Patient seinen »Gott« nannte, sich buchstäblich an einem Ort befand – oben links an der Schlafzimmerdecke oder in seinem Kopf oder in einem Kruzifix an der Wand. Doch was für ein Objekt auch immer er sich zusammengebastelt hat, du musst dafür sorgen, dass er es anbetet – das Ding, das er gemacht hat, nicht die Person, die ihn gemacht hat.

Du kannst ihn sogar dazu anstacheln, großen Wert darauf zu legen, dieses selbst gebastelte Objekt zu korrigieren und zu verbessern und es sich während des ganzen Gebets ständig vor Augen zu halten. Denn wenn er je dazu kommt, die Unterscheidung zu treffen, wenn er je seine Gebete bewusst »nicht an das, was ich denke, dass du bist, sondern an das, was du weißt, dass du bist« richtet, sind wir fürs Erste in einer verzweifelten Situation.

Hat der Mann einmal all seine Gedanken und Vorstellungen beiseite geschoben oder, falls er sie noch im Kopf hat, sich ihre lediglich subjektive Natur bewusst gemacht und sich dem vollkommen wirklichen, äußeren, unsichtbaren Gegenwärtigen anvertraut, der bei ihm im Zimmer ist und den er nie so kennen kann, wie er von ihm erkannt ist – nun, niemand kann ermessen, was dann geschehen kann. Das zu vermeiden – diese wahrhaftige Nacktheit der Seele im Gebet – wird dir erleichtert durch die Tatsache, dass die Menschen selbst sie sich nicht so sehr wünschen, wie sie glauben. Da kann es durchaus vorkommen, dass sie sich mehr eingehandelt haben, als ihnen bewusst war!

Herzlichst,

Dein Onkel Screwtape

V

Mein lieber Wormwood, es ist ein wenig enttäuschend, wenn man einen detaillierten Bericht über deine Arbeit erwartet und stattdessen solch eine verschwommene Rhapsodie wie deinen letzten Brief erhält. Du schreibst, du seist »berauscht vor Freude« darüber, dass die Menschen Europas wieder einmal einen ihrer Kriege angezettelt haben. Mir ist völlig klar, was mit dir los ist. Du bist nicht berauscht, du bist nur betrunken.

Indem ich zwischen den Zeilen deiner äußerst unausgewogenen Schilderung der schlaflosen Nacht deines Patienten lese, kann ich mir einigermaßen zutreffend zusammenreimen, in was für einem Geisteszustand du dich befindest. Zum ersten Mal in deiner Laufbahn hast du jenen Wein geschmeckt, der der Lohn all unserer Mühe ist – die Qual und Verwirrung einer menschlichen Seele, und er ist dir zu Kopf gestiegen. Das kann ich dir kaum zum Vorwurf machen. Auf jungen Schultern sitzt nun einmal kein alter Kopf.

Hat der Patient auf einige deiner Schreckensbilder der Zukunft angesprochen? Konntest du ein paar schöne, selbstbemitleidende Blicke zurück auf die glückliche Vergangenheit einbringen? Waren auch ein paar exquisite Stiche in der Magengrube dabei? Ach, wie herrlich hast du deine Geige gespielt, nicht wahr?

Schön, schön, das ist alles ganz natürlich. Aber vergiss nicht, Wormwood, dass die Arbeit vor dem Vergnügen kommt. Wenn du dir jetzt schon diese Wonnen gönnst und dafür letzten Endes die Beute verlierst, wirst du in Ewigkeit nach dem Trunk dürsten, von dem du jetzt so genussvoll ein erstes Mal genippt hast. Wenn du aber einen kühlen Kopf bewahrst und es dir durch stetige Arbeit gelingt, dir letzten Endes seine Seele zu sichern, dann wird er dir für immer gehören – ein randvoller, lebendiger Kelch voll Verzweiflung und Grauen und Erstaunen, den du an deine Lippen führen kannst, so oft es dir gefällt.

Lass dich also nicht durch ein vorübergehendes Hochgefühl von der wirklichen Aufgabe ablenken, seinen Glauben zu unterminieren und die Ausbildung von Tugenden zu verhindern. Gib mir unbedingt in deinem nächsten Brief einen vollständigen Bericht darüber, wie dein Patient auf den Krieg reagiert, damit wir darüber nachdenken können, ob es wirksamer wäre, ihn zu einem extremen Patrioten oder zu einem eifrigen Pazifisten zu machen. Da gibt es die verschiedensten Möglichkeiten. Inzwischen muss ich dich davor warnen, dir zu viel von einem Krieg zu erwarten.

Natürlich ist ein Krieg unterhaltsam. Das unmittelbare Erlebnis der Angst und des Leides der Menschen ist eine wohlverdiente und angenehme Erfrischung für unsere Myriaden eifrig bemühter Arbeiter. Aber was bringt er uns schon auf die Dauer, wenn wir ihn nicht nutzen, um Unserem Vater in der Tiefe Seelen zuzuführen?

Wenn ich das vorübergehende Leiden von Menschen sehe, die uns dann doch entkommen, dann kommt es mir vor, als dürfte ich vom ersten Gang eines reichen Festmahls kosten, der Rest aber bliebe mir vorenthalten. Das ist schlimmer, als gar nicht erst gekostet zu haben. Ganz im Stil seiner barbarischen Methoden der Kriegführung lässt uns der Feind das kurze Elend seiner Günstlinge sehen, um uns zu quälen und zu foltern – den unaufhörlichen Hunger zu verhöhnen, den uns zugegebenermaßen seine Blockade während der gegenwärtigen Phase des großen Konfliktes auferlegt.

 

Lass uns darum lieber darüber nachdenken, wie wir den europäischen Krieg nutzen, statt wie wir ihn genießen können. Denn er birgt gewisse Tendenzen in sich, die für sich betrachtet keineswegs zu unseren Gunsten sprechen. Wir dürfen auf ein beträchtliches Maß an Grausamkeit und sexueller Zügellosigkeit hoffen. Aber wenn wir nicht aufpassen, werden wir erleben, wie sich Tausende in dieser Notlage dem Feind zuwenden, während Zehntausende zwar nicht so weit gehen werden, aber immerhin ihre Aufmerksamkeit von sich selbst abziehen und auf Werte und Anliegen richten werden, die sie höher einstufen als das Selbst.

Ich weiß, dass der Feind viele dieser Anliegen missbilligt. Aber das ist es ja, worin er so unfair ist. Er macht sich oft Menschen zur Beute, die ihr Leben für Dinge gegeben haben, die er für schlecht hält, und das mit der ungeheuerlich sophistischen Begründung, die Menschen hätten sie für gut gehalten und seien der besten Sache gefolgt, die sie kannten.

Bedenke auch die unerwünschten Todesfälle, die sich in Kriegszeiten ereignen. Menschen sterben an Orten, wo sie damit rechnen, getötet zu werden, und an die sie sich, wenn sie auch noch zur Partei des Feindes gehören, vorbereitet begeben. Wie viel besser wäre es für uns, wenn alle Menschen in kostspieligen Pflegeheimen stürben, umgeben von Ärzten, Krankenschwestern und Freunden, die lügen, wie wir es sie gelehrt haben, den Sterbenden das Leben versprechen, sie in dem Glauben bestärken, Krankheit entschuldige jedes Laster, ja die, wenn unsere Arbeiter ihr Handwerk verstehen, sogar davor zurückscheuen, einen Priester kommen zu lassen, damit der Kranke nicht daran seinen wahren Zustand erkenne! Und wie katastrophal ist für uns das ständige Bewusstsein des Todes, das ein Krieg erzwingt. Eine unserer besten Waffen, die selbstzufriedene Weltlichkeit, verliert ihre Wirkung. In Kriegszeiten kann nicht einmal ein Mensch glauben, er werde für immer leben.

Ich weiß, dass Scabtree und andere in Kriegen eine großartige Möglichkeit für Angriffe auf den Glauben gesehen haben, aber ich halte diese Ansicht für übertrieben. Der Feind hat seinen menschlichen Partisanen klipp und klar gesagt, dass Leiden ein entscheidender Teil dessen ist, was er Erlösung nennt; woraus folgt, dass ein Glaube, der durch einen Krieg oder eine Seuche zerstört wird, der Mühe des Zerstörens im Grunde gar nicht wert gewesen sein kann. Ich spreche jetzt von fortgesetztem Leiden über eine längere Zeitspanne, wie es durch einen Krieg verursacht wird.

Freilich, genau in dem Augenblick des Entsetzens, des Verlustes oder des körperlichen Schmerzes kannst du deinen Mann erwischen, während seine Vernunft vorübergehend außer Gefecht ist. Doch selbst dann wird nach meiner Erfahrung der Posten fast immer verteidigt, wenn er das feindliche Hauptquartier anruft.

Herzlichst,

Dein Onkel Screwtape

VI

Mein lieber Wormwood, zu meiner großen Freude höre ich, dass das Alter und der Beruf deines Patienten es möglich, aber keineswegs gewiss erscheinen lassen, dass er zum Militärdienst einberufen wird. Halten wir ihn in der größtmöglichen Ungewissheit, sodass seine Gedanken voller widersprüchlicher Bilder von der Zukunft sind, von denen jedes entweder Hoffnung oder Furcht erweckt. Durch nichts lässt sich der Geist eines Menschen so gut gegen den Feind verbarrikadieren wie durch Spannung und Angst. Er möchte, dass die Menschen sich darüber Gedanken machen, was sie tun; unsere Aufgabe ist es, sie über das nachdenken zu lassen, was ihnen passieren wird.

Natürlich wird dein Patient bereits den Gedanken aufgeschnappt haben, dass er sich geduldig unter den Willen des Feindes beugen muss. Was der Feind damit meint, ist in erster Linie, dass er geduldig die Trübsal annehmen soll, die ihm tatsächlich auferlegt ist – nämlich die gegenwärtige Angst und Spannung. Davon soll er sagen: »Dein Wille geschehe«, und für die tägliche Aufgabe, das zu erdulden, wird ihm das tägliche Brot zuteil werden.

Deine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Patient niemals diese gegenwärtige Furcht als das Kreuz betrachtet, das ihm auferlegt ist, sondern immer nur die Dinge, vor denen er sich fürchtet. Darin lass ihn seine Kreuze sehen. Lass ihn vergessen, dass sie einander widersprechen und ihm darum nicht alle widerfahren können. Lass ihn versuchen, sich ihnen allen gegenüber im Voraus in Tapferkeit und Geduld zu üben. Denn sich wirklich gleichzeitig in ein Dutzend verschiedener und hypothetischer Geschicke zu fügen ist beinahe unmöglich, und der Feind gibt denen, die es versuchen, nicht viel Hilfestellung: Die Fügung in gegenwärtiges und tatsächliches Leiden ist viel leichter und wird meist von ihm unmittelbar unterstützt.

Hier zeigt sich ein wichtiges geistliches Gesetz. Ich habe dir bereits erklärt, wie du seine Gebete schwächen kannst, indem du seine Aufmerksamkeit vom Feind selbst weg auf seine eigenen Vorstellungen vom Feind lenkst.

Andererseits ist die Furcht leichter zu meistern, wenn der Patient sich statt auf die gefürchtete Sache auf die Furcht selbst konzentriert, sie als gegenwärtigen und unerwünschten Geisteszustand betrachtet. Wenn er die Furcht als sein auferlegtes Kreuz ansieht, wird er sie unweigerlich als einen Geisteszustand auffassen.

Darum lässt sich die allgemeine Regel formulieren: Bei allen Aktivitäten, die unserer Sache dienlich sind, halte den Patienten dazu an, sich selbst zu vergessen und sich auf das Objekt zu konzentrieren. Bei allen Aktivitäten dagegen, die dem Feind dienlich sind, lenke seine Gedanken zurück auf sich selbst.

Lass seine Aufmerksamkeit durch eine Beleidigung oder den Körper einer Frau so gefesselt werden, dass er nicht dazu kommt, zu denken: »Ich gerate jetzt in den Zustand, den man Zorn nennt – oder in den Zustand, den man Begierde nennt.« Umgekehrt, lass seine Aufmerksamkeit durch den Gedanken »Meine Empfindungen werden jetzt andächtiger oder liebevoller« so sehr an sein Inneres gefesselt werden, dass er nicht mehr dazu kommt, über sich selbst hinauszublicken und unseren Feind oder seine Nächsten wahrzunehmen.

Was seine allgemeine Einstellung zum Krieg angeht, so darfst du dich nicht zu sehr auf jene Gefühle des Hasses verlassen, über die die Menschen so gerne in ihren christlichen oder antichristlichen Zeitschriften diskutieren. Natürlich kann der Patient in seiner Not dazu angehalten werden, sich durch Hassgefühle gegenüber den deutschen Führern zu rächen, und das ist soweit auch schön und gut. Aber dahinter verbirgt sich meist nur ein melodramatischer oder mythischer Hass gegenüber imaginären Sündenböcken.

Im wirklichen Leben ist er diesen Leuten nie begegnet – es sind nur Pappkameraden, die er aus dem Material modelliert, das ihm die Zeitungen liefern. Die Resultate eines solchen eingebildeten Hasses sind oft höchst enttäuschend, und von allen Menschen sind die Engländer in dieser Hinsicht die beklagenswertesten Jammerlappen. Sie sind Geschöpfe von jener erbärmlichen Sorte, die lauthals verkündet, die Folter sei noch zu gut für ihre Feinde, und dann dem ersten verwundeten deutschen Piloten, der an ihrem Hintereingang auftaucht, Tee und Zigaretten anbietet.

Wie du es auch anstellst, es werden sowohl Güte als auch Bosheit in der Seele deines Patienten vorhanden sein. Der große Trick besteht darin, die Bosheit auf seine unmittelbaren Nächsten auszurichten, denen er jeden Tag begegnet, und ihn die Güte in weite Ferne schleudern zu lassen, zu Leuten, die er nicht kennt. Auf diese Weise wird die Bosheit völlig real, während die Güte weitgehend imaginär bleibt.

Es nützt nicht das Geringste, seinen Hass gegen die Deutschen zu entfachen, wenn sich gleichzeitig zwischen ihm und seiner Mutter, seinem Vorgesetzten und dem Mann, dem er im Zug begegnet, eine unheilvolle Gewohnheit der Nächstenliebe ausbildet.

Stell dir deinen Mann als ein System konzentrischer Kreise vor, deren innerster sein Wille ist, danach sein Verstand, schließlich seine Fantasie. Du kannst wohl kaum erhoffen, mit einem Schlag aus allen Kreisen alles auszumerzen, was nach dem Feind riecht. Aber du musst beharrlich alle Tugenden nach außen schieben, bis sie schließlich im Kreis der Fantasie angesiedelt sind, während du alle wünschenswerten Eigenschaften nach innen in den Kreis des Willens verlagerst.

Nur wenn sie den Willen erreichen und dort in Form von Gewohnheiten Gestalt gewinnen, sind die Tugenden wirklich fatal für uns. (Natürlich meine ich damit nicht das, was der Patient irrtümlich für seinen Willen hält, nämlich seine ständigen schaumschlägerisch verbissenen Vorsätze und Entschlüsse, sondern das wahre Zentrum, das Herz, wie es der Feind nennt.) Auch die höchsten Tugenden, die er sich in der Fantasie ausmalt, mit dem Verstand befürwortet oder gar liebt und bewundert, werden einen Mann nicht vor dem Haus Unseres Vaters bewahren: Sie könnten ihn sogar noch unterhaltsamer machen, wenn er dort ankommt.

Herzlichst,

Dein Onkel Screwtape

VII

Mein lieber Wormwood, ich bin erstaunt, dass du mich fragst, ob es wichtig sei, den Patienten über deine Existenz im Dunkeln zu lassen. Diese Frage ist uns, zumindest für die gegenwärtige Phase des Kampfes, vom Oberkommando bereits beantwortet worden. Im Augenblick besteht unsere Strategie darin, uns zu tarnen. Natürlich ist das nicht immer so gewesen. Wir stehen wirklich vor einem grausamen Dilemma.

Wenn die Menschen nicht an unsere Existenz glauben, gehen uns all die Annehmlichkeiten des unmittelbaren Schreckens verloren, und wir gewinnen keine Zauberer und Geisterbeschwörer. Glauben sie andererseits an uns, können wir keine Materialisten und Skeptiker aus ihnen machen. Zumindest noch nicht.

Ich hege große Hoffnung, dass wir mit der Zeit lernen werden, wie wir ihre Wissenschaft so sehr emotionalisieren und mythologisieren können, dass sich praktisch ein Glaube an uns (wenn auch nicht als solcher bezeichnet) einschleichen kann, während der menschliche Verstand gleichzeitig für den Glauben an den Feind verschlossen bleibt.

Die »Lebenskraft«-Theorie, die Verherrlichung des Sex und manche Aspekte der Psychoanalyse könnten sich hier als nützlich erweisen. Haben wir erst einmal unser vollkommenes Meisterwerk hervorgebracht – den materialistischen Magier, den Menschen, der das, was er »Kräfte« nennt, nicht nur gebraucht, sondern geradezu anbetet, doch gleichzeitig die Existenz von »Geistern« leugnet –, dann wird das Ende des Krieges in Sicht sein. Doch in der Zwischenzeit müssen wir unseren Befehlen gehorchen.

Ich glaube nicht, dass es dir sehr schwer fallen wird, den Patienten im Dunkeln zu halten. Die Tatsache, dass »Teufel« nach moderner Vorstellung vorwiegend komische Figuren sind, wird dir eine Hilfe sein. Sollte sich auch nur ein leiser Verdacht, dass du existierst, in seinem Geist regen, gaukele ihm ein Bild von irgendeiner Figur in roten Strumpfhosen vor und rede ihm ein, da er daran nicht glauben könne (eine alte Lehrbuch-Methode, sie zu verwirren), könne er folglich auch nicht an dich glauben.

Ich hatte mein Versprechen nicht vergessen, zu erörtern, ob wir den Patienten zu einem extremen Patrioten oder zu einem extremen Pazifisten machen sollten. Alle Extreme außer einer extremen Hingabe an den Feind sind zu fördern. Natürlich nicht immer, aber in dieser Phase.

Manche Zeitalter sind lauwarm und selbstzufrieden, und dann ist es unsere Aufgabe, die Menschen in noch tieferen Schlaf einzulullen. Andere Zeiten, zu denen auch die gegenwärtige gehört, sind unausgewogen und voller Parteiungen, und da ist es unsere Aufgabe, die Glut zu schüren. Jedes kleine Grüppchen, das sich durch ein Interesse zusammenfindet, das anderen Menschen zuwider oder gleichgültig ist, neigt dazu, um sich herum ein Treibhaus der gegenseitigen Bewunderung aufzubauen und der Außenwelt mit Stolz und Hass zu begegnen, ohne sich dessen zu schämen, denn dahinter steht ja die »Sache«, die man für unpersönlich hält.

Das trifft zu, selbst wenn diese kleine Gruppe ursprünglich ins Dasein kam, um einem Zweck des Feindes zu dienen.

Wir wollen, dass die Kirche klein bleibt, nicht nur, damit weniger Menschen den Feind kennen lernen, sondern auch, damit jene, die dazugehören, die ungesunde Intensität und streitbare Selbstgerechtigkeit einer Geheimgesellschaft oder Clique entwickeln. Die Kirche selbst verfügt natürlich über eine sehr gute Verteidigung, und es ist uns nie ganz gelungen, ihr alle Merkmale einer Splittergruppe zu verleihen; doch untergeordnete Splittergruppen innerhalb der Kirche haben oft vorzügliche Ergebnisse gezeitigt, von den Parteien des Paulus und des Apollos bis hinab zu den Parteien der High Church und der Low Church in der Anglikanischen Kirche.

 

Sollte sich dein Patient dazu bewegen lassen, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, wird er sich automatisch als Teil einer kleinen, lautstarken, organisierten und unbeliebten Gruppe wieder finden, und das wird sich auf jemanden, der so neu im Christentum ist, beinahe mit Sicherheit günstig auswirken. Aber nur beinahe mit Sicherheit.

Hatte er ernsthafte Zweifel darüber, ob es erlaubt sei, in einem gerechten Krieg zu dienen, bevor dieser gegenwärtige Krieg begann? Ist er ein Mann von großem körperlichen Mut – groß genug, dass er keine halb bewussten Bedenken bezüglich der Motive für seinen Pazifismus haben wird? Kann er in einem Moment, wenn er der Ehrlichkeit am nächsten kommt (kein Mensch kommt ihr jemals sehr nahe), völlig gewiss sein, dass er ausschließlich von dem Wunsch getrieben wird, dem Feind gehorsam zu sein?

Wenn er zu dieser Sorte Menschen gehört, dann wird uns sein Pazifismus vermutlich nicht viel nützen, und der Feind wird ihn wahrscheinlich vor den gewöhnlichen Folgen der Zugehörigkeit zu einer Sekte bewahren. In diesem Fall wärst du am besten beraten, wenn du versuchtest, eine plötzliche, verwirrende emotionale Krise zu verursachen, aus der er vielleicht als widerwilliger Überläufer zum Patriotismus hervorgeht. Ist er dagegen der Mann, für den ich ihn halte, so versuche es mit dem Pazifismus.

In welche Richtung er sich auch wendet, deine Hauptaufgabe bleibt dieselbe. Zunächst musst du ihn dazu bringen, seinen Patriotismus oder Pazifismus als Bestandteil seiner Religion aufzufassen. Dann lass ihn unter dem Einfluss des Partisanengeistes anfangen, ihn als den wichtigsten Bestandteil zu betrachten. Dann locke ihn leise und ganz allmählich weiter bis zu dem Stadium, in dem die Religion nur noch ein Teil der »Sache« ist und in dem er das Christentum hauptsächlich deswegen schätzt, weil es so vorzügliche Argumente für die britischen Kriegsanstrengungen oder für den Pazifismus liefern kann.

Was du verhüten musst, ist die Einstellung, die zeitliche Dinge vor allem als Gelegenheiten sieht, sich im Gehorsam zu üben. Hast du erst einmal die Welt zum Zweck und den Glauben zum Mittel gemacht, hast du deinen Mann schon fast gewonnen, und es spielt kaum noch eine Rolle, was für ein weltliches Ziel er verfolgt.

Sobald Versammlungen, Pamphlete, Strategien, Bewegungen, »Sachen« und Kreuzzüge ihm mehr bedeuten als Gebete und Sakramente und Nächstenliebe, gehört er uns – und je »religiöser« er (in diesem Sinne) ist, desto fester haben wir ihn in der Hand. Ich könnte dir einen hübschen Käfig voller solcher Leute hier unten zeigen.

Herzlichst,

Dein Onkel Screwtape

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