Seewölfe Paket 22

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Barba stieß einen Knurrlaut aus.



„Wahrscheinlich hast du wieder einmal recht, Madam“, entgegnete er. „Vielleicht halte ich die Dinge wirklich nicht genau genug auseinander. Die Mannen, die unter dem Kommando dieser Adelsaffen fuhren, mußten wohl oder übel nach deren Musik tanzen, zumindest, was das einfache Decksvolk betrifft.“



„So sehe ich das auch, Barba“, sagte Henry Scrutton. „Und ich muß zugeben, daß mein Zorn auf meine Landsleute schon größer gewesen war als jetzt. Ich habe mich inzwischen auch daran gewöhnt, die Dinge etwas nüchterner zu betrachten.“



„Als Engländer fällt dir das wahrscheinlich leichter“, meinte Barba und setzte ein Grinsen auf. „Mein Dickschädel aber ist ein bißchen härter, und manche Dinge brauchen eben etwas länger, bis sie da durch sind.“



Siri-Tong lehnte sich gegen die Querbalustrade des Achterdecks. Die oberen Knöpfe ihrer roten Bluse hatte sie geöffnet, weil die Sonne heiß vom Himmel brannte.



„Ich glaube, daß es in dieser Angelegenheit noch einiges zu klären gibt“, fügte sie ergänzend hinzu.



„Wie meinst du das, Madam?“ fragte Barba.



„Nun, ich kann eigentlich nicht mehr so recht glauben, daß die Mannschaften und Offiziere der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ immer noch darauf versessen sind, Hasard als Gefangenen nach England zu bringen.“



Barba blickte sie verwundert an.



„Warum sollten sie das denn nicht mehr sein? Schließlich war es doch von Anfang an das Ziel dieser Burschen gewesen, den Seewolf gefangen nach England zu schaffen, und zwar nur wegen der haltlosen Vorwürfe und Anschuldigungen dieser verdammten Adelsclique, die sich zudem noch persönlich daran bereichern wollte. Hat der versuchte Überfall in der vergangenen Nacht das nicht bestätigt?“



Siri-Tong schüttelte den Kopf.



„Nicht unbedingt“, erwiderte sie. „Ich denke sogar, daß es mit diesem Überfall eine andere Bewandtnis hat, zumal bis auf den Kapitän der ‚Dragon‘ und einen Adeligen nur Kerle aus der Horde des alten Killigrew in der Jolle hockten.“



„Hm“, meinte Barba nachdenklich. „Ein bißchen merkwürdig ist das schon. Vielleicht sollte man das bei Gelegenheit einmal klären, um endlich zu erfahren, was bei den Engländern eigentlich läuft. So langsam weiß man nämlich schon nicht mehr, wie man dran ist. Was man auch tut – es kann immer verkehrt sein.“



Siri-Tongs ebenmäßiges Gesicht wirkte entschlossen.



„Wir werden das schon noch herausfinden“, sagte sie. „Trotzdem meine ich, wir sollten nicht verhindern, daß die Engländer die spanische Galeone kapern – falls ihnen das überhaupt gelingt. Vielleicht sind sie dankbar, dann ein Schiff zu haben, mit dem sie aus der Karibik verschwinden können. Gute Erinnerungen werden sie an diese Reise ohnehin nicht knüpfen. Die meisten werden froh sein, wenn sie das alles hinter sich haben.“



Barba wiegte den Kopf hin und her.



„Gegen ihr Verschwinden hätte wohl niemand etwas einzuwenden, es wäre das Vernünftigste für sie und für uns. Wenn ihnen die spanische Galeone dabei hilft – meinetwegen, meinen Segen sollen sie haben. Zum Teufel, du hast mich wieder einmal überzeugt, Madam.“



„Das hat aber ziemlich lange gedauert“, bemerkte Henry Scrutton mit einem Augenzwinkern.



„Halt du dich da gefälligst raus, du Rohrkrepierer“, brummte Barba und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Allein dein englischer Vorname macht dich schon höchst verdächtig, den Kerlen in die Hand zu arbeiten. Großer Gott, wie kann man nur Henry heißen. Da fehlt nur noch der Sir, und wir hätten es schon wieder mit einem Sir Henry zu tun. Kann man das noch aushalten, Madam?“



Siri-Tongs Mandelaugen blitzten belustigt auf.



„Ich denke schon. Solange unser Sir Henry nicht damit anfängt, ständig daneben zu schießen, nehmen wir sogar diesen Vornamen in Kauf, oder?“



„Schon gut, schon gut.“ Barba seufzte. „Ihr wißt ja, daß ich hart im Nehmen bin.“



Henry Scrutton und Barba enterten zur Kuhl ab. Es gab noch eine Menge für sie zu tun, zumal sie wußten, daß die „Caribian Queen“ zunächst nur nach Norden ablief, um die weitere Entwicklung der Dinge abzuwarten und dann notfalls erneut einzugreifen.







3.





Bei den Spaniern herrschte das reine Chaos.



Die seewärts treibende Galeone lief voll Wasser und würde in kurzer Zeit sinken. Durch den erneuten Angriff des Zweideckers hatte es Tote und Verletzte gegeben. Selbst Don Gregorio de la Cuesta, der es samt seinen Offizieren noch geschafft hatte, auf die andere Galeone überzuwechseln, sah in mancher Hinsicht aus wie ein gerupftes Huhn.



Sein Uniformrock war durch umherfliegende Holztrümmer am linken Ärmel aufgerissen worden. Über seine Stirn zog sich eine blutige Schramme, der er jedoch kaum Beachtung schenkte. Den furchterregendsten Anblick bot der Zweite Offizier, dessen feistes Gesicht von Ruß und Pulver geschwärzt war.



Über die Decks der inselseits ankernden Galeone dröhnten laute Flüche. Dem davonsegelnden Zweidecker wurden wilde Drohungen und Verwünschungen nachgebrüllt. Manche Männer, die dem Tod nur um Haaresbreite entgangen waren, kniffen stumm die Lippen zusammen und schickten ein stilles Stoßgebet zum Himmel.



Ihre bleichen Gesichter wurden immer noch von der Angst geprägt, die sie durchgestanden hatten. Wußte der Himmel, was als Nächstes geschah. Die meisten waren davon überzeugt, daß der kampfstarke Zweidecker abermals wenden würde, um auch noch die eine verbliebene Galeone zu versenken.



Don Gregorio de la Cuesta war außer sich vor Wut.



„Die Bastarde haben ein regelrechtes Zielschießen auf uns veranstaltet!“ stieß er hervor. „Es sollte mich nicht wundern, wenn das üble Piratenweib, das den Zweidecker befehligt, auch noch versuchen würde, uns auszuplündern. Irgend etwas muß sie mit ihren Angriffen bezwecken.“



„Vielleicht steht sie mit den Engländern drüben auf der Insel im Bunde“, sagte der Zweite und wischte sich über sein kohlrabenschwarzes Gesicht.



„Unsinn!“ erwiderte Don Gregorio. „Die beiden Schiffe der Engländer wurden ebenfalls versenkt. Wahrscheinlich hatte auch da der Zweidecker die Hände im Spiel. Fast drängt sich der Eindruck auf, daß die Piraten Schätze auf dieser gottlosen Insel versteckt haben und deshalb jeden vertreiben wollen, der sich ihr nähert.“



„Diese Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen“, bemerkte der Kapitän der inselseits ankernden Galeone mit blassem Gesicht. „Die Frau auf dem Achterdeck des Piratenschiffes muß schon ein Teufelsweib sein.“



„Wem sagen Sie das!“ stieß Don Gregorio wütend hervor. „Es mag zwar ungewöhnlich sein, daß ein Schiff von einer Frau kommandiert wird, aber damit wird dieser Zweidecker nicht minder gefährlich für uns. Wenn man uns auch noch diese Galeone abschießt, die ohnehin beschädigt ist, werden wir selber zu dieser verdammten Insel hinüberschwimmen müssen. Nur fragt sich dann, ob uns die Engländer überhaupt an Land gehen lassen. Wir stecken in einer verteufelten Situation, Señores.“



Daran hegte niemand einen Zweifel, und alle Offiziere waren sich darüber im klaren, daß sie im Falle eines erneuten Angriffs mit dem ihnen verbliebenen Schiff alles auf eine Karte setzen mußten.



Der Kapitän der Galeone brüllte nach Absprache mit de la Cuesta den Befehl zum Ankerhieven über die Decks. Das Schiff mußte schleunigst Abstand zu der sinkenden Galeone gewinnen und manövrierfähig werden. Gleichzeitig wurde die totale Gefechtsbereitschaft angeordnet.



Doch die Señores auf dem Achterdeck sollten bei ihren Vorbereitungen empfindlich gestört werden, und zwar von ganz anderer Seite, als sie erwartet hatten.



Der Kapitän des Schiffes war es, der plötzlich mit ausgestrecktem Arm zur Insel hinüberdeutete.



„Verdammt!“ entfuhr es ihm mit heiserer Stimme. „Die Engländer scheinen uns angreifen zu wollen.“



Jetzt wandten auch die übrigen Offiziere ihre Aufmerksamkeit der Bucht zu und sahen die Bescherung – viel zu spät allerdings, um dem Enterangriff noch ausweichen zu können. Die Boote der schiffbrüchigen Engländer waren schon zu nahe heran.



„Wie es scheint, sind wir in eine klug aufgestellte Falle gestolpert“, sagte der Zweite Offizier Don Gregorios. „Der Zweidecker muß wohl doch etwas mit den englischen Bastarden zu tun haben. Kaum drehte er nach Norden hoch, da werden wir auch schon von der Insel her angegriffen. Ich fresse einen Besen, wenn das keine abgesprochene Sache war, Señor Capitán.“



Fast schien es, als habe der Zweite mit dem rußgeschwärzten Gesicht diesmal recht, auch wenn es da noch einige Ungereimtheiten gab, für die man noch keine Erklärung gefunden hatte.



„Wir haben jetzt keine Zeit, über diese Vorgänge lange zu diskutieren“, sagte Don Gregorio erregt. „Ob wir in eine Falle gestolpert sind oder nicht, ist in unserer gegenwärtigen Lage ohne Bedeutung. Wichtig ist nur, daß wir alles tun, um diese Sache zu überstehen. Was ist mit der Gefechtsbereitschaft?“



Der Kapitän des Kriegsschiffes vollführte eine hilflose Geste.



„Meine Männer sind noch vollauf damit beschäftigt, die Galeone wieder gefechtsklar zu machen“, erwiderte er. „Solange unsere Schiffe ineinander verhakt waren, war das nicht in vollem Ausmaße möglich gewesen.“



Don Gregorios Gesicht wurde rot vor Zorn.



„Dann bringen Sie Ihre Schlafmützen gefälligst auf Vordermann!“ brüllte er wenig vornehm. „Wenn wir weitere Zeit verplempern, haben wir keine Chance mehr!“



Die Wuhling auf der Kriegsgaleone Seiner Majestät, des Königs von Spanien, nahm kein Ende.



Die Engländer hatten den zweiten Angriff der „Caribian Queen“ auf die spanischen Kriegsgaleonen mit größter Genugtuung beobachtet, und nahezu alle waren abermals in lautes Freudengeheul ausgebrochen, als sie sahen, welch verheerende Folgen der Angriff gehabt hatte. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, wann die zerschossene Galeone sinken würde.

 



Noch während die Kanonen des Zweideckers krachten, waren die Männer von der „Orion“ und der „Dragon“ mit ihren acht Jollen aus dem Uferdickicht hervorgebrochen und hatten die Boote über blitzschnell untergelegte handige Baumstämme zum Wasser gerollt. Dann waren sie auf das Kommando Marc Corbetts hin hineingesprungen und auf Teufel komm raus losgepullt. Sir Edward Tottenham hatte sich den Mannen angeschlossen. Er war von der Westseite her noch rechtzeitig auf den Trupp Marc Corbetts gestoßen, der die Boote aus dem Versteck geholt hatte.



An die 120 Mann waren es, die sich auf die acht Boote verteilt hatten. Die restlichen nahezu vierzig Kämpfer waren auf der Insel zurückgeblieben, um mit ihren Musketen den Kameraden Feuerschutz zu geben.



„Die Galeone kann jeden Moment sinken“, sagte Marc Corbett. „Fast sieht es so aus, als habe der Zweidecker die andere absichtlich für uns übriggelassen.“ Er saß auf der achteren Ducht einer Jolle, über seinen Knien lag eine feuerbereite Muskete.



Sir Edward zog die Stirn kraus.



„Hoffentlich haben Sie recht, Mister Corbett. Wenn der Zweidecker allerdings zurückkehrt und erneut angreift, bevor es uns gelungen ist, die Galeone zu entern, werden wir viel Glück brauchen.“



Die Nachmittagssonne webte einen flirrenden Hitzeschleier über der Bucht. Den Rudergasten, die echte Knochenarbeit leisteten, floß der Schweiß in Strömen über den Körper. Hinzu kamen die lästigen Moskitos, die in Ufernähe manch einem der Männer ein Fluchen entlockten. Dennoch wußten sie, auf was es ankam. Sie trieben die Boote mit allen zur Verfügung stehenden Kräften durch das kabbelige Wasser.



Marc Corbett, der die Galeone scharf beobachtete, entging die plötzliche Wuhling an Bord nicht, als sich die Boote schon ziemlich dicht an sie herangeschoben hatten.



„Die Dons scheinen uns bemerkt zu haben“, sagte er zu Sir Edward. Über sein braungebranntes Gesicht huschte ein spöttisches Grinsen. Im stillen hatte er sich längst über die Schlafmützigkeit der Spanier gewundert.



„Schade“, sagte Sir Edward. „Ich dachte schon, sie merken es erst, nachdem wir sie ins Wasser geworfen haben.“ Auch auf dem Gesicht des sonst so ernsten Mannes lag ein Lächeln.



„Wir müssen von jetzt an mit ihrer Gegenwehr rechnen“, fuhr Marc Corbett fort. Danach gab er den Befehl an die Scharfschützen, bei der ersten Reaktion der Spanier das Feuer zu eröffnen. Mit dem Trupp, der an Land geblieben war und sich je zur Hälfte auf die West- und Ostseite der Bucht verteilt hatte, war vereinbart worden, daß beim ersten Schuß, der fiel, mit dem Deckungsfeuer begonnen werden sollte.



„Mit ihren Kanonen können die Dons jetzt schon nichts mehr anfangen“, sagte Marc Corbett triumphierend. „Wir liegen bereits unterhalb ihres Schußwinkels, sie können höchstens noch über unsere Köpfe schießen …“



Mitten in seine Worte hinein blitzten auf der Galeone die ersten Musketenschüsse auf. Für die Engländer war das das Zeichen, den beabsichtigten Enterkampf einzuleiten.



„Feuer!“ brüllte Marc Corbett.



Gleich darauf krachten auch die Musketen und Tromblons der eigenen Scharfschützen. Wie das der Erste Offizier der früheren „Orion“ mit seinen Mannen abgesprochen hatte, feuerten nicht alle auf einmal, sondern stufenweise – getrennt nach den einzelnen Jollen. Während die einen schossen, waren die anderen schon wieder dabei, ihre Musketen nachzuladen.



Auch am West- und Ostufer der Bucht krachten plötzlich die Musketen. Die Spanier befanden sich plötzlich in einem Kugelhagel, der von drei Seiten auf sie einprasselte.



Mitten in das Getöse hinein brüllte plötzlich eine Kanone an der Backbordseite der Galeone auf. Eine Feuerzunge stach aus dem Rohr und trieb die schwere Eisenkugel fauchend über die Köpfe der Engländer weg. Sie schlug viele Yards hinter ihnen ins Wasser der Bucht.



Offenbar hatten die Dons die Einsatzmöglichkeiten der Geschütze überschätzt. Die Wirkungslosigkeit der Kugel schien sie jetzt davon überzeugt zu haben, daß auf die kurze Distanz mit den Kanonen nichts mehr auszurichten war. Sie schwiegen deshalb, dafür aber begannen zwei Drehbassen zu wummern, die schwenkbar auf das Schanzkleid montiert waren und eine weit größere Gefahr darstellten.



Weder Marc Corbett noch Sir Edward oder Arthur Gretton konnten verhindern, daß einige Männer getroffen wurden. Zwei sanken tot, drei andere verletzt von den Duchten.



Die Scharfschützen nahmen die Seesoldaten an den Drehbassen sofort verstärkt unter Feuer, um sie in Deckung zu zwingen. Dabei trafen sie zwei mit ihren Musketenkugeln.



Niemand konnte die anrückenden Engländer aufhalten. Noch bevor die Spanier weiteres Unheil anrichten konnten, hatten die Engländer die Kriegsgaleone erreicht. Den Dons war nicht einmal die Zeit geblieben, die Anker zu lichten. Als sie die Angreifer gesichtet hatten, mußten sie sich zunächst auf die Gefechtsbereitschaft konzentrieren, aber nicht einmal dazu hatte die Zeit ausgereicht.



Jetzt kam ein neuer Umstand hinzu, der ebenfalls nicht geeignet war, die Kampfmoral zu stärken. Die von der „Caribian Queen“ zusammengeschossene Galeone begann zu sinken.



Das Schiff war ein Stück seewärts abgetrieben und lag stark nach Steuerbord gekrängt im Wasser. Zunächst wurde das Vorschiff überflutet, nur das Heck ragte noch aus dem Wasser und bot einen gespenstischen Anblick. Wohl jeder – ob Spanier oder Engländer – hatte das Sterben eines Schiffes schon miterlebt. Trotzdem kroch allen ein kalter Schauer über den Rücken, als auch das Heck mit einem lauten Zischen und Gurgeln versank. Wenig später ragten nur noch die Mastspitzen aus dem Wasser. Planken, Taue und leere Fässer wurden an die Oberfläche getrieben.



Die Engländer rissen sich schon nach wenigen Sekunden von diesem Anblick los. Sie hatten die ankernde Galeone erreicht und mußten jetzt alles auf eine Karte setzen. Ihr weiteres Schicksal hing vom Gelingen dieser Aktion ab, darüber war sich jeder von ihnen klar.



Trotz des Widerstandes der Spanier flogen die ersten Enterhaken an der Backbordseite hoch und verkrallten sich im Holz des Schanzkleides. Die Männer hangelten in Windeseile nach oben, um sich den Weg an Bord freizukämpfen. Der eigentliche Enterkampf begann.



Die Dons versuchten, sich mit einem letzten Aufbäumen zu verteidigen. Don Gregorio de la Cuesta und die anderen Señores von den Achterdecks beider Kriegsschiffe brüllten pausenlos Befehle. Wo es nötig war, feuerten sie die Seesoldaten und Mannschaftsmitglieder an oder drohten mit drakonischen Strafen für den Fall des Zurückweichens. Dennoch war die spanische Abwehr eine recht schwache Angelegenheit. Die eh schon genervten Männer waren dem Überraschungsangriff der Engländer nicht mehr gewachsen, ihre Kampfmoral hatte bereits zu stark gelitten.



Obwohl ein harter Kampf, Mann gegen Mann, tobte, obwohl Pistolenschüsse krachten und das Metall der Blankwaffen gegeneinanderklirrte, war es nur ein kurzer Kampf.



Auch die beiden Kommandanten und die Offiziere hatten sich mit ihren Degen ins Getümmel gestürzt. Die beiden Offiziere der gesunkenen Galeone waren zum Quarterdeck abgeentert, wo sie in Unterstützung des Kapitäns dieses verbliebenen Schiffes versuchten, die aufenternden Engländer zurückzudrängen. Aber es war ihnen kein großer Erfolg beschieden. Im Gegenteil – die Spanier wurden mehr und mehr über die Decks gedrängt, die Verteidigung galt immer mehr der eigenen Person als dem Schiff.



Auch Marc Corbett, Sir Edward und Arthur Gretton waren in heftige Degenduelle verwickelt, nachdem es ihnen gelungen war, die Decksplanken der Galeone zu betreten.



Marc Corbett, der tatkräftige Erste Offizier der „Orion“, stürmte den Backbordniedergang hinauf, der vom Quarterdeck zum Achterdeck führte. Er hatte sich nicht getäuscht, der Befehlshaber der Spanier befand sich dort und warf sich ihm sofort entgegen.



Don Gregorio de la Cuesta schwitzte heftig. Der Schweiß aber brannte höllisch in der blutverschmierten Schramme, die er an der Stirn empfangen hatte. Der aufgeschlitzte Ärmel seines Uniformrockes verlieh ihm ein recht ramponiertes Aussehen.



Ein harter Degenkampf entbrannte, in dessen Verlauf sich Don Gregorio als gewandter Kämpfer erwies.



„Stirb, Engländer!“ keuchte er und versuchte, Marc Corbett den Degen in die Brust zu stoßen.



Dieser parierte jedoch den Angriff geschickt.



„Ich denke nicht daran, Ihnen diesen Gefallen zu tun, Señor!“ rief er zurück. Dann drang er auf de la Cuesta ein und trieb ihn ein Stück zum Steuerbordschanzkleid hinüber.



Der Capitán wich zunächst zurück, doch dann fand er seinen Rhythmus wieder und riskierte erneut einige heftige Ausfälle. Marc Corbett mußte in der Tat höllisch aufpassen, aber er fing sich rasch wieder und bot dem Spanier die entsprechenden Paraden. Trotzdem konnte er nicht verhindern, daß ihm die Degenspitze Don Gregorios die linke Seite der Uniformjacke in Fetzen riß.



Dieser winzige Erfolg schien den Capitán zu beflügeln – zumindest für kurze Zeit. Er kämpfte mit verbissenem Gesicht, seine zusammengekniffenen Augen spiegelten Wut und Haß wider. Marc Corbett konnte es ihm nicht einmal verdenken, wenn er bedachte, welche Schlappen dieser Mann in den letzten Stunden schon hatte einstecken müssen.



Aber auch er selber war ein wendiger Kämpfer, der sich von einigen Stoffetzen nicht beeindrucken ließ. Seine Ausfälle wurden immer häufiger. Er trieb den Capitán vor sich her in Richtung Querbalustrade.



Dann geschah es plötzlich.



Marc Corbett, der soeben einen gefährlichen Degenstoß abgewehrt hatte, traf die rechte Hand Don Gregorios mit einem raschen Hieb. Der Spanier stöhnte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf, dann polterte sein Degen auf die Planken.



Noch bevor er sich danach bücken konnte, setzte ihm Marc Corbett die Spitze seiner Waffe an den Hals.



„Halt, Señor!“ befahl er mit harter Stimme. Sein Gesicht strahlte äußerste Entschlossenheit aus. „Wenn Sie nicht aufgeben, muß ich Sie töten.“



Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, zumal Corbett die spanische Sprache einigermaßen gut beherrschte. Don Gregorio gab sein Vorhaben mit wütendem Gesicht auf.



„Zum Teufel mit Ihnen, Engländer!“



„Leider muß ich Ihnen auch diesen Gefallen verweigern“, sagte Corbett. „Aber ich weiß, daß Sie selber zu ihm gehen werden, wenn Sie sich meinen Anordnungen widersetzen oder aber irgendeinen Trick versuchen. Stellen Sie sich mit dem Rücken gegen die Balustrade!“ Mit der Degenspitze am Hals dirigierte er ihn an den gewünschten Ort.



„Was verlangen Sie?“ keuchte der Capitán. Seine Augen funkelten vor Zorn.



„Zunächst einmal, daß Sie sich mit Ihren Leuten ergeben, und zwar bald, wenn Sie ein größeres Blutvergießen vermeiden wollen. Streichen Sie die Flagge und geben Sie Ihren Soldaten, und Seeleuten den Befehl, die Waffen zu strecken!“



„Ich denke nicht daran!“ Die Wangenmuskeln des Spaniers zuckten.



„Dann sehen Sie sich um“, sagte Corbett. „Das Schiff ist bereits innerhalb der nächsten Minuten in unserer Hand. Sollen wegen Ihrer Dickschädeligkeit noch weitere Männer sterben? Na los, sehen Sie sich alles an. Ich erlaube Ihnen, sich langsam umzudrehen, damit Sie das Schiff überblicken können.“



De la Cuesta drehte sich um und vermied dabei jede hastige Bewegung, zumal er jetzt die Degenspitze des englischen Offiziers am Rücken spürte. Der Engländer hatte tatsächlich recht, sie hatten keine Chance mehr, das Schiff auf Dauer zu verteidigen. Die Angreifer waren zu überraschend und in zu großer Anzahl erschienen.



„Wie steht’s, Señor?“ fragte Marc Corbett. „Ich gebe Ihnen zehn Atemzüge lang Zeit, den Kampf zu beenden.“



Der Capitán schluckte hart.



„Na gut“, sagte er schließlich mit belegter Stimme. „Ich habe keine andere Wahl.“



Gleich darauf dröhnte seine Stimme über die Decks. Er forderte seine Landsleute auf, den Kampf sofort einzustellen und sich zu ergeben.



Zu spät wurde Don Gregorio klar, daß er in jüngster Vergangenheit einen gewaltigen Bock geschossen hatte. Statt die schiffbrüchigen Engländer, die sich bei seinem Eintreffen auf der Insel verschanzt hatten, anzugreifen, hätte er sich zuerst den beiden Schiffen widmen sollen, von denen dieser grobschlächtige Bootsmann O’Leary gesprochen hatte, den er zusammen mit noch fünfzehn anderen Kerlen in einer Jolle aufgegriffen und unter Druck ausgehorcht hatte.

 



Dem Bootsmann nach sollten sich zwei Schiffe – darunter sogar das Schiff Philip Hasard Killigrews, des legendären Seewolfs – in einer Bucht der Pensacola Cays befinden. Genau diese beiden Schiffe hätte er zuerst und überraschend angreifen und ausschalten müssen, so sagte er sich jetzt in später Erkenntnis, um zu verhindern, daß sie ihn – wie es jetzt geschehen war – bei dem Landeunternehmen überfielen. Denn jen