Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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2. Digitale Empfangsgeräte

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Zur Nutzung des digitalen Fernsehens auf herkömmlichen Fernsehgeräten sind immer zusätzlich digitale Empfangsgeräte notwendig. Denn die an den Rezipienten übertragenen digitalen Fernsehsignale können auf herkömmlichen TV-Geräten nicht verarbeitet und dargestellt werden, da diese Endgeräte noch immer auf rein analoger Basis arbeiten[127] und die digitalen Datencontainer folglich nicht direkt in analoge Bilddarstellung umsetzen können. Es gibt also streng genommen noch kein digitales Fernsehen, sondern nur digital nutzbare Übertragungswege und analoge Bilddarstellungen. Sofern nicht bereits digitale Endgeräte wie beispielsweise Smartphones oder Tablet PCs genutzt werden, muss der digitale Programmdatenstrom somit in einem letzten Zwischenschritt wieder in ein analoges Bildsignal decodiert werden, um für den Zuschauer auf dem Fernsehbildschirm sichtbar zu werden. Hierzu ist ein (zusätzliches) digitales Empfangsgerät notwendig. Wegen der Möglichkeit, den vorhandenen Fernseher zu behalten, sind die Set-Top-Boxen als digitale Zusatzgeräte bisher am weitesten verbreitet. Eine andere digitale Empfangsmöglichkeit besteht darin, dass ein Decoder bereits in das Fernsehgerät fest integriert ist (iDTV) – diese modernen Flachbildschirmgeräte werden in den nächsten Jahren die herkömmlichen Röhrenfernseher vollständig ersetzen. Neben Smartphones und Tablets können auch PCs, sofern sie mit einem Modem und TV-Karten ausgestattet sind, als digitale Rundfunkempfangsgeräte dienen, die den zusätzlichen Schritt der Analogisierung der Programmsignale nicht vollziehen müssen, da die Bildverarbeitung und -darstellung bereits vollständig auf digitaler Basis funktioniert.

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Im Decoder wird der digitale Datencontainer bzw. Multiplex mit Hilfe des Demultiplexers wieder in seine ursprünglichen Bestandteile, die einzelnen Sendesignale und SI-Daten, zerlegt. Dies wird mit Hilfe der PSI-Daten (Programme Specific Information) ermöglicht, die zuvor beim Multiplexing den einzelnen Bestandteilen des Datencontainers beigefügt wurden und die unterschiedlichen Datenpakete entsprechend ihren Eigenschaften (Video-, Audiosignale, Verschlüsselungsdaten, Systemdaten etc.) kennzeichnen. Mehrere zeitgleich arbeitende PSI-Filter erkennen die Bestandteile des zerlegten Datenstroms und ordnen diese den verschiedenen Ausgangskanälen des Demultiplexers zu. Alle unverschlüsselten Daten können nun decodiert und somit in analoge Signale umgewandelt werden.

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Anders verhält es sich aber mit verschlüsselten Datenströmen (z.B. Pay-TV), da diese zuvor mit Hilfe der Smart Card einer Autorisierungsprüfung unterzogen und sodann einem Descrambler zugeführt werden müssen, der die Verwürfelung der Daten wieder rückgängig macht, so dass das Programm wieder vollständig auf dem Bildschirm erscheinen kann. Erst nachdem die verschlüsselten Programmsignale auf diese Weise wieder entschlüsselt wurden, werden sie dem Decoder zugeleitet, der dann die Umwandlung in analoge Signale vornimmt.

2.1 Anwendungs-Programmierschnittstelle (API)

2.1.1 Funktionsweise

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Die Steuerung der einzelnen Hardwarekomponenten (z.B. Demultiplexer, MPEG-Decoder, Descrambler, CICA-Modul,[128] DVD-Laufwerk etc.), die in der Set-Top-Box enthalten und über einen Treiber zugänglich sind, erfolgt über die Betriebssoftware. Zusätzlich muss die Betriebssoftware auch unterschiedliche Arten von Anwendungssoftware (z.B. EPG, Webbrowser etc.) erkennen und diese verschiedenen Anwendungen zeitgleich durchführen können. Um dies zu ermöglichen, stellt die Betriebssoftware eine Schnittstelle bereit, auf die die einzelnen Anwendungen aufgesetzt werden können. Geschieht dies nicht, entsteht ein Kompatibilitätsproblem, das dazu führt, dass die Betriebssoftware nur solche Hard- und Softwareanwendungen unterstützt, die zuvor auf die eigene Programmierung abgestimmt wurden. In diesem Zusammenhang dienen Anwendungs-Programmierschnittstellen (API) bei der Bedienung von Decodern als Kommunikationsoberflächen und mithin als Eintritts- und Ausgangstor von interaktiven Anwendungen, die von digitalen Decodern dargestellt werden können. Das API bestimmt, wie eine in dem Decoder ankommende Information oder Anwendung von der Middleware verstanden und umgesetzt werden kann, so dass der Decoder diese Anwendung mittels des Betriebssystems und der entsprechenden Hardware verarbeiten und letztlich auf dem Fernsehgerät zur Darstellung bringen kann. Ein API ist daher ein wesentlicher Bestandteil einer Middleware und stellt das Bindeglied zwischen einer beliebigen Anwendung und den spezifischen Funktionsweisen des Decoders dar, die die Anwendung umsetzen sollen. Dem API kommt somit in erster Linie eine Vermittlungsfunktion für erweiterte oder interaktive Dienste zu. Hingegen ist für die bloße Wiedergabe von gegebenenfalls verschlüsselten digitalen Rundfunksignalen ein einfacher Decoder ohne Anwendungs-Programmierschnittstelle (sog. zapping-box) ausreichend.[129] Programmanbieter oder Plattformbetreiber entwickeln in der Regel bestimmte Anwendungen (z.B. elektronische Programmführer, abrufbare Zusatzinformationen, Spiele) zur Verarbeitung durch ein API einer bestimmten Middleware (z.B. Open TV, MHP), was zur Folge hat, dass das API einer anderen Middleware (z.B. NDS Media Highway) die in der Anwendung enthaltenen Informationen nicht umsetzen kann, so dass die Anwendung auf dieser Set-Top-Box letztlich nicht zur Darstellung gelangt[130] oder es sogar zu einem Systemversagen der Set-Top-Boxen kommt.[131] Dieses Kompatibilitätsproblem kann grundsätzlich auf verschiedene Arten gelöst werden. Einerseits besteht die Möglichkeit des sog. re-authoring, andererseits kann durch die Normierung eines einzigen API das Ziel der Interoperabilität aller Endgeräte sichergestellt werden. Im Fall des re-authoring wird eine Anwendung jeweils an die verschiedenen APIs angepasst, die von den Betreibern der Übertragungsplattformen (Satellit, Kabel, Terrestrik, DSL) eingesetzt werden, bzw. in den Decodern vorhanden sind. Dies erfordert grundsätzlich einen erhöhten Aufwand an Programmierungsarbeit.

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Im Gegensatz hierzu kann Interoperabilität grundsätzlich auch mittels einer Standardisierung der APIs in allen Empfangsgeräten hergestellt werden. Die Festlegung auf einen europäisch genormten API-Standard – beispielsweise MHP[132] – beseitigt jedoch nicht alle Kompatibilitätsprobleme, da die Notwendigkeit eines – wenngleich reduzierten – re-authoring bestehen bleibt. Denn bei der Implementierung eines API in eine Set-Top-Box treten herstellerspezifische Abweichungen auf, die nur durch ein entsprechendes re-authoring vollständig beseitigt werden können.[133]

2.1.2 Regulierung

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Die Europäische Kommission hat gem. Art. 17 RL 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) die Möglichkeit, APIs zu normieren. Die Kommission hat hierbei von dem dort vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht und am 31.12.2002 eine Liste von Standards bzw. Spezifikationen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, um die Mitgliedstaaten hierdurch zu ermutigen, Interoperabilität zu unterstützen. Die Kommission muss danach gem. Art. 18 Abs. 3 Rahmenrichtlinie im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens feststellen, in welchem Maß Interoperabilität in den einzelnen Mitgliedstaaten hergestellt werden konnte, und ob eine verbindliche Normung durch den europäischen Gesetzgeber notwendig und angemessen ist, um das Regulierungsziel der Verbreitung digitaler interaktiver Rundfunkdienste mittels Interoperabilität zu erreichen.

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Im deutschen Recht unterliegen APIs der telekommunikationsrechtlichen Regulierung nach § 48 Abs. 2 Nr. 2 TKG, wonach grundsätzlich offene Schnittstellenspezifikationen verwendet werden müssen, sei es, dass diese Spezifikationen zuvor auf europäischer Ebene genormt wurden, oder sei es, dass sich derartige offene Standards als marktüblich durchgesetzt haben. Ferner wird die Offenheit der Schnittstelle dadurch sichergestellt, dass die Inhaber von gewerblichen Schutzrechten an Programmierschnittstellen nach § 49 Abs. 2 TKG in nichtdiskriminierender Weise alle Informationen Dritten zugänglich machen müssen, die diese benötigen, um entsprechende Dienste voll funktionsfähig anzubieten, die auf dieser Programmierschnittstelle aufbauen.

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Überdies werden APIs auch der rundfunkrechtlichen Regulierung nach § 52c Abs. 1 Nr. 2 RStV unterworfen, die die Verwender dazu verpflichtet, durch diese Schnittstellen keine Behinderung oder Diskriminierung von Programmanbietern zu bewirken.[134]

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Diese parallele Regulierung von APIs durch §§ 48, 49 TKG einerseits und § 52c Abs. 1 Nr. 2 RStV andererseits ist mit dem verfassungsrechtlichen Verbot der Doppelregulierung[135] schwerlich in Einklang zu bringen. Gemäß dem verfassungsrechtlichen Grundsatz aus Art. 31 GG, dass Bundesrecht Landesrecht bricht, ist davon auszugehen, dass die im Übrigen auch speziellere telekommunikationsrechtliche Regelung die rundfunkrechtliche Regelung in einer Weise verdrängt, dass letztere nichtig ist,[136] soweit sie von §§ 48 Abs. 2 Nr. 2, 49 Abs. 2 TKG abweicht. Verfahrensrechtlich prüfen sowohl die Bundesnetzagentur als auch die Landesmedienanstalten durch die ZAK die Einhaltung der telekommunikationsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Bestimmungen innerhalb eines zwischen diesen Regulierungsbehörden abgestimmten Verfahrens.[137]

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Im Übrigen ist zu beachten, dass die Regelungen der §§ 48, 49 TKG und 52c Abs. 1 Nr. 2 RStV nur dann zur Anwendung kommen, „soweit“ Decoder derartige Programmierschnittstellen bereithalten. Handelt es sich indes um reine Zapping-boxen, d.h. Decoder ohne APIs, kommen diese Bestimmungen nicht zur Anwendung.[138]

 

2.2 Common Interface

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Decoder können mit Common Interface Schnittstellen („CI“) ausgestattet werden, um Interoperabilität beim Einsatz verschiedener Verschlüsselungssysteme zu gewährleisten. Soll ein Decoder dementsprechend in die Lage versetzt werden, unterschiedlich verschlüsselte Dienste zu empfangen, muss das Empfangsgerät multicryptfähig werden, d.h. durch die parallele oder alternative Verwendung verschiedener Verschlüsselungssysteme in der Lage sein, die jeweiligen unterschiedlich verschlüsselten Programmsignale zu entschlüsseln. Hierzu ist es notwendig, dass der Decoder mit einer Schnittstelle für den Einsatz von sog. Conditional Access-Modulen ausgestattet ist. Diese sog. CA-Module sind mit PCMCIA-Karten vergleichbar, die bei Computern eingesetzt werden, und verfügen über ein System zur Entschlüsselung des jeweiligen Zugangsberechtigungssystems und über eine zusätzliche Vorrichtung zum Einführen der individuellen Smart-Card, der Kundenkarte des Zuschauers, die der Abgleichung der Zugangskontrollnachrichten zum Zweck der Autorisierung dient. Je nachdem, mit welchem Verschlüsselungssystem das vom Rezipienten gewünschte Programm verschlüsselt wurde, muss dieser ein entsprechendes CA-Modul in die schachtartige Schnittstelle – das sog. Common Interface („CI“) – einsetzen und zusätzlich seine Empfangsberechtigung mit der Smart-Card, die er von dem jeweiligen Programmanbieter erhält, nachweisen.[139]

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Die Common Interface-Schnittstelle wurde ebenfalls normiert und gehört zu den Standards, die von der Europäischen Kommission nach Art. 17 Abs. 1 RRL im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden.[140] Nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 TKG müssen digitale Fernsehgeräte, die über eine Bildschirmdiagonale von über 30 cm verfügen über eine Schnittstelle verfügen, die den Anschluss einer Set-Top-Box und eines Zugangsberechtigungssystems erlaubt. Deshalb baut die Geräteindustrie seit Jahren in die iDTV-Geräte SCART-Buchsen und CI-Schnittstellen ein. Hingegen müssen digitale Fernsehgeräte ohne Bildschirme bzw. Set-Top-Boxen nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 TKG nicht zwingend mit einem CI ausgestattet sein. Damit hat der Gesetzgeber für Set-Top-Boxen bewusst eine Systemfestlegung vermieden[141] und die faktische Marktsituation berücksichtigt, da derzeit fast ausschließlich Set-Top-Boxen mit nur einem fest eingebauten Verschlüsselungssystem („embedded CA“) entwickelt werden. Die Möglichkeit, mehrere unterschiedliche Set-Top-Boxen an das Fernsehgerät anzuschließen, wird jedoch bereits durch die in § 48 Abs. 1 TKG erfolgte verbindliche Normierung der SCART-Buchse als Schnittstelle für die entsprechenden Verbindungskabel, sichergestellt. Gegenüber dem Anschluss eines zweiten Decoders stellt die integrierte CI-Schnittstelle eine gleichwertige, aber aus Platzgründen komfortable Alternative dar, Interoperabilität beim Einsatz verschiedener Verschlüsselungssysteme sicherzustellen. Da die bisher vom DVB-Konsortium standardisierte CI-Schnittstelle Kopier- und Jugendschutzfunktionalitäten nicht in ausreichendem Maß unterstützte, wurde diese Schnittstellentechnologie nunmehr durch das sog. CI+ Konsortium bzw. der CI+ LLP weiterentwickelt, so dass durch eine zusätzliche DES-Verschlüsselung zwischen dem CI-Modul und dem aufnehmenden Endgerät (sog. „host“) zumindest dem Kopierschutzinteresse der Sendeunternehmen und Filmstudios Rechnung getragen werden kann.

3. Navigator und Electronic Programme Guide (EPG)

3.1 Funktionsweise

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Durch die Digitalisierung der Produktions- und Übertragungstechnik entstehen günstige Voraussetzungen für die Entstehung und Verbreitung einer großen Programmvielfalt. Ein wesentliches Kennzeichen der Digitalisierung ist daher die Vervielfachung des nutzbaren Programmangebots, das in Zukunft neben Rundfunkprogrammen und Telemedien auch eine Fülle multimedialer Anwendungen und Dienste enthalten wird. Damit der Zuschauer die Möglichkeit hat, sich in der Informations- und Angebotsflut zu orientieren bzw. die gewünschten Inhalte schnell auszuwählen und anzusteuern, benötigt er eine Navigationshilfe. Navigationssysteme sind aus der Sicht der Rezipienten somit entscheidend für die spätere Programmauswahl und -nutzung. Abhängig von der Zugriffsebene gibt es deshalb allgemeine und spezielle Navigationshilfen. Eine allgemeine Navigationshilfe bietet der Basis-Navigator, der von Seiten des Herstellers in die Set-Top-Box oder in das TV-Gerät installiert wird oder als allgemeine Programmliste[142] von Plattformanbietern verbreitet wird. Der Basis-Navigator bildet die oberste Benutzeroberfläche, d.h. die allgemeinste Form des übergeordneten Programmzugriffs, die der Decoder bereitstellt. Er liest meist die standardisierten Service-Informationen (SI-Daten)[143] oder die ausgesendeten Programmlisten und eröffnet den Rezipienten Zugang zu allen empfangbaren Serviceangeboten und Programmen. Diese SI-Daten beinhalten beispielsweise die Art und den Namen des Programms, Inhaltsbeschreibungen und Startzeiten der (auch nachfolgenden) Sendungen. Auf der Ebene der Programmpräsentation erscheinen alle empfangbaren Programminhalte sowie meist anbieterspezifische Programmführer, sog. Electronic Programme Guides („EPG“).[144] Erst mit dem nächsten Schritt wechselt der Empfänger die Zugriffsebene und wählt entweder direkt ein Programmangebot oder als neue Benutzeroberfläche einen EPG aus. Der EPG ist ein spezielles Navigationsprogramm, das mehr als eine bloße Listung der vorhandenen Programmangebote vornimmt und den Zuschauern helfen soll, sich einen Überblick über das gesamte Programmangebot zu verschaffen und sodann zielgerichtet das Wunschprogramm einzuschalten. Die unterschiedlichen EPGs können verschiedene Servicefunktionen enthalten und unterscheiden sich stark in Art und Umfang der Programminformation. Denn es gibt zum einen die EPGs, die von den Programmanbietern speziell für ihre eigenen Bouquets konzipiert werden und folglich nur die eigenen Programme (vollständig) berücksichtigen. Diese EPGs können so programmiert sein, dass sie auch zusätzliche interaktive Multimediaanwendungen (z.B. Video-Streams) und Serviceleistungen beinhalten, die von Seiten des Programmanbieters den Bouquets hinzugefügt wurden, um (ausschließlich) das eigene Angebot möglichst attraktiv zu präsentieren. Zum anderen kann der Zuschauer aber auch auf programmübergreifende (neutrale) EPGs zurückgreifen, die wie eine elektronische Programmzeitschrift eine vollständige Programmdarstellung ermöglichen.[145]

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Über EPGs können z.B. Fernsehfilme über Suchbegriffe aufgefunden oder nach Genres geordnet und mit Lesezeichen vorgemerkt werden, ferner können Programmempfehlungen ausgesprochen und eine individuelle Programmvorauswahl programmiert werden. Zusätzlich können die Nutzungsprofile der Zuschauer gespeichert und dadurch die Programmpräferenzen bestimmt werden, um ihnen diese als zusätzliche Selektion anzubieten. Der wesentliche Unterschied der EPGs zu dem Basisnavigator besteht somit in dem größeren programmbezogenen Angebotsspektrum, das weitergehende Informationen zu Sendungen, Bilder und Videoclips, verlinkte Hintergrundinformationen sowie Zugriff auf Applikationen wie z.B. Teleshopping, Kindersicherung etc. enthält. Der EPG kann deshalb gezielt als Marketinginstrument zur Zuschauerbindung eingesetzt werden.[146] EPGs werden in der konvergenten Medienwelt zur zentralen Schnittstelle zwischen dem Anbieter und dem Nutzer, die dem Zuschauer ermöglichen, seine Interessen schnell und intuitiv zu verwirklichen oder aber auch das Interesse des Zuschauers auf bestimmte Inhalte lenken können. Ein Beispiel für einen besonders erfolgreichen EPG ist die Benutzeroberfläche und Steuerungsfunktion des iPhones.[147]

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Aus technischer Sicht ist der EPG eine Softwareanwendung, die einem Browser vergleichbar ist und passend zu dem API einer Set-Top-Box konfiguriert werden muss, damit der EPG vom Decoder dargestellt werden kann.

3.2 Regulierung

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Nach § 52c Abs. 1 Nr. 3 RStV i.V.m. § 2 Abs. 2 und § 15 Zugangssatzung unterliegen nicht jegliche Formen der Zugriffssteuerung einer Regulierung, sondern nur Benutzeroberflächen, die eine übergreifende Orientierung ermöglichen. Damit wurde der Basisnavigator bzw. ein programmübergreifender EPG einer medienrechtlichen Regulierung unterworfen. Ein bouqueteigener EPG, der in der Regel nur die Programme eines Bouquets (Programmpaket) darstellt und somit nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtangebots der Programme umfasst, unterliegt hingegen keiner Regulierung. Somit werden nur Anbieter von „übergeordneten Benutzeroberflächen“ verpflichtet, diese Steuerungssysteme diskriminierungsfrei auszugestalten, indem allen Rundfunkveranstaltern ein entsprechender Zugang zu diesen Navigationssystemen zu chancengleichen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen angeboten werden müssen.[148] Nach § 15 Abs. 2 Zugangssatzung ist ein solcher diskriminierungsfreier Zugang jedenfalls dann gewährleistet, wenn der Zuschauer die Möglichkeit hat, mehrere Programmlisten mit mehreren Sortierungskriterien zu verwenden (z.B. Sortierung nach Programmreichweite, Genre oder Alphabet) und ferner die Möglichkeit hat, die Reihenfolge der Programmliste zu ändern oder eine eigene Programmliste anzulegen, und eine eigene Favoritenliste ohne Voreinstellungen angeboten wird. Die Landesmedienanstalten überwachen mit ihrem Hilfsorgan, der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), die Einhaltung dieser Grundsätze und achten hierbei vorrangig darauf, dass die zur Erstellung einer Programmreihenfolge verwendeten Differenzierungskriterien stringent und diskriminierungsfrei angewendet werden. Da die Programmführung für den Zuschauer eine wichtige Servicefunktion darstellt, sind optische und inhaltliche Differenzierungen, d.h. verschiedene Formen der Ausgestaltung von Navigationssystemen grundsätzlich erlaubt und liegen im Zuschauerinteresse. Bei der Bewertung des Diskriminierungspotenzials eines Navigators ist es nach § 15 Zugangssatzung von besonderer Bedeutung, inwieweit der Zuschauer weitere Handlungsoptionen hat, insbesondere zwischen verschiedenen Navigatoren frei auswählen und sich auch eigene Favoritenlisten programmieren kann. Der Wettbewerb zwischen Navigatoren ist hierbei ein regulatorisch gewünschtes Ziel, das damit auch die Unterschiedlichkeit der Ausgestaltung von Programmlisten und –darstellungen voraussetzt und grundsätzlich auch Programmbewertungen, die im Print-Bereich ein wesentliches Kaufargument für Programmzeitschriften darstellen, zulässt. Zur Ermöglichung einer zeitnahen Missbrauchskontrolle unterliegen Navigatoren gem. § 52c Abs. 2 einer Anzeige- und Auskunftspflicht gegenüber den zuständigen Landesmedienanstalten, die entsprechende Verstöße nach § 49 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RStV als Ordnungswidrigkeit ahnden können.[149] Nach erfolgter Anzeige bei der zuständigen Landesmedienanstalt, befasst diese die ZAK mit der Prüfung des Navigators. Die Landesmedienanstalt trifft eine abschließende Entscheidung über die Diskriminierungsfreiheit des Navigators in Form eines feststellenden Verwaltungsaktes und übernimmt hierbei in der Regel die Prüfungsergebnisse der ZAK.

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Da in einer konvergenten Medienwelt der Empfang von Rundfunkinhalten nunmehr über eine Vielzahl unterschiedlicher Endgeräte möglich ist, stellt sich die Frage, wie der aktuelle Rechtsrahmen zur Regulierung von Navigationsoberflächen weiterentwickelt werden soll. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit neben den bisherigen Plattformbetreibern gem. § 2 Nr. 13 RStV zukünftig auch die Hersteller von Endgeräten – insbesondere von TV-Geräten – und OTT-Anbieter in die Regulierung einbezogen werden müssen, da der Zugriff auf Programminhalte in großem Umfang direkt über die EPGs der TV-Geräte oder Nutzeroberflächen der OTT-Anbierter erfolgt. Ferner wird diskutiert, ob bestimmte Programminhalte von großer Bedeutung auf die Meinungsvielfalt bei der Auffindbarkeit privilegiert werden sollen. Hierzu werden insbesondere ein veränderter Definitionsansatz in § 2 Nr. 13 RStV sowie ergänzende Regelungen in § 52c RStV erwogen, da das Thema „Auffindbarkeit“ eine herausragende Bedeutung bei der digitalen Mediennutzung zukommt.