Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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1.2 Multiplexing

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Digitale Programmsignale benötigen eine weitaus geringere Übertragungskapazität (Bandbreite) als analoge Programmsignale, die die gesamte Bandbreite eines frequenztechnisch festgelegten Übertragungskanals beanspruchen. Um eine effiziente Nutzung der vorhandenen Übertragungskapazitäten sicherzustellen, werden auf den festgelegten Übertragungskanälen digitale Transportdatenströme verbreitet, die zwar die gleiche oder eine ähnlich Bandbreite wie die analogen Programmsignale benötigen, aber statt nur einem Programm eine Vielzahl von Programmen beinhalten. Denn mehrere digitale Programmsignale werden durch den technischen Vorgang des Multiplexings zu einem einheitlichen sendefähigen Transportstrom verpackt.[25] Durch die Möglichkeit des dynamischen Multiplexings werden den einzelnen digitalen Programmsignalen innerhalb des Multiplexes keine konstanten Bandbreiten zugeteilt, sondern die Gesamtmenge der Übertragungsbandbreite (z.B. 50 Mbit/s je digital genutzten Kabelkanalplatz) wird den Programmen des Multiplexes bedarfsgerecht zugewiesen. Dadurch können Programmen, die aufgrund eines hohen Bewegtbildanteils (z.B. Sportübertragungen) eine vergleichsweise große Bandbreite benötigen, zusätzliche Übertragungsbandbreiten zugeteilt werden, während im gleichen Moment ein anderes Programm des selben Multiplexes nur einen geringen Kapazitätsbedarf hat (z.B. Standbilder oder Zeichentrickfilme). Diesen Transportdatenströmen bzw. Multiplexen werden beim Vorgang des Multiplexings bzw. dem „Verpacken“ noch weitere digitale Informationen hinzugefügt, die für die weitere Programmverarbeitung und -darstellung von großer Bedeutung sind (z.B. weitere digitale Fernseh- und Hörfunkprogramme, Programm Service Informationen (PSI-Daten), Netzwerkinformationen (NIT = Network Information Table), Startzeiten von Programmen (EIT = Event Information Table), genaue Programmbeschreibungen (SDT = Service Description Table), Jugendschutzinformationen, Kopierschutzinformationen, Informationsdienste, Benutzerführer bzw. „electronic programme guides“ (EPGs), Verschlüsselungsinformationen (EMM und ECM), Fehlerkorrekturprogramme und gesonderte Kennungen, sog. „Paket-Identifier“ (PID)).

Nach der technischen Verknüpfung (Verpackung oder „Packaging“) dieser unterschiedlichen Informationen in ein einheitliches digitales Sendesignal, dem Multiplex, wird dieser Transportdatenstrom an den Empfänger übermittelt und belegt hierbei nur eine Sendefrequenz bzw. einen „Kanal“, was zu einer wesentlichen Erweiterung des Programmangebots durch effektivere Nutzung der Übertragungsfrequenzen führt. Dies wird im Rundfunkbereich besonders anschaulich, denn beispielsweise im analogen Fernsehen über Kabelnetze wird eine Sendefrequenz (Übertragungskanal mit einer Bandbreite von ca. 8 MHz) mit nur einem analogen Fernsehprogramm belegt, wohingegen die digitale Verbreitung eine Nutzung dieser Frequenz durch einen Multiplex mit zehn bis sechzehn Fernsehprogrammen in SD-Qualität und zusätzlichen Diensten ermöglicht. Die Anzahl der Fernsehprogramme, die innerhalb eines Multiplexes verbreitet werden können, ist davon abhängig, wie viel Bandbreite einem Programm im Rahmen des dynamischen Multiplexings zugeteilt und welche Modulation bei der Übertragung des Multiplexes verwendet wird.[26]

2. Bilddarstellung

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Angesichts einer Entwicklung, in der immer mehr Privathaushalte ihre Wohnzimmer mit Bild- und Audiotechnik zu Heimkinos aufrüsten und somit die Verbreitung von LCD- oder Plasma-Flachbildschirmen mit Bilddiagonalen von über 90 cm sprunghaft zunimmt, gewinnt die Form (Format) und Qualität (Bildauflösung) der Bilddarstellung einen wachsenden Stellenwert. Da der ehemals vergebliche Versuch, die Einführung des hochauflösenden Fernsehens mittels eines auf europäischer Ebene vorgegebenen Standards (HD-MAC)[27] zu fördern, sich mahnend in Erinnerung ruft, vertrauen die Gesetzgeber derzeit stärker auf eine marktgetriebene Entwicklung leistungsfähiger Bildstandards und setzen auf eine flankierende Gesetzgebung statt auf starre Normierungseingriffe.

2.1 High Definition Television (HDTV)

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Im Gegensatz zur analogen Bilddarstellung im PAL- und SECAM-Format bietet die HDTV-Technik eine bessere Bildqualität mittels einer höheren Bildauflösung. Diese hohe Bildauflösung wird durch die Verwendung einer höheren Anzahl von Bildzeilen und Bildpixeln je Zeile erreicht. Beispielsweise verwenden die HD-Formate 1080p und 1080i eine Auflösung von 1 920 Bildpixel je Zeile bei einer Darstellung in 1080 Bildzeilen.[28] Bei der Bildauflösung im UltraHD-Standard wird mit einer Darstellung von 3840 x 2160 Pixel bei 60 Bildern pro Sekunde (UHD1 oder 4K) oder sogar doppelt so hoch auflösend 7680 x 4320 Pixel bei 120 Bildern pro Sekunde (UHD2 oder 8K). Im Vergleich hierzu verwendet der analoge Bildstandard PAL eine Auflösung von je 346 Pixeln in 625 Bildzeilen. Die Übertragung von HDTV-Formaten benötigt aufgrund der höheren Bildauflösung deshalb weitaus höhere Übertragungsraten, z.B. von ca. 10 – 16 Mbit/s je Einzeldienst bei HDTV-Programmen im MPEG-4 Standard.[29] Betreiber von Telekommunikationsnetzen wie beispielsweise Breitband-Kabelnetzen verfügen jedoch in der Regel über Kabelkanäle mit einer Bandbreite von 8 MHz, die eine Übertragungsrate von 50 Mbit/s (256 QAM Modulation) erlauben. Herkömmliche TV-Dienste benötigen eine vergleichsweise geringe Übertragungsrate von ca. 3-4 Mbit/s und somit nur einen Bruchteil der Übertragungskapazität, die für HDTV-Dienste oder gar UHD-Dienste benötigt werden.

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Ebenfalls in HDTV-Qualität werden derzeit 3-D-Filme produziert. Die räumliche Bilddarstellung wird hierbei durch die gleichzeitige Verwendung von zwei räumlich leicht versetzten Filmkameras erzeugt (Stereoskopie), die den Abstand der Augen und das damit verbundene Raumempfinden reproduzieren. Jede Filmkamera nimmt hierbei das Bild für nur ein Auge auf. Der stereoskopische Effekt (das Raumempfinden bzw. der 3-D-Effekt) stellt sich ein, wenn die beiden Filme gleichzeitig auf dem gleichen Bildschirm gezeigt werden, aber dennoch von den beiden Augen jeweils getrennt wahrgenommen werden. Um dies zu erreichen, können verschiedene Verfahren verwendet werden. Am bekanntesten sind hierbei die anaglyphe Projektion und die Shuttertechnik. Bei der anaglyphen Projektion werden die beiden Filme zeitgleich auf den Bildschirm gesendet und die notwendige optische Trennung erfolgt dadurch, dass der Film für das rechte Auge rot und der für das linke Auge grün eingefärbt wird. Durch das Tragen einer entsprechenden Brille mit einem roten und einem grünen Glas kann das rechte Auge nur den roten Film erkennen (der grüne wird ausgeblendet) und das linke Auge nimmt entsprechend nur den grünen Film wahr. Bei der Shuttertechnik werden die beiden Filme dagegen abwechselnd in sehr schnellen Intervallen gezeigt (meist weit mehr als 50 Bilder pro Sekunde, d.h. über 25 Bilder pro Sekunde für jeden der beiden Filme). Die benötigte Trennung der Wahrnehmung durch die Augen erfolgt durch gleichzeitig mit dem Film ausgestrahlte Infrarot-Steuersignale, die von der benötigten und mit dem TV-Gerät synchronisierten Shutterbrille dergestalt verarbeitet werden, dass sich die beiden LCD-Brillengläser in den vorgegebenen Intervallen abwechselnd öffnen und schließen.

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Eine medien- oder telekommunikationsrechtliche Regulierung von Bildstandards wie HDTV oder 3-D ist derzeit nicht vorhanden. Die Sendeunternehmen stellen die TV-Ausstrahlung derzeit von SDTV (Standard Definition Television) auf HDTV um, während die Filmindustrie bereits verstärkt in die Produktion in UHD und 3-D-Technik eingestiegen ist. Von Versuchen hierbei regulatorische Vorgaben zu machen, wird derzeit auch mit Blick auf die in den 90er Jahren gescheiterte Zwangseinführung des analogen HDTV-Standards HD-MAC abgesehen. Da die Verbreitung allein von herkömmlichen HDTV-Programmen (MEPG-4 Standard) im Vergleich zu SD-Programmen das ca. 3- bis 4-fache an Übertragungskapazität benötigt, konnten bislang über DVB-T keine HDTV-Programme verbreitet werden. Dies ändert sich nunmehr mit dem im März 2017 begonnenen Umstieg auf DVB-T2 Technologie, die weitaus mehr Kapazitäten für die Rundfunkübertragung bereitstellt, jedoch auch kompatible Empfangsgeräte voraussetzt, so dass ein Austausch der vorhandenen DVB-T Receiver seitens der Zuschauer erforderlich ist.

2.2 Bildformate

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In Europa hat sich zunächst das Bildschirmformat 4:3 etabliert und war lange Zeit der maßgebliche Standard im Bereich der Fernsehempfangsgeräte. Dies hat sich jedoch mit der Einführung des aus dem Kinobereich bekannten Breitbildformats 16:9 stark geändert, das von allen modernen Flachbildschirmgeräten verwendet wird. Dieses Bildformat ist in erster Linie für moderne Fernsehgeräte mit einer Bildschirmdiagonale von über einem Meter vorgesehen und ist optimal auf das menschliche Gesichtsfeld abgestimmt. Die Darstellung von 16:9 Formaten auf herkömmlichen Fernsehgeräten mit 4:3 Format führt jedoch zu Kompatibilitätsproblemen in Form von Bildverzerrungen oder Bildverkürzungen, da diese Geräte nicht für weitwinklige Kinoformate ausgelegt sind.[30] Die Anpassung des Weitwinkelformats 16:9 auf das kleinere, aber vergleichsweise höhere 4:3 Format kann mit Hilfe von unterschiedlichen Verfahren umgesetzt werden. Erstens kann das 16:9 Format unter Beibehaltung der vollen Bildzeilenzahl in der Horizontalen zusammengepresst werden, um der geringeren Bildbreite des 4:3 Formats zu entsprechen. Dadurch entstehen jedoch überaus störende Verzerrungen der Bilddarstellungen, weshalb dieser Weg in der Praxis nicht verwendet wird. Im zweiten („pan“ und „scan“-) Verfahren wird das Breitbildformat in der Vertikalen an das 4:3 Format angepasst, so dass die Darstellung im Hinblick auf die Bildhöhe kompatibel ist. Dies führt zu der nachteiligen Folge, dass die „überstehende“ Bildhorizontale am rechten und linken Bildrand „abgeschnitten“ wird. In der Praxis hat sich deshalb das sog. Letterbox-Verfahren durchgesetzt, bei dem das Breitbildformat vollständig erhalten bleibt, indem die Bildhorizontale an das 4:3 Format angepasst wird. Dies führt jedoch zu einer Verkleinerung des gesamten Bildes und hat zur Folge, dass auf einem herkömmlichen 4:3 Bildschirmgerät am oberen und unteren Bildrand schwarze Balken erscheinen.[31]

 

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Ähnliche Kompatibilitätsprobleme entstehen, wenn auf einem 16:9 Breitbildschirmgerät Fernsehfilme dargestellt werden sollen, die im 4:3 Format produziert und gesendet werden.[32] Hierbei bestehen ebenfalls die Möglichkeiten der Bilddehnung, der Bildvergrößerung (Zoom-Verfahren, das zum Abschneiden der oberen und unteren Bildbereiche führt und nur den zentralen Bildbereich darstellt) und der partiellen Bildanpassung im Letterboxverfahren, wobei in diesem Fall die schwarzen Balken rechts und links des Fernsehbildes entstehen. Eine Beseitigung von derartigen Kompatibilitätsproblemen könnte theoretisch durch das 14:9 Format ermöglicht werden, das aber auf der Ebene der Filmproduktion mit Einschränkungen verbunden ist.[33] Praktisch wird das Kompatibilitätsproblem jedoch dadurch gelöst, dass die Sendeunternehmen ihre Programmverbreitung auf 16:9 umgestellt haben und Fernsehgeräte mit 4:3 Format in Deutschland nur noch sehr selten im Einzelhandel erworben werden können. De facto hat sich folglich der 16:9 Standard durchgesetzt und verdrängt somit sukzessive alle Geräte, die noch mit dem 4:3 Format arbeiten.

2.3 Regulierung von Breitbildformaten

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Die Verwendung von Breitbildformaten wird durch die Gesetzgebung nicht vorgeschrieben, da im Bereich des Mediensektors auf eine marktorientierte Entwicklung von offenen Standards beispielsweise durch das DVB-Konsortium vertraut wird. Die Bestimmung des § 49 Abs. 1 TKG enthält somit lediglich eine Verpflichtung zum Schutz des 16:9 Formats, sofern dieser politisch förderungswürdige Bildstandard verwendet wird. Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze werden deshalb zur Weiterverbreitung der Fernsehdienste im Breitbildformat verpflichtet, sofern diese Dienste zuvor in diesem Format zur Verbreitung in ihren Netzen übergeben wurden. Diese Form des Formatschutzes betrifft jedoch nur den Übertragungsvorgang, nicht aber den Empfangsvorgang. Die problemlose Darstellung des 16:9 Formats erfordert, dass auch die Endgeräte (TV-Geräte, Decoder) das 16:9 Format technisch unterstützen.[34]

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16:9 Formate werden insbesondere bei der Verwendung von HDTV-Produktionen eingesetzt. Führt die Übertragung von HDTV-Formaten (vor allem beim kapazitätsintensiven UHD) jedoch aufgrund der hohen Datenraten zu Kapazitätsengpässen und damit zu Übertragungsproblemen, stellt dies nicht eine Verletzung des Formatschutzes i.S.d. § 49 Abs. 1 TKG dar.

III. Verbreitungsinfrastrukturen

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Aufgrund des Prozesses der technischen Konvergenz zwischen Verbreitungswegen und rundfunktauglichen Empfangsgeräten stehen für die Verbreitung von Kommunikationsangeboten je nach Inhalt, Art und Weise der Kommunikationsform unterschiedliche Verbreitungswege zur Verfügung. Als klassischer Verbreitungsweg für die Individualkommunikation (Telefonie und E-Mails) wurden früher in erster Linie eine schmalbandige Festnetzverbindung (Kupferdoppelader bzw. twisted pair) genutzt. Als klassische Verbreitungswege für die Massenkommunikation in der Form des Rundfunks stehen in erster Linie die Breitbandkabelnetze und Satelliten sowie die ehemals vorherrschende terrestrische Funktechnik zur Verfügung. Nach dem Verkauf der Breitbandkabelnetze von der Deutschen Telekom an private Investoren in den Jahren 2000 bis 2003 wurden die Breitbandkabelnetze rückkanalfähig ausgebaut, so dass im Rahmen von Triple Play-Angeboten neben Rundfunk auch Internet und Telefonie über diese Infrastruktur angeboten werden. An diese Entwicklung knüpfen nunmehr Satellitenbetreiber an, die diesen Verbreitungsweg ebenfalls für diese Formen der Individualkommunikation umstellen. Überdies wurden im Zuge der technischen Konvergenz noch weitere Übertragungswege für die Rundfunknutzung erschlossen wie beispielsweise DSL-Netze, die eine Fernsehübertragung unter Nutzung des Internet Protokolls ermöglichen (IPTV). Ferner entsteht derzeit eine Vielzahl neuer breitbandiger Verbreitungsinfrastrukturen. So errichten in den Ballungszentren kommunale Netzbetreiber häufig zusammen mit den örtlichen Stadtwerken neue Glasfaserinfrastrukturen. Hingegen wurden in den ländlichen Gebieten überwiegend terrestrische Infrastrukturen aufgebaut wie beispielsweise die LTE-Technologie (Long Term Evolution), die insbesondere die langwelligeren terrestrischen Funkfrequenzen oberhalb von 790 MHz nutzen, oder WLAN-Netze, die über Richtfunkstrecken an ein Glasfaser-Backbone angeschlossen werden. Die ehemals gehegten Erwartungen an DMB, DVB-H oder UMTS-Netze als die aus damaliger Sicht wichtigsten breitbandigen Zukunftstechnologien sind hingegen nicht erfüllt worden. Deshalb werden nunmehr zunehmend auch in ländlichen Gebieten unter Inanspruchnahme von staatlichen Fördermitteln breitbandige Glasfaserinfrastrukturen errichtet. Ferner bauen auch private Kabelnetzbetreiber ihre Netze in ländlichen Regionen weiter aus und durch die Nutzung der Vectoring-Technologie ist auch die Deutsche Telekom in der Lage, höhere Internet-Bandbreiten anzubieten, die eine Fernseh-Übertragung ermöglichen.

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Verbreitungswege mit großen Übertragungskapazitäten sind aber nicht nur wegen der heutzutage besonders nachgefragten Internetnutzung, sondern vor allem wegen ihrer Möglichkeit zur Übertragung von Rundfunkinhalten seit jeher von besonderer gesellschaftspolitischer Bedeutung. Im Hinblick auf den Zugang von Rundfunkinhalten zu Verbreitungswegen hat das Bundesverfassungsgericht in einer Zeit, die fast ausschließlich von einer terrestrischen Verbreitungstechnik dominiert war, festgestellt, dass „eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt ist“[35] als Bestandteil der Bestandsgarantie des Rundfunks zu qualifizieren ist, und die Nutzung der Verbreitungswege mithin einen wichtigen Bestandteil der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Rundfunktätigkeit darstellt. Die damalige Ausgangssituation, die durch einen extremen Mangel an terrestrischen Übertragungskapazitäten geprägt war, hat sich heute durch die weit verbreitete Nutzung der Satelliten und der Kabelinfrastrukturen grundlegend geändert. Im Hinblick auf die digitale Verbreitungstechnik ist meist nur noch bei den terrestrischen Infrastrukturen ein Kapazitätsmangel vorhanden. Bei der Auferlegung von Übertragungsverpflichtungen an Infrastrukturbetreiber ist jedoch immer mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Interessen des Rundfunkunternehmens einerseits und den nach Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG andererseits geschützten Interessen der Eigentümer der jeweiligen Infrastruktur zu schaffen.[36] Im Rahmen des 10. RÄStV haben die Landesgesetzgeber im Rahmen der sog. „Plattformregulierung“ erstmals versucht, alle digitalen Verbreitungsvorgänge einem einheitlichen Regulierungsansatz zuzuführen. Ob der begrüßenswerte Ansatz einer technologieneutralen Infrastrukturregulierung auch in der Praxis tatsächlich zu einer regulatorischen Gleichbehandlung der unterschiedlichen und miteinander im Wettbewerb stehenden Verbreitungsinfrastrukturen führte, muss angesichts der dynamischen Veränderungsprozesse, die beispielsweise durch Internetdienste wie Google-TV ausgelöst werden, indes bezweifelt werden.[37]

1. Terrestrik

1.1 Übertragungstechnik

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Aufgrund der historischen Entwicklung der Funktechnik ist das analoge terrestrische Sendernetz der traditionelle Verbreitungsweg für Rundfunkinhalte, über den die Programmsignale mittels Funktechnik über hochgelegene Funktürme weiträumig ausgestrahlt werden. Das terrestrische Verbreitungsnetz wurde ehemals von der Deutschen Bundespost unterhalten und wird heutzutage überwiegend von der Media Broadcast GmbH betrieben. Aus historischen Gründen betreiben auch einzelne öffentlich-rechtliche Sendeanstalten wie beispielsweise der Hessische Rundfunk und der Westdeutsche Rundfunk eigene terrestrische Sendenetze, über welche sie in analoger und digitaler Form ihre Rundfunkinhalte verbreiten (vertikale Integration). Die Programmsignale werden mit einer terrestrischen Dach- oder Zimmerantenne empfangen und an das Fernsehempfangsgerät weitergeleitet. Wegen der Frequenzknappheit (zumeist sind nur sechs terrestrische Frequenzgänge für TV verfügbar) sowie der hohen Übertragungskosten wurde dieser Übertragungsweg jedoch zunächst nur von den öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen genutzt. Seit Beginn des privaten Rundfunks im Jahr 1984 konnte die Terrestrik, die meist nur den Empfang von 6–8 Programmen ermöglichte, aufgrund der damit verbundenen Frequenzknappheit und der hohen Übertragungskosten nur von wenigen privaten Rundfunkanbietern genutzt werden. Die Bedeutung der analogen Terrestrik als Rundfunkübertragungsweg ist seit dem Erfolg der Übertragungswege Satellit und Kabel, die im Vergleich hierzu über ein Vielfaches der Übertragungskapazität verfügen, erheblich zurückgegangen, so dass im Jahr 2002 nur noch 4 % der Fernsehhaushalte auf den analogen terrestrischen Empfang zurückgriffen. Mit der im Jahr 2003 begonnenen Umstellung auf digitale Übertragungstechnik (DVB-T[38]) für Fernsehprogramme konnte die Terrestrik erneut an Attraktivität und Zuschauern gewinnen, da auf den digitalisierten Frequenzen statt einem analogen nunmehr vier digitale Programme verbreitet werden können, so dass in DVB-T-Verbreitungsgebieten in der Regel bis zu 24 Programme empfangbar waren.[39] Bei der DVB-T-Umstellung wurden jedoch die vorhandenen analog genutzten Sendefrequenzen für die digitale Nutzung umgewidmet. Dies hat zur Folge, dass die Einführung der digitalen Verbreitungstechnik die Einstellung der analog terrestrischen Verbreitung der Rundfunkprogramme bedingt („analogue switch off“). DVB-T ist trotz der Vorteile einer effizienteren Frequenznutzung sowie der Möglichkeit der mobilen Nutzung für die Programmveranstalter in Relation zu den erreichten Fernsehhaushalten ein überaus kostenintensiver Verbreitungsweg, so dass die privaten Programmveranstalter – anders als die flächendeckend verbreiteten öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen – bislang nur in Ballungsräumen eine DVB-T Verbreitung nachfragen und sich deshalb nicht oder nur eingeschränkt für die Nutzung dieser terrestrischen Übertragungskapazitäten beworben haben. Die Terrestrik hat sich deshalb von einem ehemals flächendeckenden Verbreitungsweg, der die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunk sicherstellen sollte, zu einem Ballungsraumrundfunk entwickelt.[40] Auch durch die Weiterentwicklung der kabelgebundenen Verbreitungsinfrastrukturen zu internetfähigen Kommunikationsplattformen, die zudem aufgrund der größeren Übertragungsbandbreiten in der Lage sind, eine Vielzahl von bandbreitenintensiven HDTV-Programmen zu übertragen, nahm die Bedeutung der Terrestrik als Verbreitungsinfrastruktur erneut ab. Auch aufgrund des fehlenden Angebots an Pay-TV-Programmen gerät die digitale Terrestrik im Vergleich mit anderen Infrastrukturen erneut ins Hintertreffen. Mit der ab März 2017 begonnenen Weiterentwicklung der DVB-T-Verbreitungstechnik hin zu der DVB-T2- Technik, die die MPEG-4-Kompressionstechnik verwendet, werden weitere Übertragungskapazitäten für die digitale Terrestrik geschaffen werden, so dass die Programmverbreitung nunmehr im HDTV-Standard verbreitet wird. Die DVB-T2-Verbreitung ersetzt aber die bisherige DVB-T-Verbreitung, die im Gegenzug eingestellt wird. Ferner erfolgt die DVB-T2-Verbreitung der privaten Programmveranstalter in verschlüsselter Form, so dass der Empfang dieser Programme den Abschluss eines entsprechenden kostenpflichtigen Abonnements voraussetzt. Die technische Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 erfordert auf Seiten der Empfangshaushalte jedoch auch eine Umstellung der Empfangsgeräte. Die bisherigen DVB-T-Empfangsgeräte sind mit dem DVB-T2-Standard nicht kompatibel. Der Vorteil von DVB-T2 beruht vor allem darauf, dass eine höhere Modulation verwendet wird (256 QAM statt bisher 64 QAM), die zum einen höhere Übertragungskapazitäten schafft (und damit eine HDTV-Übertragung erlaubt), aber zum anderen einen für den Zuschauer radikalen technischen Umstellungsprozess (Wechsel des Empfangsgeräts) erfordert.

 

Unabhängig von dem technischen Umstellungsprozess auf DVB-T2 wird auch wegen der Verschlüsselung der privaten Programme abzuwarten sein, ob der terrestrische Empfang wie bislang auch weiterhin komplementär zum Satelliten- und Kabelempfang für den Rundfunkempfang auf entsprechenden Zweit- oder Drittgeräten oder zur mobilen Nutzung (z.B. im Auto, auf Laptops oder portablen TV-Geräten mit eingebauten DVB-T2-Tunern) eingesetzt wird.[41]

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Das terrestrische Sendenetz für die digitale Hörfunkübertragung (DAB[42]) wurde bereits vor längerer Zeit bundesweit vollständig ausgebaut. Da die DAB-Frequenzen über eine eigenständige Netzinfrastruktur bereitgestellt werden, die parallel zu dem analogen Sendenetz existiert, müssen für die digitale Verbreitung von Hörfunkprogrammen keine analogen UKW-Frequenzen abgeschaltet werden (Simulcast).[43] Folglich vollzieht sich der Übergang von analoger auf digitale Verbreitung nicht wie bei DVB-T durch eine abrupte Abschaltung der analogen zu Gunsten einer digitalen Übertragung, so dass die Nutzer selber entscheiden können, ob sie weiterhin die analoge Technik nutzen wollen oder bereits auf die digitale Verbreitung umstellen möchten. Aufgrund der zusätzlichen digitalen Verbreitungskosten werden derzeit noch weniger Programmveranstalter digital über DAB verbreitet, als über die analogen UKW-Frequenzen empfangen werden können. Überdies sind die DAB-Empfänger noch erheblich teurer als konventionelle Radios, so dass bislang nur wenige Zuhörer überhaupt diesen Verbreitungsweg nutzen.