Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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D. Aufsicht
I. Aufsicht nach dem Jugendschutzgesetz

1. Landes- und Bundesbehörden

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Als oberstes Ministerium ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (im Folgenden: Bundesfamilienministerium) für den Jugendschutz im Bereich Film und Trägermedien zuständig. Darüber hinaus sind Zuständigkeiten der obersten Landesjugendbehörden sowie deren Zusammenarbeit mit freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen im JuSchG normiert (vgl. etwa §§ 11, 12, 13, 14 JuSchG).

2. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM)

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Die BPjM ist eine selbständige Bundesoberbehörde mit eigenem Haushalt, die dem Bundesfamilienministerium nachgeordnet ist. Sie ist für die Indizierung jugendgefährdender Medien[92] (vgl. §§ 17 Abs. 2, 18 JuSchG) sowie die Führung der Liste jugendgefährdender Medien (vgl. § 24 JuSchG) zuständig. Trotz der Einbindung in die Behördenorganisation, sind die „Mitglieder der Bundesprüfstelle nicht an Weisungen gebunden“ (§ 19 Abs. 4 JuSchG), sondern nur dem Gesetz unterworfen. Ein staatlicher Eingriff in die Entscheidung über die Indizierung eines Mediums erfolgt somit nicht.[93]

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Die personelle Besetzung der BPjM ist in § 19 JuSchG festgelegt. Sie besteht aus einer oder einem vom Bundesfamilienministerium benannten Vorsitzenden, je einer oder einem von jeder Landesregierung zu benennenden Beisitzerin oder Beisitzer und weiteren vom Bundesfamilienministerium benannten Beisitzerinnen oder Beisitzern aus den Kreisen der Kunst, der Literatur, des Buchhandels und der Verlegerschaft, der Anbieter von Bildträgern und Telemedien, der Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe, der Lehrerschaft und den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften.[94]

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Hinsichtlich der Indizierung von Internetseiten findet eine enge Zusammenarbeit der BPjM mit der KJM statt. Erhält die BPjM einen Indizierungsantrag einer antragsberechtigten Stelle, so übermittelt sie diesen der KJM, die dann den Antrag bewertet. Die Stellungnahme der KJM wird von der BPjM bei der Frage, ob das jeweilige Angebot indiziert wird, maßgeblich berücksichtigt. Beide Institutionen verfolgen hier eine gemeinsame Spruchpraxis. Darüber hinaus ist die KJM hinsichtlich der Indizierung von Internetseiten auch selbst antragsberechtigt.[95]

3. Die freiwillige Selbstkontrolle

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Mit ihrer Gründung im Jahr 1949 ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) die älteste Selbstkontrolleinrichtung Deutschlands.[96] Hauptaufgabe der FSK ist es, freiwillige Altersfreigabeprüfungen für Bildträger, die für die öffentliche Vorführung bzw. Zugänglichmachung und Verbreitung in Deutschland vorgesehen sind, durchzuführen. Die Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen bei öffentlichen Filmveranstaltungen sowie die öffentliche Freigabe von Bildträgern für Kinder und Jugendliche ist – soweit es sich nicht um Informations-, Instruktions- und Lehrfilme handelt – nur gestattet, wenn die Filme bzw. Programme von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle gem. § 14 Abs. 6 JuSchG gekennzeichnet worden sind (§§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 JuSchG).

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Die FSK stellt eine Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle dar, die die gem. § 14 JuSchG gesetzlich vorgeschriebene Alterskennzeichnung im Auftrag der Obersten Landesjugendbehörden vornimmt. Sie befindet sich in der Rechts- und Verwaltungsträgerschaft der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO), einem Dachverband von derzeit 17 Berufsverbänden der deutschen Film-, Fernseh- und Videowirtschaft, die insgesamt mehr als 1100 Mitgliedsfirmen repräsentieren.[97]

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Die Prüfung durch die FSK ist freiwillig, jedoch haben sich die Mitglieder der SPIO verpflichtet, nur von der FSK geprüfte Produkte öffentlich anzubieten. Bildträger, die einer entsprechenden Prüfung nicht unterzogen wurden, werden nur für Erwachsene freigegeben.

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Die Kennzeichnung geprüfter Filme erfolgt entsprechend § 14 Abs. 2 JuSchG mit den Prädikaten „Freigegeben ohne Altersbeschränkung“, „Freigegeben ab sechs Jahren“, „Freigegeben ab zwölf Jahren“, „Freigegeben ab sechzehn Jahren“ und „Keine Jugendfreigabe“.

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Für die Kontrolle von Computerspielen hat sich als freiwillige Selbstkontrolle der Computerspielewirtschaft im Jahr 1994 die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) gegründet.[98] Die USK wird getragen durch die Freiwillige Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware GmbH, deren Gesellschafter die Industrieverbände der Spiele entwickelnden, produzierenden und in Deutschland vertreibenden Industrie (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. – BIU und Bundesverband der Entwickler von Computerspielen e.V. – G.A.M.E.) sind.[99] Die USK kann zu Gunsten der Computerspieleindustrie Alterskennzeichnungen vornehmen, so dass eine Indizierung der Trägermedien gem. § 18 Abs. 8 JuSchG ausgeschlossen ist. Trägermedien, die eigentlich gegen das Jugendschutzrecht verstoßen, können auf diese Weise legalisiert werden,[100] so dass sich auch hier das Problem der sog. regulierten Selbstregulierung stellt.

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Des Weiteren existiert mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) seit 2003 eine weitere anerkannte Einrichtung zur Programmprüfung und Vergabe von Altersfreigaben für Fernsehsendungen.[101] Ferner befasst sich die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter e.V. (FSM) mit dem Jugendschutz in Online-Medien. Dabei handelt es sich um eine anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle für Webangebote.[102]Als Untergliederung der USK besteht darüber hinaus seit 2011 die USK.online und für die FSK die FSK.online. Dabei handelt es sich um anerkannte Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle für Webangebote, wobei sich die USK.online[103] im Jahre 2016 darüber hinaus auch für den Rundfunkbereich hat anerkennen lassen.

II. Aufsicht nach dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag

1. Der Jugendschutzbeauftragte

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Wer länderübergreifendes Fernsehen veranstaltet, geschäftsmäßig allgemein zugängliche Telemedien anbietet, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten, oder eine Suchmaschine anbietet, hat grundsätzlich einen Jugendschutzbeauftragten zu bestellen (§ 7 Abs. 1 JMStV). Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 7 Abs. 2 JMStV für Anbieter von Telemedien mit weniger als 50 Mitarbeitern oder solchen, die nachweislich weniger als zehn Millionen Zugriffe im Monatsdurchschnitt verzeichnen. Entsprechendes gilt für Veranstalter, die nicht bundesweit verbreitetes Fernsehen veranstalten, da ansonsten der Aufwand innerhalb eines Unternehmens unter Umständen unverhältnismäßig hoch sein würde.[104] Sie können auf die Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten verzichten, wenn sie sich einer Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anschließen und diese die entsprechenden Aufgaben wahrnimmt. Hierdurch werden kleine Anbieter privilegiert und können den Anforderungen des § 7 JMStV dennoch ausreichend Rechnung tragen. § 7 JMStV unterscheidet somit zwischen der Verpflichtung zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten (Abs. 1) und der bloßen Delegation der Aufgaben an eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (Abs. 2). § 7 Abs. 2 JMStV hat nicht den Sinn und Zweck, ein größeres Unternehmen bei der Wahl und Bestellung eines externen Jugendschutzbeauftragten zu beschränken. Vielmehr ist das Unternehmen bei der Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten völlig frei, solange dieser die in § 7 JMStV beschriebenen, weiteren Voraussetzungen erfüllt.[105]

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Im Außenverhältnis ist der Jugendschutzbeauftragte Ansprechpartner für die Nutzer. Als solcher ist er für die Entgegennahme von Beschwerden und Anfragen von Nutzern in Belangen des Jugendschutzes zuständig.[106] Im Innenverhältnis ist er vom Anbieter bei Fragen der Herstellung, des Erwerbs, der Planung und der Gestaltung von Angeboten sowie bei allen Entscheidungen zur Wahrung des Jugendschutzes zu beteiligen und entsprechend zu informieren (vgl. § 7 Abs. 3 JMStV). Dabei ist er gem. § 7 Abs. 4 S. 2 JMStV weisungsfrei. Er besitzt allerdings lediglich Beratungsfunktion und hat keine selbständigen Entscheidungsbefugnisse (vgl. auch § 7 Abs. 3 S. 3 JMStV).[107] Der Jugendschutzbeauftragte soll neben der Geschäftsleitung Ansprechpartner für die Freiwillige Selbstkontrolle bzw. für die Aufsicht durch die KJM sein - sofern der Jugendschutzbeauftragte nicht ohnehin an eine Freiwillige Selbstkontrolleeinrichtung ausgelagert wurde.[108]

2. Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)

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Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) nimmt als zentrale Stelle gemäß dem JMStV die Aufsicht über den Jugendschutz im Rundfunk und den Telemedien wahr. Sie sorgt dort für die Umsetzung der Bestimmungen des JMStV. Dabei dient sie der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt gem. § 35 Abs. 2 S. 2 RStV als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Aufgabe der KJM ist nach § 14 Abs. 1 S. 1 JMStV die Überprüfung der Einhaltung der für die Anbieter geltenden Bestimmungen nach dem JMStV. Seit 2003 bediente sie sich zur Aufgabenerfüllung einer Stabsstelle. Diese war bei der Bayerischen Zentrale für neue Medien (BLM) angesiedelt und ihr oblag die Erledigung der inhaltlichen und rechtlichen Aufgaben der KJM, etwa im Rahmen der Aufsicht die stichprobenartige Sichtung von Telemedienangeboten und die Behauptung von Verstößen gegen den JMStV gegenüber der jeweiligen Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (§ 20 Abs. 5 S. 1 JMStV). Mit dem 10. RÄStV ist 2010 eine Gemeinsame Geschäftsstelle (GGS) der Landesmedienanstalten in Berlin für alle Kommissionen[109] errichtet worden. Infolge dieser Neuorganisation hat die KJM-Stabstelle ihre Tätigkeit nunmehr eingestellt.[110] Seit dem 1.9.2013 werden die Aufgaben der Stabsstelle teils in der GGS, teils beim Vorsitzenden der KJM in München und teils in den Landesmedienanstalten bearbeitet.

 

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Mitglieder der (KJM) sind sechs Direktoren der Landesmedienanstalten sowie vier von den für den Jugendschutz zuständigen obersten Landesbehörden und zwei von der für den Jugendschutz zuständigen obersten Bundesbehörde benannte Sachverständige (§ 14 Abs. 3 JMStV).[111] Diese Zusammensetzung dient nicht nur der bundeseinheitlichen Handhabung von Sachverhalten im Bereich des Rundfunks und der Telemedien, sondern soll darüber hinaus durch Beteiligung von Behörden, denen der Jugendschutz auf anderen Feldern obliegt, fachlichen Austausch und die einheitliche Handhabung sicherstellen.

3. Zusammenarbeit von KJM und Freiwilliger Selbstkontrolle

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Der JMStV hat ein System der Verzahnung zwischen der KJM und den Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle[112] geschaffen, das im Rahmen der regulierten Selbstregulierung organisiert ist. Dieses System ist zweistufig aufgebaut: Während die Selbstkontrolleinrichtungen die Medienanbieter kontrollieren, überprüft die KJM die Selbstkontrolleinrichtungen.[113] Das Modell kombiniert auf diese Weise Selbst- und staatliche Regulierung. Der Staat gibt dabei den Rahmen vor und beansprucht sodann nur noch eine eingeschränkte Letztkontrolle zur Verhinderung eines unzureichenden Schutzes durch die Selbstkontrolle. Nimmt die zuständige Landesmedienanstalt an, dass ein Anbieter, der einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle angehört, gegen die Bestimmungen dieses Staatsvertrages (JMStV) verstoßen hat, wird sie daher nicht ohne Weiteres aufsichtsrechtlich tätig. Vielmehr ist hier die freiwillige Selbstkontrolle zwischen geschaltet. § 20 Abs. 5 S. 2 JMStV[114] lässt Maßnahmen gegen den Anbieter durch die KJM nämlich nur dann zu, wenn die Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle erstens über eine Verstoßbehauptung entschieden hat und wenn zweitens diese Entscheidung oder die Unterlassung einer Entscheidung die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums der Selbstkontrolleinrichtung überschritten hat, der sich aus den Bestimmungen des JMStV und der dazu erlassenen Satzungen und Richtlinien ergibt.[115] Dieses Privileg ist ein wichtiger Anreiz für Medienanbieter, sich der Selbstkontrolle anzuschließen. Eine breite Teilhabe der Veranstalter wiederum ist zentral für die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems.[116]

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Im Jugendmedienschutz sind zwei gegenläufige Interessen zu harmonisieren. Der Staat muss den Schutz Minderjähriger vor Gefahren durch mediale Angebote aus dem Bereich „Sex and Crime“ gewährleisten. Zugleich hat er aber die Medien von staatlichem Einfluss freizuhalten. Bei der Aufsicht sind Schutz durch Kontrolle und staatliche Neutralität bei inhaltlichen Fragen zugleich geboten. Zudem spielen die ökonomischen Belange der Anbieter eine Rolle. Das Problem des Jugendschutzes ist also ein innerer Konflikt. Es liegt auf der Hand, dass gerade mit den Anforderungen des Jugendschutzes nicht vereinbare Angebote bei Minderjährigen und Erwachsenen auf Interesse stoßen und deshalb ökonomisch besonders reizvoll sind. Das System der Co-Regulierung ist zur Lösung dieses Konflikts insofern aber gut geeignet, als es möglichen Vollzugs-, Wissens- und Steuerungsdefiziten beim Staat begegnen kann.[117] Es weist aber zugleich eine unübersehbare Schwäche auf, die jeder freiwilligen Selbstkontrolle innewohnt. Sie liegt darin, dass der Rückzug des Staates aus der Freiheitsphäre des Bürgers ein gesteigertes Maß an Verantwortung und die Bereitschaft voraussetzt, ökonomische Interessen den Jugendschutzbelangen im konkreten Fall unterzuordnen. Je geringer die Kontrolldichte ist, desto größer ist die Gefahr des Freiheitsmissbrauchs. Konkret muss also bei der Selbstkontrolle der Gefahr, dass die Veranstalter die Jugendschutzvorschriften eher wirtschafts- als jugendschutzorientiert auslegen, Rechnung getragen werden. Soll die Nähe der kontrollierten Anbieter zu den Kontrollierenden das System des Jugendschutzes nicht konterkarieren, so muss auf die sachangemessene Ausübung der freiwilligen Kontrolltätigkeit, der gerade wegen des erheblichen Vertrauensvorschusses, den der JMStV den Anbietern und der Selbstkontrolle einräumt, besonderes Augenmerk gelegt werden. Dieses Postulat ist für Anbieter von Telemedien, deren Angebote lediglich anzeigepflichtig sind, besonders augenfällig. Sie unterliegen nicht dem für Rundfunkveranstalter geltenden Lizenzierungserfordernis, können aber etwa über gewaltverherrlichende oder pornographische Abrufinhalte in erheblichem Maße entwicklungsbeeinträchtigend wirken.

3.1 Aufgabe der freiwilligen Selbstkontrolle am Beispiel der FSM

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Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) überprüft nach § 19a Abs. 1 JMStV „im Rahmen ihres satzungsgemäßen Aufgabenbereichs die Einhaltung der Bestimmungen des Staatsvertrages (…) bei (…) ihnen angeschlossenen Anbietern“. Sie ist ein gemeinnütziger privatrechtlicher Verein, der sich mit Jugendmedienschutz in Onlinemedien befasst,[118] und von der KJM als Selbstkontrolleinrichtung für den Bereich Telemedien anerkannt ist. Diensteanbieter haben die Möglichkeit, sich dem im JMStV vorgesehenen Modell der regulierten Selbstregulierung anzuschließen und sich damit der Kontrolle der FSM zu unterwerfen. Die Mitglieder genießen dadurch die im JMStV vorgesehene Privilegierung der anerkannten Selbstkontrolle nach § 20 Abs. 5 JMStV. Selbiges gilt beispielsweise für eine Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Selbstkontrolle USK.online, die neben dem Telemedien-Bereich auch für den Rundfunkbereich staatlich anerkannt ist Die FSM gibt sich eine Beschwerdeordnung (im Folgenden: FSM-BO). Sie verfügt über eine Beschwerdestelle, die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Angeboten in Telemedien, die geeignet sind, deren Entwicklung oder Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen oder zu gefährden, zuständig ist. Zudem werden dort Angebote in Telemedien behandelt, die die Menschenwürde oder sonstige durch den JMStV geschützte Rechtsgüter verletzen. Im Hinblick auf die unüberschaubare Menge der Medienangebote im Internet, bei der nur ein kleiner Bruchteil der illegalen Inhalte erfasst werden kann, spielen Beschwerden von Nutzern für das Auffinden und die anschließende Ahndung von Verstößen eine zentrale Rolle.[119] Die eingehenden Beschwerden werden auf Grundlage einer Vereinssatzung geregelt. Der Prüfung liegen der von den Mitgliedern verabschiedete Verhaltenskodex, die Prüfgrundsätze der FSM sowie der JMStV mit dessen Satzungen und Richtlinien der KJM zugrunde.

3.2 Ablauf das Prüfverfahrens

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Das Prüfverfahren gestaltet sich dabei wie folgt: Es beginnt mit einer Verstoßbehauptung durch die KJM, die im Rahmen ihrer Aufsicht auf ein Angebot stößt, das bei kursorischer Betrachtung auf einen Verstoß hindeutet. Diesen Vorgang beschreibt und konkretisiert die KJM, indem sie eine Verstoßbehauptung formuliert, die sie der Selbstkontrolleinrichtung zur Überprüfung und Entscheidung vorlegt. Dort wird sie einem mit mindestens drei Prüfern besetzten Beschwerdeausschuss vorgelegt, der über den durch die KJM behaupteten Verstoß gegen den JMStV entscheidet. Gegenüber dem jeweiligen Mitglied ergeht im Falle einer begründeten Beschwerde abhängig von der Schwere des Verstoßes entweder ein Hinweis mit Abhilfeaufforderung, eine Rüge oder eine Vereinsstrafe. Äußerstenfalls kann der Vereinsausschluss ausgesprochen werden. Nach ordnungsgemäßer Abhilfe durch das betroffene Mitglied wird das Verfahren eingestellt. Unbegründete Beschwerden werden zurückgewiesen.

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Die Prüfentscheidung der vorab mit behaupteten Verstößen gegen den Jugendschutz befassten anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle bindet die KJM gem. § 20 Abs. 5 S. 2 JMStV nur dann, wenn die Entscheidung oder Unterlassung die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums der Selbstkontrolleinrichtung nicht verletzt. Dies muss die KJM prüfen und ggf. Aufsichtsmaßnahmen ergreifen. Bei Beurteilungsfehlern des Beschwerdeausschusses, ist die in § 20 Abs. 5 JMStV verankerte „Sperrwirkung“ also ausgehebelt.

3.3 Umfang und Grenzen des Beurteilungsspielraums der Freiwilligen Selbstkontrolle

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In der Praxis sind Meinungsverschiedenheiten zwischen hoheitlicher Aufsicht und freiwilliger Selbstkontrolleinrichtung über Umfang und Ausgestaltung des Beurteilungsspielraums wegen des geschilderten Konflikts an der Tagesordnung. Es kommt daher maßgeblich auf die Auslegung der Reichweite des Beurteilungsspielraums der Selbstkontrolleinrichtung an. Im Staatsvertrag sind die rechtlichen Grenzen dieses Beurteilungsspielraums nicht im Einzelnen festgelegt. Zwar ist keine Rspr.[120]zum Beurteilungsspielraum der Kontrolleinrichtungen vorhanden, jedoch verweist die amtl. Begr. zu § 20 Abs. 3 JMStV auf die Grundsätze, die in der Rspr. für Beurteilungsspielräume der Verwaltung aufgestellt worden und auf die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle zu übertragen sind.[121] So heißt es in der amtlichen Begründung: „Der Beurteilungsspielraum kann insbesondere bei falscher Auslegung eines Rechtsbegriffs oder unzutreffender Tatsachenermittlung überschritten sein. Ist dies der Fall, so stehen der KJM sämtliche Maßnahmen zur Verfügung, die das anzuwendende Landesrecht vorsieht. Damit soll jeder Missbrauch vermieden und sollen grobe Fehleinschätzungen korrigiert werden.“[122] Nicht ausreichend für die Annahme eines Bewertungsfehlers ist es hingegen, dass die staatliche Aufsichtsbehörde lediglich zu einer anderen Auffassung gelangt als die Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle.[123] Ein gerichtlich überprüfbarer Rechtsverstoß liegt hiernach nur dann vor, wenn das Entscheidungsgremium


Verfahrensfehler begeht,
von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgeht,
anzuwendendes Recht verkennt,
allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder

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Nach der Rspr. muss die Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle erkennen lassen, dass sie den zu Grunde liegenden Sachverhalt durch ihre Prüfer hinreichend ermittelt hat und diese die relevanten Gesichtspunkte angemessen und vertretbar gewichtet haben.[125] Zu berücksichtigen sind dabei die Vorgaben des JMStV, die hierzu erlassenen Satzungen und Richtlinien sowie die von der Selbstkontrolleinrichtung im Rahmen ihrer Satzung und Beschwerdeordnung vorgegebenen Verfahrensschritte und aufgestellten Vorgaben für die Entscheidungen der Prüfer.[126] Hierfür muss die Kontrolleinrichtung ihre Entscheidung umfassend begründen. Anderenfalls ist es der KJM nicht möglich zu erkennen, ob der Beurteilungsspielraum tatsächlich überschritten wurde. Das bedeutet, dass eine fehlende oder unzureichende Begründung zum Verlust der Privilegierung führen kann.[127]