Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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2.2.3.3 Drei-Stufen-Test[189]

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Ebenfalls mit dem 12. RÄStV wurde in § 11f RStV der Drei-Stufen-Test für öffentlich-rechtliche Telemedienangebote eingeführt. Planen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neue Telemedienangebote oder die Veränderung bestehender Angebote, sind sie gem. § 11f Abs. 4 S. 1 RStV verpflichtet, „gegenüber ihrem zuständigen Gremium darzulegen, dass das geplante, neue oder veränderte, Angebot vom Auftrag umfasst ist“. Anhand einer dreistufigen Prüfung muss das zuständige Gremium dann entscheiden, ob das geplante (neue oder veränderte) Telemedium den Anforderungen des RStV genügt. Nach § 11f Abs. 4 S. 2 Nr. 1 RStV wird auf der ersten Prüfungsstufe nur konkretisiert, was § 11f Abs. 4 S. 1 RStV bereits zum Ausdruck bringt. Das Angebot muss dem öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag entsprechen, was nur der Fall ist, wenn es „den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht“, die Vorgaben des § 11d Abs. 1, Abs. 3 S. 1 RStV erfüllt und nicht gegen einen der Verbotstatbestände des § 11d Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 RStV oder der Anlage zu § 11d Abs. 5 S. 2 RStV verstößt.[190] Der Durchführung eines Drei-Stufen-Tests bedarf es gar nicht erst, wenn das zuständige Gremium feststellt, dass ein bestimmtes Angebot dem öffentlichen-rechtlichen Rundfunk nach § 11d Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 RStV bereits kraft Gesetzes zufällt. Ist das nicht der Fall, ist auf der zweiten Stufe zu klären, „in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird.“ Dafür müssen gem. § 11f Abs. 4 S. 3 RStV drei Kriterien beachtet werden. Erstens sind die Qualität und der Umfang der „frei zugänglichen“ Angebote in die Betrachtung einzubeziehen. Zweitens muss untersucht werden, welche „marktrelevanten“ Auswirkungen das neue oder veränderte Angebot haben wird, wobei dafür der gesamte Markt einzubeziehen ist, also nicht nur die frei zugänglichen, sondern wohl auch die kostenpflichtigen Angebote berücksichtigt werden müssen.[191] Drittens ist die „meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener vergleichbarer Angebote, auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ zu beurteilen. Auf dieser zweiten Stufe liegt der Schwerpunkt des Prüfungsverfahrens im Rahmen des Drei-Stufen-Tests. Schließlich beschäftigt sich auf der dritten Stufe das zuständige Gremium damit, „welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist“. Dabei darf der finanzielle Aufwand nicht außer Verhältnis zum publizistischen Mehrwert des Angebots stehen.[192] Hat ein neues oder verändertes öffentlich-rechtliches Telemedienangebot den Drei-Stufen-Test erfolgreich durchlaufen, ist seine Zulässigkeit grundsätzlich geklärt. Dennoch sind umso mehr Zweifel an Sinn und Zweck sowie der Verfassungsmäßigkeit dieses Verfahren angebracht, als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre früher gebühren- und heute beitragsfinanzierten Online-Aktivitäten beständig weiter ausbauen.[193] Mit Blick auf das oben erwähnte Gutachten und die durch die Haushaltsabgabe nunmehr konsolidierten Gebühreneinnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wird gefragt, ob mit dem Drei-Stufen-Test der erhoffte Ausgleich bewirkt werden kann.[194]

IV. Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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Während private Rundfunkunternehmen sich gem. § 43 RStV im Wesentlichen über Werbung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV (auch Teleshopping, sonstige Einnahmen, insbesondere Entgelte der Teilnehmer, sowie eigene Mittel) finanzieren,[195] ist dies bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wegen der in § 13 RStV vorrangig vorgesehenen Beitragsfinanzierung nur in vergleichsweise engen Grenzen der Fall.[196] Die Gebühreneinnahmen (seit dem 1.1.2013 Beitragseinnahmen[197]) betrugen im Jahr 2015 insgesamt rund 8,1 Mrd. EUR.[198] Mit dem Recht der Finanzierung des privaten Rundfunks befasst sich in diesem Handbuch ein eigener Beitrag.[199]

1. Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient der „„Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in der dualen Rundfunkordnung“.[200] Hierzu gehört „die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung.“[201] Diese wird in einem Zusammenspiel des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (RStV) mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) und dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) geregelt und soll vorwiegend aus Beiträgen erfolgen (§ 13 Abs. 1 S. 1 HS 2 RStV).[202]

1.1 Die ehemalige Rundfunkgebühr

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Nach § 2 Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) war die Rundfunkgebühr eine Leistung, die jeder Rundfunkteilnehmer erbringen musste. Das BVerfG stellte für die Pflicht zu ihrer Zahlung ausschließlich auf das Bereithalten eines Empfangsgerätes ab.[203] Es war hierbei unbeachtlich, ob das Gerät auch seinem Zweck entsprechend genutzt wurde. Die Gebühr spaltete sich nach § 2 Abs. 1 RGebStV, in eine Grund-[204] und eine Fernsehgebühr[205] auf, deren Höhe in § 8 RFinStV a.F. festgehalten war. Die Voraussetzungen, unter denen sie anfiel, regelten die §§ 3-6 RGebStV, wobei § 3 die Anzeigepflicht für das Bereithalten eines Endgerätes normierte. § 8 RGebStV enthielt einen Ordnungswidrigkeitentatbestand für Verstöße gegen die Anzeigepflicht und das Nichtzahlen der Gebühr.

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Mit dem 8. RÄStV trat für die Gebührenfinanzierung ab dem 1.1.2007 eine weitere Neuerung ein. Für „neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über das Internet wiedergeben können)“ die „im nicht ausschließlich privaten Bereich“ zum Empfang bereitgehalten wurden, war unter bestimmten Umständen eine Gebühr zu entrichten. Dies nämlich dann, wenn sie nicht „ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen“ waren und nicht „andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereit gehalten“ wurden (§ 5 Abs. 3 S. 1 RGebStV). Weil es Computer als Desktops oder als mobile Notebooks, aber auch internetfähige Handys ermöglichen, über das Internet Fernsehen zu empfangen, bestand unter den beschriebenen Voraussetzungen seit Ablauf des 31.12.2006 (§ 11 Abs. 2 RGebStV) aufgrund der bloßen Empfangsmöglichkeit[206] die Pflicht, diese Geräte anzumelden und Gebühren zu zahlen. Betroffen waren etwa Ladenlokale und Betriebsstätten. Allerdings beschränkte sich diese Pflicht nach einer Kompromisslösung der Länder auf die Grundgebühr in Höhe von 5,76 EUR (§ 8 Nr. 1 RFinStV a.F.). Dies bestätigte das BVerwG mit Urteilen vom 27.10.2010 und wies damit die Klagen ab, in denen argumentiert worden war, dass die betreffenden Computer nicht zum Rundfunkempfang genutzt würden. Das BVerwG entschied, dass es sich bei internetfähigen PCs um Rundfunkempfangsgeräte i.S.d. Rundfunkgebührenstaatsvertrages handele, die der entsprechenden Regelung unterfielen. Da der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für das Abgabenrecht jedoch verlange, dass die Gebührenpflichtigen durch ein Gebührengesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden, könnten die Rundfunkanstalten an der Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PCs auf Dauer nur festhalten, wenn diese sich auch tatsächlich durchsetzen lasse. Andernfalls könne sich die gesetzliche Gebührengrundlage doch als verfassungswidrig erweisen. Insoweit werde der Gesetzgeber die weitere Entwicklung zu beobachten haben.[207] Das BVerfG nahm die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.[208] Auch wenn damit die Erstreckung der Rundfunkgebührenpflicht auf neuartige Empfangsgeräte für die rechtliche Praxis feststand, konnte diese Erkenntnis angesichts der seinerzeit bereits unmittelbar bevorstehenden Neuregelung der Rundfunkfinanzierung über einen geräteunabhängigen Haushaltsbeitrag nur noch von geringer Relevanz sein.[209]Allerdings kommt dem Nichtannahmebeschluss auch für das neue Modell des Rundfunkbeitrags insoweit Bedeutung zu, als das BVerfG die Möglichkeit einer ausschließlich nutzungsabhängigen Zahlungspflicht für rechtlich problematisch hält. Eine derartige Zugangsbeschränkung stehe dem Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegen.[210]

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Von dem den Rundfunkanstalten zustehenden Gesamtgebührenaufkommen standen den Landesmedienanstalten gem. § 10 RFinStV knapp 2 % zur Verfügung. Hieran hat sich auch nach Einführung des Rundfunkbeitrages nichts geändert. Dies rechtfertigt sich dogmatisch daraus, dass im dualen Rundfunksystem auch private Veranstalter nicht dem freien Wettbewerb überlassen werden dürfen und deshalb unter die öffentlich-rechtliche Aufsicht der Landesmedienanstalten gestellt werden.[211] Gebührengläubiger im Hinblick auf die Grundgebühr waren dementsprechend nach § 7 Abs. 1 RGebStV die Landesrundfunkanstalt, das Deutschlandradio in dem im RFinStV bestimmten Umfang sowie die Landesmedienanstalt, in deren Bereich das Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wurde. Das Aufkommen aus der Fernsehgebühr stand gem. § 7 Abs. 2 RGebStV der Landesrundfunkanstalt und in dem im RFinStV bestimmten Umfang der Landesmedienanstalt, in deren Bereich das Fernsehempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wurde, sowie dem ZDF zu. Der Anteil des ZDF nach § 9 Abs. 2 RFinStV a.F. errechnete sich dabei aus dem Aufkommen aus der Fernsehgebühr nach Abzug der Anteile der Landesmedienanstalten.

 

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Die Rundfunkgebühren wurden von der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), einer öffentlich-rechtlichen, nicht rechtsfähigen Gemeinschaftseinrichtung der Landesrundfunkanstalten der ARD, des ZDF und des Deutschlandradio eingezogen.

1.2 Der Rundfunkbeitrag als neues Modell der Rundfunkfinanzierung

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Bereits im Juni 2010 kamen die Ministerpräsidenten der Länder überein, dass Reformbedarf im Hinblick auf das bisherige Rundfunkfinanzierungsmodell bestehe. Einem von Paul Kirchhof im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio erstellten Gutachten[212] folgend einigte man sich darauf, die geräteabhängige Gebühr abzuschaffen und diese durch einen haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag zu ersetzen. Nachdem der 15. RÄStV am 15.12.2010 von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnet worden war, trat dieser am 1.1.2013 in Kraft.

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Im Zuge der durchgeführten Reform der Rundfunkfinanzierung[213] sollte der Gebührenbegriff eine begriffliche Klarstellung erfahren und fortan „Beitrag“ heißen. Um einen solchen handelte es sich im verfassungsrechtlichen Sinne allerdings schon bei der vormaligen „Rundfunkgebühr“.[214] Anders als von einer konkreten Gegenleistung abhängige Gebühren werden Beiträge für die Bereitstellung einer Leistung erhoben, ohne dass es einer tatsächlichen Inanspruchnahme bedarf. Das war auch nach alter Rechtslage bereits der Fall – der Gebührentatbestand war erfüllt, sofern Geräte zum Empfang bereit gehalten wurden; auf das tatsächliche Konsumieren öffentlich-rechtlicher Sendungen kam es hingegen nicht an.

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Der nunmehr geltende Rundfunkbeitrag sieht eine pauschale Abgabe pro Haushalt vor, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich ein Rundfunkgerät vorhanden ist. Die frühere Unterscheidung zwischen Grund- und Fernsehgebühr ist entfallen. Im privaten Bereich ist daher für jede Wohnung von deren Inhaber gem. § 2 Abs. 1 RBStV ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Der Begriff der Wohnung wird in § 3 Abs. 1 RBStV legaldefiniert. Auch nach dem neuen Finanzierungsmodell soll sich aber der bisher zu zahlende Betrag von 17,98 EUR für Privathaushalte nicht erhöhen.[215] Für die von Betriebsstätten zu zahlenden Beiträge ist gem. § 5 Abs. 1 RBStV eine Staffelung vorgesehen, so dass die bisher zu leistenden Sätze proportional zu den Mitarbeitern steigen.[216] Anders als vom Gutachten angeregt, hielten die Ministerpräsidenten an der Möglichkeit der Befreiung bzw. Ermäßigung von Rundfunkbeiträgen für sozial Schwache und behinderte Menschen fest (§ 4 RBStV).[217] Beitragsgläubiger sind gem. § 10 Abs. 1 RBStV die Landesrundfunkanstalt, das ZDF in dem im RFinStV bestimmten Umfang[218], das Deutschlandradio sowie die Landesmedienanstalt, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners befindet.

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Das Kirchhof-Gutachten sieht in einem haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag gleich mehrere Vorteile: Zum einen werde damit die Konvergenzproblematik gelöst, zum anderen werde eine verlässliche Basis für eine zeitgemäße Rundfunkfinanzierung geschaffen. Schließlich würde dadurch auch eine Reduktion des Datenaufkommens erreicht. Die Beeinträchtigung der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger durch Rundfunkgebührenbeauftragte der GEZ werde in Zukunft unterbleiben, da die Kontrolle entfalle, ob ein Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten werde.[219]

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Datenschützer sehen die Einschätzungen zur Privatsphäre der Beitragspflichtigen teilwiese kritisch und halten das Vorhaben wegen der neuen Rolle des Beitragsservice als Nachfolger der GEZ für bedenklich.[220] Hintergrund sind die umfassenden Auskunftsansprüche im Hinblick auf die Feststellung von Wohnungsinhabern und Inhabern von Betriebsstätten, die der neue Rundfunkbeitragsstaatsvertrag[221] den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einräumt. Datenschutzrechtlich problematisch erscheinen zudem die weitreichenden Anzeigepflichten der Wohnungsinhaber.[222] ARD und ZDF haben auf die Kritik mit einem Gutachten zu "Datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Einführung eines Rundfunkbeitrags“[223] reagiert. Es gelangt zu dem Ergebnis, die Regelungen im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, insbesondere der geplante einmalige Meldedatenabgleich, regelmäßige Meldedatenübermittlungen und Anzeige- sowie Auskunftspflichten seien ebenso wie Auskunftsrechte gegenüber öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen unter datenschutzrechtlichen Aspekten nicht zu beanstanden.

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Nicht nur bei Datenschützern ist der neue Rundfunkbeitrag indes auf Kritik gestoßen. So kommt insbesondere Degenhart in einem ausführlichen Gutachten für den Handelsverband Deutschland (HDE)[224] zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkbeitrag sowohl formelles als auch materielles Verfassungsrecht verletze.[225] Da es sich bei dem Beitrag nicht um eine Vorzugslast, sondern um eine Steuer handele, fehle es im Hinblick auf den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag bereits an der gesetzgeberischen Zuständigkeit der Länder.[226] Überdies begründe die unterschiedslose Beitragspflichtigkeit aller Unternehmen in materieller Hinsicht einen Verstoß gegen Art. 3 GG. In Anbetracht der degressiven Staffelung der Beiträge würden große Filialunternehmen deutlich höher belastet als Unternehmen, die bei gleicher Mitarbeiterzahl nur wenige Betriebsstätten unterhalten.[227] Eine verfassungswidrige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte liege ferner auch deshalb vor, weil mit dem Rundfunkbeitrag auch Raumeinheiten belastet würden, für die die nunmehr unwiderlegliche gesetzliche Vermutung der Rundfunkteilnahme nicht zutreffe.[228] Weitere verfassungsrechtliche Bedenken bestehen wegen der Verbreiterung der Beitragsbasis und durch den Wegfall der Unterscheidung zwischen Grund- und Fernsehgebühr zu erwartender Mehreinnahmen[229] im Hinblick auf die Aufkommensneutralität der neuen Rundfunkfinanzierung.[230] Denn der Gesetzgeber hat nicht nur die verfassungsrechtlich gebotene Finanzausstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sichern, sondern auch die Abgabenbelastung der Rundfunkteilnehmer auf das Maß des Funktionsnotwendigen zu begrenzen.[231] Nach anderer Ansicht stellt der Rundfunkbeitrag einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinne dar,[232] für den die Gesetzgebungskompetenz der Länder bereits aus der Sachkompetenz für den Rundfunk folgt.[233] Dem Einwand einer rechtlichen Ungleichbehandlung wird entgegengehalten, dass im Hinblick auf die Beitragspflichtigkeit stets der gleiche Tatbestand (Betriebsstätte) nach denselben Kriterien (Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter) zu Grunde gelegt werde.[234] Gegen die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der unwiderlegbaren Vermutung der Rundfunkteilnahme lässt sich einwenden, dass der Gesetzgeber gar nicht die tatsächliche Inanspruchnahme des Rundfunkempfangs fingiert, sondern vielmehr auf den Inhaber bestimmter Raumeinheiten abstellt, in denen typischerweise die Möglichkeit zur Nutzung von Rundfunkangeboten besteht.[235] Auch ARD, ZDF und Deutschlandradio haben ein Gutachten veröffentlicht, welches die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags bestätigt.[236] Danach soll die herausragende Eignung der Abgabenform des Beitrags zur Rundfunkfinanzierung von der Notwendigkeit entbinden, auf herkömmliche, rechtsstaatlich unverlässliche Begriffskategorien zurückzugreifen.[237] Ein zukunftsfähiger Beitragstatbestand müsse sich angesichts der Medienkonvergenz und des bisherigen Erhebungsdefizits vom Gerätebezug lösen und sich stattdessen dem Menschen als Informationsempfänger i.S.v. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG zuwenden.[238] Weitgehende Einigkeit besteht indes darüber, dass die derzeitigen Regelungen über den Rundfunkbeitrag noch nicht vollständig ausgereift sind.[239]

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Auch auf dem Klageweg ist die neue Rundfunkfinanzierung bereits vielfach angegriffen worden. So hat der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) bereits zwei Verfassungsbeschwerden gegen den Rundfunkbeitrag wegen Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Verletzung des Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG erhoben. Das BVerfG hat indes beide Beschwerden mangels hinreichender Substantiierung gem. §§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG als unzulässig verworfen.[240] Ferner hat das BVerfG auch die Verfassungsbeschwerde eines streng gläubigen Christen, welcher aus religiösen Gründen über keine Empfangsmöglichkeit für Rundfunk und Internet verfügt, nicht zur Entscheidung angenommen. Dies folge aus dem in § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, wonach im vorliegenden Streitfall zunächst der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten sei.[241] Auch zwei Popularklagen beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof blieben erfolglos. Mit einer derartigen Klage als abstraktem Normenkontrollverfahren kann geltend gemacht werden, eine Rechtsnorm schränke die Grundrechte der (Bayerischen) Verfassung in unzulässiger Weise ein. Der Antragsteller im Verfahren Vf. 8-VII-12 wandte sich insoweit gegen die Vorschriften zur Rundfunkbeitragspflicht im privaten (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich (§ 5 Abs. 1 RBStV). Diese Regelungen verstoßen nach dessen Auffassung insbesondere gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) und das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 101 i.V.m. Art. 100 BV). Einen Antrag des Antragstellers im Verfahren Vf. 8-VII-12 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den einmaligen Meldedatenabgleich[242] zum Zwecke der Bestands- und Ersterfassung im Rahmen der Erhebung von Rundfunkbeiträgen nach § 14 Abs. 9 RBStV hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof ebenfalls abgewiesen.[243]

Der Abgleich diene der Vermeidung von Vollzugsdefiziten sowie einer größeren Beitragsgerechtigkeit und sei ein effizientes Kontrollinstrument, mit dem in der Umstellungsphase eine verlässliche und möglichst vollständige Erfassung der Beitragsschuldner sichergestellt werden könne. Die angegriffene Datenübermittlung und -verarbeitung unterliege zudem der strikten Zweckbindung an Bestands- und Ersterfassung und werde durch entsprechende Löschungspflichten flankiert (§ 14 Abs. 9 S. 2 und 5 i.V.m. § 11 Abs. 5 S. 2 und 3 RBStV). Bei der zweiten zur Entscheidung verbundenen Popularklage (Vf. 24-VII-12) handelt es sich um ein von der Drogeriemarktkette Rossmann angestrengtes Verfahren, welches gegen eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) und des Gleichheitsgebots (Art. 118 Abs. 1 BV) gerichtet ist. Da im nicht privaten Bereich für jede Betriebsstätte ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist, werden nach Auffassung der Firma Rossmann Unternehmen mit vielen Betriebsstätten bei gleicher Mitarbeiterzahl zu Unrecht stärker belastet als solche mit wenigen Filialen.[244] Sofern man insoweit eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung bejaht, liegt hierin zugleich eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Denn eine nicht verfassungskonform ausgestaltete Abgabenregelung hält sich weder im Rahmen der gesetzlichen Schranken i.S.v. Art. 101 BV, noch kann sie Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung nach Art. 2 Abs. 1 GG sein.[245] Der Verfassungsgerichtshof erklärte im Ergebnis die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten (§ 5 Abs. 1 RBStV) sowie für Kraftfahrzeuge (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 RBStV) als mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt.[246] Sie sei sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern werde als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Dem Charakter einer Vorzugslast stehe nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig sind.[247] Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwinge den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen.[248] Im privaten Bereich werde mit der Anbindung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (§ 3 Abs. 1 RBStV) die Möglichkeit der Rundfunknutzung als abzugeltender Vorteil sachgerecht erfasst.[249]

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Am 18.3.2016 befasste sich das BVerwG mit dem Rundfunkbeitrag und erklärte ihn für rechtskonform.[250] Dies begründete das Gericht auch in diesem Fall damit, dass es sich um eine rundfunkspezifische nicht steuerliche Abgabe handele und folglich die Kompetenzregelungen des GG keine Anwendung fänden.[251]

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Die Abgabe werde nicht voraussetzungslos erhoben. Der Rundfunkbeitrag stelle „die Gegenleistung für den individuellen zurechenbaren Vorteil dar, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können“. Der Rundfunkbeitrag sei zudem notwendig, um eine Abhängigkeit von Werbeeinnahmen und staatlichen Zuschüssen zu vermeiden, damit der Rundfunkauftrag pflichtgemäß wahrgenommen werden kann.[252]

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Die herrschende Ansicht in der Literatur kritisiert die Ansicht des BVerwG.[253] Hauptsächlich wird mit der zu starken Steuerähnlichkeit des Beitrages argumentiert. Vielfach kritisiert wird, dass es beinahe unmöglich ist, sich von der Beitragspflicht befreien zulassen und sie somit von so gut wie jedem bezahlt werden muss.[254] Auch spreche gegen das Vorliegen einer nicht steuerlichen Abgabe, dass der Beitrag an das Innehaben einer Wohnung gebunden ist.[255] Denn das Innehaben einer Wohnung trifft auf den „typischen“ deutschen Steuerzahler zu. Die Argumentation der Gegenseite, dass andere Anknüpfungspunkte für die Gebühr (z.B. das Bereithalten eines Empfangsgerätes) nicht bzw. nur schwer überprüfbar seien, erscheint wenig überzeugend. Insbesondere dann, wenn man bedenkt, dass von der alten Rundfunkgebühr Abstand genommen wurde, weil der technische Fortschritt es möglich machte, Rundfunksender standort- und mediumunabhängig zu empfangen.[256] Der Streit um den Rundfunkbeitrag ist damit jedoch noch nicht abschließend geklärt. Über eine erneute Verfassungsbeschwerde diesbezüglich wird voraussichtlich 2017 entschieden.[257]

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Ferner hat die Autovermietung Sixt gegen einen an sie gerichteten Beitragsbescheid geklagt, wonach allein im ersten Halbjahr 2013 rückständige Rundfunkbeiträge und Säumniszuschläge in einer Gesamthöhe von 1 408 562,94 EUR zu entrichten waren. Seit Januar 2013 musste der Autovermieter neben der Abgabe für jedes Auto in seiner Flotte auch Abgaben für die zahlreichen Vermietstationen zahlen, obwohl diese Stationen nach Angaben von Sixt über keine Möglichkeit zum Rundfunkempfang verfügen. Das BVerwG hat die Revision von Sixt – ebenso wie u.a. die des Discounters Netto – im Dezember 2016 zurückgewiesen.[258] Das BVerwG hat – weitgehend im Einklang mit der oben bereits dargestellten Entscheidung des BayVerfGH sowie der Entscheidung des BVerwG vom 18.3.2016 – entschieden, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe handelt, so dass die Länder regelungsbefugt sind. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Rundfunkbeitrags liegt laut BVerwG darin, dass die verfassungsrechtlich verankerte Rundfunkfreiheit eine Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umfasst und der Beitrag die Rundfunkempfangsmöglichkeit abgilt. Bei Betriebsstätten und gewerblich genutzten Fahrzeugen beziehe sich der Vorteil auf die Möglichkeit der Nutzung des Programmangebots für die Erledigung betrieblicher Aufgaben, für die Beschäftigten und/oder für die Kunden. Ferner sei der Rundfunkbeitrag in seiner jetzigen Form zu rechtfertigen, da auch im nicht privaten Bereich – gerade durch die neuen Empfangsmöglichkeiten wie Smartphones, Tablets etc. – eine „Flucht aus der (früheren) Rundfunkgebühr“ vorgekommen sei und somit durch den neuen Beitrag eine Belastungsgleichheit der Erhebung der Rundfunkgebühr vermieden werden sollte. Die Höhe des Beitrags wiederum sei nicht zu beanstanden, weil sie (wie auch im privaten Bereich) eine angemessene Kehrseite des erlangten Vorteils für die Beschäftigten und Kunden darstelle.[259] Auch in diesem Fall sind Verfassungsbeschwerden in Vorbereitung.[260]

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Im Januar 2017 hat das BVerwG dann nochmals klargestellt, dass der Rundfunkbeitrag pro Wohnung, insbesondere also auch für Zweiwohnungen, erhoben werden darf, so dass ein Nutzer mit mehreren Wohnungen den Beitrag entsprechend mehrfach zu entrichten hat.[261]