Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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3.3 Schranken-Schranken

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Wenn der Staat Grundrechte einschränkt, unterliegt er dabei seinerseits Grenzen, den sog. Schranken-Schranken.[171] Zu diesen zählt im Hinblick auf die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG die sog. Wechselwirkungslehre, welche insbesondere im Rahmen der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen den Abwägungsmaßstab darstellt.[172] Es findet somit eine Wechselwirkung zwischen dem grundrechtlichen Schutzgut und dem hinter der Schranke stehenden Rechtsgut in dem Sinne statt, dass dieses zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzt, seinerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts ausgelegt und so in seiner das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden muss.[173] Hier gilt die Faustformel: „Im Zweifel für die freie Rede“. Kommt der Meinungsfreiheit und dem entgegenstehenden Rechtsgut gleiches Gewicht zu, setzt sich die Meinungsfreiheit durch.[174] Eine besondere Schranken-Schranke für Art. 5 Abs. 1 und 2 GG stellt das (Vor-) Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG dar. Es ist auf alle Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG mit Ausnahme der Informationsfreiheit[175] anwendbar.[176]

4. Träger der Rundfunkfreiheit

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Träger der Rundfunkfreiheit können gem. Art. 19 Abs. 3 GG neben privaten Rundfunkveranstaltern auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sein.[177] Beiden ist das Grundrecht ausdrücklich zugeordnet.[178] Die Grundrechtsträgerschaft erstreckt sich auch auf mit der Rundfunkfreiheit unmittelbar verbundene Grundrechte.[179] Sie können also hier ausnahmsweise mittels Verfassungsbeschwerde gegen Grundrechtsverletzungen vorgehen. Der Schutz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erstreckt sich auch auf das die Ausübung der Rundfunkfreiheit unterstützende Grundrecht des Art. 10 GG.[180] Umgekehrt gewährleistet die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Ergebnis auch die private Rundfunkveranstalterfreiheit[181] und zwar wegen der „Vorwirkungen der Programmfreiheit“ auch schon während der Beantragung einer Lizenz.[182]

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Kontrovers diskutiert wird die App der Tagesschau, zu der der BGH 2015[183] entschieden hat. Geklagt hatten Zeitungsverlage, die geltend machten, die Inhalte der App seien presseähnlich und somit nicht vom (gebührenfinanzierten) Rundfunkauftrag umfasst. Das Verbreiten nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote verstoße gegen den als Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG einzustufenden § 11d Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV. Für den BGH ist die Presseähnlichkeit im Einzelfall zu prüfen. Entscheidend sei, ob das Angebot in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich einzustufen ist, wenn also der Textbestandteil deutlich im Vordergrund stehe. Das OLG Köln erklärte 2016 unter Anwendung der vom BGH vorgegeben Maßstäbe die „Tagesschau-App“ für unzulässig, beschränkte das Urteil aber antragsgemäß auf die streitgegenständliche Version vom 15.6.2011.[184]

5. Schutzbereich und Schranken der Rundfunkfreiheit

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Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfasst ein breites Spektrum. Geschützt sind die Beschaffung einer Information und deren Verbreitung, wobei auch die medienspezifischen technischen Vorkehrungen, etwa zur Übertragung von Informationen, erfasst sind.[185] Informationen und Meinungen können durch Nachrichten und politische Kommentare, aber auch durch Fernsehspiele oder Musiksendungen transportiert werden.[186] Geschützt sind neben der Auswahl des Stoffes auch die Art und Weise seiner Darstellung und Sendeform. Das BVerfG berücksichtigt seit der Lebach-Entscheidung[187] die Suggestivwirkung und Reichweite des Fernsehens gegenüber den anderen klassischen Medien Presse, Hörfunk und Film.[188] Die Schranken der Rundfunkfreiheit ergeben sich aus der oben für die Meinungsfreiheit beschriebenen Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG.[189]

6. Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muss vor dem Hintergrund der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrachtet werden. Aus dem knappen Wortlaut der Verfassung hat das Gericht differenzierte und weitgehende Anforderungen an die deutsche Rundfunkordnung abgeleitet, um eine demokratische und vielfältige Rundfunklandschaft zu fördern und damit einen der Demokratie dienenden Beitrag zum Rundfunkrecht zu leisten.[190] Hier finden sich die Grundlagen des dualen Rundfunksystems, Vorgaben für die Grundversorgung, solche für den privaten Rundfunk und die Programmgrundsätze. Zudem wurden die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Vorgaben für das frühere Rundfunkgebührenfestsetzungsverfahren[191] etabliert.[192]

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1961 setzte sich das BVerfG im 1. Rundfunkurteil[193] mit der Abgrenzung von Verwaltungs- und Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern auseinander. Es formulierte in diesem Zusammenhang Anforderungen an die Rundfunkorganisation zur Sicherung der Meinungsvielfalt und wies den Weg zum rechtlichen Umgang mit der damals bestehenden Frequenzknappheit. Im Ergebnis erhielten die Länder die Kompetenz für den Rundfunk. Zudem wurde die Staatsfreiheit des Rundfunks gefordert,[194] wonach der Staat weder in öffentlich-rechtlicher noch in privater Form Rundfunk betreiben darf.

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Im 2. Rundfunkurteil[195] von 1971 wurde anlässlich der Entscheidung über die Frage nach der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Rundfunkgebühr die öffentliche Aufgabe der Rundfunkanstalten definiert und diese wurden weder den gewerblichen noch den freiberuflichen Unternehmen zugeordnet. Im Ergebnis sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Art staatsfreie grundrechtsgeschützte Einrichtung des öffentlichen Rechts.[196]

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In der 3. Rundfunkentscheidung[197] zur Konzession der Freien Rundfunk-AG (FRAG) entschied das Gericht 1981 über die Zulässigkeit des privaten Rundfunks und wies der „Dualen Rundfunkordnung“ den Weg. Privatrundfunk ist rechtlich nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig. Im dualen System können privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk nebeneinander bestehen. Es müssen aber rechtliche Vorgaben für den privaten Rundfunk gewahrt werden, die insbesondere der Sicherung des Pluralismusgebots dienen. Nach dem FRAG-Urteil wurden die ersten Landesmediengesetze erlassen.

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Es schloss sich 1986 mit dem sog. Niedersachsen-Urteil[198] die 4. Rundfunkentscheidung an. Hier ging es um Regelungen im Niedersächsischen Landesmediengesetz für private Rundfunkveranstalter, vor allem im Hinblick auf die Vielfalts- und Pluralitätssicherung. Aufgrund der Werbefinanzierung legte das Gericht geringere programmliche Anforderungen an private Rundfunkveranstalter fest. Allerdings wurde dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Grundversorgung auferlegt bzw. zugestanden. Diese ist nur gewährleistet, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Aufgabe einer umfassenden Information der Bevölkerung in vollem Umfang erfüllt. Daher ist es hinzunehmen, dass an die privaten Veranstalter geringere Programmanforderungen gestellt werden. Hierin liegt eine Fortentwicklung gegenüber dem 3. Rundfunkurteil. In Reaktion auf dieses Urteil vereinbarten die Länder den „Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens“ – kurz Rundfunkstaatsvertrag (RStV), der am 1.12.1987 in Kraft trat.[199]

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1987 erging die 5. Rundfunkentscheidung[200] über das Landesmediengesetz Baden-Württemberg. Der damals noch existierende SDR wollte als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt den Ausschluss von Spartenprogrammen und Online-Diensten nicht dulden. Dies nahm das BVerfG zum Anlass, den Begriff der Grundversorgung zu konkretisieren, den es nicht als Minimalversorgung, sondern als Abbildung der gesamten Bandbreite der programmlichen Gestaltungsformen begreift. Die Grundversorgung erfordert es, die Bürger umfassend zu informieren und alle Typen von Rundfunksendungen technisch für alle erreichbar anzubieten. Das Angebot muss verfahrensrechtlich gesichert sein, Ausgewogenheit und Vielfalt gewährleisten und alle Strömungen der Gesellschaft widerspiegeln. Zudem muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch außerhalb der Grundversorgung an neuen Techniken und Programmformen teilhaben können, was sich aus dem Recht zur Mitwirkung am publizistischen Wettbewerb ergebe. Zudem spiele eine Rolle, dass neue Programmformen oder Techniken künftig zum Bestandteil der Grundversorgung werden könnten. Es widerspricht damit dem GG, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Sparten-, Regional- und Lokalprogrammen sowie von Ton- und Bewegtbilddiensten auszuschließen, auch wenn sich das Gericht über die Zugehörigkeit dieser Angebote zur Grundversorgung nicht äußert. In der 5. Rundfunkentscheidung wurden schließlich Werbeverbote im öffentlich-rechtlichen Regional- und Lokalfunk zugelassen.

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Die Verfassungsmäßigkeit des WDR-Gesetzes war Gegenstand des WDR-Urteils von 1991, das als 6. Rundfunkurteil[201] bezeichnet wird. Erneut ging es um eine dynamische Interpretation des Grundversorgungsauftrages, nun in Form der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an der das Gericht festhielt. Zusätzlich waren die Mischfinanzierung, die Durchführung sog. neuer Dienste und Aktivitäten der Rundfunkanstalten in Randbereichen ihres hergebrachten Handlungsfeldes Thema. Aus der Rundfunkfreiheit fließt für das Gericht konkret ein Recht, in begrenztem Umfang Druckwerke herauszugeben, wenn diese vorwiegend programmbezogenen Inhalt haben. Allerdings sah das Gericht vorerst keine Notwendigkeit, den Grundversorgungsauftrag auf die neuen Dienste zu erstrecken. Diese Aussage steht freilich unter dem Vorbehalt, dass diese Kommunikationsdienste „künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen“.[202] Weitere Inhalte dieser Entscheidung waren Programmanforderungen für den privaten Rundfunk und die Zusammenarbeit von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern.

 

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Als 7. Rundfunkentscheidung[203] ist die sog. Hessen 3-Entscheidung aus dem Jahr 1992 zu nennen. Hier ging es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um einen aus der Rundfunkfreiheit abgeleiteten Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung. Dieser besteht dem Grunde nach, umfasst aber nur das zur Aufgabenerfüllung Erforderliche. Für den Hessischen Rundfunk (HR) bedeutete dies ein Verbot, im 3. Fernsehprogramm Werbung zu senden, das solange mit der Rundfunkfreiheit vereinbar ist, als die Finanzierung der Anstalt auch ohne diese zusätzlichen Einnahmen gesichert ist. Dass ihm die erforderlichen Mittel ohne die Werbeeinnahmen fehlen würden, konnte der HR nicht darlegen.

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Zum „Kabelgroschen“ erging 1994 das 8. Rundfunkurteil.[204] Es betrifft damit abermals die bis zum 1.1.2013 bestehende Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das Gericht beanstandete das zu beurteilende Verfahren der Gebührenfestsetzung vor dem Hintergrund der Staatsfreiheit und gab für die Gebührenfestsetzung eine verfahrensrechtliche Lösung auf drei Stufen vor,[205] welche 1996 Eingang in den 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag fand. Danach müssen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen an ihren Aufgaben orientierten Finanzbedarf anmelden, dessen Erforderlichkeit von der Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) fachlich überprüft wird, bevor die Landesparlamente sodann unter Berücksichtigung des Vorschlags der KEF die Gebührenhöhe festlegen. Dieses Verfahren zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlichen Rundfunks ist auch im Rahmen der neuen Beitragsfinanzierung beibehalten worden.[206]

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In seiner Entscheidung v. 11.9.2007, die als 9. Rundfunkurteil[207] hier einzureihen ist, befasste sich das BVerfG erneut mit der Rundfunkfinanzierung.[208] Der Sache nach ging es um die Kürzung des seitens der KEF ermittelten Gebührenaufkommens in den für die Jahre 2005–2008 durch den Gesetzgeber des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Das Gericht erklärte die konkret vorgenommene Kürzung mangels hinreichender Begründung durch den Gesetzgeber für verfassungswidrig. Als zulässige Gründe, die den Ländern eine Abweichung von dem Gebührenvorschlag der KEF ermöglichen, kommen regelmäßig nur die Sicherung des Informationszugangs und die Angemessenheit der Belastung für die Gebührenzahler in Betracht. Aufgrund des Letztentscheidungsrechts der Länder ist eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Kürzung aber im Grundsatz zulässig, sofern die Festsetzung des jeweiligen Betrages frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgt. Zugleich stärkte das Gericht die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl gegenüber dem Gesetzgeber als auch im dualen Rundfunksystem. Private Rundfunkveranstalter verlieren aufgrund der mit der Werbefinanzierung verbundenen vielfaltsverengenden Faktoren nicht ihre Funktion als Gegengewicht im dualen System. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wurde die Teilhabe an neuen Entwicklungen eröffnet und das Internet als weiterer Verbreitungsweg zur Erfüllung ihres Funktionsauftrages aufgezeigt.[209]

Die 10. Rundfunkentscheidung[210] wurde auf einen Normenkontrollantrag der SPD-Bundestagsfraktion hin erlassen, der sich gegen die Novellierung des hessischen Privatrundfunkgesetzes (HPRG) über die Beteiligung politischer Parteien an privaten Rundfunksendern richtete. Politischen Parteien darf gem. § 6 Abs. 2 Nr. 4 HPRG keine Zulassung zum Rundfunk erteilt werden. Die Entscheidung überprüft die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit dieses absoluten Verbots. Der zweite Senat macht sich in diesem Zusammenhang die stRspr. des ersten Senats zu eigen, wonach die Rundfunkfreiheit der gesetzlichen Ausgestaltung bedarf. Zudem bestätigt das Gericht, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Staatsferne des Rundfunks fordert. Dieser Grundsatz ist auch im Verhältnis zu den Parteien zu berücksichtigen, da diese zwar nicht dem Staat zuzuordnen seien, aber eine gewisse Staatsnähe aufwiesen. Auf der anderen Seite stehe den Parteien die subjektive Rundfunkfreiheit zur Verfügung, die durch den Mitwirkungsauftrag des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG verstärkt werde. Da es sich um ein Ausgestaltungsgesetz handele, habe der Gesetzgeber zwar einen weiten Gestaltungsspielraum bei dem Ausgleich der Staatsferne mit den Rechten der Parteien. Bei der Prüfung dieses Ausgestaltungsgesetzes ist indes nicht nur danach zu fragen, ob die Regelung geeignet ist, das Ziel der Rundfunkfreiheit zu fördern, sondern auch, ob die Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter in angemessener Weise, also verhältnismäßig im engeren Sinne, vorgenommen wurde. Damit nimmt das Ausgestaltungsgesetz eine Verhältnismäßigkeitskontrolle vor, die derjenigen bei Eingriffsgesetzen weitgehend entspricht. Werden die Parteien gänzlich von der Beteiligung an privaten Rundfunkveranstaltern ausgeschlossen, liegt keine sachgerechte Abwägung der Interessen vor. Dem Gesetzgeber steht es nach der Entscheidung dagegen frei, den Parteien die Beteiligung zu verwehren, soweit damit ein bestimmender Einfluss auf die Programmgestaltung einhergeht.

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Das BVerfG hat über die Jahre neben diesen zentralen Aussagen weitere wichtige rundfunkrechtliche Entscheidungen gefällt. Die „schlechthin konstituierende Bedeutung“ der Rundfunkfreiheit für die freie demokratische Grundordnung wurde in der Lebach-Entscheidung von 1973[211] hervorgehoben. Die Entscheidung zur EG-Fernsehrichtlinie von 1995[212] betrifft die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft, Bund und Ländern. Um Fragen der Zusammensetzung der Rundfunkräte und die Rolle des Staates bei deren Besetzung ging es ebenfalls 1995.[213] 1998 wurde zum Kurzberichterstattungsrecht[214] bei Sportveranstaltungen entschieden. Im selben Jahr ging es in Extra-Radio 1998[215] um die Grundrechtsträgerschaft bei der Rundfunk- und Rundfunkunternehmerfreiheit insgesamt. Ebenfalls 1998 war die wirtschaftliche Reichweite der Rundfunkfreiheit (Merchandising) Gegenstand der Entscheidung Guldenberg.[216] Die Radio Bremen–Entscheidung befasste sich 1999[217] mit dem Recht des Gesetzgebers, in die Organisationsstruktur der Rundfunkanstalten unter Wahrung der Programmfreiheit einzugreifen und in der Cicero-Entscheidung stärkte das Gericht 2007 die Pressefreiheit gegenüber staatlichen Durchsuchungsrechten.[218] In der Esra-Entscheidung aus dem Jahr 2007 ging es um das Verhältnis der Kunstfreiheit zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Hinblick auf die Intimsphäre.[219] Ferner ist im März 2014 die Entscheidung des BVerfG zur personellen Besetzung der Aufsichtsgremien des ZDF ergangen.[220] Darin sind die maßgeblichen Regelungen zur Zusammensetzung von Fernseh- und Verwaltungsrat mangels hinreichender Gewährleistung der Staatsferne für verfassungswidrig erklärt worden. Der in Umsetzung dieses Urteils am 1.1.2016 in Kraft getretene ZDF-Staatsvertrag[221] regelt eine Verkleinerung des ZDF-Fernsehrates von 77 auf 60 Sitze.[222] Dort gehen 20 statt der bisherigen 34 Sitze an Parteivertreter. Die Landesregierungen der beteiligten Länder entsenden hierfür je einen Vertreter, § 21 S. 1 lit. a ZDF-StV; darüber hinaus werden je zwei Vertreter von Bund und Kommunen gestellt, § 21 Abs. 1 S. 1 lit. b, c ZDF-StV. Zudem werden 24 Vertreter von Verbänden und Organisationen gesandt, § 21 Abs. 1 S. 1 lit. d–p ZDF-StV), 16 Sitze werden von Vertretern aus den Ländern zugeordneten gesellschaftlichen Bereichen entsendet, § 21 Abs. 1 S. 1 lit. q ZDF-StV.[223] Für den ZDF-Verwaltungsrat gilt: Nach § 24 Abs. 1 ZDF-StV besteht der Verwaltungsrat aus zwölf Mitgliedern, nämlich vier Vertretern der Länder, die von den Ministerpräsidenten gemeinsam berufen und acht weiteren Mitgliedern, die vom Fernsehrat mit einer Mehrheit von drei Fünfteln seiner gesetzlichen Mitglieder gewählt werden. Nicht wählbar sind die Mitglieder des Fernsehrates nach § 21 Abs. 1 S. 1 lit. a) bis c) ZDF-StV. Umgesetzt wird dies ab Beginn der nächsten Amtsperiode im Sommer 2017.[224]

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Ebenfalls vor einer Novellierung steht der MDR-Staatsvertrag.[225] Anhängig sind zudem Verfassungsbeschwerden gegen den Rundfunkbeitrag.[226] Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht im Januar 2017 entschieden bzw. klargestellt, dass der Rundfunkbeitrag pro Wohnung, insbesondere also auch für Zweitwohnungen, erhoben wird, so dass ein Nutzer mit mehreren Wohnungen den Beitrag mehrfach zu entrichten hat.[227]

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Für das BVerfG steht eine Entscheidung zum sog. Recht auf Vergessen werden an, das der EuGH in seiner Entscheidung Google Spain aus dem Jahr 2014 entwickelt hat[228] und das in Art. 17 DSGVO aufgegriffen und ausgedehnt wurde. In dem in Karlsruhe anhängigen Verfahren macht ein verurteilter Mörder den Anspruch darauf geltend, seinen Namen in digitalen Pressearchiven zu anonymisieren. Über seinen im Jahr 1981 begangenen Doppelmord hatte unter anderem der Spiegel berichtet und die damaligen Artikel sind im Online-Archiv abrufbar. Der BGH hat im Jahr 2012,[229] also vor der Entscheidung des EuGH, entschieden, es bestehe ein „anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit“ daran, zeitgeschichtliche Ereignisse wie dieses unverändert recherchieren zu können. Hiergegen wendet sich der Betroffene nunmehr mit einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG.[230] Im Kern geht es um die Frage, ob es nach Ablauf einer angemessenen Zeit einen „Änderungsanspruch“ gegenüber Presseunternehmen geben kann.[231] Würde das BVerfG dem nachkommen, so stünde nicht nur die Vollständigkeit der digitalen Pressearchive als digitales historisches Archiv in Frage. Es müsste auch die Frage beantwortet werden, ob das Recht auf Vergessen werden sich auch auf körperlich abgelegte Inhalte von Pressearchiven erstreckt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nur, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Auffindbarkeit in Suchmaschinen unterbunden werden muss. Art. 17 DSGVO hat diesen Anspruch auf Kopien und Replikanten von Online-Inhalten erstreckt.