Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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II. Rundfunkregulierung im Recht der Europäischen Union

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Zunehmend erlangt das Recht der Europäischen Union (EU) Bedeutung im Medienbereich. Dies gilt inhaltlich aufgrund ihrer weitreichenden Kompetenzen insbesondere für Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes und wird formell verstärkt durch die unmittelbar bindende Wirkung des Sekundärrechts, welches anders als die Übereinkommen des Europarates keiner eigenen Ratifizierung mehr bedarf. Zwar liegt die Zuständigkeit für den kulturellen Bereich – ausdrücklich nach Art. 167 AEUV auch für den audiovisuellen Bereich[57] – bei den Mitgliedstaaten und ist aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung der Kompetenz der Union entzogen. Ihre Betätigung ist insofern im kulturellen Bereich nach Art. 167 Abs. 5 AEUV auf Fördermaßnahmen beschränkt. Gleichwohl sind Medien auch Wirtschaftsgut und als solches Gegenstand des Binnenmarktes, so dass sich insbesondere aus den Grundfreiheiten Regelungskompetenzen der Union ableiten.[58] Die Berücksichtigung dieser Doppelnatur gerade audiovisueller Dienstleistungen, denen besondere kulturelle Bedeutung beigemessen wird, stellt insofern auch für die Vereinbarung von Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten eine besondere Herausforderung dar.[59]

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Die europarechtlichen Vorgaben zum Rundfunkrecht sind vielschichtig und finden sich sowohl im Primär- als auch im Sekundärrecht der EU.[60]

1. Primärrecht

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Zum Primärrecht der EU gehören neben den Gründungsverträgen, deren Protokollen, Anhängen und Erklärungen, allgemeine Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht. Auch wenn es lange keinen geschriebenen Katalog an Grundrechten gab, waren diese daher bereits als allgemeine Rechtsgrundsätze Bestandteil des Unionsrechts. Gewonnen durch Rechtsvergleichung der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie aus den völkerrechtlichen Verträgen über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind,[61] hatte der EuGH in seiner Rechtsprechung schon vor Gründung der Europäischen Union mit dem Vertrag von Maastricht die Meinungsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt.[62] Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt insbesondere die EMRK eine sog. Rechtserkenntnisquelle für die Ausgestaltung der Gemeinschaftsgrundrechte dar.[63] Ausdrücklich nimmt der EUV in der Fassung von Lissabon in Art. 6 Abs. 3 die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in Bezug und bekennt sich damit zu der in Art. 10 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Meinungs- und Informationsfreiheit.[64]

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Die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta, welche seit dem Vertrag von Lissabon durch Art. 6 Abs. 1 EUV verbindlich ist und primärrechtlichen Rang erhalten hat, ist hieran angelehnt.[65] Weitergehend als in Art. 10 EMRK wird in Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta ausdrücklich auf die Freiheit der Medien und deren Pluralität Bezug genommen, die es zu achten gilt.[66] Offen ist, ob hiermit eine dienende Medienfreiheit i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder eine Medienunternehmerfreiheit gemeint ist.[67]

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Medien können Dienstleistungen (z.B. Rundfunksendung) oder Waren (z.B. Buch, Tonträger) sein. Aus diesem Grund sind bei grenzüberschreitenden Sachverhalten primärrechtlich die Grundfreiheiten der Art. 28 ff. AEUV, insbesondere die Dienstleistungs- und die Warenverkehrsfreiheit, von Relevanz. Geht es um die Wahl des Unternehmenssitzes, findet zudem die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV Anwendung. Bedeutung erlangen die Grundfreiheiten vor allem dadurch, dass sie zugunsten der EU-Bürger unmittelbar anwendbar sind und diese mit subjektiven Rechten gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat ausstatten. Ergänzung finden sie im allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV.

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Der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 ff. AEUV, welche den unbeschränkten Handel über Grenzen hinweg gewährleisten soll, unterfallen nach der Rechtsprechung des EuGH alle körperlichen Gegenstände, die als Teil eines Handelsgeschäfts über eine Grenze verbracht werden können. Dies sind Medienprodukte wie Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Tonträger und Filmträgermedien ebenso wie Sende- und Empfangsgeräte. Anders unterfallen der gegenüber der Warenverkehrsfreiheit subsidiären Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich etwa Software, die Erstellung von Filmen und Musikwerken oder auch die Ausstrahlung von Fernsehsendungen.

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Die Dienstleistungsfreiheit der Art. 56 ff. AEUV regelt Hörfunk- und Fernsehproduktionen genauso wie eine Vielzahl neuer Mediendienste, soweit sie entsprechend der Definition der Dienstleistung des Art. 57 AEUV selbstständige Leistungen darstellen, die üblicherweise gegen Entgelt erbracht werden. Im Gegensatz zu früheren Stimmen im deutschen Schrifttum[68] hat der EuGH das Ausstrahlen von Fernsehsendungen bereits früh als Dienstleistung qualifiziert. Hieraus folgten zum einen das Verbot ungerechtfertigter Beschränkungen und zum anderen die Bestätigung, dass sich die Kompetenzen der Gemeinschaft, jetzt der Union, auch auf den Rundfunksektor erstrecken. Die im Fall Sacchi[69] 1974 ohne besondere Begründung angenommene Feststellung, dass auch frei empfangbares Fernsehen die Kriterien einer Dienstleistung i.S.d. damaligen EG-Vertrages erfüllt, wurde 1980 im Fall Debauve auf die Übertragung von Fernsehsendungen im Kabel erstreckt.[70] 1988 erörterte der EuGH die vorliegenden Dienstleistungen in dem Fall, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Betreiber von Kabelnetzen Fernsehprogramme verbreitet, die von Sendern in anderen Mitgliedstaaten angeboten werden und Werbemitteilungen enthalten, welche sich an das Publikum im Staat des Kabelnetzbetreibers richten.[71] Eine grenzüberschreitende Dienstleistung sah er hier sowohl gegenüber den Fernsehsendern im Hinblick auf die Weiterverbreitung der Programme durch den Kabelnetzbetreiber als auch gegenüber den Werbekunden im Ausland durch die Sendetätigkeit der Rundfunkveranstalter erbracht. Mitgliedstaatliche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, mithin alle Maßnahmen, die ihre Ausübung „unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen“,[72] bedürfen der Rechtfertigung. Der EuGH hat insoweit anerkannt, dass die Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens als ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann.[73] In der Entscheidung ERT[74] von 1991 hat er, soweit es den Begrenzungen des gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsrechts entspricht, auch ein Fernsehmonopol als mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Grundfreiheiten, vereinbar angesehen.

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Neben den Grundfreiheiten spielen für den Medien- und Rundfunkbereich vor allem auch das Wettbewerbs- und Beihilferecht der Europäischen Union eine wichtige Rolle. Medienunternehmen werden durch europäisches Primärrecht nicht nur rundfunkrechtlich, sondern in wachsendem Maß auch wettbewerbsrechtlich gesteuert. Ausgehend von Art. 3 Abs. 3 EUV ist die Wettbewerbsfreiheit wesentliche Grundlage des Unionsrechts. Es erfordert einen hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit und verlangt nach einem System zur Stärkung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes, das vor Verfälschungen schützt. Diesem Schutz privatwirtschaftlichen Verhaltens dienen das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV[75] und das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 102 AEUV. Gegen die Mitgliedstaaten ist das Verbot unzulässiger Beihilfen gerichtet, die über Art. 107 AEUV kontrolliert werden.[76] Sekundärrechtlich werden diese Vorschriften durch die Kartell- und Fusionskontrollverordnungen[77] ergänzt, denen angesichts zahlreicher auch transnationaler Fusionen eine große Bedeutung für Rundfunkunternehmen zukommt. Für den Schutz des Wettbewerbs vor unternehmerischen Absprachen ist insbesondere die Europäische Kommission zuständig (vgl. etwa Art. 105 AEUV). Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach einer europaweiten Konzentrationskontrolle im Rundfunksektor zu sehen. Nach der Fusionskontrollverordnung (VO (EG) Nr. 139/2004) besteht eine Kontrollbefugnis der Kommission nur bei gemeinschaftsweiter Bedeutung eines geplanten Zusammenschlusses. Fehlt es daran, sind die nationalen Wettbewerbsbehörden zuständig.[78] Im audiovisuellen Bereich kommt der Fusionskontrollverordnung besondere Bedeutung vor allem deshalb zu, weil Medienunternehmen vermehrt transnational fusionieren und sich durch Kooperationen international im Markt zu positionieren versuchen.[79] Die Verordnung erlaubt den Mitgliedstaaten, weitergehende Regelungen zum Schutz der Meinungsvielfalt zu treffen.

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Das Verbot unzulässiger Beihilfen nach Art. 107 AEUV ist namentlich in Mitgliedstaaten mit einem dualen Rundfunksystem relevant.[80] So hatte das Beihilferecht weitreichende Auswirkungen etwa auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.[81] Vor dem Hintergrund des Art. 106 Abs. 2 AEUV (ex Art. 86 Abs. 2 EG) war kontrovers diskutiert worden, ob die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks[82] als gemeinschaftswidrige Beihilfe einzuordnen ist.[83] Von deutscher Seite war bereits das Vorliegen einer Beihilfe bestritten worden; die Finanzierung über Rundfunkgebühren stelle weder eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme noch eine Vorteilsgewährung dar. Als Ergebnis eines letztlich mit der Europäischen Kommission erzielten Kompromisses[84] wurde schließlich der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem 12. RÄStV neu definiert, um die Vereinbarkeit mit den europäischen Wettbewerbsvorschriften herzustellen.[85]

 

2. Sekundärrecht

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Die allgemeingültigen primärrechtlichen Vorgaben werden durch eine Reihe zum Teil medienspezifischer Regelungen im EU-Sekundärrecht ergänzt. Kompetenzrechtlich sind diese vor allem auf die Ermächtigung zur Rechtsangleichung nach Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EG) und zu Maßnahmen zur Erleichterung des Dienstleistungsverkehrs nach Art. 62 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 AEUV (ex Art. 55 i.V.m. 47 Abs. 2 EG) gestützt.

2.1 Audiovisueller Bereich

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Maßnahmen betreffen vor allem den audiovisuellen Bereich,[86] der von 1989–2007 durch die Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit,[87] kurz EG-Fernsehrichtlinie, bestimmt wurde. Sie regelte auf dem Boden der Sacchi-Entscheidung[88] des EuGH den freien Empfang und die unbehinderte Weiterverbreitung von Fernsehsendungen innerhalb der Gemeinschaft. Die Richtlinie erfasste grenzüberschreitende und inländische Fernsehsendungen, nicht jedoch Hörfunkprogramme.

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Angesichts der Entwicklungen im Medienbereich, insbesondere im Hinblick auf Konvergenz und Digitalisierung, wurde die Fernsehrichtlinie 2007 durch die „Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“ (AVMD-Richtlinie) abgelöst.[89] Richtete sich ihr Anwendungsbereich zuvor auf (grenzüberschreitendes) Fernsehen, erstreckte sich die Richtlinie ab diesem Zeitpunkt auf alle Formen audiovisueller Mediendienste, d.h. auch auf Kommunikationsdienste, bei denen Inhalte auf individuellen Abruf („On-Demand“) übermittelt werden und die bisher ganz überwiegend als sog. „Dienste der Informationsgesellschaft“ den deutlich weniger strengen Regelungen der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG unterlagen. Zugleich wurden mit der Novellierung inhaltliche Änderungen vorgenommen, die insbesondere Veränderungen der Werbevorgaben für das Fernsehen umfassten.

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Audiovisuelle Mediendienste sind Dienstleistungsangebote, die über elektronische Kommunikationsnetze verbreitet werden und deren Hauptzweck darin besteht, der allgemeinen Öffentlichkeit Sendungen, d.h. bewegte Bilder mit oder ohne Ton, zur Information, Unterhaltung oder Bildung anzubieten. Damit fallen „nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten“ wie private Webseiten nicht in den Anwendungsbereich. Auch sind der Hörfunk, aber auch Angebote etwa der elektronischen Presse nicht umfasst. Gerade mit letzterem wird deutlich, dass die Richtlinie keinesfalls auch nur einen vorläufigen Endpunkt markiert. Schon heute wirft die tatsächliche Unterscheidbarkeit eines Onlineauftrittes mit Print-Herkunft („Spiegel-Online“) von einem entsprechenden Auftritt eines Rundfunkunternehmens („wdr.de“ oder „rtl.de“) erhebliche Schwierigkeiten auf.[90] Unterschieden werden Fernsehprogramme als sog. lineare audiovisuelle Mediendienste und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf als sog. nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste. Die Unterscheidung knüpft nicht an eine bestimmte Übertragungstechnik an und ist somit technologieneutral.[91] Lineare Dienste kennzeichnen sich durch einen zeitgleichen, d.h. vom Mediendiensteanbieter zeitlich vorbestimmten Empfang der Sendungen. Sie basieren, wie das herkömmliche Fernsehen, auf einem festen Programmschema, das durch den Nutzer nicht geändert werden kann. Nicht-lineare Dienste hingegen sind auf individuellen Abruf empfangbar, so dass der Rezipient selbst über die Auswahl einer Sendung aus dem Programmkatalog des Mediendiensteanbieters und den Zeitpunkt ihres Empfangs bestimmt.[92] Die Regulierung der Dienste erfolgt nach dem Konzept einer abgestuften Regelungsdichte. Während für nicht-lineare Dienste nur Grundregeln gelten, sind lineare Dienste durch weiterreichende und zum Teil strengere Maßgaben reguliert.[93]

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Kern der AVMD-Richtlinie ist das Herkunftslandprinzip, welches im Sendestaatsprinzip und dem Grundsatz der freien Weiterverbreitung seinen Ausdruck findet. Beide Prinzipien erstrecken sich durch den erweiterten Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf Abrufdienste. Nach dem in Art. 2 Abs. 1 AVMD-Richtlinie niedergelegten Sendestaatsprinzip hat (allein) der Sendestaat die Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie durch die in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Anbieter audiovisueller Mediendienste zu überwachen. Sendestaat ist dabei regelmäßig derjenige Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptniederlassung des Fernsehveranstalters befindet und die redaktionellen Entscheidungen getroffen werden. Darauf aufbauend haben die Mitgliedstaaten den freien Empfang und die Weiterverbreitung der audiovisuellen Mediendienste zu gewährleisten, § 3 Abs. 1 AVMD-Richtlinie. Insbesondere dürfen sie nicht die Einhaltung strengerer Maßgaben als die der Richtlinie von einem Mediendiensteanbieter verlangen, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliegt. Nur der Sendestaat darf die seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Anbieter strengeren Regelungen unterwerfen, § 4 Abs. 1 AVMD-Richtlinie.[94] Dessen vorübergehende Beschränkung kommt für lineare Dienste unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AVMD-Richtlinie allein bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Vorgaben der Richtlinie in Betracht. Solche Gründe sind etwa bei Gefährdungen des Jugendschutzes und Anstachelungen zu Hass gegeben. Für nicht-lineare Dienste gelten die weniger strengen Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 und 5 AVMD-Richtlinie.

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Inhaltlich sind Werbebeschränkungen, Jugendschutzregelungen, die Gewährung eines Gegendarstellungsrechts und eines Rechts auf nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung sowie die Förderung europäischer Filmwerke grundlegende Elemente der Richtlinie.[95]

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Aktuell erfolgt eine neuerliche Überarbeitung der AVMD-Richtlinie.[96] Der Entwurf der Europäischen Kommission[97] hält an der Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen audiovisuellen Mediendiensten fest. Der Anwendungsbereich soll jedoch auf Video-Plattformen erweitert werden. Als wesentliche Eckpunkte der Novellierung zeichnen sich derzeit u.a. ab: eine Deregulierung der quantitativen Werbebestimmungen, eine Lockerung der Maßgaben für Produktplatzierung und Sponsoring, eine Ausweitung inhaltlicher Maßgaben zum Jugendschutz auf Videosharing-Plattformen sowie eine Ausweitung von Verpflichtungen zur Förderung europäischer Werke auf Video-on-Demand-Anbieter. Eine neue Richtlinie könnte ggf. schon bis Ende 2018 in nationales Recht umzusetzen sein.

2.2 Benachbarte Regelungsbereiche

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In enger Nachbarschaft zum Rundfunkrecht existieren im europäischen Sekundärrecht u.a. Regelwerke für das Urheber-, Telekommunikations-, Datenschutz- und IT-Recht.

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An der Schnittstelle zum Urheberrecht[98] wurde 1993 ergänzend zur Fernsehrichtlinie die RL 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (CabSat-Richtlinie) verabschiedet.[99] Mit ihr sollten Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die sich durch die kumulative Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzigen Sendeakt ergaben und die grenzüberschreitende Ausstrahlung von Rundfunk über Satelliten bzw. die zeitgleiche, unveränderte Kabelweiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in anderen Mitgliedstaaten als dem Sendestaat behindern konnten.

Festgelegt wurde auch hier das Sendestaatsprinzip. Danach findet beim Satellitenrundfunk allein das Recht desjenigen Mitgliedstaates auf den Rechteerwerb Anwendung, in dem das Signal zum Satelliten geschickt wird (Ort der öffentlichen Wiedergabe). Die Rechteübertragung selbst hat auf vertraglicher Basis zu erfolgen; die Geltendmachung von Rechten ist in Bezug auf die Kabelweiterverbreitung der kollektiven Wahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften vorbehalten.

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Darüber hinaus wurden zur Angleichung des unterschiedlichen Schutzniveaus für geistiges Eigentum in den Mitgliedstaaten von Seiten der Europäischen Union im Laufe der Zeit Richtlinien erlassen, die für den Schutz einzelner Werkarten Mindestanforderungen definieren. Dies sind RL 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen,[100] RL 96/9/EG, in der Fassung der RL 93/98/EWG, über den rechtlichen Schutz von Datenbanken und die RL 2006/115/EG zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums.[101] Besondere Bedeutung für die materielle Ausgestaltung des Urheberrechts erlangte die RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie). Mit ihr sollte den Entwicklungen des Internetzeitalters Rechnung getragen werden. Wesentliche Vorgaben sind die Gewährung ausschließlicher Rechte für Urheber und Leistungsschutzberechtigte (ausübende Künstler, Tonträgerhersteller, Filmhersteller, Sendeunternehmen) betr. die Vervielfältigung und die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke bzw. sonstigen Schutzgegenstände, Ausnahmeregelungen zur (vorübergehenden) Vervielfältigung sowie wirksamer Rechtsschutz gegen die Umgehung von Schutzmaßnahmen. Mit dieser Richtlinie wurden zugleich der 1996 im Rahmen der WIPO geschlossene Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty, WCT) und der Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty, WPPT), mit denen einer unberechtigten Verbreitung von Werken und Gegenständen des Leistungsschutzes im Internet entgegengewirkt werden sollte, in Gemeinschaftsrecht umgesetzt. Die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum (Enforcement Richtlinie) dient dazu, den Schutz des geistigen Eigentums in der Europäischen Union zu verstärken und zu harmonisieren. Eine Harmonisierung der Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten, die erstmals mit der RL 93/98/EWG vorgenommen wurde, erfolgt durch die RL 2011/77/EU.[102] Wesentliche neuere Regelwerke sind die RL 2012/28/EU über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke und die RL 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt. Aktuell liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom September 2016 für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt[103] vor. Diskutiert werden hier insbesondere ein beabsichtigtes Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wie auch Filter zur automatischen Urheberrechtsdurchsetzung.

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Der noch lange durch Monopole staatlicher Unternehmen dominierte Telekommunikationssektor[104] ist seit den 1990er Jahren Gegenstand europäischer Bestrebungen zur Schaffung von Märkten mit echtem Wettbewerb. Zwei der ersten zwischen 1990 und 1999 erlassenen Richtlinien, deren Ziel es war, den Telekommunikationsmarkt zu öffnen und zu liberalisieren, waren die Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste und die sog. ONP-(Open Network Provision-)Richtlinie.[105] Erstere verpflichtete die Mitgliedstaaten, die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, mit Ausnahme des Sprach-Telefondienstes, nicht mehr einzelnen Betreibern als ausschließliches Recht vorzubehalten und für etwaige Genehmigungs- und Anmeldeverfahren von Betreibern an objektive, nicht diskriminierende und durchschaubare Kriterien anzuknüpfen. Ergänzend wurde mit der ONP-Richtlinie der Zugang zu den bis dahin bestehenden, meist staatlichen (Post- und) Telekommunikationsnetzen auch anderen Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen eröffnet. In der Folge fand mit weiteren Richtlinien eine Liberalisierung des gesamten Telekommunikationssektors statt. Im Jahr 2002 erfolgte dann, u.a. mit dem Ziel einer weitergehenden Liberalisierung des Marktes, aber auch um den Entwicklungen im Bereich des Internets und der Mobiltelefondienste sowie der Konvergenz der Medien gerecht zu werden, eine umfassende Reform hin zu einem einheitlichen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste. Dieser neue Rechtsrahmen, der im Wesentlichen aus fünf Richtlinien bestand (Rahmenrichtlinie, Genehmigungsrichtlinie, Zugangsrichtlinie, Universaldienstrichtlinie und Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation),[106] erstreckte sich auf die Gesamtheit aller Netze und Dienste im Bereich der elektronischen Kommunikation, mithin Festnetztelefonie, Mobilfunk und Breitbandkommunikation ebenso wie Kabel- und Satellitenfernsehen. Während der Fokus des europäischen Gesetzgebers zunächst darauf gelegen hatte, Wettbewerb mittels einer Öffnung der Märkte zu ermöglichen, lag dem neuen Rechtsrahmen angesichts des bereits erreichten Wettbewerbs die Zielsetzung zugrunde, die sektorspezifische Vorab-Regulierung schrittweise durch eine ex post-Kontrolle nach allgemeinem Wettbewerbsrecht zu ersetzen. Eine erneute Überarbeitung des Rechtsrahmens führte diese Linie fort.[107] Nach langwierigem Einigungsprozess in Rat und Europäischem Parlament trat das Richtlinienpaket am 19. Dezember 2009 in Kraft.[108] Die Umsetzung erfolgte in Deutschland mit der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) im Mai 2012.[109] Streitpunkt waren dabei u.a. Netzzugangssperren bei Urheberrechtsverstößen im Internet.[110] Diese sind nach dem erzielten Kompromiss zulässig, jedoch an eine Reihe von Voraussetzungen, insbesondere ein vorheriges, faires und unparteiisches Verfahren sowie Rechtschutzmöglichkeiten, geknüpft. Wesentliche Aspekte der Neuregelung[111] waren vor allem die Verbesserung der Marktregulierung, der Frequenzverwaltung und des Verbraucherschutzes. So wurde das Ziel weiterverfolgt, die Vorabregulierung abzubauen. Das Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren wurde optimiert und als neuer Mechanismus zur Behebung festgestellten Marktversagens die funktionale Separierung eingeführt. Für eine effizientere Frequenznutzung wurde die Frequenzverwaltung flexibilisiert. Eine Stärkung der Verbraucherrechte erfolgte u.a. durch Mindestanforderungen an Verträge und eine Erleichterung des Anbieterwechsels. Aktuell wird erneut über die Überarbeitung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation beraten.[112] Ein neuer Rechtsrahmen, der u.a. die relevanten Richtlinien vereint, sollten Mitte 2017 vorliegen.

 

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Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Internet für den freien Kommunikationsprozess und neuer Geschäftsmodelle der Telekommunikationsunternehmen wurden 2015 durch Verordnung[113], die zugleich die Senkung von Roaming-Gebühren im EU-Ausland betrifft, einheitliche Regelungen zur Netzneutralität auf europäischer Ebene aufgestellt. Diese überlassen den Mitgliedstaaten und ihren Regulierungsstellen jedoch einem weitreichenden Ausgestaltungsspielraum.

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2006 erfolgte eine Anpassung der RL 2002/58/EG durch die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten.[114] Zweck der Novellierung war es, Daten zur Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten verfügbar zu machen. Während die formelle Rechtmäßigkeit der Richtlinie vom EuGH bestätigt wurde,[115] ist die Frage, ob die Richtlinie mit europäischen Grundrechten vereinbar ist, hingegen eindeutig verneint worden.[116] Generalanwalt Pedro Cruz Villallón hatte bereits dem EuGH in seinen Schlussanträgen von Dezember 2013 zu Vorabentscheidungsersuchen Irlands und Österreichs vorgeschlagen, eine Unvereinbarkeit der Richtlinie mit Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festzustellen.[117] Dem ist der EuGH im Wesentlichen gefolgt. Zwar stellte er fest, dass die nach der Richtlinie vorgesehene Vorratsdatenspeicherung nicht geeignet sei, den Wesensgehalt der Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten anzutasten (Art. 52 Abs. 1 S. 1 EU-Grundrechtecharta).[118] Allerdings sei mit der Vorratsdatenspeicherung ein Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere gegeben, ohne dass durch entsprechende Bestimmungen gewährleistet sei, dass sich der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränke (Art. 52 Abs. 1 S. 2 EU-Grundrechtecharta).[119] Mit Urteil vom 21.12.2016 bestätigte er die Unzulässigkeit einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung für Zwecke der Bekämpfung von Straftaten.[120] Die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland durch eine Anpassung des TKG[121] war bereits im Jahr 2010 vom BVerfG wegen Verstoß gegen Art. 10 GG für nichtig erklärt worden.[122] Mit dem Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten ist am 18.12.2015 in Deutschland eine neue Regelung zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten.

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Auch im Bereich des Datenschutzes sind mittlerweile weitreichende Harmonisierungsmaßnahmen getroffen worden. Im Zuge der von der Kommission 2012 eingeläuteten EU-Datenschutzreform hat die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) die RL 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr abgelöst. Die Verordnung wird ab dem 25.5.2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gelten. Sie enthält Maßgaben für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen, die damit EU-weit vereinheitlicht werden. Auf nationaler Ebene besteht derzeit noch Regelungsbedarf, insbesondere für den Bereich der Presse und des Rundfunks zum Schutz der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit.[123] Aktuell liegt zudem ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation vor.[124] Mit ihr sollen Internetdienste, die der Individualkommunikation dienen, (bspw. VoIP-Telefonie, Instant-Messaging oder webgestützte E-Mail-Dienste) in den Datenschutzrahmen einbezogen werden.

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Im IT-Recht schuf die damalige EG durch die E-Commerce-Richtlinie[125] (RL 2000/31/EG) einen einheitlichen Rahmen für den Geschäftsverkehr im Internet. Erfasst sind „Dienste der Informationsgesellschaft“. Dazu zählt jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Ausgenommen sind TV-Dienstleistungen und -Sendungen sowie nicht kommerzielle Dienste zwischen Nutzern (z.B. E-Mail). Die Richtlinie legt für die übrigen Dienste die Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats, in dem der Anbieter seine Niederlassung hat, fest und regelt den Schutz vor Spam-Nachrichten sowie die Provider-Haftung. Die Richtlinie 98/84/EG über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (Zugangskontrolldiensterichtlinie) bezweckt die Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von ausschließlich entgeltlich empfangbaren Diensten wie Pay-TV.