Geschichte der USA

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2 UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung und konstitutionelle Neuordnung

Die Hoffnungen, die gemäßigte PatriotenPatrioten und LoyalistenLoyalisten immer noch auf den König setzten, erwiesen sich als illusorisch, denn George III.George III. war noch weniger kompromissbereit als sein Premierminister Lord NorthNorth, Frederick Lord. Schon 1774 meinte er, die „Würfel seien gefallen“ und die Kolonien müssten nun entweder gewaltsam unterworfen werden, oder sie wären für EnglandGroßbritannien auf immer verloren. Nach den Parlamentswahlen im November 1774 wurden Truppenverstärkungen und erfahrene Generäle nach Amerika geschickt, und Kompromissvorschläge, wie sie u.a. William PittPitt, William (nun Earl of Chatham) unterbreitete, fanden kein Gehör mehr. In einer Botschaft an den König stellte das Parlament im Februar 1775 fest, die Kolonien befänden sich in offener Rebellion gegen das Mutterland. Ungeachtet der Kritik des prominenten Parlamentsabgeordneten Edmund BurkeBurke, Edmund, die Regierung versuche, ihre Autorität zu wahren, indem sie das Empire zerstöre, erhielt General Thomas GageGage, Thomas in BostonBoston die Weisung, aggressiver vorzugehen und die „Rädelsführer“ des Aufstands zu verhaften.

Auf amerikanischer Seite entfachte das Zusammenwirken einer Basis, die sich immer mehr radikalisierte, mit der patriotischen Elite, die den Lauf der Dinge durch interkoloniale Kooperation zu steuern versuchte, eine Dynamik, die den Bruch mit EnglandGroßbritannien unvermeidlich werden ließ. Als britischeGroßbritannien Truppen ein Waffendepot der Miliz von MassachusettsMassachusetts ausheben wollten, kam es am 18. April 1775 bei Lexington und Concord zu ersten Gefechten, bei denen die Amerikaner 95, die Engländer 273 Mann verloren. Unter dem Eindruck dieser Schüsse, deren Echo angeblich „rund um die Welt“ gehört wurde, trat am 10. Mai 1775 in PhiladelphiaPhiladelphia der Zweite Kontinentalkongress mit nunmehr 65 Mitgliedern aus dreizehn Kolonien zusammen. Obwohl die Gemäßigten immer noch eine Verzögerungsstrategie betrieben, handelten die Delegierten doch schon wie Vertreter souveräner Staaten. Sie versetzten die Kolonien in den Verteidigungszustand, betrauten George WashingtonWashington, George am 15. Juni mit dem militärischen Oberbefehl und bewilligten die Ausgabe von 2 Millionen Dollar Papiergeld für Rüstungszwecke. Am 2. Juli 1775, zwei Wochen nachdem britischeGroßbritannien Truppen die Bostoner Miliz unter schweren Verlusten vom Bunker HillBunker Hill (Schlacht von) vertrieben hatten, übernahm WashingtonWashington, George in CambridgeCambridge, Massachusetts das Kommando über 15.000 Mann aus NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen), PennsylvaniaPennsylvania, MarylandMaryland und VirginiaVirginia, die der Kongress als „Truppen der Vereinigten Provinzen von Nordamerika“ bezeichnete. Etwa gleichzeitig instruierten die Delegierten den New Yorker General Philip SchuylerSchuyler, Philip, die kanadischen KolonienKanadaUnabhängigkeitskrieg, die sich nicht freiwillig anschließen wollten, mit Gewalt zu erobern. Das Scheitern dieses Unternehmens stand schon im Dezember fest, aber es trug dazu bei, die englische Haltung weiter zu verhärten. Unter den gegebenen Umständen konnte ein letzter, halbherziger Vermittlungsvorstoß des Kongresses, in Form der „Olivenzweig-PetitionOlivenzweig-Petition“ an den „Most Gracious Sovereign“, nicht mehr fruchten. Aus der Sicht des Königs befanden sich die Amerikaner nun „in offener und erklärter Rebellion“, und das Parlament dehnte im November 1775 per Gesetz die Blockade von Massachusetts auf alle dreizehn Kolonien aus. Damit war den gemäßigten Kräften im Kongress wie im Westminster-Parlament die Argumentationsgrundlage entzogen.

Wer immer noch zögerte, wurde im Januar 1776 durch Thomas PainesPaine, Thomas Pamphlet Common SenseCommon Sense mitgerissen, das innerhalb weniger Monate zwölf Auflagen erlebte und von dem bald über 150.000 Exemplare in den Kolonien kursierten. Der Autor, der erst zwei Jahre zuvor aus EnglandGroßbritannien eingewandert war, griff den bis dahin weitgehend verschonten George III.George III. in beispielloser Weise als unfähigen und tyrannischen „Pharao“ an und sprach aus, was viele Siedler inzwischen dachten: Nur die Unabhängigkeit könne verhindern, dass die Amerikaner von der politischen Korruption und dem moralischen Verfall EnglandsGroßbritannienRevolutionsepoche angesteckt würden. Die Ziele der Revolution lagen laut Paine nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft: Der eigentliche Kampf müsse gegen das System der Monarchie und für den Aufbau einer gerechten republikanischen Ordnung geführt werden: „Wir haben es in unserer Hand, die Welt von neuem zu beginnen.“ Der phänomenale Erfolg dieser Flugschrift spiegelte das Entstehen einer kraftvollen politischen Öffentlichkeit wider, die den Kontinentalkongress im Frühjahr und Sommer 1776 über eine Welle von Gemeinde- und Provinzversammlungen zur UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung vorantrieb. Aus der Protestbewegung wurde nun vollends eine Revolution.

Der Kontinentalkongress erklärt die Unabhängigkeit

Die entscheidende Initiative ging von einem als de facto-Parlament tagenden Provinzialkongress in VirginiaVirginia aus, der im Mai 1776 die eigene Delegation im Kontinentalkongress aufforderte, sich für die Unabhängigkeit einzusetzen. Am 7. Juni stellte daraufhin Richard Henry LeeLee, Richard Henry in PhiladelphiaPhiladelphia den Antrag, der Kongress möge die Kolonien zu „freien und unabhängigen Staaten“ erklären, ausländische Mächte um Hilfe gegen EnglandGroßbritannien bitten und eine Konföderation vorbereiten. Es dauerte aber noch knapp einen Monat, bis die Mittelkolonien sowie MarylandMaryland und South CarolinaSouth Carolina auf diese Linie gebracht werden konnten. Am 2. Juli wurde LeesLee, Richard Henry Resolution mit zwölf Stimmen bei Enthaltung New YorksNew York angenommen. Zwei Tage später blieben die New Yorker Delegierten, die immer noch keine positiven Instruktionen erhalten hatten, einer erneuten Abstimmung fern und ermöglichten so die einstimmige Annahme der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung.

Der Entwurf zu diesem Dokument stammte aus der Feder von Thomas JeffersonJefferson, Thomas, der mit 33 Jahren zu den jüngsten Delegierten des Zweiten Kontinentalkongresses zählte. Als Sohn eines Landvermessers und Kartographen und einer Angehörigen der prominenten Randolph-Familie hatte JeffersonJefferson, Thomas das William and Mary CollegeWilliam and Mary College in WilliamsburgWilliamsburg absolviert und war im Alter von 24 Jahren zum Anwaltsberuf zugelassen worden. Seine Herkunft und sein Besitz von 2000 Hektar Land und über 100 Sklaven machten ihn zum Angehörigen der Virginia AristocracyVirginia Aristocracy, die er seit 1769 auch im Unterhaus von Virginia vertrat. Hier schloss er sich der radikalen Fraktion um Patrick HenryHenry, Patrick an und fiel durch den eleganten Stil auf, mit dem er Resolutionen, Petitionen und andere Stellungnahmen des Parlaments verfasste. Politik war aber nicht seine einzige Leidenschaft: Nachdem er 1772 eine 23-jährige Witwe, Martha Wayles SkeltonSkelton, Martha Wayles, geheiratet hatte, baute er den Landsitz MonticelloMonticello nach klassisch-italienischem Vorbild um und betätigte sich als Schriftsteller, Erfinder und Naturwissenschaftler.


Abb. 4: Die Unabhängigkeitserklärung, 4. Juli 1776 (Gemälde von J. Trumbull)

JeffersonsJefferson, Thomas Text, den der Kongress nur in wenigen Punkten änderte – eine der Streichungen betraf seine Kritik an der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) –, verband das Gedankengut der AufklärungAufklärung mit angelsächsischen Rechtstraditionen und den Prinzipien der Country-IdeologieCountry-Ideologie. Die Präambel leitete das Recht auf Loslösung vom Mutterland aus dem NaturrechtNaturrecht ab und betonte, dass es der Respekt vor der öffentlichen Meinung der Welt verlange, einen solch schwer wiegenden Schritt ausführlich zu begründen. Der erste Teil, der langfristig die stärkste Wirkung entfaltete, enthielt die politische Philosophie der amerikanischen Revolution. Den Ausgangspunkt bildete das Naturrecht als objektiver Maßstab, an dem alles von Menschen gesetzte Recht zu messen ist. Das Gleichheitspostulat („all men are created equal“) besagt, dass alle Menschen insofern gleich sind, als sie natürliche, unveräußerliche Rechte besitzen; die wichtigsten dieser „selbstverständlichen“ Rechte sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glück („pursuit of happiness“, das im Sinne der schottischen Moralphilosophie an die Stelle von John LockesLocke, John Recht auf Eigentum trat).

Aufgabe der Regierung ist es, diese Rechte zu schützen und den Bürgern Sicherheit und Glücksstreben zu ermöglichen. Regierung (government) beruht auf der Zustimmung (consent) der Regierten, und sie kann beseitigt und durch eine neue Regierung ersetzt werden, wenn sie ihren Aufgaben nicht gerecht wird. Als zweiter Teil folgte dann ein langes, nicht in allen Einzelheiten korrektes Register der Amtsverstöße Georges IIIGroßbritannienRevolutionsepocheGeorge III.., das den König eines Bruchs des Herrschaftsvertrags überführen sollte. Der Schlussabschnitt besiegelte unter feierlicher Anrufung der göttlichen Vorsehung (Divine Providence) die Loslösung von GroßbritannienGroßbritannien und die Souveränität der amerikanischen Staaten. In praktischer Hinsicht war die UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung einerseits dazu gedacht, die Amerikaner durch die Verkündung fundamentaler Prinzipien und Grundwerte, für die es sich lohnte zu kämpfen, dauerhaft an die revolutionäre Sache zu binden; andererseits sollte sie mit Blick auf Europa die ehemaligen Kolonien als ein handlungsfähiges Völkerrechtssubjekt etablieren, das Bündnisse eingehen konnte. JeffersonJefferson, Thomas hatte keine Originalität angestrebt, und er nannte sein Werk später bescheiden „einen Ausdruck des amerikanischen Geistes“, wie er sich zur Zeit der Revolution dargestellt habe. Von anderen zeitgenössischen Äußerungen hob sich der Text aber durch seinen dynamischen Rhythmus und die gemessene Würde der (aus der Bibel entlehnten) Sprache ab, die den Eindruck der logischen Folgerichtigkeit der Argumentation und der Unvermeidbarkeit der Trennung vom Mutterland verstärkten. Durch die Fähigkeit JeffersonsJefferson, Thomas, komplexe Sachverhalte und Ideen in wenige, mitreißende Sätze zu verdichten, gewann die Unabhängigkeitserklärung über ihre praktische Bedeutung hinaus den Charakter eines politisch-philosophischen Epochendokuments.

 

Staatenverfassungen, Grundrechteerklärungen und Articles of ConfederationArticles of Confederation

Parallel zur Entstehung der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung vollzog sich in den einzelnen Kolonien die Neuordnung des politischen und konstitutionellen Lebens. Angesichts der leidenschaftlichen Auseinandersetzungen, bei denen schon sozial egalitäre, „gleichmacherische“ Forderungen aufkamen, fürchteten viele Gemäßigte und Besitzende um den inneren Frieden und wollten ein Weitertreiben der Revolution verhindern. Aber auch radikale Befürworter der Unabhängigkeit hielten es für dringend geboten, nach dem Zusammenbruch der britischenGroßbritannien Regierungsautorität zu stabilen Verhältnissen zurückzukehren und die gefährliche Phase des Nebeneinanders von alten und neuen Institutionen so rasch wie möglich zu beenden. In diesem Prozess der Loslösung von Monarchie und Empire nahm die aufklärerische Idee, das Volk sei der Souverän und könne sich selbst regieren, erstmals konkrete Gestalt an. Die VolkssouveränitätVolkssouveränität wurde schon deshalb zur neuen Legitimationsgrundlage, weil es in der amerikanischen Wirklichkeit des Jahres 1776 gar keine Alternative zur republikanischen Staatsform gab. Zentrale Bedeutung erlangten die geschriebenen Verfassungen: Eine constitution legte nicht mehr nur die Staatsform und die Kompetenzverteilung der Regierungsorgane fest, sondern errichtete überdies, wie das Town Meeting von Concord in MassachusettsMassachusetts schon im Oktober 1776 feststellte, „ein System von Prinzipien, das die Rechte und Freiheiten der Regierten gegen alle Übergriffe der Regierenden schützt“.

Auf Anfrage aus mehreren Hauptstädten hin hatte der Kongress Mitte Mai 1776 empfohlen, jede Kolonie solle „solch ein RegierungssystemRegierungssystem einrichten, das nach Meinung der Volksvertreter am besten geeignet ist, das Glück und die Sicherheit ihrer Wählerschaft im Besonderen und Amerikas im Allgemeinen zu gewährleisten“. New HampshireNew Hampshire und South CarolinaSouth Carolina waren dieser Empfehlung bereits zuvorgekommen und hatten im Januar bzw. März 1776 Verfassungen schriftlich niedergelegt, die ursprünglich als provisorisch angesehen wurden und nur bis zum Ende des Konflikts mit EnglandGroßbritannien in Kraft bleiben sollten. Zwischen Juni 1776 (VirginiaVirginia) und Oktober 1780 (MassachusettsMassachusetts) gaben sich neun weitere Kolonien bzw. Staaten Verfassungen, wobei einige zwei oder sogar drei Anläufe benötigten, bevor die Dokumente in Kraft treten konnten. ConnecticutConnecticut und Rhode IslandRhode Island beschränkten sich darauf, ihre Charter-Urkunden aus dem 17. Jahrhundert von Erwähnungen des Königs und der Monarchie zu „reinigen“. Einen anderen Sonderfall stellte Vermont dar, dessen Bürger sich weder New YorkNew York noch New Hampshire angliedern lassen wollten und die deshalb im Juli 1777 eine eigene, dem radikal-republikanischen Beispiel Pennsylvanias folgende VerfassungVerfassung annahmen. Ihren Antrag, als 14. Staat der Union beizutreten, lehnte der Kongress jedoch vorerst ab.

Obwohl den Siedlern die Unterscheidung zwischen Verfassungs- und Gesetzesrecht keineswegs fremd war, wichen die Prozeduren der Verfassungsgebung noch beträchtlich voneinander ab. Einige revolutionäre Körperschaften schrieben ohne speziellen Wählerauftrag Verfassungen und setzten sie ebenso eigenmächtig in Kraft. Diese Praxis wurde aber in der Öffentlichkeit bald als unvereinbar mit dem Prinzip der VolkssouveränitätVolkssouveränität kritisiert. PennsylvaniaPennsylvania berief deshalb einen speziellen Konvent ein, der sich auf die Ausarbeitung und Verabschiedung von VerfassungVerfassung und Grundrechteerklärung beschränkte. In MassachusettsMassachusetts einigte man sich schließlich auf ein Verfahren, das in seinen Grundzügen zum Vorbild für die ganze spätere konstitutionelle Entwicklung wurde: Ein nur zu diesem Zweck gewählter Konvent arbeitete die Verfassung aus und legte sie den Bürgern zur Stellungnahme vor; rechtskräftig wurde sie erst nach der Ratifizierung durch das Volk in den Town Meetings. Auf diese Weise erhielt die Verfassung eine „höhere Weihe“ als das Gesetzesrecht und konnte nicht mehr eigenmächtig vom Parlament, sondern nur unter Mitwirkung des souveränen Volkes geändert werden.

Inhaltlich stellten die neuen Verfassungen Kompromisse zwischen den beiden Flügeln der patriotischen Bewegung dar: dem radikal-republikanischen, der besonderen Wert auf die Bürgerbeteiligung und die Kontrolle der Regierenden legte, und dem konservativ-aufklärerischen, der im Sinne von MontesquieusMontesquieu, Charles de Secondat, Baron de De l’esprit des loisDe l’esprit des lois die Regierungsgewalten und sozialen Kräfte sorgsam ausbalancieren wollte. Das radikale Konzept setzte sich am reinsten in PennsylvaniaPennsylvania durch, das konservative in New YorkNew York und – unter dem Einfluss von John AdamsAdams, John – in MassachusettsMassachusetts. In der Vielfalt der Formen und Verfahrensweisen, die diese ersten revolutionären VerfassungenGewaltenteilungStaaten kennzeichnet, überwogen aufs Ganze gesehen die innovativen gegenüber den traditionellen Elementen. Zensusbestimmungen bestanden zwar weitgehend fort, wurden aber doch so sehr gelockert, dass sich die Repräsentation verbesserte, und zwar für die Bevölkerung im Allgemeinen wie für die Farmer des Hinterlands im Besonderen, deren Interessen bislang häufig von den Küstenbewohnern missachtet worden waren. Dieser Einflussgewinn der back country hatte u.a. zur Folge, dass viele Staaten innerhalb kurzer Zeit ihre Hauptstädte von der Küste ins Landesinnere verlegten. Im Schnitt waren jetzt 70–90 Prozent der erwachsenen weißen Männer wahlberechtigt, in New JerseyNew Jersey sogar auch unverheiratete und verwitwete FrauenFrauenWahlrecht, die über eigenen Besitz verfügten – eine Klausel, die 1807 zunächst wieder gestrichen wurde. Am untergeordneten rechtlichen Status der Frauen änderten die Verfassungen so gut wie nichts, obwohl sich viele Frauen aktiv an den revolutionären Demonstrationen und Boykotten beteiligt hatten. Abigail AdamsAdams, Abigail’ Appell an ihren Mann JohnAdams, John, bei der Verfassungsgebung „die Ladies nicht zu vergessen“, blieb ohne Echo. Reformer wie der Arzt Benjamin RushRush, Benjamin in PhiladelphiaPhiladelphia schrieben den Frauen als „republikanischen Müttern“ eine wichtige Funktion bei der politischen und moralischen Erziehung der Jugend zu. RushsRush, Benjamin Pläne für ein verbessertes staatliches Schulwesen, das auch Mädchen BildungschancenBildungswesen eröffnet hätte, fielen aber der Sparsamkeit oder dem Unverständnis der Verfassungs- und Gesetzgeber zum Opfer.

Abgesehen von PennsylvaniaPennsylvania und GeorgiaGeorgia, die nach dem Prinzip des simple government das Einkammer-SystemGewaltenteilungStaaten einführten, behielten die Staaten Senate bei, die im konservativen Verständnis das Eigentum repräsentieren und dem Schutz der besitzenden Schichten dienen sollten. In der Praxis büßten diese Oberhäuser aber bald viel von ihrer Exklusivität ein, weil sich die meisten Senatoren – ungeachtet höherer Besitzqualifikationen und längerer Amtszeiten im Vergleich zu den Unterhausabgeordneten – weniger als Sprecher von Klasseninteressen denn als Vertreter der territorialen Einheiten verstanden, in denen sie gewählt wurden. Von Funktion und Arbeitsweise her näherten sich Senate und Unterhäuser deshalb recht schnell einander an.

Aus der noch frischen Erinnerung an die Konflikte mit den königlichen Gouverneuren und Richtern heraus wurden die Befugnisse von Exekutive und JudikativeGewaltenteilungOberste GerichteGewaltenteilungStaaten in der Regel stark eingeschränkt. Ins Zentrum des RegierungssystemsRegierungssystem (frame of government) rückte die Legislative, das Parlament, das häufig sowohl die Gouverneure als auch die Richter wählen konnte. Meist ordnete man den Gouverneuren noch einen Exekutivrat bei, der sie kontrollieren und Machtmissbrauch verhindern sollte. Nur New YorkNew York und MassachusettsMassachusetts ließen die Gouverneure direkt vom Volk wählen und gaben ihnen das Recht, mit einem suspensiven Veto in die Gesetzgebung einzugreifen. Die Parlamentarier selbst unterlagen einer strengen Kontrolle durch ihre Wähler: Dafür sorgten der Grundsatz der jährlichen Wahlen (annual elections), die vielfach noch geübte Praxis des imperativen Mandats, die Ämterrotation sowie die Möglichkeit des Rückrufs von Abgeordneten während der Legislaturperiode. Die Judikative schließlich galt zwar noch nicht als „dritter Regierungszweig“, aber in einigen Staaten besaßen die Obersten Gerichte doch schon genügend Autorität, um in Form der judicial reviewJudicial Review über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden.

Die Diskussion über GrundrechteGewaltenteilungStaaten, natural and fundamental rights, war ein wesentlicher Teil dieser konstitutionellen Neuordnung. In einigen Staaten gingen die Verfassungsgeber von der Fortgeltung der alten Rechtsgarantien aus; in anderen formulierten sie separate Grundrechtskataloge und stellten sie als bills of rights oder declarations of rights neben das Organisationsstatut der Regierung, den frame of government; in MassachusettsMassachusetts schließlich fand John AdamsAdams, John 1780 eine wegweisende Lösung, indem er die Grundrechtsartikel als eigenständigen ersten Teil in die VerfassungVerfassung integrierte. Obgleich die Rechteerklärungen an koloniale Traditionen anknüpften, brachten sie in zweierlei Hinsicht Neues: Zum einen galten die fundamentalen Rechte und Freiheiten nicht mehr länger als „rights of Englishmen“, sondern als von Gott verliehene „natürliche Rechte“; zum anderen diente ihre schriftliche Fixierung über den konkreten Schutz vor staatlicher Willkür hinaus zur Begründung und Sinngebung des republikanischen RegierungssystemsRegierungssystem. Am deutlichsten kam dies in der Virginia Declaration of RightsVirginia Declaration of Rights (1776) zum Ausdruck, die der juristisch versierte Pflanzer George MasonMason, George formuliert hatte und die am 28. Juni 1776 vom Provinzialkongress angenommen worden war. Ihre 16 Artikel füllten schon vor der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung die Begriffe „limited government“ und „inalienable rights“ mit Inhalt. Zu der LockeLocke, John’schen Trias von Leben, Freiheit und Eigentum traten der Schutz vor Durchsuchung oder Verhaftung ohne richterlichen Befehl, das Verbot von Folter und grausamen Strafen sowie der Anspruch des Angeklagten auf einen raschen Prozess und ein Geschworenengericht aus seiner Nachbarschaft; als spezielle republikanische Freiheiten wurden aufgeführt das WahlrechtWahlrecht und das Widerstandsrecht, die Pressefreiheit und die unbehinderte Religionsausübung gemäß der Gewissensentscheidung des einzelnen Bürgers. Hinzu kam die Garantie des MilizsystemsMilizsystems, das die Revolutionäre – ganz im Sinne der Country-Parole „No standing army!“ – der europäisch-monarchischen Militärtradition entgegenstellten. Diese RechteGewaltenteilungStaaten und Freiheiten fanden eine wichtige Ergänzung in der Verpflichtung der Bürger zu Gerechtigkeit, Mäßigung, Sparsamkeit, Fleiß und christlicher Nächstenliebe. Hinter den einzelnen Bestimmungen wurde eine republikanische Utopie sichtbar: das Bild des sittenstrengen, sich selbst regierenden Volkes; eines StaatswesensGewaltenteilungStaaten, das ganz auf die Zustimmung seiner Bürger gründet, von denen Tugend (virtuevirtue) im klassischen Sinne erwartet wird, d. h. Tatkraft, Rechtschaffenheit und aufopfernde Hingabe an das Gemeinwohl. Aus dieser Perspektive galten die Regierenden nicht länger als Herrscher (rulers), sondern waren auf Zeit berufene Treuhänder (trustees) des Volkes. Alle gemeinsam unterstanden dem Recht, das in der Verfassung seine erhabenste Gestalt annahm. Mit dieser Sammlung von Fundamentalsätzen leitete die Virginia Declaration of RightsVirginia Declaration of Rights (1776) eine neue Epoche der Verfassungsentwicklung ein, die über die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und die konstitutionellen Kämpfe des 19. Jahrhunderts bis zur Charta der Vereinten NationenVereinte Nationen und den verschiedenen Menschenrechtskonventionen des vergangenen und unseres Jahrhunderts reicht. Die amerikanischen Einzelstaaten verwirklichten damit erstmals – auf der Grundlage des englischenGroßbritannien Erbes und der kolonialen Erfahrungen – das Modell einer Zivilgesellschaft (civil society), das keine Trennung von Staat und bürgerlicher Gesellschaft kennt, sondern Politik als Konsequenz des Mehrheitswillens und der öffentlichen Meinung (public opinion) definiert.

 

Der eklatante Widerspruch, der sich zwischen dem in den meisten VerfassungenGewaltenteilungStaaten verankerten Gleichheitspostulat und der Fortdauer des Sklavereisystems auftat, blieb den Zeitgenossen keineswegs verborgen, sondern wurde – zumindest von MaineMaine bis VirginiaVirginia – Teil der Revolutionsdebatte. Aus mehreren Richtungen geriet die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) während dieser Zeit unter starken Druck: Die QuäkerQuäker rangen sich endlich zu einer dezidiert sklavereifeindlichen Haltung durch, und sie erhielten zunehmend Unterstützung von anderen Religionsgemeinschaften, insbesondere den BaptistenBaptisten und MethodistenMethodisten, die im Verlauf des Great AwakeningGreat Awakening sowohl im Norden als auch im SüdenSüden viele Anhänger gewonnen hatten; das Gedankengut der AufklärungAufklärung, das die Kolonien von Europa aus erfasste, wirkte zunächst auf eine „Humanisierung“ der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner), dann aber immer stärker auf ihre Überwindung hin; die republikanische Ideologie, die das Denken und Handeln der radikalen PatriotenPatrioten bestimmte, war nur schwer mit der permanenten Entrechtung eines Bevölkerungsteils zu vereinbaren, und sie mobilisierte auch viele freie Schwarze und sogar Sklaven, die sich mit Petitionen an die Kolonial- und Staatenparlamente wandten; und schließlich kritisierte auch der liberale Ökonom Adam SmithSmith, Adams in seinem 1776 veröffentlichten Werk The Wealth of NationsThe Wealth of Nations (1776) das Sklavereisystem als Verstoß gegen die ehernen Gesetze der WirtschaftWirtschaft und als ineffizient im Vergleich zu „freier“ Arbeit. 1774 bezog der Kontinentalkongress Sklaven in den Boykott englischer Importe ein, und der Krieg unterbrach vollends die Sklaveneinfuhr aus AfrikaAfrika und der KaribikKaribik. Nach der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung entstanden in den meisten Staaten nördlich der ChesapeakeChesapeake Bay Antisklaverei-Gesellschaften, die häufig von QuäkernQuäker geführt oder beeinflusst wurden und die noch während des Krieges Kontakt zu der beginnenden AbolitionismusAbolitionisten-BewegungAbolitionisten in EnglandGroßbritannien aufnahmen. Im Krieg selbst stellten die Engländer ebenso wie die Patrioten (mit Ausnahme der Plantagenbesitzer in den Carolinas und GeorgiaGeorgia) denjenigen Afroamerikanern die Freiheit in Aussicht, die sich ihnen anschlossen und Militärdienst leisteten.

Dieser starke Antisklaverei-Impuls leitete das Ende der peculiar institutionpeculiar institution im Norden ein, aber er erschütterte sie auch in VirginiaVirginia und MarylandMaryland, deren Pflanzer ohnehin seit geraumer Zeit nach Alternativen zur Tabak-Monokultur suchten. Einige NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen)-Staaten wie MassachusettsMassachusetts, ConnecticutConnecticut und Vermont (das der Union offiziell erst 1791 beitrat) hoben die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) per VerfassungVerfassung, durch Gesetze oder auf dem Weg über Gerichtsurteile umgehend auf. Das Oberste Gericht von Massachusetts stützte sich in einer entsprechenden Entscheidung von 1783 (Quock Walker CaseQuock Walker Case) explizit auf die Grundrechteerklärung in der Staatsverfassung, die den Satz „all men are created equal“ enthielt. Die weiterhin ambivalente Haltung der weißen Bevölkerung kam darin zum Ausdruck, dass den freien Schwarzen einerseits zwar gleiche Rechte einschließlich des WahlrechtsWahlrechtAfroamerikanerAfroamerikanerWahlrecht gewährt wurden, dass das Parlament von Massachusetts andererseits aber Ehen von Weißen mit Schwarzen, Mischlingen und IndianernNative AmericansRevolution verbot. Die meisten Nord- und Mittelstaaten folgten dagegen dem Beispiel Pennsylvanias, dessen Parlament 1780 die „graduelle“ Sklavenbefreiung beschloss. Die entsprechenden Gesetze legten fest, dass alle Kinder von Sklaven, die nach einem bestimmten Datum geboren wurden, ihre Freiheit erhielten, den Besitzern aber noch bis zur Volljährigkeit unentgeltlich dienen mussten. Gekoppelt mit einem Einfuhrverbot von Sklaven bedeutete dies das allmähliche „Absterben“ der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) im Norden der USA, auch wenn 1810 immer noch 30.000 Sklaven nördlich der Mason and Dixon LineMason-Dixon-Linie lebten, die seit den 1760er Jahren die Grenze zwischen PennsylvaniaPennsylvania und Maryland und damit zwischen Norden und SüdenSüden markierte. In Maryland, DelawareDelaware und Virginia, wo die Mehrzahl der Afroamerikaner lebte, ließ sich selbst eine graduelle EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation nicht durchsetzen, aber die Kritik an der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) und ökonomische Überlegungen führten doch immerhin dazu, dass die Freilassung von Sklaven erleichtert wurde. Die Folge war ein rasches AnwachsenAfroamerikanerBevölkerungsentwicklung der freien schwarzen BevölkerungBevölkerungsentwicklung im Upper SouthUpper South, etwa in Virginia von 1800 im Jahr 1782 auf über 30.000 im Jahr 1810. Weiter südlich leisteten die Plantagenbesitzer jedoch nicht nur erbitterten Widerstand gegen jeden Versuch, die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) in Frage zu stellen, sondern nahmen sofort nach dem Friedensschluss von 1783 im großen Stil die Sklaveneinfuhr wieder auf, um die während des Krieges durch Flucht und Tod erlittenen Verluste auszugleichen.

Wie schon die Petitionen von freien Schwarzen und Sklaven an die Parlamente der Einzelstaaten zeigten, ließen die AfroamerikanerAfroamerikanerEmanzipation die Revolution keineswegs passiv über sich ergehen, sondern versuchten, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In dieser Phase erwuchs der schwarzen Bevölkerung eine erste Generation von Führungspersönlichkeiten, Männer und FrauenAfroamerikanerFrauen, die meist schon seit längerer Zeit in Freiheit lebten und durch die religiöse Aufbruchstimmung des Great AwakeningGreat Awakening beeinflusst worden waren. Zu ihnen gehörten gebildete Afroamerikaner wie Phillis WheatleyWheatley, Phillis, die sich in BostonBoston als Schriftstellerin betätigte, oder Benjamin BannekerBanneker, Benjamin, ein Mathematiker und Astronom aus MarylandMaryland, der in die wissenschaftliche Elite Philadelphias aufgenommen worden war; aber auch einfache Leute wie Prince HallHall, Prince, der die Schwarzen in Boston mit Reden, Pamphleten und Petitionskampagnen mobilisierte, und Richard AllenAllen, Richard, der seit 1780 als methodistischer Wanderprediger durchs Land zog und wenig später in PhiladelphiaPhiladelphia die erste autonome schwarze BaptistenBaptisten-Kirche gründete. Solche Initiativen wurden von vielen AfroamerikanernAfroamerikanerEmanzipation nicht nur als Zeichen einer „geistigen Wiedergeburt“ verstanden, sondern bildeten auch den Auftakt zur Entstehung zahlreicher schwarzer Selbsthilfeorganisationen, die BildungsBildungswesen- und Sozialaufgaben übernahmen. Von nun an fungierten die Sprecher der freien Schwarzen in den Nord- und Mittelstaaten als „Gewissen der Nation“, weil sie sich in ihrem Kampf gegen die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) stets auf die Prinzipien der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung berufen konnten.