Geschichte der USA

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

6 Parteipolitik und soziale Konflikte im Gilded AgeGilded Age
Parteimaschinen und „congressional governmentCongressional Government (1885)“

Der Schriftsteller Mark TwainTwain, Mark gab der Nachkriegsepoche ihren Namen, als er vom „vergoldeten Zeitalter“ (gilded age) sprach, hinter dessen glänzender Fassade die geistig-moralischenGesellschaftGilded Age Sitten verfielen und sich soziales Elend ausbreitete. Zu diesem negativen Image hatte Präsident Ulysses S. GrantGrant, Ulysses S. nicht wenig beigetragen, in dessen Amtszeit von 1869 bis 1877 die enge Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen und die Bereicherungssucht hoher Regierungsbeamter durch mehrere Skandale offenkundig geworden waren. Die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus nutzten diese Blößen zu einem Propagandafeldzug gegen Korruption und Sonderprivilegien (special privileges), der ihr Ansehen in der Wählergunst wieder steigen ließ. Auch in der RepublikanischenRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus Partei selbst begann es zu gären, wie die vorübergehende Abspaltung der Liberal Republicans im Jahr 1872 zeigte. Korruption und Manipulation waren sicherlich verbreitet, aber bei näherer Betrachtung entzieht sich das politische Leben im Gilded AgeGilded Age doch jeder pauschalen Kritik oder einfachen Schematisierung. Aus heutiger Sicht und im internationalen Vergleich des späten 19. Jahrhunderts ist sein hervorstechendes Merkmal der intensive politische Wettbewerb auf allen Ebenen von der Gemeinde bis zum Kongress. Politik wurde außerordentlich ernst genommen: Man versprach sich von ihr persönliches Fortkommen ebenso wie eine Lösung der großen nationalen Probleme; die meisten Bürger identifizierten sich stark mit einer der beiden großen Parteien und hielten ihr gewöhnlich über Jahrzehnte hinweg die Treue. Darüber hinaus nahm Politik vollends den Charakter eines Massenvergnügens an, dessen Unterhaltungswert von den inzwischen allgegenwärtigen Zeitungen noch gesteigert wurde. Die durchschnittliche Beteiligung an Präsidentschaftswahlen lag in dieser Zeit bei 78,5 Prozent der wahlberechtigten Amerikaner – ein Politisierungsgrad, der seither nicht mehr erreicht wurde. Wahlen waren aber nur der letzte Akt eines aufwändigen Verfahrens, zu dem Paraden, von den Kandidaten veranstaltete Feste, öffentliche Rededuelle und Parteikonvente gehörten, und die von Propagandakampagnen mit Flugblättern, Broschüren, Kandidatenporträts, Slogans und Anstecknadeln (campaign buttons) begleitet wurden. All dies geschah ohne feste, dauerhafte Parteiorganisationen, ohne eine stabile staatliche BürokratieRegierungssystemBürokratie und mit einem Minimum an verbindlichen Regeln.

Für ein gewisses Maß an Ordnung in diesem Chaos sorgten die städtischen und einzelstaatlichen „Parteimaschinen“, deren wichtigste Aufgabe darin bestand, bei den Wahlen die nötigen Stimmen zu mobilisieren. Die „Bosse“ und „Manager“ dieser Maschinen gehörten zu den Ersten, die Politik zu ihrem Hauptberuf machten. Wenn sie erst einmal die Stadtverwaltung oder die Staatsregierung unter ihre Kontrolle gebracht hatten, konnten sie politische und finanzielle Unterstützung mit der Vergabe von Posten, öffentlichen Aufträgen und Geschäftslizenzen honorieren. Von ihrem Wohlwollen hing es dann auch ab, ob illegale Aktivitäten wie Wettbüros und Bordelle geduldet wurden oder nicht. Hieraus entstanden Netzwerke von gegenseitigen Abhängigkeiten und regelrechte Patronagesysteme, als deren typisches Beispiel stets Tammany HallTammany Hall, die demokratischeDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus Parteiorganisation in New YorkNew York City City, genannt wird. Auch hier müssen die zweifellos berechtigten Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft abgewogen werden gegen nützliche Leistungen für die Allgemeinheit, die Bosse und Parteimaschinen in einer Zeit erbrachten, in der es keine professionelle Verwaltung mit Fachleuten für Probleme wie Wohnungsbau, Verkehr, Wasser- und Stromversorgung, Abfallbeseitigung etc. gab. Auf lokaler Ebene agierten die Bosse oft als Vermittler zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen, ethnischen und religiösen Interessengruppen, und in WashingtonWashington, D.C. sorgten die Repräsentanten der state party machines als Senatoren oder Abgeordnete dafür, dass die Anliegen ihrer Staaten berücksichtigt wurden.

Trotz gelegentlicher Herausforderungen durch „dritte“ ParteienDritte Parteien (s.a. einzelne Parteien) blieb das Zweiparteien-System bis in die 1890er Jahre hinein stabil. Die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus standen dem big businessWirtschaftAspektebig business näher als die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus, doch ihre Massenbasis fanden sie in den protestantischen städtischen Mittelschichten und bei den Farmern des Mittleren WestensMittlerer Westen. Sie galten weiterhin als die Partei der „moralischen Reform“, bei der alle Gruppen Anschluss suchten, die christlich-evangelikale Grundsätze vertraten und den strikten Verhaltenskodex der White Anglo-Saxon Protestants (WASPs)White Anglo-Saxon Protestants (WASPs) verbindlich machen wollten. Die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus stützten sich dagegen auf den „soliden SüdenSüden“ und warben erfolgreich um die Gunst der überwiegend katholischen Neueinwanderer in den großen Städten des Nordostens. Der ArbeiterschaftArbeiterGilded Age gegenüber gaben sie sich toleranter als die Republikaner, indem sie moralisierende Belehrungen vermieden und die kulturelle Bevormundung durch das protestantische Establishment ablehnten.

Das politische Kräfteverhältnis war von 1876 bis 1896 sehr ausgewogen: Während die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus bis auf zwei Ausnahmen (Grover ClevelandCleveland, Grover 1884 und 1892) das Weiße Haus eroberten, beherrschten die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus das Repräsentantenhaus in sieben von zehn Wahlperioden. Die Präsidenten, die meist auf Grund ihrer Verdienste im BürgerkriegBürgerkrieg nominiert worden waren und deren Namen – Rutherford HayesHayes, Rutherford B., James GarfieldGarfield, James, Chester ArthurArthur, Chester A., Benjamin HarrisonHarrison, Benjamin – rasch in Vergessenheit gerieten, standen ganz im Schatten des selbstbewussten Kongresses. Als Konsequenz des „BeutesystemsSpoils System“ der Postenvergabe wurde ein großer Teil ihrer Arbeitskraft von der Ämterpatronage in Anspruch genommen, zumal die Zahl der Regierungsangestellten zwischen 1860 und 1900 von etwa 36.000 auf über 200.000 anstieg. Für James GarfieldGarfield, James hatte diese Praxis fatale Folgen, als sich 1881, ein Jahr nach seiner Wahl, ein übergangener Bewerber mit tödlichen Schüssen an ihm rächte.

Die Bereitschaft der Präsidenten, sich mit der Rolle eines Ausführungsorgans abzufinden, führte dazu, dass man vom congressional governmentCongressional Government (1885) sprach. Der spätere Präsident Woodrow WilsonWilson, Woodrow wollte aus der Not sogar eine Tugend machen und empfahl eine Anpassung des amerikanischen Verfassungssystems an die parlamentarische Regierungsweise GroßbritanniensGroßbritannien. Da die Tätigkeit des Präsidenten selten über Routine hinausgehe, schrieb er in seiner 1885 veröffentlichten Dissertation Congressional Government, könne man das Präsidentenamt ohne weiteres zu einem reinen Verwaltungsposten und seine Inhaber zu Beamten auf Zeit reduzieren. Der gelehrte Schotte James BryceBryce, James, der die USA mehrfach besuchte und dessen Buch American CommonwealthAmerican Commonwealth (1888) (1888) umgehend mit TocquevillesTocqueville, Alexis de Klassiker Democracy in America verglichen wurde, gelangte zu einem ähnlichen Urteil. Potenziell besaß das Präsidentenamt seiner Meinung nach zwar eine große Autorität, doch tatsächlich waren die Männer im Weißen Haus – zumindest in Friedenszeiten – eher Geschöpfe ihrer Parteien und Gefangene der mechanischen Regierungsabläufe. Sie konnten keine langfristigen politischen Konzepte entwickeln und nahmen weniger Einfluss auf die Gesetzgebung als die Sprecher des RepräsentantenhausesRegierungssystemRepräsentantenhaus.

Tatsächlich blieb die Schwäche der Präsidentschaft aber eine vorübergehende Erscheinung, die auch damit zu tun hatte, dass sich die Aktivitäten der Bundesregierung insgesamt – trotz des bürokratischen Wachstumsschubes seit 1860 – noch in engen Grenzen hielten. Dazu trug das prekäre regionale Gleichgewicht zwischen Norden und SüdenSüden ebenso bei wie die Tendenz des Supreme CourtSupreme Court, die Befugnisse des Kongresses eng auszulegen. Die Mehrheit der Richter sah es in dieser Periode als ihre Hauptaufgabe an, das Recht auf Eigentum, das im 5. und 14. Amendment garantiert war, gegen staatliche Eingriffe zu verteidigen. Indem sie auch Aktiengesellschaften den Status von „Personen“ zuerkannten, die Grundrechtsschutz beanspruchen konnten, förderten sie die Tendenz zum laissez faire-Kapitalismus. Wirtschaftsregulierungen ließen sie nur zu, wenn die Zuständigkeit des Kongresses eindeutig war (wie im Bereich des staatenübergreifenden Verkehrs) oder wenn die Parlamente der Einzelstaaten auf Grund ihrer Zuständigkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (state police power) aktiv wurden. So blieb etwa ein Gesetz des Staates IllinoisIllinois unbeanstandet, das den Besitzern von Getreidespeichern vorschrieb, zu welchem Preis sie Getreide ankaufen durften (Munn v.IllinoisMunn v.Illinois (1877), 1877). Generell verstand sich das Oberste Gericht, dessen Mitglieder ihre prägenden Erfahrungen zumeist in der Zeit vor dem BürgerkriegBürgerkrieg gesammelt hatten, weiterhin als Verteidiger der bürgerlichen FreiheitenGesellschaftGilded Age gegen eine übermächtige Staatsgewalt. In der Wirklichkeit des Gilded AgeGilded Age ging die eigentliche Gefahr für die gesellschaftlicheGesellschaftGilded Age Stabilität aber nicht vom Staat aus, sondern von der wachsenden Übermacht privater Wirtschaftsinteressen. Die mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft, dem Faktum des raschen ökonomischen und sozialen Wandels im Zuge der IndustrialisierungIndustrialisierungGilded AgeIndustrialisierung intellektuell Rechnung zu tragen, teilten die Richter allerdings mit weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung.

 

Eine Reihe potenziell wichtiger staatlicher Aufgaben wie die Regelung der Rassenbeziehungen oder die soziale Absicherung der Unterschichten (die BismarckBismarck, Otto v. im Deutschen Reich um diese Zeit mit der Sozialversicherungsgesetzgebung einleitete) konnte die amerikanische Bundesregierung also entweder verfassungsrechtlich nicht erfüllen oder nahm sie aus politisch-ideologischen Gründen gar nicht erst in Angriff. Während der deutsche Ansatz eine Verhinderung der Armut durch bürokratischen Versicherungszwang und Sparkassenwesen beabsichtigte und damit auf die Prinzipien der modernen Sozialstaatlichkeit vorauswies, behielten die USA (abgesehen von den bundesstaatlichen Zuwendungen an Veteranen der Unionsarmee und ledige Mütter) einen dezentralen Kurs bei, der auf das Assoziations- und Vereinswesen sowie die einzelstaatliche und gemeindliche Fürsorge und Selbsthilfe vertraute. In anderen Bereichen, etwa bei der Beamtenreform und beim Kampf gegen Wettbewerbseinschränkungen, begnügte sich der Kongress mit halbherzigen, wenig effektiven Maßnahmen. Die beherrschenden, am heftigsten umstrittenen nationalen Themen waren unter diesen Umständen die Zollgesetzgebung sowie die Währungs- und Finanzpolitik. In der Zollfrage setzten sich im Wesentlichen die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus durch, die für hohe Einfuhrzölle zum Schutz der heimischen Industrie plädierten. Vom Anstieg der Zolltarife profitierten die Unternehmer im Norden und WestenWesten zweifellos mehr als die Farmer und Pflanzer desLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. Südens, die zur Klientel der DemokratischenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus Partei zählten. Finanziell befanden sich die USA eigentlich in einer ausgezeichneten Situation, denn die Ausgaben des Bundes waren niedrig (am meisten wurde noch für BürgerkriegspensionenBürgerkrieg aufgewendet), und die Zölle brachten so viel Geld in die Staatskasse, dass sich in den meisten Jahren ein Haushaltsüberschuss ergab, mit dem die Kriegsschulden abgezahlt werden konnten. Erhebliche Probleme bereitete aber der weltweite kontinuierliche Rückgang der Erzeugerpreise für Rohstoffe und IndustrieprodukteIndustrialisierungGilded Age, der eine Deflationsspirale in Gang setzte. Die wachsende Geldknappheit, die der ländlichen Bevölkerung besonders schwer zu schaffen machte, löste Forderungen aus, die USA sollten sich von dem 1873 eingeführten internationalen GoldstandardGoldstandard lösen und Silber wieder als Währungsreserve anerkennen. Bei den DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus stieß dieses Verlangen nach einer Inflations- bzw. Anti-Deflationspolitik auf größeres Verständnis als bei den RepublikanernRepublikanische ParteiGilded Age u. ProgressivismusRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus, die den Preisrückgang durch Überproduktion verursacht sahen und den Goldstandard verteidigten. Der Kongress behalf sich zunächst mit Kompromissmaßnahmen, die den Geldumlauf erhöhen sollten, ohne den Goldstandard aufzuweichen. In der Krise der 1890er Jahre griff der Streit zwischen Gold- und Silberbefürwortern dann vom Kongress auf die breite Öffentlichkeit über und wurde zum alles beherrschenden Wahlkampfthema.

Soziale AusgrenzungGesellschaftGilded Age und rechtliche Diskriminierung der AfroamerikanerAfroamerikanerGilded Age in den Südstaaten

Große Teile des öffentlichen Lebens spielten sich im Gilded AgeGilded Age außerhalb der Sphäre der Bundesregierung in den Einzelstaaten und Gemeinden oder gewissermaßen im „staatsfreien Raum“ des dual federalismdual federalism ab. Der Rassenkonflikt im SüdenSüden, der Kampf ums FrauenwahlrechtFrauenWahlrechtWahlrechtFrauen und für TemperenzTemperenzbewegung, der Zusammenprall der Interessen von Unternehmern und ArbeiternArbeiterGilded Age und der agrarische Protest der Populisten fanden in der Hauptstadt WashingtonWashington, D.C. verhältnismäßig wenig Widerhall. Diese sozialen Konflikte und Bewegungen berührten das Schicksal von Millionen Amerikanern aber oft weit unmittelbarer als so manche Entscheidung, die auf dem Capitol Hill oder im Weißen Haus getroffen wurde.

Zwischen 1860 und 1890 verdoppelte sich die Zahl der AfroamerikanerBevölkerungsentwicklungAfroamerikanerBevölkerungsentwicklungAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerBevölkerungsentwicklung von 4,4 auf 8,8 Millionen, wobei der Anteil an der Gesamtbevölkerung allerdings um 3 auf 13 Prozent abnahm. Die weit überwiegende Zahl der Schwarzen lebte nach wie vor im SüdenSüden, und hier verschlechterte sich ihre Situation nach den Anfangserfolgen von EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation und RekonstruktionAfroamerikanerRekonstruktion rapide. Die Gründe für das Ausbleiben einer wirklich tief greifenden Neuordnung der Rassenbeziehungen waren vielfältiger Art. ÖkonomischLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. erlebte der Süden nach dem Krieg keinen Aufschwung, sondern verharrte – vor allem wegen der fallenden Weltmarktpreise für BaumwolleBaumwolle – in einer Dauerkrise. Die Sklavenarbeit auf den Plantagen wurde durch Pachtverhältnisse, hauptsächlich jedoch durch das System des sharecroppingsharecroppers ersetzt. Im Unterschied zu den Pächtern (tenants), denen zumeist Farmgebäude, Vieh und die Werkzeuge selbst gehörten, verfügten die sharecropperssharecroppers über keinerlei Besitz, sondern lebten auf dem Grund und Boden des Pflanzers und erhielten für ihre Arbeit einen Teil (share) der Ernte. Da das Geld aus dem Verkauf der Baumwolle jedoch selten ausreichte, den Lebensunterhalt der Familien zu bestreiten, waren die sharecropperssharecroppers, aber auch die meisten Pächter bald hoffnungslos verschuldet. Auf diese Weise gerieten sie in eine Abhängigkeit von den Plantagenbesitzern, Kaufleuten und Kreditgebern, die dem SklavenstatusGesellschaftGilded Age schon wieder nahekam. Die Tatsache, dass auch viele Pflanzer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten, erhöhte nur noch den Druck auf viele Schwarze, für geringeres Entgelt mehr zu arbeiten.

Die ökonomische Knebelung der ehemaligen Sklaven wurde nach dem Abzug der letzten Bundestruppen aus dem SüdenSüden durch eine politische und soziale Entrechtung verschärft, die weiße Rassisten als die „Erlösung des Südens“ (Redemption of the South) propagierten und feierten. Hauptziele waren dabei die Beseitigung des WahlrechtsWahlrechtAfroamerikaner für SchwarzeAfroamerikanerWahlrecht und die möglichst vollständige TrennungAfroamerikanerSegregation der Rassen. Da Terror und Einschüchterung offensichtlich nicht ausreichten, um Afroamerikaner von den Wahlurnen fern zu halten, führte man nun verstärkt gesetzliche und verfassungsmäßige Restriktionen ein. GeorgiaGeorgia beschloss 1877 eine Kopfsteuer (poll tax) für Wähler, die sich hauptsächlich gegen AfroamerikanerAfroamerikanerWahlrecht richtete und bald von allen anderen Südstaaten kopiert wurde. Als die Not in der LandwirtschaftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. Ende der 1880er Jahre eine Solidarisierung von armen Weißen und Schwarzen möglich erscheinen ließ, änderten die Staaten – ausgehend von MississippiMississippi (Staat) – sogar ihre Verfassungen, um AfroamerikanerWahlrechtAfroamerikanerAfroamerikanerWahlrecht vollends vom politischen Leben auszuschließen. Die neuen Bestimmungen, wonach nur derjenige wählen durfte, der seine Lese- und Schreibfähigkeit in einem literacy test nachwies oder die Bestimmungen der VerfassungVerfassung „richtig“ erklärte, machten die Stimmabgabe für Schwarze praktisch unmöglich. Parallel dazu wurden die inoffiziellen, „unsichtbaren“ Rassenschranken durch eine Flut von Staatengesetzen und lokalen Verwaltungsordnungen zum formalen System der „SegregationAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerSegregationSegregation“ ausgebaut. Nach einer populären Unterhaltungsfigur der minstrel-Shows, in denen seit den 1830er Jahren weiße Schauspieler mit schwarz angemalten Gesichtern (blackface) afroamerikanische Charaktere in stereotyper Weise darstellten, nannte man diese Vorschriften Jim Crow lawsJim Crow laws (s.a. Afroamerikaner Segregation, Süden). Sie verbannten Schwarze aus Parks, Theatern, Hotels, Gaststätten etc., benachteiligten sie in öffentlichen Verkehrsmitteln und wiesen ihnen separate Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse und Friedhöfe zu. Vor Gericht war es mancherorts sogar verboten, dass weiße und schwarze Zeugen bei der Eidesleistung dieselbe Bibel benutzten. Die systematische Diskriminierung der Schwarzen führte am Ende dazu, dass die Afroamerikaner neue, eigene Institutionen innerhalb der US-GesellschaftGesellschaftGilded Age schufen.

Der Supreme CourtSupreme CourtAfroamerikaner trug durch eine einseitige Verfassungsauslegung dazu bei, dass die EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation für die meisten Schwarzen ein leeres Versprechen blieb. Die Richter stellten sich auf den Standpunkt, dass der Kongress nur für die formalrechtliche Gleichheit zuständig sei, die Frage der sozialen Gleichstellung dagegen den Einzelstaaten überlassen bleiben müsse. Im Fall Plessy v.FergusonPlessy v.Ferguson (1896) ging der Supreme CourtSupreme CourtAfroamerikaner 1896 noch einen Schritt weiter, indem er die RassentrennungAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerSegregation für rechtmäßig erklärte, wenn die Behörden Schwarzen und Weißen „gleichwertige“ Einrichtungen zur Verfügung stellten. Diese separate but equal-Doktrin bezog sich zunächst nur auf das öffentliche Verkehrswesen, diente bald aber generell zur Rechtfertigung der SegregationSegregation.

Die tiefere Ursache für die Ausgrenzung des schwarzen Bevölkerungsteils lag in dem tief verwurzelten weißen RassismusGesellschaftGilded AgeAfroamerikanerRassismusRassismus (s.a. Afroamerikaner, Süden Konservatismus), der schon JeffersonJefferson, Thomas und später auch LincolnLincoln, Abraham an der Möglichkeit eines dauerhaften friedlichen Nebeneinanders hatte zweifeln lassen. Die Überzeugung vieler Weißer, die schwarze RasseAfroamerikanerRassismus sei „minderwertig“ und für eine „höhere“ Zivilisation ungeeignet, wurde nun durch pseudowissenschaftliche Argumente noch bestärkt. So wendete beispielsweise der HarvardUniversitätenHarvard University-Historiker Louis AgassizAgassiz, Louis die von Charles DarwinDarwin, Charles entwickelte Artenlehre auf die Menschheitsgeschichte an und behauptete, die „Negro race“ habe nie eine eigenständige Regierungsorganisation hervorgebracht. Das entsprach den Bemühungen von Joseph de GobineauGobineau, Joseph de und Houston Steward ChamberlainChamberlain, Houston Steward, den europäischen RassismusAfroamerikanerRassismus und Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf eine „wissenschaftliche“ Grundlage zu stellen. In den USA blieb die Opposition gegen eine politische und soziale GleichstellungAfroamerikanerRekonstruktion der AfroamerikanerAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerEmanzipation denn auch keineswegs auf den SüdenSüden beschränkt. Im Norden gestanden nur sieben Staaten ihren schwarzenAfroamerikanerWahlrecht Bürgern das volle WahlrechtWahlrechtAfroamerikaner zu, und in der Mehrzahl der Staaten galt ein Verbot der Mischehe. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass die nationale Aussöhnung nach BürgerkriegBürgerkrieg und RekonstruktionAfroamerikanerRekonstruktion auf dem Rücken der Afroamerikaner erfolgte. Die gemeinsam gehegten Vorurteile und Antipathien gegen Afroamerikaner erleichterten es den Weißen in Nord und Süd, gegen Ende des Jahrhunderts die bitteren Erinnerungen hinter den Wunsch nach Versöhnung und nationaler Harmonie zurücktreten zu lassen. Im Laufe der 1880er Jahre verloren die BürgerkriegskontroversenBürgerkrieg an Bedeutung, und gleichzeitig machte sich ein intensiveres amerikanisches NationalgefühlGesellschaftGilded Age bemerkbar. Parallel dazu breitete sich in intellektuellen Kreisen des Nordens ein Geist der Versöhnung aus, der in der Romantisierung des Südens und der Verharmlosung der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) durch Literaten und Historiker gipfelte. Von den Zeitgenossen kaum beachtet blieben dagegen die Anfänge der afroamerikanischen Geschichtsschreibung, darunter die erste umfassende und wegweisende Geschichte der Afroamerikaner The History of the Negro Race in America 1619–1880, die George Washington WilliamsWilliams, George Washington im Jahr 1882 publizierte.