Geschichte der USA

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Der transkontinentale EisenbahnbauWirtschaftEisenbahn2. Hälfte 19.Jh.

Selbst bei nüchterner Betrachtung springt die verkehrsmäßige Erschließung des amerikanischen Westens als eine der bedeutendsten kollektiven Leistungen (und eines der größten Abenteuer) des 19. Jahrhunderts ins Auge. Zum Symbol des „EisenbahnzeitaltersEisenbahn2. Hälfte 19.Jh.“ wurde die Union and Central Pacific RailroadUnion and Central Pacific Railroad von Omaha, NebraskaOmaha, NebraskaNebraska, nach Sacramento, KalifornienSacramento, KalifornienKalifornien, für deren Bau der Kongress 1862 mitten im BürgerkriegBürgerkrieg das Startzeichen gegeben hatte und die im Mai 1869 die erste durchgehende VerbindungEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. zwischen Ost- und Westküste ermöglichte. Beide beteiligten Bahngesellschaften, die Union Pacific CompanyUnion Pacific Company und die Central Pacific CompanyCentral Pacific Company, erhielten zusammen 20 Millionen Dollar Kredite von der Bundesregierung, die sie als Sicherheiten für die von ihnen ausgegebenen Aktien benutzen konnten. Profitabler waren noch die großzügigen Zuweisungen an Bundesland beiderseits des Schienenstrangs, das an große Siedlungsgesellschaften weiterverkauft wurde. Für die Union Pacific Co. arbeiteten vorwiegend Einwanderer aus Europa und BürgerkriegsveteranenBürgerkrieg, darunter viele Schwarze; die Central Pacific Co. warb dagegen hauptsächlich ChinesenEinwanderungEthnienChinesen an, die als besonders genügsam und ausdauernd galten. Damit begann die asiatische Immigration in die USA, die binnen kurzem von Ausschreitungen und diskriminierenden Maßnahmen gegen die „gelben Kulis“ begleitet wurde. Die Chinesen, deren Zahl bis Anfang der 1880er Jahre auf über 300.000 anstieg, waren denn auch die erste ethnische Gruppe, die – beginnend mit dem Chinese Exclusion ActEinwanderungsgesetzeChinese Exclusion Act (1882)Chinese Exclusion Act (1882) von 1882 – offiziell von der EinwanderungEinwanderung in die USA ausgeschlossen wurde.

Auf die Union and Central Pacific Railroad folgten bis 1890 noch vier weitere transkontinentale Eisenbahnlinien. Zusammen mit den von Einzelstaaten, Kreisen und Städten ebenfalls reichlich subventionierten Seitenlinien entstand so binnen kurzem ein relativ dichtes Verkehrsnetz, das den WestenWesten mit den Industrie- und Bevölkerungszentren der Ostküste und des Mittleren WestensMittlerer Westen verband und an dessen Knotenpunkten neue Siedlungen aus dem Boden schossen. Insgesamt wuchs das amerikanische Schienennetz zwischen 1870 und der Jahrhundertwende von 53.000 auf ca. 200.000 Meilen, womit es weiterhin länger war als die Bahnlinien im Rest der Welt zusammengenommen. Eisenschienen wurden durch leistungsfähigere Stahlschienen ersetzt, und Verkehrshindernisse wie verschiedene Spurbreiten und unterschiedliche technische Standards, die zunächst noch üblich waren, konnten in den 1880er Jahren beseitigt werden. Gleichzeitig mit dem Schienenbau zog man TelegraphenleitungenTelegraph, die während des Bürgerkriegs in Gebrauch gekommen waren und die nun eine blitzschnelle Nachrichtenübermittlung von einem Ende der Union zum anderen zuließen. Wie der Kanal- und Eisenbahnbau seit den 1820er Jahren zur Entstehung einer Marktwirtschaft zwischen Ostküste und MississippiMississippi (Fluss) beigetragen hatte, so förderte diese neue „Transport- und Kommunikationsrevolution“ die Ausbreitung des MarktsystemsWirtschaft über den gesamten Kontinent. Die Konsequenzen waren vielfältiger Art: ein Aufschwung der Eisen- und Stahlindustrie, des Kohlebergbaus und des Maschinenbaus; die Verbesserung und Standardisierung der Eisenbahntechnik, die weltweit vorbildlich wurde; eine regionale wirtschaftliche Spezialisierung und Arbeitsteilung als Voraussetzung für den Übergang zur Massenproduktion; eine Reduzierung der Frachtkosten pro Tonne um ca. 50 Prozent von 1870 bis 1890; eine Verringerung der Reisezeit zwischen New YorkNew York City und ChicagoChicago um die Hälfte auf 24 Stunden; der Anstieg der Einwandererzahlen und die Beschleunigung der Siedlung im Westen durch massive Werbekampagnen und Landverkäufe der Bahngesellschaften; und ein neues Verhältnis der Menschen zu Raum und Zeit, das vom Eisenbahnfahrplan bestimmt wurde und u.a. in den 1880er Jahren zur Einteilung der USA in vier Zeitzonen führte. Außerdem nahmen die Railroad Companies, die mit neuen Methoden des Managements, der Finanzierung, des Wettbewerbs und des Verhältnisses zwischen Unternehmern und Arbeiterschaft experimentierten, trotz zahlreicher Pleiten und Skandale Modellcharakter für das amerikanische big businessWirtschaftWirtschaftAspektebig business an.Eisenbahn2. Hälfte 19.Jh.

Der aride WestenWesten und die Ausbeutung der natürlichen RessourcenWirtschaft

Mehr als irgendein anderer Umweltfaktor war es die große Trockenheit, die den amerikanischen WestenWesten definierte. In seinem Werk The Great Plains hatte der Historiker Walter Prescott WebbWebb, Walter Prescott bereits 1931 klassisch formuliert, dass die amerikanische Gesellschaft westlich des MississippiMississippi (Fluss) nur „auf einem Bein“ stehe. An der Ostküste gab es Land, Wasser und Holz, im Westen wurden der Zivilisation „zwei Beine abgenommen – Wasser und Holz“. Der im Dienste der US-Regierung stehende Ethnograph John Wesley PowellPowell, John Wesley hatte bereits 1878 anlässlich einer Exkursion in den Westen prophezeit, dass zwei Fünftel der Fläche der Vereinigten Staaten nur zu 3 Prozent regulär, das heißt ohne Bewässerung, bewirtschaftbar seien. PowellsPowell, John Wesley Einsicht widersprach jenem amerikanischen Optimismus, der in der erfolgreichen Besiedelung des Ostens eine modellhafte, über den ganzen Kontinent hinweg fortschreibbare Entwicklung sah.

Entgegen den von HollywoodHollywood vorgeführten Mythen von der Tapferkeit der CowboysCowboy waren es meist nicht feindliche Indianerstämme, sondern klimatische Bedingungen und mangelnde Erfahrung, die sich in den ersten Jahrzehnten der Viehwirtschaft fatal für Menschen und Tiere auswirkten. Neuere Studien zur Umweltgeschichte zeigen, dass es in öden und kargen Territorien, wie Hochgebirgen oder Hochebenen, strikter Gesetze oder Konventionen zur Schonung der Ressourcen bedarf. Im Gegensatz zu den Prärieindianern, die ein nomadisches Dasein führten, verfügten die aus Europa oder dem amerikanischen Osten eingewanderten Siedler nicht über die nötige Kenntnis der ökologischen Gesetze. Hunderttausende verhungerter oder erfrorener Rinder wurden zum Opfer dieser Unkenntnis.

Tragisch verlief auch die Geschichte des nordamerikanischen Bisons. Für die Native AmericansNative AmericansAntebellum waren die zotteligen Tiere Nahrung, Kleidung und Obdach. Die Zerstörung der natürlichen Lebenswelt, die Einschleppung von Krankheiten wie Tuberkulose und mehrere Jahre großer Dürre hatten bereits um 1850 zu einer Dezimierung der BüffelherdenBüffelherden geführt, die im Wettbewerb um Wasserstellen gegenüber den Mustangs meist den Kürzeren zogen. Aber zur systematischen Ausrottung des Bisons kam es erst, als an der Ostküste zunächst die Nachfrage nach Büffelmänteln und Pemmikan (einem mit Fett und Beeren versetzten Dörrfleisch) rapide zunahm und wenig später eine neue Gerbmethode die Verwendung des billigen Büffelleders für Gurte und Treibriemen ermöglichte. Mit dem industriellen Verwendungszweck und dem Markt im Osten war das Büffelschießen rund ums Jahr ein Profitunternehmen, und mit der Ankunft der Eisenbahn im WestenWesten wurde das Schicksal der Bisonherden – man schätzt ihren ursprünglichen Bestand auf 30 Millionen Tiere – vollends besiegelt. Von den Waggons schossen „Sportjäger“ wild und sinnlos auf die Bisons los (übrigens hatte auch William F. „Buffalo Bill“ CodyCody, William F. „Buffalo Bill“ seine spektakuläre Karriere als Büffeljäger der KansasKansas Pacific Railroad Company begonnen). Die Eisenbahner ernährten sich von Bisonfleisch, während sie die in Salz eingelegten Zungen der Tiere – eine kulinarische Modespezialität der 1860er und 70er Jahre – en masse in die Großstädte der USA verfrachteten. Allein in TexasTexas, ColoradoColorado und Kansas wurden zwischen 1872 und 1874 knapp viereinhalb Millionen Bisons von weißen Jägern und über eine Million von Indianern erlegt.

Im WestenWesten, wo zwischen 1864 (NevadaNevada) und 1896 (UtahUtah) zehn neue Staaten entstanden, beschleunigte der Eisenbahnbau die Nutzung und Ausbeutung der Bodenschätze. Auf die Schatzsucher und Prospektoren der Vorkriegszeit folgten die BergbaugesellschaftenWirtschaft, die über das nötige Kapital verfügten und Ingenieure, ArbeiterArbeiter und Maschinen gezielt einsetzen konnten. Am begehrtesten waren neben Gold und Silber nun Kupfer, Zinn und Zink, die in großen Mengen im Gebiet der Rocky MountainsRocky Mountains gefunden wurden. An dieser Mining FrontierFrontier bildete sich eine eigene Gesellschaft heraus, in deren Mittelpunkt die boom town stand, die oft innerhalb weniger Wochen von einem Dutzend auf mehrere tausend Einwohner anwuchs, fast ebenso oft aber einige Jahre später als verlassene Geisterstadt zurückblieb. Ein Beispiel ist Virginia CityVirginia City, Nevada im Gold- und Silberbergbaugebiet von Nevada, das 1873 über ein sechsstöckiges Hotel, ein Opernhaus, vier Banken und 131 Saloons verfügte, dessen Einwohnerzahl von 20.000 aber bis 1900 wieder auf 4000 gesunken war. In solche Orte zog es Charaktere wie Wyatt EarpEarp, Wyatt, Doc HollidayHolliday, Doc, James B. „Wild Bill“ HickockHickock, James B. „Wild Bill“, „Calamity Jane“ (Martha Jane Cannary)Calamity Jane (Martha Jane Cannary) und „Little Annie“ OakleyOakley, „Little Annie“, die schon zu Lebzeiten western folk heroes wurden. Das gewöhnliche FrauenschicksalFrauenWesten im Westen – einer zunächst vorwiegend von Männern bevölkerten Region – entsprach aber weder dem Bild der Goldsucherin und Revolverheldin in Männerkleidung noch demjenigen der Saloontänzerin oder Prostituierten. Alle diese Typen waren zwar anzutreffen, doch die meisten FrauenFrauenWesten begleiteten ihre Männer und Brüder und arbeiteten im Haushalt oder in Restaurants und Wäschereien. Mehr als die Männer kümmerten sie sich auch um das Gemeinschaftsleben, und nicht selten starteten sie Kampagnen gegen den Alkohol, die Gewalttätigkeit und andere Laster an der Frontier. Die Atmosphäre von Gewalt und Gesetzlosigkeit, die in der Anfangsphase der Besiedlung häufig herrschte, machte in den meisten Fällen schon recht bald strengeren Maßstäben Platz, denen Bürgerkomitees oder starke Einzelpersönlichkeiten Geltung verschafften.

 

Kaum weniger wichtig als die Bodenschätze war das Holz, das zu Baumaterial, Eisenbahnschwellen, Möbeln, Papier etc. verarbeitet wurde und darüber hinaus noch zur Heizung diente. Die Lumber Companies im pazifischen NordwestenNordwesten nutzten den Timber and Stone ActTimber and Stone Act (1878) von 1878 aus, indem sie durch Strohmänner große Waldgebiete aufkaufen ließen, die der Kongress eigentlich in 160-acres-Stücken an Siedler hatte abgeben wollen. Auf diese Weise machten sie aus dem Holzgeschäft eine lukrative Industrie, die ganze Landstriche kahlschlug. In den 1870er Jahren meldete ein preservation movement Bedenken gegen die rücksichtslose Ausbeutung der Natur durch Holz- und Bergbaugesellschaften an und forderte zum besseren Schutz des öffentlichen Landes auf. Den ersten wichtigen Erfolg konnte diese Bewegung 1872 verzeichnen, als der Kongress den 9000 Quadratkilometer großen Yellowstone National ParkYellowstone National Park im Gebiet von WyomingWyoming, MontanaMontana und IdahoIdaho einrichtete.

Der steigende Fleischbedarf in den Städten und das dichtere Eisenbahnnetz bewirkten einen Aufschwung der ViehzuchtLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh., für die sich die weiten Gebiete des Westens und SüdwestensSüdwesten besonders gut eigneten. Zu den charakteristischen Ereignissen der Nachkriegszeit gehörten die von CowboysCowboy begleiteten Züge der Rinderherden auf den cattle trails von TexasTexas nach Bahnknotenpunkten wie AbileneAbilene, Kansas und Dodge CityDodge City in KansasKansas, wo die Transportzüge zu den Schlachthöfen von St. LouisSt. Louis, Missouri und ChicagoChicago starteten. Die Viehhöfe von Chicago verwerteten Anfang der 1880er Jahre bereits über siebeneinhalb Millionen Rinder und Schweine. Chicago wurde, wie es der Umwelthistoriker William CrononCronon, William nicht ohne ironische Untertöne formulierte, zur „Metropole der Natur“. Die Abhängigkeit zwischen Natur und Großstadt, Landbearbeitung und Fleischverarbeitung gewann im Kalkül der Fleischproduzenten eine völlig neue Dimension. Die „meatpacking industry“ – in den 1930er Jahren wurde sie zum größten IndustriezweigWirtschaft der USA – verband Chicago sowohl aufs Engste mit den Maisfarmern westlich der AllegheniesAlleghenies wie mit den Ranchern des Mittleren WestensMittlerer Westen. Erstere produzierten Futter für die Schweine; letztere züchteten Rinder. Die Praxis der Rinderzüchter, ihre Tiere auf der offenen Prärie grasen zu lassen, beschwor jedoch Konflikte mit den vordringenden Farmern herauf. Als der Kongress den Ranchern Mitte der 1880er Jahre verbot, öffentliches Land einzuzäunen, kauften einige wenige Großunternehmer die verbliebenen Weidegebiete auf und brachten das ViehgeschäftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. unter ihre Kontrolle. Durch die Anwendung von wissenschaftlichen Methoden bei der Züchtung und Fütterung verwandelten sie das romantisch wirkende ranching in eine rationelle Rinder-Industrie.

Mit der Westwanderung der Farmer, die durch den Eisenbahnbau und die billige Landvergabe gefördert wurde, löste die LandwirtschaftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. die Viehzucht als wichtigsten Agrarzweig ab. Manche Hoffnung fiel dem rauen und trockenen Klima zum Opfer, aber die beginnende Landflucht wurde zunächst noch durch den Zuzug neuer Siedler ausgeglichen. Auf der Grundlage des Morrill Land Grant ActMorrill Land Grant Act (1862) von 1862 entstanden überall im WestenWesten Colleges und UniversitätenUniversitäten, die sich speziell der agrarischen Forschung widmeten und neue Anbaumethoden und Produkte erprobten und einführten. Gleichzeitig verstärkte die rasch voranschreitende Mechanisierung auch in der LandwirtschaftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. die Tendenz zu leistungsfähigen Großunternehmen. In den 1870er Jahren operierten auf den riesigen Weizenfeldern der so genannten „Bonanza-Farmen“ bereits Vorläufer der modernen Mähdrescher, die von bis zu dreißig Pferden gezogen wurden. Mit der Kommerzialisierung der Landwirtschaft stieg allerdings der Grad der Abhängigkeit der Farmer von den Märkten an der Ostküste und in Europa. Ein Überangebot von Agrarprodukten ließ die Preise rasch absinken, Depressionen im industriellen Sektor verminderten ohne Vorwarnung die Nachfrage, und Naturkatastrophen wie Dürreperioden, Insektenplagen und Wirbelstürme bildeten eine ständige Existenzbedrohung. Aufs Ganze gesehen war jedoch ein starker Anstieg der amerikanischen AgrarproduktionLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. zu verzeichnen, was dem Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten in den Städten zugutekam. Im Unterschied zu Europa, woher die meisten Einwanderer stammten, konnten sich nun sogar Arbeiterfamilien an ganz gewöhnlichen Wochentagen Fleisch als Nahrungsmittel leisten.

Die Verdrängung der IndianerNative AmericansGilded Age

Der Eisenbahnbau und die Entstehung von Millionen neuer Farmen in den Gebieten westlich des MississippiMississippi (Fluss) bedeuteten das Ende für die noch existierenden eigenständigen Indianerkulturen. Farmer, Ingenieure und Bauarbeiter betrachteten die Ureinwohner als Teil der – ebenso grandiosen wie gefährlichen – Natur des Westens, die es zu zähmen und zu überwinden galt. In WashingtonWashington, D.C. war man hauptsächlich an der Sicherung der Verkehrsverbindungen und am Schutz der Siedler interessiert und gedachte das „Indianerproblem“ durch die Einrichtung neuer ReservateNative AmericansReservate zu lösen.

Ähnlich wie die SeminolenSeminolen in den 1830er Jahren in FloridaFlorida wichen die IndianerNative AmericansGilded Age auf den Great Plains der weißen Übermacht nicht kampflos, sondern leisteten teilweise erbitterten Widerstand. Sporadische Auseinandersetzungen während des BürgerkriegsBürgerkriegNative Americans, bei dem sich die meisten Indianer neutral verhalten hatten, gingen ab 1865 in blutige Kämpfe und regelrechte Kriege über, die 25 Jahre lang andauerten. In diesem Vierteljahrhundert wurde das Bild des Indianers geprägt, wie es uns heute noch in Wildwestfilmen und Abenteuerbüchern begegnet. Das lag sicher daran, dass der Lebensstil der Prärieindianer für die Weißen trotz seiner Bedrohlichkeit etwas Romantisches an sich hatte: Ihre Reit- und Jagdkünste in der Weite der Great Plains, ihre spitzen Zelte (tepees), ihre Trommeln und Tänze, ihr Federschmuck und ihre farbenfrohe Kleidung symbolisierten bald den Native American schlechthin.

Agenten der Bundesregierung hatten Vertreter von ca. 150.000 IndianernNative AmericansReservate 1868 in Fort Laramie mit Geschenken und der Zusage jährlicher Zahlungen zum Rückzug in zwei große Reservate bewegen können, die auf dem Dakota-TerritoriumDakota-Territorium für die nördlichen SiouxSioux-Stämme und in Oklahoma für die südlichen Prärieindianer eingerichtet werden sollten. Hinzu kamen verstreute kleinere Schutzgebiete für die ApacheApachen, NavahoNavaho und Ute im SüdwestenSüdwesten sowie für Bergindianer in den Rocky MountainsRocky Mountains und KalifornienKalifornien. Diese Vereinbarungen scheiterten jedoch daran, dass einerseits Siedler und Goldsucher die Grenzen der ReservateNative AmericansReservate missachteten, andererseits einzelne Indianerstämme immer wieder in ihre alten Jagdgebiete zurückzukehren versuchten. Die Folge waren ständige bewaffnete Zusammenstöße mit den Truppen der US-Armee, aus denen der Konflikt um die Black HillsBlack Hills, South Dakota (im heutigen South DakotaSouth Dakota) herausragt. Als dort Anfang der 1870er Jahre Gold gefunden wurde, bemühte sich die Bundesregierung zunächst erfolglos, dieses von den Sioux als Heiligtum verehrte Gebiet zu kaufen. Dann öffnete sie es einseitig für Prospektoren und Siedler und schickte 1876 Militär zu deren Schutz. Im Gegenzug verbündeten sich die Sioux mit den nördlichen CheyenneCheyenne-Stämmen und lieferten den Bundestruppen unter der Führung der Häuptlinge Sitting BullSitting Bull und Crazy HorseCrazy Horse mehrere heftige Gefechte. Ihren größten, aber auch letzten Sieg feierten sie am 25. Juni 1876 in der Schlacht am Little Bighorn River, bei der die 250 Mann starke Kavallerieeinheit des ebenso ehrgeizigen wie unbesonnenen Colonel George A. CusterCuster, George A. vollständig vernichtet wurde.

Auf längere Sicht hatten die IndianerNative AmericansKriege jedoch keine Chance gegen die regulären Truppen, die zwar nicht sehr zahlreich, dafür aber überlegen bewaffnet waren und ihre Bewegungen mit Hilfe der neuen Nachrichten- und Verkehrsverbindungen koordinieren konnten. Präsident GrantGrant, Ulysses S. ließ seinen Generälen William T. ShermanSherman, William T. und Philip H. SheridanSheridan, Philip H. freie Hand, die im BürgerkriegBürgerkrieg erfolgreich erprobte Strategie der „verbrannten Erde“ gegen die Indianerstämme anzuwenden. Sie zielte darauf ab, durch systematische Zerstörung indianischer Siedlungen, die speziell im Winter ein leichtes Ziel boten, und durch die Dezimierung der BüffelherdenBüffelherden den Kriegern jegliche materielle Grundlage und Motivation für die Fortsetzung ihres Widerstands zu nehmen. Stets fanden sich allerdings auch Indianer, die dem Militär als Pfadfinder (Scouts) oder einfache Soldaten Hilfsdienste leisteten. Dagegen durften die indianischen Häuptlinge und ihre Gefolgschaft nicht auf Sympathie in der weißen Bevölkerung hoffen. Vielmehr überschlug sich die Massenpresse des Ostens geradezu mit Forderungen nach einer rücksichtslosen Unterdrückung der „Rebellion“. Crazy HorseCrazy Horse kapitulierte 1877 und wurde noch im selben Jahr – angeblich bei einem Fluchtversuch – erstochen; Sitting BullSitting Bull wich zunächst nach KanadaKanadaNative Americans (Ende 19.Jh.) aus, stellte sich aber 1881 den amerikanischen Behörden und trat später noch in Buffalo BillsCody, William F. „Buffalo Bill“ Wildwest-Shows auf. Die überlebenden SiouxSioux wurden in Reservate umgesiedelt, die CheyenneCheyenne sogar nach Oklahoma deportiert. 150 von ihnen machten sich 1878 auf den Heimweg, fielen unterwegs aber einem Massaker zum Opfer. Einer Odyssee glich das Schicksal der Nez PercésNez Percés, die in OregonOregon lebten. Sie versuchten, der Einweisung in ein Reservat durch einen mehrere hundert Kilometer langen Marsch über IdahoIdaho und MontanaMontana in Richtung kanadische Grenze zu entgehen. Die Armee nahm sie 1877 kurz vor dem Ziel gefangen und transportierte sie nach Oklahoma. Einige Jahre später durften sie dann jedoch auf Reservate im NordwestenNordwesten zurückkehren.

Etwa zur gleichen Zeit brach die Armee auch den Widerstand der Indianer in der südlichen Prärie und im SüdwestenSüdwesten. General Sheridan besiegte die KiowasKiowas, ComanchenComanchen und CheyenneCheyenne 1874/75 im Red River WarRed River War (1874/75) im nördlichen TexasTexas; die 74 „Anstifter“ dieses „Aufstandes“ wurden in Reservate nach FloridaFlorida deportiert. Im Südwesten zogen sich die Kämpfe gegen Navahos und ApachenApachen bis 1886 hin, als mit GeronimoGeronimo der letzte Apachen-Häuptling im Grenzgebiet zu Mexiko aufgab. Nach Gefängnisaufenthalten in Florida und AlabamaAlabama starb er schließlich 1909 in einem Fort in Oklahoma. Das traurige Ende dieser Epoche von IndianerkriegenNative AmericansKriege markierten 1890 die Ereignisse am Wounded Knee CreekWounded Knee Creek in South DakotaSouth Dakota. Sie nahmen ihren Ausgang von einer religiösen Erweckungsbewegung unter den Indianern des Westens und SüdwestensSüdwesten, deren Prophezeiungen und Rituale – speziell der „Geistertanz“ – die Siedler und selbst die Bundesregierung stark beunruhigten. Als die SiouxSioux im Winter 1890 zu einem großen Treffen der Stämme einluden, an dem auch Sitting BullSitting Bull teilnehmen sollte, verhaftete ein Armeekommando den Häuptling in North DakotaNorth Dakota. Diese präventive Aktion endete allerdings mit dem Tod Sitting BullsSitting Bull und einiger seiner Krieger. Wenig später wurde eine Gruppe von 340 SiouxSioux, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, die auf dem Weg zu dem – inzwischen bereits abgesagten – IndianertreffenNative AmericansGilded Age waren, am Wounded Knee Creek von Soldaten umstellt. Bei der Entwaffnung der Männer am 29. Dezember kam es zu einem Handgemenge, woraufhin die Soldaten aus Gewehren und Kanonen das Feuer eröffneten und etwa 300 wehrlose Indianer töteten. Nach diesem Massaker erlosch die Gegenwehr der Ureinwohner, und in den Reservaten breiteten sich Resignation und Apathie aus. Erst die BürgerrechtsbewegungBürgerrechtsbewegung der 1960er und 1970er Jahre brachte „Wounded Knee“ als Symbol für die Leiden und den Widerstand der Native AmericansNative AmericansGilded Age ins Gedächtnis der Nation zurück.

 

Das übergreifende Ziel der Indianerpolitik blieb die Assimilation, das Aufgehen der Indianer in die weiße Gesellschaft. Nach dem Bürgerkrieg hatten sich die KirchenKirchen verstärkt dieser Umerziehungsaufgabe angenommen, doch mit ihrem Bemühen, alle „heidnischen“ Sitten und Gebräuche auszumerzen, trugen sie nur noch zur Demoralisierung der Indianer bei. In den 1880er Jahren wuchs allerdings die Kritik an den Zuständen in den ReservatenNative AmericansReservate und an der schon fast sprichwörtlichen Korruption des Bureau of Indian AffairsNative AmericansBureau of Indian AffairsBureau of Indian Affairs. Die Vorschläge der Reformgesellschaften, die sich nun bildeten (Women’s National Indian Rights Association; Indian Rights AssociationNative AmericansIndian Rights AssociationIndian Rights Association), waren am Modell der weißen Farmerfamilie orientiert, obwohl den IndianernNative AmericansReservate die privatwirtschaftliche Nutzung von Grund und Boden unbekannt war. Dem Drängen der Reformer nachgebend, verabschiedete der Kongress 1887 den Dawes Severalty ActNative AmericansDawes Severalty Act (1887)Dawes Severalty Act (1887), der jeder indianischen Familie, die es wünschte, 65 Hektar Farmland oder 130 Hektar Weideland aus der Reservatfläche übereignete. Der Verkaufserlös des restlichen ReservatslandesNative AmericansReservate – das oft die fruchtbarsten Gebiete umfasste – sollte als Startkapital für die indianischen Farmer verwendet werden. Obwohl die Regierung auf 25 Jahre die Treuhandschaft für das zugewiesene Land übernahm, ging ein großer Teil des indianischen Grund und Bodens recht bald an Spekulanten und Betrüger verloren, die ihn mit hohem Gewinn an weiße Siedler weiterverkauften. Die ungewollten Hauptergebnisse der Reformen waren also eine beträchtliche Verkleinerung der Reservate und eine fortschreitende Verarmung der indianischen Bevölkerung.

Im Oklahoma-Territorium, das ursprünglich nicht unter den Dawes Act fiel, zeitigte der unersättliche weiße „Landhunger“ ganz ähnliche Ergebnisse. 1889 kam es hier zum ersten von mehreren land rushes, bei dem sich weiße Siedler Land aneignen konnten, das man den IndianernNative AmericansGilded Age auf verschiedene Weise abgenommen und „freigegeben“ hatte. Nach und nach wurden die Führer der „fünf zivilisierten Stämme“ dann überredet, die Bestimmungen des Dawes Act anzuerkennen und zusammen mit den Weißen eine Staatsverfassung zu entwerfen. Als Oklahoma 1905 in die Union aufgenommen wurde, besaßen die Native AmericansNative AmericansReservate nur noch einen kleinen Teil des Landes, das ihnen die Bundesregierung ursprünglich als Reservat zur Verfügung gestellt hatte. Dieser Prozess der Reduzierung der Reservate und der Verelendung ihrer Bevölkerung vollzog sich fast überall mit scheinbarer Naturgesetzlichkeit. Nur ganz wenige Stämme, hauptsächlich Pueblo-IndianerPueblo-Indianer im SüdwestenSüdwesten, lebten am Ende des Jahrhunderts noch auf dem Land ihrer Vorfahren. Die Krise nahm existenzbedrohende Ausmaße an: Der Zensus von 1890 verzeichnete in den gesamten USA noch knapp 250.000 Indianer, und bis zur nächsten Volkszählung von 1900 sank die Urbevölkerung auf unter 240.000 ab, was ihren historischen Tiefpunkt markierte. Die Native AmericansNative AmericansGilded Age hatten ihre kulturelle Identität weitgehend verloren, und ihre physische Existenz hing von den Zuwendungen der Bundesregierung und den Spenden wohltätiger Organisationen ab. Die stille Hoffnung mancher Amerikaner, das Indianerproblem werde sich bald „von selbst erledigen“, ging jedoch nicht in Erfüllung. Wider Erwarten fanden die Überlebenden der Indianerkriege die Kraft, durch Anpassung an die veränderte Lage und Rückbesinnung auf alte Stammestraditionen der Gefahr einer vollständigen ethnischen Auslöschung zu entgehen.