Geschichte der USA

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Die Phase der radikalen RekonstruktionReformbewegungen2. Hälfte 19.Jh., 1867–1872

Im Frühjahr 1867 verabschiedete der Kongress über das Veto Johnsons hinweg den ReconstructionAfroamerikanerRekonstruktion ActReconstruction Act (1867), der den SüdenSüden (außer TennesseeTennessee) in fünf Besatzungszonen unter dem Kommando von Unionsgenerälen aufteilte. Diese Militärgouverneure erhielten den Auftrag, alle erwachsenen schwarzen Männer als Wähler zu registrieren und danach für die Annahme neuer Staatenverfassungen sowie für die Wahl neuer Staatenparlamente zu sorgen. Als Hauptbedingungen für die Wiederaufnahme der Staaten in die Union setzte der Kongress fest, dass die Verfassungen das WahlrechtAfroamerikanerWahlrechtWahlrechtAfroamerikaner der schwarzen Männer (black suffrage) garantieren mussten und dass die Parlamente das 14. Amendment ratifizierten. Dieses Programm, das außer dem Recht auf BildungAfroamerikanerBildung und einer Bodenreform zu Gunsten der ehemaligen Sklaven alle Forderungen der radikalen Republikaner erfüllte, wurde im ständigen Streit mit Präsident JohnsonJohnson, Andrew verwirklicht. Im Süden entstanden nun die reconstruction governments, in denen unionstreue weiße Südstaatler, RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion aus dem Norden und Afroamerikaner zusammenarbeiteten. Siedlergruppen, die erst vor kürzerem aus Europa eingewandert waren, wie die Deutschen in TexasTexas, schlossen sich ebenfalls in der Regel dieser republikanischen Koalition an. Das eigentlich RevolutionäreReformbewegungen2. Hälfte 19.Jh. (und für viele Weiße Unerträgliche) war jedoch die Beteiligung von Schwarzen, die insgesamt mehr als 600 Parlamentsabgeordnete stellten und in einer Reihe von Staaten auch Regierungsämter bekleideten. Dreizehn AfroamerikanerAfroamerikanerRekonstruktion wurden während dieser Zeit in das US-Repräsentantenhaus gewählt, und 1870 entsandte das Parlament von MississippiMississippi (Staat) den Pfarrer Hiram R. RevelsRevels, Hiram R. als ersten Schwarzen in den US-Senat. Während es sich bei den Staatenabgeordneten mehrheitlich um ehemalige Sklaven (freedmen) handelte, fielen die höheren Posten gewöhnlich an Schwarze, die schon vor dem BürgerkriegBürgerkrieg ihre Freiheit erlangt hatten.

Zu den ersten Maßnahmen der RekonstruktionsAfroamerikanerRekonstruktion-Regierungen gehörte die Aufhebung der diskriminierenden Black Codes, die häufig lediglich umformulierte slave codes gewesen waren. Auf der Grundlage der neuen, fortschrittlichen Verfassungen bemühten sie sich dann um soziale und humanitäre ReformenReformbewegungen2. Hälfte 19.Jh., um eine Verbesserung der Infrastruktur und um den Aufbau von Industrien, die den landlosen ehemaligen Sklaven Arbeit geben sollten. Viele der Projekte waren allerdings zu ehrgeizig und kostspielig, um in den Südstaaten, die noch unter den Kriegsfolgen litten, echte Realisierungschancen zu haben. Erfolge stellten sich dagegen im BildungswesenBildungswesen ein, das im SüdenSüden stets vernachlässigt worden war. Alle Staaten bauten nun öffentliche Schulen, in denen der Unterricht – oft von Mitarbeitern des Freedmen’s BureauFreedmen’s Bureau oder nordstaatlicher Reformgesellschaften – kostenlos erteilt wurde. An der Tatsache, dass die Schulen fast durchweg „segregiert“, d. h. nach Rassen getrennt waren, nahm unter den gegebenen Umständen kaum jemand Anstoß. Das Verlangen vieler Schwarzer, ihr Schicksal selbst zu gestalten, spiegelte sich auch im Bau eigener KirchenKirchen und in religiösen Zusammenschlüssen wie der National Baptist ConventionBaptistenNational Baptist Convention und der African Methodist Episcopal ChurchAfrican Methodist Episcopal Church wider. Schwarze Kirchen, die schon vor der EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation maßgeblich zur Ausformung einer afroamerikanischen KulturAfroamerikanerKultur und Identität beigetragen hatten, erfüllten nun zusätzliche Aufgaben als Sozialstationen und politische Versammlungsstätten. Pfarrer agierten häufig gleichermaßen als geistliche und weltliche community leaders und hielten – zusammen mit Handwerkern – den höchsten Anteil an der neuen politischen Elite der Schwarzen im Süden.


Abb. 10: Die ersten afroamerikanischen Senatoren und Repräsentanten des US-Kongresses, 1872

Die konservativen Weißen, die all dies als höchst bedrohlich und umstürzlerisch ansahen, setzten ihre Hoffnungen zunächst noch auf Präsident JohnsonJohnson, Andrew. Der Kongress hielt den Präsidenten aber mit Hilfe des Tenure of Office Act in Schach, der ihm untersagte, hohe Beamte, Offiziere und Richter ohne einen entsprechenden Parlamentsbeschluss zu entlassen. Damit wollten die RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion insbesondere Kriegsminister Edwin M. StantonStanton, Edwin M. und Armee-Oberbefehlshaber GrantGrant, Ulysses S. schützen, die das radikale RekonstruktionsAfroamerikanerRekonstruktion-Programm befürworteten und maßgeblich zur praktischen Durchsetzung beitrugen. Als Präsident JohnsonJohnson, Andrew in der Überzeugung, das Gesetz sei verfassungswidrig, StantonStanton, Edwin M. Anfang 1868 trotzdem entließ, kam es zum offenen Konflikt. Gemäß der ImpeachmentImpeachment (Amtsenthebung)-Klausel in der VerfassungVerfassung erhob das Repräsentantenhaus im Februar 1868 mit großer Mehrheit Amtsanklage gegen Johnson, wobei die Verletzung des Tenure of Office Act den Hauptvorwurf bildete. Tatsächlich war dies aber der Höhepunkt eines politischen Machtkampfes zwischen den beiden Regierungszweigen, den JohnsonJohnson, Andrew durch provozierende Reden und Handlungen zusätzlich aufgeheizt hatte. Da die Republikaner im Senat, der das Urteil fällen musste, über die nötige Zweidrittelmehrheit verfügten, schien Johnsons Amtsenthebung sicher. Der politische Hintergrund der Anklage und die Sorge, die Autorität der Exekutive könnte irreparabel beschädigt werden, veranlassten dann aber im Mai mehrere RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion, mit der demokratischen Minderheit gegen die Amtsenthebung zu stimmen. JohnsonJohnson, Andrew entging auf diese Weise knapp der Absetzung, aber er hatte doch eine Niederlage erlitten, die ihn während der letzten Monate im Weißen Haus politisch lähmte. Für die Präsidentschaftswahlen im November 1868 wurde er nicht mehr nominiert, und der republikanische Kandidat, der Kriegsheld Ulysses S. GrantGrant, Ulysses S., setzte sich mühelos gegen den demokratischen Bewerber Horatio SeymourSeymour, Horatio durch. Die Republikaner nutzten den Sieg, um im Kongress einen weiteren Verfassungszusatz zu beschließen, der den Staaten ausdrücklich verbot, ihren Bürgern das WahlrechtWahlrecht „auf Grund von Rasse, Hautfarbe oder früherer Knechtschaft“ zu versagen. Die Ratifizierung dieses 15. Amendments erfolgte 1870, wobei mehrere Nordstaaten auffallend zögerten und vier Südstaaten nur zustimmten, um endlich wieder in die Union zurückkehren zu dürfen. Damit waren einige Lücken, die das 14. Amendment bei der Definition des Staatsbürgerrechts gelassen hatte, geschlossen, jedoch längst nicht alle, wie sich in der politischen Praxis bald zeigen sollte. Enttäuscht reagierten viele weiblicheAbolitionistenFrauen AbolitionistenAbolitionisten, da beide Amendments die privilegierte Stellung der Männer absicherten und FrauenFrauenWahlrecht allen ihren Forderungen und Protesten zum Trotz auch weiterhin vom WahlrechtWahlrechtFrauen ausgeschlossen blieben.

Die weiße Gegenoffensive im SüdenSüden

Bis 1871 hatten alle ehemaligen Konföderationsstaaten die Bedingungen der radikalen Rekonstruktion erfüllt und waren wieder Teil der Union. Die günstige Rechtslage entsprach aber nicht der Verfassungswirklichkeit im SüdenSüden, die sich seit Ende der 1860er Jahre drastisch verschlechtert hatte. Konservative und rassistische Weiße waren hier ungeachtet der militärischen Besetzung in die Offensive gegangen, um ihr Land von der Herrschaft der Schwarzen und der Republikaner zu „erlösen“. In einem Staat nach dem anderen gelang es ihnen, die Kontrolle über die Staatenparlamente zurückzuerobern. Dabei profitierten sie von politischen Fehlern und Unregelmäßigkeiten der Rekonstruktions-Regierungen, die bei der mangelnden Erfahrung der meisten Abgeordneten und Minister gar nicht ausbleiben konnten. Berechtigte Kritik mischten sie propagandawirksam mit einer pauschalen Verächtlichmachung der weißen RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion im Süden als scalawagsscalawags (wertloses Vieh) und der aus dem Norden zugewanderten Politiker und Geschäftsleute als profitgierige carpetbaggerscarpetbaggers, die nur ihre leeren Satteltaschen füllen wollten. Die Strategie der radikalen DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion zielte aber weit über das gewöhnliche Ringen um parlamentarische Mehrheiten hinaus. Integraler Bestandteil war eine Terror- und Mordkampagne, die den politischen Gegner einschüchtern und die schwarze Bevölkerung wieder gefügig machen sollte. Geführt wurde dieser Untergrundkrieg für home rule und white supremacy von Geheimgesellschaften, die sich zumeist aus ehemaligen Soldaten und Offizieren der Konföderation rekrutierten. Am weitesten verbreitet und am meisten gefürchtet war der Ku-Klux-KlanKu-Klux-Klan, den der Südstaaten-General Nathan Bedford ForrestForrest, Nathan Bedford bereits 1865 in TennesseeTennessee gegründet hatte und der sich zu einer Art „militärischem Arm“ der Demokratischen ParteiDemokratische ParteiRekonstruktion im Süden entwickelte. Der Klan wurde zwar vom Kongress verboten und von den Militärgouverneuren – unterschiedlich konsequent – bekämpft, aber der Schrecken, den seine Anhänger schon durch ihre äußere Erscheinung (schwarze Umhänge und spitz zulaufende weiße Kapuzen) und ihre Rituale (nächtliche Umzüge mit brennenden Kreuzen) verbreiteten, ließ sich nie hinreichend eindämmen.

 

Politischer Druck und paramilitärischer Terror allein hätten aber wohl nicht ausgereicht, um die Errungenschaften der Rekonstruktion zunichte zu machen. Letztlich ausschlaggebend war der Umstand, dass die ökonomische Abhängigkeit, in der fast alle Afroamerikaner und ein beträchtlicher Teil der weißen Bevölkerung von der traditionellen Pflanzer- und Unternehmerelite lebten, nicht überwunden werden konnte. Weder der Kongress noch die republikanischen Staatenparlamente brachten die Kraft und den Mut zu einer umfassenden Bodenreform auf, die aus der Masse der ehemaligen Sklaven selbstständige Kleinfarmer gemacht hätte. Ein solcher Eingriff in die existierenden Besitz- und Machtverhältnisse wäre allerdings nur unter dem lang andauernden Schutz nordstaatlicher Bajonette durchführbar gewesen. Tatsächlich wurde die Militärpräsenz im SüdenSüden aber schon seit 1869 verringert, und die Bereitschaft der Bevölkerung des Nordens, Besatzungstruppen zu finanzieren, nahm von Wahl zu Wahl ab. Ein kleiner Teil der ehemaligen Sklaven fand Beschäftigung in der Industrie, die viel langsamer wuchs als von den RepublikanernRepublikanische ParteiRekonstruktion erwartet. Noch weniger Schwarze gelangten in den Besitz einer Farm oder fanden Siedlungsland außerhalb des Südens, vor allem in KansasKansas. Die meisten Afroamerikaner blieben als Lohnarbeiter oder Kleinpächter (sharecropperssharecroppers) auf den alten Baumwoll-, Zucker- oder Reispflanzungen und hatten kaum Gelegenheit, von ihren politischen Rechten Gebrauch zu machen – es sei denn im Sinne ihrer früheren Herren. Immerhin konnten sie die eng zusammengedrängten Sklavenquartiere verlassen und Familienunterkünfte bauen, die über die gesamte Plantage verstreut lagen.

Das Ende der RekonstruktionRekonstruktion

Im Norden nahm das Interesse an Rekonstruktion und Rassenproblematik nach der Wiederwahl Präsident GrantsGrant, Ulysses S. 1872 und insbesondere nach dem schweren wirtschaftlichen Einbruch von 1873 rapide ab. Mehr und mehr Weiße zeigten sich von der demokratischen Propaganda für home rule beeindruckt und schrieben die Misserfolge im SüdenSüden der Inkompetenz und Minderwertigkeit der Schwarzen zu. Ebenso wie die DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion propagierten auch die liberalen RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion, die sich 1872 von der Partei abgespalten hatten, den Rückzug der Besatzungstruppen und eine Begnadigung der wenigen noch vom öffentlichen Leben ausgeschlossenen Ex-Konföderierten. Der Kongress gab diesem Drängen schrittweise nach, zumal die DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion 1874 erstmals wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus eroberten. Der Verlust der militärischen Unterstützung bedeutete aber unweigerlich das Ende der Rekonstruktions-Regierungen und die Machtübernahme der DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion im Süden. 1877 kontrollierten die RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion nur noch drei Südstaaten – LouisianaLouisiana, South CarolinaSouth Carolina und FloridaFlorida –, und hier standen auch die letzten schwachen nordstaatlichen Truppenkontingente. Der Kongress unternahm zwar mit dem Civil Rights ActCivil Rights Act (1875) von 1875 noch einen schwachen Versuch, der Diskriminierung der Schwarzen entgegenzuwirken, doch der Supreme CourtSupreme CourtAfroamerikaner, der die Befugnisse der Bundesregierung in Rassenfragen von Anfang an sehr eng ausgelegt hatte, erklärte dieses Gesetz wenige Jahre später für verfassungswidrig.

Die Präsidentschaftswahlen von 1876 fielen so knapp aus, dass der Erfolg des RepublikanersRepublikanische ParteiRekonstruktion Rutherford B. HayesHayes, Rutherford B. nur durch ein informelles Übereinkommen mit den DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion sichergestellt werden konnte. Um die nötigen Wahlmännerstimmen zu erhalten, sagten die Republikaner eine wirtschaftliche Unterstützung des Südens, vor allem aber den Abzug der letzten Unionstruppen zu. HayesHayes, Rutherford B. hatte ohnehin schon im Wahlkampf versprochen, die militärische Besetzung zu beenden, und er ließ den Worten rasch Taten folgen. Die Bevölkerung des Nordens, deren Aufmerksamkeit voll und ganz von Wirtschaftsfragen absorbiert war, nahm das Ende der Rekonstruktion und den Sturz der letzten republikanischenRepublikanische ParteiRekonstruktion Staatenregierungen 1877 nur noch am Rande wahr. Fortan galten die Bürgerrechte der Schwarzen und die Rassenbeziehungen als lokale Angelegenheiten, aus denen sich die Bundesregierung besser heraushielt – nicht nur im SüdenSüden, sondern auch im Norden und WestenWesten.

Die Rekonstruktion war weder, wie noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein behauptet wurde, eine gewaltsame Schmähung des wehrlosen Südens durch rachsüchtige, ausbeuterische YankeesYankee, noch darf sie, was in jüngerer Zeit häufig geschah, als viel zu kurz greifendes, nahezu folgenloses Unterfangen abgetan werden. Beide Sichtweisen verkennen die Komplexität und Vielschichtigkeit der Veränderungen, die sich nach dem Krieg im SüdenSüden vollzogen. Gemessen an der epochalen Bedeutung der Sklavenbefreiung fiel der politische und soziale Wandel, den die Rekonstruktion bewirkte, bescheiden und enttäuschend aus. In manchen Bereichen wie Familie, Gemeindeleben und Erziehungswesen gab es aber beträchtliche Verbesserungen, und einzelne Gruppen – die schon seit längerem freien Schwarzen, die mixed race-Elite in LouisianaLouisiana, die Schwarzen in den Städten – zogen mehr Nutzen aus dem gesellschaftlichen Umbruch als andere. Bedeutsam, wenngleich schwer messbar, waren auch der Bewusstseinswandel und das gewachsene Selbstvertrauen vieler Schwarzer. Andererseits ist unverkennbar, dass jeder denkbaren Art von Rekonstruktion durch die vorherrschenden Mentalitäten und die gegebenen materiellen Rahmenbedingungen enge Grenzen gezogen waren. Auch im Norden konnten sich nur wenige Weiße vorstellen, gleichberechtigt mit den Schwarzen zusammenzuleben. Die große Mehrheit zog deshalb in den 1870er Jahren eine Aussöhnung mit den Kriegsgegnern von einst dem unbefristeten militärischen Schutz der schwarzen Bürgerrechte vor. WirtschaftlichWirtschaft war der Süden durch die Kriegsfolgen weiter hinter den Norden zurückgefallen, woran die Rekonstruktions-Regierungen nichts hätten ändern können, selbst wenn sie noch so fähig und unbestechlich gewesen wären. Bei den ehemaligen Konföderierten hinterließen Niederlage, erzwungene Emanzipation und militärische Besetzung seelische Wunden und Ressentiments, die sich mit Versöhnungsrhetorik und nationalem Pathos nur mühsam überdecken ließen. Die RepublikanischeRepublikanische ParteiRekonstruktion Partei, die man für Sklavenbefreiung und Rekonstruktion verantwortlich machte, blieb im „soliden Süden“ (solid South) der konservativen weißen DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion auf Jahrzehnte hinaus chancenlos. Der BürgerkriegBürgerkrieg hatte die Abtrennung des Südens verhindert, seine Sonderentwicklung aber keineswegs beendet, ja das Bewusstsein einer „Southern culture“ eher noch gestärkt.

4 Die Erschließung und Transformation des amerikanischen Westens

Durch BürgerkriegBürgerkrieg und Rekonstruktion war die amerikanische Nation psychologisch sehr gespalten. Aus der Sicht Washingtons erforderte dies eine Rücksichtnahme auf die Interessen und Empfindlichkeiten der Regionen und Einzelstaaten, die den politischen Handlungsspielraum der Bundesregierung eng begrenzte. Es verwundert deshalb nicht, dass auf LincolnLincoln, Abraham eine Reihe schwacher Präsidenten folgte, die sich weitgehend damit begnügten, den Willen des Kongresses zu exekutieren. Die Außenpolitik verlor viel von dem expansiven Schwung, den ihr die Ideologie der Manifest DestinyManifest Destiny vor der Jahrhundertmitte vermittelt hatte. Der Kauf Alaskas von RusslandRussland 1867 stellte zwar einen enormen territorialen Zuwachs dar, doch die öffentliche Reaktion war eher negativ, da sich nur wenige Amerikaner eine Vorstellung von der strategischen Bedeutung dieses Gebiets machen konnten und kaum jemand ahnte, welche unermesslichen Bodenschätze dort schlummerten. Vereinzelt gab es noch die Hoffnung, dass AlaskaAlaska durch einen Beitritt KanadasKanada zur Union direkt mit den Vereinigten Staaten verbunden werden könnte. In der Praxis wurden aber keinerlei Schritte unternommen, die zur Erfüllung dieses alten Traums hätten führen können; seine Realisierung rückte nach der Gründung des DominionKanadaDominion of Canada Act (1867) Kanada im Jahr 1867 – dieser Akt der Selbstbehauptung erfolgte nicht zuletzt als Reaktion auf den Ausgang des amerikanischen BürgerkriegsBürgerkrieg – ohnehin in weite Ferne. Im ausgehenden 19. Jahrhundert konzentrierten die Amerikaner ihre Energien auf von Krisen nur kurzfristig gebremste IndustrialisierungIndustrialisierung und die Erschließung der riesigen Westgebiete.

Frederick J. TurnersTurner, Frederick J. FrontierFrontier-These

Im Bericht der Zensusbehörde von 1890 fand sich die Feststellung, es gebe keine FrontierFrontier im Sinne einer geographischen Siedlungsgrenze mehr. Dies nahm der Historiker Frederick Jackson TurnerTurner, Frederick J., der an der University of WisconsinUniversitätenUniversity of Wisconsin, MadisonWisconsin in MadisonMadison, James lehrte, zum Anlass einer Neuinterpretation der amerikanischen Geschichte, die als „Frontier-TheseFrontier-These“ berühmt geworden ist. In dem 1893 vor der American Historical AssociationAmerican Historical Association in ChicagoChicago gehaltenen Vortrag „The Significance of the Frontier in American HistoryThe Significance of the Frontier in American History (1893)“ behauptete TurnerTurner, Frederick J., dass der WestenWesten weit mehr als nur ein „Sicherheitsventil“ für soziale Konflikte in den bereits besiedelten Gebieten der USA gewesen sei. Vielmehr habe die Frontier der amerikanischen Demokratie als eine Art „Jungbrunnen“ gedient, als Quelle der Erneuerung traditioneller Werte und Ort der ständigen Bewährung für das Individuum. Den nach Westen vordringenden Pionier verstand TurnerTurner, Frederick J. – ganz im Sinne Thomas JeffersonsJefferson, Thomas – als den eigentlichen Träger demokratischer Ideale, und die Frontier erschien ihm als Inbegriff dessen, was die Vereinigten Staaten von Europa unterschied und was sie zum Fortschritt der Menschheit beitrugen. An der Siedlungsgrenze, wo sich Natur und Zivilisation begegneten, wurde nicht nur das Individuum umgeformt, sondern erhielt die gesamte Nation ihren spezifischen, unverwechselbaren „amerikanischen Charakter“. Während die Reformvorschläge, mit denen TurnerTurner, Frederick J. dem Verschwinden der Frontier begegnen wollte, wenig Aufmerksamkeit fanden, entwickelte der „Frontier-Mythos“, der den Glauben an die Einzigartigkeit und besondere Bestimmung der USA bekräftigte, ein bis in die Gegenwart wirkendes Eigenleben. Die Geschichtswissenschaft kreidet Turner zwar etliche Irrtümer und Versäumnisse an: So hat er offenkundig die Bedeutung des Einflusses unterschätzt, den die Ostküste mit ihren Institutionen, Werten und Ideologien auf den Westen ausübte; darüber hinaus idealisierte er die Frontier, indem er negative Aspekte wie Gewalttätigkeit, Landspekulation, hemmungslose Ausbeutung der Natur und Zerstörung indianischer Kulturen vernachlässigte. Ebenso wenig schenkte er dem Beitrag der Frauen, der Schwarzen und der Asiaten zur „Eroberung des Westens“ die gebührende Beachtung. Dennoch wird die von TurnerTurner, Frederick J. angeschnittene Frage des „American exceptionalismExzeptionalismus“ auch heute noch lebhaft diskutiert. Die Glorifizierung des „Wilden Westens“ in MedienMedien und Werbung sowie die Neigung, die RaumfahrtRaumfahrt oder andere moderne Technologien als die New FrontierNew Frontier bzw. Last Frontier zu bezeichnen, lassen erkennen, welch enorme Suggestivkraft der Frontier-Metapher das gesamte 20. Jahrhundert hindurch innewohnte.


Abb. 11: John Gast, American Progress, 1872