Geschichte der USA

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2 Die „MarktrevolutionWirtschaftMarktrevolution“

Der komplexe Vorgang, der in der neueren Forschung als „market revolutionMarktrevolution“ bezeichnet wird, ergab sich aus dem Ineinandergreifen von vier Faktoren: dem raschen BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung, dem Ausbau des VerkehrswesensEisenbahnAntebellum, der Kommerzialisierung der LandwirtschaftLandwirtschaftKommerzialisierung (1. Hälfte 19.Jh.) und dem Beginn der IndustrialisierungIndustrialisierung. Dabei bedingten sich der Ausbau marktwirtschaftlicher Strukturen und das Voranschieben der FrontierFrontier nach WestenWesten gegenseitig und erzeugten eine immer stärkere Eigendynamik. Ökonomisches Wachstum und technische Neuerungen gingen mit tiefgreifenden Änderungen im Denken und in den sozialen Beziehungen einher, und sie vergrößerten zudem die wirtschaftlichen und kulturellen Unterschiede zwischen den Nord- und Südstaaten. Die paradoxe Folge war, dass die Einbindung immer weiterer Bevölkerungskreise in eine nationale MarktwirtschaftWirtschaft die sozialen und regionalen Gegensätze verschärfte und damit die Gefahr des Zerfalls der Union heraufbeschwor.

BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung und BinnenwanderungBinnenwanderung

Zwischen 1790 und 1820 war die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von 4 auf 10 Millionen gestiegen, 1840 betrug sie 17 Millionen, und 1860 lebten mit 31,5 Millionen (davon 3,9 Millionen Sklaven und ca. 500.000 freie Schwarze) bereits mehr Menschen in den USA als in EnglandGroßbritannien und fast ebenso viele wie in Frankreich oder in den deutschen Staaten. Dieses Wachstum resultierte zunächst ganz überwiegend aus der „natürlichen“ Vermehrung, d. h. einer hohen Geburten- und einer relativ niedrigen Sterberate. Im 19. Jahrhundert begann allerdings ein säkularer Trend zu niedrigeren Geburtenraten: Während eine amerikanische Frau 1810 im Durchschnitt noch sieben Kinder zur Welt brachte, waren es um die Jahrhundertmitte nur noch fünf. Bis 1860 wurde das Sinken der Geburtenrate jedoch durch verstärkte EinwanderungEinwanderung wettgemacht, so dass sich die BevölkerungBevölkerungsentwicklung auch weiterhin, wie schon zur Kolonialzeit, etwa alle 23 Jahre verdoppelte. Da das Durchschnittsalter der Einwanderer recht niedrig war, blieben die Amerikaner im internationalen Vergleich ein „junges“ Volk, was sicher zu ihrer Beweglichkeit und ihrem robusten Tatendrang beitrug.

Wegen der napoleonischen Kriege waren von 1790 bis 1820 nur 250.000 Europäer in die USA eingewandert. Auch im Zeitraum von 1820 bis 1840 hielt sich der Zustrom mit 750.000 in Grenzen. Ab 1820 übernahm die Bundesregierung die „Buchführung“ und ließ sich die Zahlen aus den wichtigsten Einwanderungshäfen BostonBoston, New YorkNew York City, PhiladelphiaPhiladelphia, BaltimoreBaltimore und New OrleansNew Orleans melden. Die gesetzlichen Bestimmungen waren sehr günstig, denn der Naturalization ActEinwanderungsgesetzeNaturalization Act (1802) von 1802 sah lediglich eine Residenzpflicht von fünf Jahren vor, nach deren Ablauf NeuankömmlingeEinwanderungJunge Republik eingebürgert werden konnten. Sie mussten sich dann zur VerfassungVerfassung bekennen und, falls sie adlig waren, ihre Adelstitel aufgeben. Zu einem echten Massenphänomen wurde die EinwanderungEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) in den beiden letzten Jahrzehnten vor dem BürgerkriegBürgerkrieg, als über vier Millionen Menschen nach Amerika strömten. In den Spitzenjahren 1847–1854 kamen auf 10.000 Einwohner jeweils über 100 Immigranten, was die höchste Einwanderungsrate proportional zur BevölkerungBevölkerungsentwicklung in der gesamten Geschichte der Vereinigten Staaten bedeutete. Die Ursachen lagen in einer Kombination von „Druck-“ und „Zugkräften“ (push and pull factors), die den Menschen das Leben in Europa verleideten und die USA als einzige hoffnungsvolle Alternative erscheinen ließen. In IrlandEinwanderungEthnienIren bewirkte eine Kartoffelkrankheit langanhaltende Hungersnot, in den deutschenEinwanderungEthnienDeutsche Staaten, den SchweizerSchweiz Kantonen und SkandinavienEinwanderungEthnienSkandinavierSkandinavien stieg der Druck durch starkes BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung und Landknappheit, und in EnglandGroßbritannien machte die IndustrialisierungIndustrialisierung viele Handwerker arbeitslos. Zahlenmäßig weniger bedeutsam, aber politisch und kulturell durchaus folgenreich war die Flucht oder erzwungene Auswanderung von Liberalen und DemokratenDemokratische Partei, die, wie die deutschen „Achtundvierziger“, aktiv an den gescheiterten europäischen RevolutionenAußenpolitikRevolutionen in Europa (1848/49) der Jahre 1848/49Revolutionen von 1848/49 in Europa teilgenommen hatten. Auf der anderen Seite des Atlantiks lockten billiges Siedlungsland, höhere Löhne und die Aussicht auf soziale Gleichheit und religiöse wie politische Freiheit. Ermöglicht wurde die massenhafte Wanderungsbewegung durch das steigende transatlantische Handels- und Verkehrsaufkommen, denn ab den 1840er Jahren machten die Reedereien die Auswanderung zum profitablen Geschäft, weil sie ihre Frachtschiffe auf dem Weg nach Amerika mit Menschen beladen konnten. Hinzu kamen Transportverbesserungen in den USA selbst, die das Vordringen der Siedler ins Landesinnere erleichterten und beschleunigten.

Den Hauptanteil der EinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) in den beiden Jahrzehnten vor dem BürgerkriegBürgerkrieg (mit ca. 3 Millionen gut 70 Prozent) stellten die IrenEinwanderungEthnienIren und die DeutschenEinwanderungEthnienDeutsche, die sich in ihrer neuen Heimat aber recht unterschiedlich orientierten. Die Iren blieben zumeist als industrielle Arbeitskräfte in den Städten der Ostküste, vor allem in BostonBoston und in New YorkNew York City, dessen Einwohnerzahl zusammen mit Brooklyn bis 1860 die Millionengrenze überschritt. Häufig füllten sie Lücken aus, die durch die starke BinnenwanderungBinnenwanderung nach WestenWesten entstanden. Die meisten DeutschenEinwanderungEthnienDeutsche strebten dagegen, ebenso wie die SchweizerSchweiz und SkandinavierEinwanderungEthnienSkandinavier, in das OhioOhio-Tal und das Gebiet der Großen Seen, wo sie Farmland erwerben wollten. Häufig führte sie ihr Weg schließlich aber doch in Städte wie CincinnatiCincinnati, Cleveland, ChicagoChicago, MilwaukeeMilwaukee, Wisconsin und St. LouisSt. Louis, Missouri, die nun in dieser Region rasch zu wachsen begannen. Die Zentren der Immigration lagen also ganz überwiegend im NordostenNordosten und NordwestenNordwesten (dem heutigen Mittleren WestenMittlerer Westen) der USA, wohingegen der SüdenSüden mit Ausnahme von TexasTexas nur wenige NeueinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) aufnahm. Hatten 1820 noch gut drei Viertel aller Amerikaner in den Ostküsten-Staaten gelebt und nur ein Viertel westlich der AppalachenAppalachen, so war dieses Verhältnis 1860 schon ausgeglichen. Den stärksten BevölkerungszuwachsBevölkerungsentwicklung verzeichnete der Mittlere Westen, der seinen Anteil an der Gesamtbevölkerung in diesem Zeitraum von 9 auf 29 Prozent mehr als verdreifachen konnte, während derjenige des Südwestens (einschließlich Texas) nur von 14 auf 19 Prozent stieg. Der pazifische Westen, der 1848 an die USA fiel, beherbergte 1860 erst minimale 2 Prozent der insgesamt 31,5 Millionen Amerikaner.

Da etwa zwei Drittel der irischenEinwanderungEthnienIren und ein Drittel der deutschenEinwanderungEthnienDeutsche EinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) KatholikenKatholiken waren, veränderte sich nicht nur die ethnische, sondern auch die religiöse Zusammensetzung der USA. Bis 1840 überwog trotz aller Diversität und regionalen Besonderheiten das britisch-protestantische Element. Die Einheit von Sprache, politischen Institutionen, Recht, Geschichtsbewusstsein und freiheitlicher Ideologie, die sich als „amerikanische Kultur“ herausgebildet hatte, war eindeutig angelsächsisch und protestantisch geprägt. Das begann sich nun zu ändern, sehr zum Leidwesen eines Teils der ansässigen und bereits in diesen mainstream assimilierten Bevölkerung, die ab Mitte der 1840er Jahre mit fremdenfeindlichen Protesten reagierte. Im darauf folgenden Jahrzehnt trug dieser „NativismusNativismus“, der vor allem die Städte an der Ostküste und im NordwestenNordwesten erfasste, mit zur Destabilisierung der politischen Lage bei.

Ausbau der InfrastrukturEisenbahnAntebellum und Anpassung des Rechtssystems

BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung und Vordringen der FrontierFrontier standen in einem engen Zusammenhang. Der Druck auf die „alten“ Siedlungsgebiete an der Ostküste konnte nur durch die Westwanderung gemildert werden, und der unermesslich scheinende Landreichtum des Westens wirkte zugleich als Magnet, der Immigranten aus Europa anzog. Innerhalb weniger Jahrzehnte verfünffachte sich das erschlossene Territorium, und die Siedlungsgrenze erreichte im NordwestenNordwesten den MissouriMissouri (Staat), im SüdwestenSüdwesten die Mitte von TexasTexas. Die freizügige Landpolitik der Bundesregierung ging auf Kosten der IndianerNative AmericansUmsiedlung nach 1820, von denen 1820 noch ca. 120.000 östlich des MississippiMississippi (Fluss) lebten. Sie wurden nun rücksichtslos verdrängt und in Gebiete westlich des MississippiMississippi (Fluss) umgesiedelt.

Die „Eroberung“ des Westens durch BinnenwanderungBinnenwanderung und Immigration hatte zur Voraussetzung, dass das Verkehrswesen der Union grundlegend verbessert wurde, ja dass eine ganz neue InfrastrukturEisenbahnAntebellum entstand. Diese „Transportrevolution“ begann schon Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Ausbau der Überlandstraßen (turnpikes), insbesondere der National Road von MarylandMaryland nach Columbus, OhioColumbus, Ohio. Nicht die Straßen, sondern Wasserwege – KanäleKanäle und Flüsse – bildeten aber das erste nationale Verkehrsnetz der Vereinigten Staaten. Als Robert FultonsFulton, Robert Dampfschiff „Clermont“ 1807 die Fahrt auf dem HudsonHudson River von New YorkNew York City nach AlbanyAlbany, New York in 32 Stunden bewältigte, rückte das Problem einer Verbindung mit den Großen Seen und den Flussläufen von MississippiMississippi (Fluss) und OhioOhio in den Blickpunkt. Nach dem Krieg von 1812/14 begann die Ära des KanalbausKanäle, zu dessen Prunkstück sich der Erie-KanalErie-Kanal entwickelte. Den ersten Spatenstich tat der Gouverneur des Staates New York, DeWitt ClintonClinton, DeWitt, am Unabhängigkeitstag des Jahres 1817, womit er nicht nur die nationale Bedeutung des Projekts, sondern vor allem die Initiative und das finanzielle Engagement seiner Regierung dokumentieren wollte. Als acht Jahre später, im Oktober 1825, das letzte Teilstück des über 500 km langen Kanals eröffnet wurde, konnte man von New York aus über den Hudson und den Erie-See die Siedlungsgebiete des NordwestensNordwesten erreichen. Frachtgüter und Menschen wurden nun wesentlich schneller und billiger als bisher per Kanalboot, Segel- und Dampfschiff nach WestenWesten befördert, und auf dem umgekehrten Wege gelangten Agrarprodukte und Fleisch aus dem Westen an die Ostküste.

 

Der BauWirtschaft des Erie-KanalsKanäleErie-Kanal kostete 7 Millionen Dollar, die hauptsächlich durch AnleihenFinanzwesenAntebellum des Staates New YorkNew York aufgebracht wurden. Bis 1833 hatte sich diese Investition amortisiert, und die Kanalgesellschaft und der Staat machten Gewinne. Der Erfolg löste ein regelrechtes „Kanalfieber“ aus, das die interessierten Staaten und Gemeinden in den 1820er und 1830er Jahren zur Ausgabe von insgesamt 140 Millionen Dollar veranlasste. Erstmals stellten auch europäische Investoren in größerem Maßstab Kapital für amerikanische Vorhaben zur Verfügung. Bis 1840 erreichte das KanalnetzKanäle eine Ausdehnung von fast 5000 km, und in den 1850er Jahren verkehrten über 700 Dampfschiffe im WestenWesten zwischen den Großen Seen und dem Golf von MexikoGolf v.Mexiko, wo New OrleansNew Orleans nun zum größten Umschlaghafen der USA aufstieg.

Die KanäleKanäle blieben ein wichtiger WirtschaftsfaktorFinanzwesenAntebellumWirtschaft, aber schon ab Mitte der 1830er Jahre wurde die EisenbahnEisenbahnAntebellum zum bevorzugten Transportmittel. Den Anfang machte 1827 die BaltimoreBaltimore and OhioOhio Railroad Company, die im folgenden Jahrzehnt die Chesapeake and Ohio-KanalgesellschaftKanäle aus dem Geschäft drängte. 1852 überquerten bereits vier BahnlinienEisenbahnAntebellum die AppalachenAppalachen und stellten Verbindungen zu den Städten des NordwestensNordwesten her. Zunächst wurden viele Einzelstrecken mit unterschiedlichen Spurbreiten gebaut, doch dann erfolgte eine allmähliche Anpassung und „Konsolidierung“ der Hauptverkehrswege. ChicagoChicago entwickelte sich zum westlichen Knotenpunkt eines nationalen EisenbahnnetzesEisenbahnAntebellum, das bis 1860 auf über 30.000 Meilen anwuchs und damit etwa so lang war wie alle in der Welt verlegten Schienenstränge zusammen. Die Reise von BostonBoston nach St. LouisSt. Louis, Missouri, die 1830 noch gut zwei Wochen gedauert hatte, konnte man nun mit einigem Glück in drei Tagen absolvieren. Um diese Zeit war auch schon eine transkontinentale EisenbahnlinieEisenbahnAntebellum geplant, die aber erst nach Ende des Bürgerkrieges vollendet werden konnte. Kennzeichnenderweise wurden allerdings zwei Drittel aller BahnstreckenEisenbahnAntebellum im Norden gebaut und verliefen in Ost-West-Richtung. Die Tatsache, dass es 1860 nur drei Nord-Süd-Verbindungen gab, weist auf die zunehmende wirtschaftlicheWirtschaft Sonderentwicklung des Südens hin. Parallel zum Eisenbahn-BoomEisenbahnAntebellum revolutionierte der TelegraphTelegraph, mit dem Samuel MorseMorse, Samuel 1844 erste Experimente zwischen Baltimore und WashingtonWashington, D.C. unternommen hatte, das Kommunikationswesen. 1860 waren bereits 50.000 Meilen Kabel verlegt, denn man erkannte schnell, welch enorme Bedeutung diese Neuerung für Verkehr, WirtschaftWirtschaft und FinanzenFinanzwesenAntebellum – und nicht zuletzt auch für die Kriegführung – haben würde.

Die Initiativen zur Verbesserung der Infrastruktur gingen ganz überwiegend von den Einzelstaaten und nicht von der Bundesregierung aus. In der Regel erteilten die Parlamente privaten Aktiengesellschaften (corporations) per Gesetz Charters, die als Rechtsgrundlage zum Bau von Straßen, KanälenKanäle und EisenbahnlinienEisenbahnAntebellum dienten. Häufig erwarben die Staaten dann mit Steuergeldern Aktien der von ihnen zugelassenen Gesellschaften. Dieses System des „StaatenmerkantilismusMerkantilismus“ stand im Einklang mit der restriktiven Auslegung der Bundesverfassung, wie sie die RepublicansRepublicans (Jefferson) seit JeffersonsJefferson, Thomas Präsidentschaft praktiziert hatten. Es wurde gefördert durch die Bereitschaft der Gerichte, den Einzelstaaten in wirtschaftlichen Angelegenheiten einen großen Ermessensspielraum zuzubilligen und Privatinteressen, etwa in Fragen der Landenteignung für den Bau von Verkehrswegen, hinter das Wohl der Gemeinschaft zurückzustellen. Das common lawCommon Law-Konzept des unantastbaren Eigentumsrechts wurde dabei unter Verweis auf die „soziale Nützlichkeit“ und die Souveränität des Volkes umgeformt und mit der Notwendigkeit wirtschaftlicherWirtschaft Entwicklung in Einklang gebracht. Während sich also die Bundesregierung – teils absichtlich, teils notgedrungen – passiv verhielt, griffen die Einzelstaaten durchaus aktiv lenkend und ordnend in das WirtschaftsgeschehenWirtschaft ein. Dieses Commonwealth System genannte dezentrale Entwicklungsmodell war in den 1820er Jahren schon so sehr im Bewusstsein der Menschen verankert, dass sich John Quincy AdamsAdams, John Quincy’ und Henry ClaysClay, Henry nationales American SystemAmerican System (Henry Clay) nicht mehr durchsetzen konnte.

Aus der Präferenz für das Commonwealth SystemCommonwealth System erwuchsen nicht unwesentliche Gefahren für die Autorität und den Zusammenhalt des Bundesstaates, die der von John MarshallMarshall, John geleitete Supreme CourtSupreme CourtVerfassung abzuwehren bemüht war. Im Fall McCulloch v.MarylandMcCulloch v.Maryland (1908)Maryland bestätigte das Gericht 1819 die von Maryland angefochtene Verfassungsmäßigkeit der Zweiten NationalbankFinanzwesenAntebellum mit dem Hinweis, die Gründerväter hätten nicht beabsichtigt, die Bundesregierung von den Einzelstaaten abhängig zu machen. In Gibbons v.Ogden (1824)Gibbons v.Ogden (1824) hob MarshallMarshall, John ein vom Staat New YorkNew York verliehenes Schifffahrtsmonopol auf dem HudsonHudson River auf, weil es im Widerspruch zum Recht des Kongresses stand, den Handel zwischen den Staaten (interstate commerce) zu regulieren. Auf diese Weise wirkte der SupremeSupreme CourtWirtschaftspolitik Court der Errichtung von internen Handels- und Verkehrsschranken entgegen und unterstrich demonstrativ den Vorrang der Bundesverfassung vor einzelstaatlichen Gesetzen und Maßnahmen. Mit seiner Strategie, der Bundesregierung einen möglichst weiten Handlungsspielraum zu erhalten und gleichzeitig die Eigentumsrechte von Individuen und inkorporierten Gesellschaften gegen Eingriffe der Staaten zu schützen, geriet MarshallMarshall, John jedoch immer mehr in die Defensive. Als er 1835 starb, stand eindeutig die Doktrin der statesrights im Vordergrund, deren zentrifugale Dynamik die Unionsbande erheblich lockerte.

LandwirtschaftLandwirtschaft und frühe IndustrialisierungIndustrialisierung

Das wirtschaftlicheWirtschaft Wachstum nahm seinen Ausgang von der Erweiterung der Anbaufläche und der Kommerzialisierung der LandwirtschaftLandwirtschaftKommerzialisierung (1. Hälfte 19.Jh.). Dieser Vorgang erfasste die gesamte Union, trug jedoch regionalspezifische Züge und hatte unterschiedliche Konsequenzen. Enorme agrarische Steigerungsraten erzielte der NordwestenNordwesten, wo die neu entstehenden Familienfarmen Getreide, vor allem Mais, anbauten sowie Fleisch und Milchprodukte erzeugten. Technische Neuerungen wie die von John DeereDeere, John verbesserten Pflugscharen und Mäh- und Dreschmaschinen, die sich schon in den 1840er Jahren durchsetzten, trugen wesentlich zu diesem Boom bei. Die Farmer mussten über den Eigenbedarf hinaus für den Markt produzieren, weil sie nur so die Schuldverpflichtungen erfüllen konnten, die sie für den Aufbau ihrer Existenz notgedrungen eingegangen waren. Dadurch wurden sie allerdings auch von dem oft schwer durchschaubaren Marktgeschehen abhängig, insbesondere von der Zinsentwicklung und den schwankenden Getreidepreisen, die in den Krisen von 1819–1823 und 1839–1843 viele Familien zur Aufgabe und zum Abwandern in die Städte zwangen. Hier suchten sie Arbeit in den Industrien, die inzwischen im Zusammenhang mit der LandwirtschaftLandwirtschaftKommerzialisierung (1. Hälfte 19.Jh.) entstanden waren: in den Schlachthöfen und bei der Fleischverpackung; beim Landmaschinenbau, in der Holzverarbeitung und in Brauereien. Während St. LouisSt. Louis, Missouri weiterhin das „Tor zum WestenWesten“ bildete, stieg ChicagoChicago zum wirtschaftlichenWirtschaft Kraftzentrum des Mittleren WestensMittlerer Westen auf. Hier vollzog sich am anschaulichsten der Übergang vom konkreten geographischen Ort „Markt“, auf dem die Farmer ihre Erzeugnisse verkauften, zum komplexen und abstrakten ökonomischenWirtschaft System „Markt“, das Vieh, Getreide und andere Produkte in standardisierte, industrialisierte Waren verwandelte und in Geldwerte umsetzte.

Entscheidende Bedeutung für die gesamte Region erlangte jedoch der Austausch mit den Ostküstenstaaten, der durch die neuen Verkehrswege ermöglicht wurde. Nachdem man gelernt hatte, Eis zur Kühlung von Eisenbahnwaggons zu nutzen, lieferte der Mittlere WestenWesten nahezu jahreszeitunabhängig Lebensmittel an die Küste. Auf diese Weise wurden die Voraussetzungen für das Entstehen einer MassenkonsumgesellschaftGesellschaftAntebellum geschaffen. Der NordostenNordosten konnte sich nun zunehmend auf Handel, Bankwesen und Industrie spezialisieren, wobei die großen Städte BostonBoston, New YorkNew York City und PhiladelphiaPhiladelphia als Motoren des Wachstums fungierten. Die LandwirtschaftLandwirtschaftKommerzialisierung (1. Hälfte 19.Jh.) hatte in den Neuenglandstaaten stets mit ungünstigen Voraussetzungen zu kämpfen gehabt und kam nun gegen die billige Konkurrenz aus dem Westen nicht mehr an. Da auch der Nordatlantikhandel wegen des starken britischenGroßbritannien Wettbewerbs an Lukrativität einbüßte, erkundeten die Kaufleute neue Möglichkeiten in LateinamerikaLateinamerika, im pazifischen Raum und in AfrikaAfrika. In immer stärkerem Maße floss Handels- und Bankkapital nun aber in Manufakturen und Industriebetriebe. Hierfür wählten die Händler-Unternehmer seltener die Form der inkorporierten Aktiengesellschaft als Partnerschaften oder die alleinige Firmenführung, um möglichst frei von staatlicher Regulierung zu bleiben. Ausgehend von NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen), wurde das traditionelle Handwerkswesen – oft über die „protoindustrielle“ Zwischenstufe der Verlags- oder Heimarbeit – allmählich durch das neue System der FabrikarbeitArbeiter ersetzt. Arbeitsteilung und Mechanisierung zur Senkung der Kosten und zur Steigerung der Produktion ließen in den 1820er Jahren eine Textilindustrie, im Jahrzehnt darauf auch eine Schuhindustrie entstehen. Die ersten Fabrikbelegschaften rekrutierten sich aus FarmerstöchternFrauenArbeitArbeiterFrauen, die in den großen Textilbetrieben von LowellLowell und WalthamWaltham in MassachusettsMassachusetts zu Tausenden unter strenger Disziplin nahezu kaserniert lebten. Viele dieser mill girls empfanden die bescheiden entlohnte Tätigkeit (die sie in der Regel nur bis zur Heirat ausübten) dennoch als Befreiung aus der völligen Abhängigkeit von ihren Familien. Ab 1840 bildeten dann die europäischen EinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) ein größeres und billigeres Reservoir an industriellen ArbeitskräftenArbeiter.

Zwischen 1840 und 1860 nahm die unternehmerische Initiative fast explosionsartig zu. Besonders spektakulär wuchs die IndustrieWirtschaft im NordostenNordosten, wo über die Hälfte der bis dahin 140.000 amerikanischen Fabriken entstand. Hier wurden nun gut zwei Drittel aller heimischen Industriegüter erzeugt, und der Wert der Produktion stieg in den beiden Jahrzehnten von 500 Millionen auf 2 Milliarden Dollar. Die Ausbreitung des FabriksystemsArbeiter signalisierte den Übergang vom „Händler-Kapitalismus“ des frühen 19. Jahrhunderts zum Industriekapitalismus, der in EnglandGroßbritannien bereits weiter fortgeschritten war. Der amerikanische Erfolg ergab sich aus einer Kombination von arbeitskräftesparenden Innovationen und Ausbeutung der im Übermaß vorhandenen natürlichen Ressourcen. Die Dampfkraft, durch Kohle erzeugt, ersetzte allmählich die traditionelle Wasserkraft; beim Kanal- und EisenbahnbauEisenbahnAntebellum lernten die Amerikaner, Werkzeuge und Maschinen zu verbessern und Ersatzteile zu standardisieren. Einen Rückstand gegenüber EnglandGroßbritannien gab es vor allem noch auf dem Gebiet der Eisenproduktion, wo weiterhin Importe aus Europa nötig waren.

 

Bis zur Jahrhundertmitte verband eine zunehmend komplexe und diversifizierte WirtschaftWirtschaft den NordostenNordosten und den Mittleren WestenMittlerer Westen, zwei Regionen, die sich gut ergänzten und wechselseitig zu erhöhter Aktivität anspornten. Zwar war der Norden insgesamt noch überwiegend agrarisch geprägt, aber der Strukturwandel zur industriellen Gesellschaft zeichnete sich schon deutlich ab: Der Anteil der in der LandwirtschaftLandwirtschaftKommerzialisierung (1. Hälfte 19.Jh.) beschäftigten Amerikaner, der 1820 noch bei 80 Prozent gelegen hatte, ging bis 1850 auf 55 Prozent zurück. Um diese Zeit verdienten immerhin schon 14 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihren Lebensunterhalt in Fabriken, und die Zahl der Menschen, die in Städten mit über 10.000 Einwohnern lebten, näherte sich der 5-Millionen-Grenze. Das Wachstum des inneren Marktes ging einher mit der Expansion des Außenhandels, den Neuengländer und New Yorker YankeesYankee nun bereits weltumspannend betrieben. Große Hoffnungen richteten sich auf den asiatischen Markt, den die amerikanische Regierung durch Verträge mit ChinaChina (1844) und JapanJapanHandelsvertrag von 1855 (1855) zu „öffnen“ hoffte. Das religiöse Moment spielte dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn die Kaufleute folgten häufig den protestantischen Missionaren, die erste Kontakte mit fremden Völkern knüpften.

Expansion und Kommerzialisierung bestimmten auch das Bild des Südens, allerdings auf eine ganz eigene Weise. In den Küstenstaaten des oberen Südens – VirginiaVirginia, MarylandMaryland, DelawareDelaware –, wo die ausgelaugten Böden eine Umstellung von Tabak- auf Weizenanbau erforderlich machten, war wenig Dynamik zu verspüren. Durch den steigenden Bedarf der Textilindustrien in EnglandGroßbritannienWirtschaftsbeziehungen und im amerikanischen NordostenNordosten gewann nun die plantagenmäßige Baumwollproduktion überragende Bedeutung. Das Anbaugebiet und damit auch das System der Sklavenarbeit dehnte sich rasch von South CarolinaSouth Carolina und GeorgiaGeorgia über das Mississippi-DeltaMississippi (Fluss) bis nach TexasTexas aus, und der SüdwestenSüdwesten wurde zur eigentlichen Wachstumszone. Tabak, Reis und Zuckerrohr verschwanden nicht völlig aus der Landschaft, aber King Cotton herrschte unumschränkt als das mit weitem Abstand wichtigste Ausfuhrprodukt. Zwischen 1820 und 1860 verzehnfachte sich der Export von 500.000 auf 5 Millionen Ballen. Bis dahin brachte der Verkauf von BaumwolleBaumwolle rund zwei Drittel des Gesamterlöses ein, den die USA im Außenhandel erzielten. Wichtigste Abnehmer blieben die EngländerGroßbritannienWirtschaftsbeziehungen, die auch ihre traditionelle Funktion als Kreditgeber für die Plantagenbesitzer beibehielten. Die Baumwollpflanzer handelten durchaus als Unternehmer, die gewöhnt waren, in den Marktkategorien von Wettbewerb, Investition, Gewinn, Angebot und Nachfrage zu denken. Sklaven betrachteten sie zugleich als Arbeitskräfte und Kapital, d. h. als eine „Ressource“, die im Zuge des Baumwollbooms knapp und teuer wurde. Rein ökonomisch gesehen, hatte sich die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) keineswegs „überlebt“, sondern versprach weiterhin hohe Profite. Entsprechend wuchs der Druck der Pflanzer auf die Staatenregierungen und den Kongress, die 1808 verbotene Sklaveneinfuhr wieder zu legalisieren. Da sich die Baumwollerzeugung nur durch Vergrößerung der Anbaufläche steigern ließ, werteten die Pflanzer alle Versuche, die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) territorial einzugrenzen, als Beeinträchtigung ihrer Zukunftschancen. Insgesamt herrschte noch der Eindruck ungebrochener Prosperität vor, und selbst die Mehrzahl der Farmer, die wenige oder keine Sklaven besaßen, wurde in den Prozess der Kommerzialisierung einbezogen. Andererseits blieb der Aufbau von Industrien im SüdenSüden gerade wegen des monokulturellen Charakters der Baumwolle in den Anfängen stecken. Aus heutiger Sicht erkennt man, was den meisten Zeitgenossen verborgen blieb: dass die WirtschaftWirtschaft des Südens zwar wuchs, sich aber nicht – im Sinne einer Modernisierung – entwickelte. Dadurch geriet die Region in Abhängigkeit vom Weltmarkt (auf dem Baumwolle vorerst noch gute Preise erzielte) wie von den Bankiers und Kaufleuten aus dem Norden, die Binnenhandel und Küstenschifffahrt kontrollierten.