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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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XXXVII.

Weder Friseur, noch Staatskleid, noch Carrosse

Es wäre schlechter Geschmack gewesen, wenn sich Madame Dubarry von ihren Gemächern in Versailles wegbegeben hätte, um in dem großen Saale der Vorstellungen zu erscheinen.



Ueberdies war Versailles sehr arm an Mitteln an einem so feierlichen Tag.



Endlich war es nicht Gewohnheit. Die Auserwählten kamen mit dem Geräusch eines Botschafters entweder von ihrem Hotel in Versailles oder von ihrem Haus in Paris.



Madame Dubarry wählte diesen letzteren Abgangspunkt.



Schon Morgens um eilf Uhr war sie in der Rue de Valois mit Frau von Béarn angekommen, welche sie unter ihren Riegeln hielt, wenn sie dieselbe nicht unter ihrem Lächeln halten konnte, und deren Wunde man jeden Augenblick mit dem erfrischte, was die Arzneikunde und die Chemie an Geheimnissen boten.



Seit dem vorhergehenden Tage waren Jean Dubarry, Chon und Dorée an der Arbeit, und wer sie nicht bei dieser Arbeit gesehen, hätte sich schwer einen Begriff von dem Einflusse des Geldes und der Gewalt des menschlichen Geistes machen können.



Die Eine versicherte sich des Friseurs, die Andere bedrängte die Rächerinnen; Jean, der das Departement der Carrossen hatte, machte sich noch nebenbei anheischig, Friseurs und Nätherinnen zu überwachen. Mit Blumen, Diamanten und Spitzen beschäftigt, schwamm Madame Dubarry in den Etuis und empfing von Stunde zu Stunde Courriere von Versailles, welche ihr sagten, es sei der Befehl gegeben worden, den Salon der Königin zu beleuchten, und nichts habe sich geändert.



Gegen vier Uhr kam Jean Dubarry zurück, bleich, bewegt, aber freudig.



»Nun?« fragte die Gräfin.«



»Es wird Alles bereit sein.«



»Der Friseur?«



»Ich habe Dorée bei ihm gefunden. Wir sind mit einander übereingekommen. Ich drückte ihm eine Anweisung von fünfzig Louisd’or in die Hand. Er wird auf den Schlag sechs Uhr hier zu Mittag speisen, wir können also von dieser Seite ruhig sein.«



»Das Staatskleid?«



»Das Staatskleid wird wundervoll werden. Ich habe Chon gefunden, die es überwachte; sechs und zwanzig Arbeiterinnen nähen die Perlen, die Bänder und die Garnituren darauf. Man wird so Bahn für Bahn diese wunderbare Arbeit gemacht haben, welche Andere als uns acht Tage gekostet hätte.«



»Wie Bahn für Bahn?« fragte die Gräfin. »Ja, kleine Schwester, es sind dreizehn Bahnen Stoff. Zwei Arbeiterinnen für jede Bahn: die eine nimmt rechts, die andere links jede Bahn, die sie mit Edelsteinen und andern Dingen verzieren, so daß man erst im letzten Augenblick das Ganze zusammenfassen wird. Das ist eine Arbeit von zwei Stunden.«



»Sind Sie dessen sicher, Jean?«



»Ich habe gestern die Berechnung der Stiche mit meinem Ingenieur gemacht. Man braucht zehntausend Stiche bei jeder Bahn, fünftausend für jede Arbeiterin. Bei diesem dicken Stoff kann eine Frau nicht mehr als einen Stich in fünf. Secunden nähen; das sind zwölf in der Minute, siebenhundert zwanzig in der Stunde, siebentausend zweihundert in zehn Stunden. Ich lasse diese zweitausend zweihundert für das nothwendige Ausruhen und die falschen Stiche, und wir haben noch vier Stunden gut.«



»Und der Wagen?«



»Oh! was den Wagen betrifft, Sie wissen, daß ich dafür verantwortlich bin; der Firniß trocknet in einem großen Magazin, das man zu diesem Behufe auf fünfzig Grade geheizt hat. ist ein reizendes Vis-a-vis

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   Ein schmaler Wagen, in welchen sich nur zwei Personen gegenüber sitzen können.



 gegen das die Carrossen, die man der Frau Dauphine entgegengeschickt hat, nur sehr wenig bedeuten, dafür stehe ich. Außer dem Wappen, das den Grund der vier Füllungen bildet, mit dem Kriegsgeschrei der Dubarry:

Boutés en avant!

 auf den zwei Seitenfüllungen, habe ich einerseits zwei Tauben malen lassen, welche sich liebkosen, andererseits ein von einem Pfeile durchbohrtes Herz, das Ganze bereichert durch Bögen, Köcher und Fackeln. Alles Volk drängte sich zu Francian, um den Wagen zu sehen; auf den Schlag sechs Uhr wird er hier sein.«



In diesem Augenblick kamen Chon und Dorée zurück. Sie bestätigten, was Jean gesagt hatte.



»Kleine Schwester,« sprach Jean, »Sie haben matte Augen, schlafen Sie ein wenig, das wird Sie erquicken.«



»Schlafen! oh ja wohl! ich werde diese Nacht schlafen, und Viele dürften nicht dasselbe sagen.«



Während diese Vorbereitungen bei der Gräfin sich bewerkstelligten, durchlief das Gerücht der Vorstellung die Stadt.



So müßig auch das Pariser Volk ist, und so gleichgültig es zu sein scheint, so ist es doch das neugierigste von allen Völkern. Niemand kannte besser die Personen des Hofes und ihre Intriguen, als der Maulaffe des achtzehnten Jahrhunderts, eben derselbe, welcher zu keinem Feste im Innern zugelassen wurde, und nur die hieroglyphischen Füllungen der Carrossen, und die geheimnißvollen Livreen der Lackeien sah, welche in der Nacht herumliefen. Es kam damals nicht selten vor, daß dieser oder jener vornehme Herr des Hofes von ganz Paris gekannt war; das ging einfach zu – im Schauspiel, auf den Promenaden spielte der Hof die Hauptrolle. Und Herr von Richelieu auf seinem Tabouret der italienischen Scene, Madame Dubarry in einer Carrosse, so glänzend wie die einer Königin, hatten dieselbe Bedeutung vor dem Publikum, wie ein geschätzter Komödiant oder eine Lieblingsschauspielerin in unsern Tagen.



Man interessirt sich viel mehr für die Gesichter, die man kennt. Ganz Paris kannte Madame Dubarry, welche eifrigst bemüht war, sich im Theater, auf der Promenade, in den Magazinen zu zeigen, wie die reichen, jungen und schönen Frauen. Dann kannte sie Paris auch durch ihre Portraits, durch ihre Carricaturen, durch Zamore. Die Geschichte der Vorstellung beschäftigte also Paris ebenso sehr, als sie den Hof beschäftigte. An diesem Tage war auch die Einwohnerschaft auf der Place du Palais Royal versammelt; doch wir bitten die Philosophie um Verzeihung, es geschah dies nicht, um Herrn Rousseau im Café de la Régence Schach spielen zu sehen, sondern um die Favoritin in ihrem schönen Wagen und in ihrem schönen Staatskleide, wovon so viel die Rede gewesen, zu beschauen. Das Wort von Jean Dubarry: »Wir kosten Frankreich viel,« war tief, und es war folglich auch ganz einfach, daß Frankreich, von Paris vertreten, das Schauspiel genießen wollte, welches dasselbe so theuer zu bezahlen hatte.



Madame Dubarry kannte vollkommen ihr Volk, denn das französische Volk war viel mehr ihr Volk, als es das von Maria Leczinska gewesen. Sie wußte, daß es geblendet zu werden liebte, und da sie einen guten Charakter besaß, so arbeitete sie dahin, daß das Schauspiel im Verhältniß zu der Ausgabe stand.



Statt sich niederzulegen, wie ihr Schwager es ihr gerathen hatte, nahm sie von fünf bis sechs Uhr ein Milchbad; um sechs Uhr überließ sie sich ihren Kammerfrauen, in Erwartung der Ankunft des Friseur.



Es ist hier kein Unterricht zu ertheilen in Beziehung auf eine in unseren Tagen so wohl bekannte Epoche, daß man sie gleichzeitig nennen könnte, und daß die Mehrzahl unserer Leser ebenso gut mit ihr vertraut ist, als wir. Aber es dürfte, in diesem Augenblick besonders, geeignet erscheinen, zu erklären, welche Sorgfalt, wie viel Zeit und Kunst eine Coiffure von Madame Dubarry kosten mußte.



Man denke sich ein vollständiges Gebäude. Das Vorspiel jener Schlösser, die der Hof des jungen Königs Ludwig XVI. sich mit allen Zinnen versehen auf dem Kopfe baute, als ob Alles in dieser Zeit hätte eine Weissagung sein müssen, als ob die frivole Mode, das Echo der socialen Leidenschaften, welche die Erde unter den Tritten von Allem, was groß war oder zu sein schien, aushöhlten. verordnet hätte, es bleibe den Frauen der Aristokratie zu wenig Zeit, ihre Titel zu genießen, und sie müßten dieselben daher auf ihrer Stirne aushängen; als ob sie  . . . eine noch viel unseligere, aber nicht minder richtige Weissagung, ihnen angekündigt hätte, da ihnen sehr wenig Zeit bleibe, ihre Köpfe zu bewahren, so müßten sie dieselben bis zur Uebertreibung schmücken, und soviel als möglich über die Köpfe des Volkes erheben.



Um diese schönen Haare zu flechten, sie um ein seidenes Kissen zu erhöhen, sie um Formen von Fischbein zu wickeln, buntscheckig mit Edelsteinen, Perlen und Blumen zu zieren, sie mit jenem Schnee zu bestreuen, der den Augen den Glanz, dem Teint die Frische verlieh, um diese Töne von Fleisch, von Perlmutter, von Rubin, von Opal, von Diamanten, von allfarbigen und vielförmigen Blumen harmonisch zu machen, mußte man nicht allein ein großer Künstler, sondern auch ein geduldiger Mensch sein.



Von allen Zünften der Handwerker trugen auch die Perrückenmacher allein den Degen, wie die Bildhauer.



Dies erklärt die fünfzig Louisd’or, welche Jean Dubarry dem Friseur des Hofes gab, und die Furcht, der große Lubin (der Friseur des Hofes zu jener Zeit hieß Lubin), und die Furcht, sagen wir, der große Lubin könnte minder pünktlich oder minder geschickt sein, als man es erwartete. .



Diese Befürchtungen wurden bald nur zu sehr gerechtfertigt; es schlug sechs Uhr, der Friseur erschien nicht, dann halb sieben Uhr, dann drei Viertel auf sieben Uhr. Ein Umstand gewährte etwas Hoffnung allen diesen pochenden Herzen, der, daß ein Mann von dem Werthe von .Herrn Lubin natürlich auf sich warten lassen mußte.



Doch es schlug sieben Uhr; der Vicomte befürchtete, das Mittagsbrod könnte kalt werden, und der Künstler nicht zufrieden sein. Er schickte daher einen Bedienten in bürgerlicher Kleidung ab, um ihm sagen zu lassen, die Suppe sei aufgetragen.



Der Lackei kam nach einer Viertelstunde zurück.

 



Diejenigen, welche unter solchen Umständen gewartet haben, wissen, daß es Secunden in einer Viertelstunde gibt.



Der Lackei hatte mit Madame Lubin selbst gesprochen, welche ihn versichert, Herr Lubin sei so eben weggegangen, und wenn er noch nicht im Hotel eingetroffen, so könne man wenigstens fest überzeugt sein, daß er sich auf dem Wege befinde.



»Gut,« sagte Dubarry, »er wird in ein Gedränge von Kutschen gerathen sein, wir wollen warten.«



»Es ist übrigens noch nichts gefährdet,« versetzte die Gräfin, »ich kann mich halb angekleidet frisiren lassen, die Vorstellung findet erst um zehn Uhr statt. Wir haben noch drei Stunden vor uns, und wir brauchen nur eine, um nach Versailles zu fahren. Mittlerweile zeige mir mein Kleid, Chon, das wird mich zerstreuen. Nun! wo ist denn Chon? Chon! mein Kleid, mein Kleid!«



»Das Kleid von Madame ist noch nicht angekommen,« sagte Dorée, »und die Schwester der Frau Gräfin ist vor zehn Minuten weggefahren, um es selbst zu holen.«



»Ah!« rief Dubarry, »ich höre ein Geräusch von Rädern, ohne Zweifel bringt man unsern Wagen.



Der Vicomte täuschte sich, es war Chon, welche in ihrer Carrosse, bespannt mit zwei von Schweiß triefenden Pferden, zurückkehrte.



»Mein Kleid!« rief die Gräfin, als Chon noch im Vorhanse war, »mein Kleid!«’



»Ist es noch nicht gekommen?« fragte Chon ganz bestürzt.



»Nein.«



»Oh! es kann nicht lange ausbleiben,« sprach Mademoiselle Chon sich beruhigend, »denn die Schneiderin, als ich zu ihr hinaufkam, war eben mit zwei von ihren Arbeiterinnen weggefahren, um das Kleid zu bringen und anzuprobiren.«



»In der That,« sagte Jean, »sie wohnt in der Rue du Bac, und der Fiacre mußte minder schnell gehen, als Ihre Pferde.«



»Ja, ja, sicherlich,« versetzte Chon, welche sich indessen einer gewissen Unruhe nicht erwehren konnte.



»Vicomte,« sprach Madame Dubarry, »wenn Sie den Wagen holen ließen, daß wir wenigstens von dieser Seite nicht zu warten hätten?«



»Sie haben Recht, Jeanne.«



Dubarry öffnete die Thüre und tief:



»Man hole den Wagen bei Francian, und zwar mit den neuen Pferden, damit sie sogleich angespannt sind.«



Der Kutscher und die Pferde gingen ab.



Als sich das Geräusch ihrer Tritte allmälig in der Richtung der Rue Saint-Honoré verlor, trat Zamore mit einem Briefe ein.



»Brief für Frau Barry,« sagte er.



»Wer hat ihn gebracht?«



»Ein Mann.«



»Wie, ein Mann? was für ein Mann?«



»Ein Mann zu Pferde.«



»Und warum hat er ihn Dir übergeben?«



»Weil Zamore an der Thüre war.«



»Aber lesen Sie doch, Gräfin, lesen Sie, statt zu fragen,« rief Jean.



»Sie haben Recht, Vicomte.«



»Wenn nur dieser Brief nichts Aergerliches enthält,« murmelte der Vicomte.



»Nein,« sagte die Gräfin, »irgend ein Gesuch für Seine Majestät.«



»Dieses Billet ist nicht in Form eines Gesuches zusammengelegt.«



»Wahrhaftig, Vicomte, Sie werden nur an der Furcht sterben,« sprach die Gräfin lächelnd.



Und sie erbrach das Siegel.



Bei den ersten Zeilen stieß sie einen furchtbaren Schrei aus und fiel halb verscheidend auf ihr Fauteuil zurück.



»Weder Friseur, noch Staatskleid, noch Carrosse!« sagte sie.



Chon flog auf die Gräfin zu, Jean stürzte sich, auf den Brief.



Er war von einer geraden, kleinen Handschrift, und offenbar von einer Frau geschrieben.



»Madame,« sagte der Brief, »mißtrauen Sie; Sie werden diesen Abend weder den Friseur, noch das Staatskleid, noch die Carrosse haben.



Ich hoffe, diese Kunde kommt Ihnen zu geeigneter Zeit zu.



Um nicht eine Dankbarkeit bei Ihnen zu erzwingen nenne ich mich nicht, errathen Sie mich, wenn Sie eine aufrichtige Freundin kennen lernen wollen.«



»Ah! das ist der letzte Schlag,« rief Dubarry. »Heiliges Blut! ich muß Jemand umbringen. Kein Friseur! beim Tod! ich schlitze diesem Lumpenkerl Lubin den Bauch auf. Es schlägt in der That halb acht Uhr und er kommt nicht. Äh! Fluch und Verderben!«



Und Dubarry, der an diesem Abend nicht vorgestellt wurde, nahm sich an seinen Haaren und zerzauste sie in höchster Entrüstung.



»Es ist das Kleid! mein Gott, es ist das Kleid! Einen Friseur würde man noch finden.«



»Oh! was für Friseurs würdet Ihr finden? Fluch und Wetter! ah! Donner und Teufel! Blut und tausend Legionen von Teufeln!«



Die Gräfin sagte nichts, aber sie stieß Seufzer aus, welche die Choiseul selbst erweicht haben würden, wenn sie dieselben hätten hören können.



»Nun, nun, ein wenig Ruhe,« sagte Chon, »wir wollen einen Friseur suchen und zu der Schneiderin zurückkehren, um zu erfahren, was aus dem Staatskleid geworden ist.«



»Kein Friseur!« murmelte die Gräfin sterbend, »kein Staatskleid! keine Carrosse!«



»Es ist wahr,« rief Jean, »der Wagen kommt auch nicht, und er sollte doch schon da sein. Oh! das ist ein Complott, Gräfin. Wird Sartines die Urheber nicht verhaften lassen? Wird sie Maupeou nicht hängen lassen? Wird man die Schuldigen nicht auf der Grève verbrennen? Ich lasse den Friseur rädern, die Nätherin mit glühenden Zangen zwicken, den Wagenmacher schinden.«



Während dieser Zeit war die Gräfin wieder zu sich gekommen, doch nur um das Schreckliche ihrer Lage besser zu fühlen.



»Oh! diesmal bin ich verloren,« murmelte sie, »die Leute, welche Lubin bestochen haben, sind reich genug, um alle gute Friseurs von Paris zu entfernen. Es werden sich nur noch Esel finden, die mir die Haare zerzausen  . . . Und mein Staatskleid! mein armes Kleid!  . . . Und mein neuer Wagen, bei dessen Anblick sie insgesammt vor Neid geborsten wären!  . . .«



Dubarry antwortete nichts; er rollte furchtbare Augen in ihren Höhlen umher, stieß sich in allen Ecken des Zimmers, und so oft er ein Meuble traf, zerbrach er es in Stücke, und wenn ihm dann die Stücke zu groß vorkamen, zerbrach er sie in noch kleinere.



Mitten unter dieser Scene der Verwüstung, die sich von dem Boudoir in die Vorzimmer, und von den Vorzimmern in den Hof verbreitet hatte, während die Lackeien, erschreckt durch zwanzig verschiedene und sich widersprechende Befehle hin- und herliefen, und einander drängten und stießen, stieg ein junger Mann, in einem apfelgrünen Frack, mit einer Weste von Atlaß, lila Beinkleidern und weißen, seidenen Strümpfen aus einem Cabriolet, überschritt die verlassene Schwelle der Hausthüre, ging durch den Hof, sprang auf den Zehen von Pflasterstein zu Pflasterstein, eilte die Treppe hinauf, und klopfte an die Thüre des Ankleidezimmers.



Jean war eben im Zuge, mit den Füßen ein Cabaret von Sèvres-Porzellan zu zerstampfen, das sich an den Schooß seines Frackes angehängt hatte, während er dem Sturz eines großen, japanesischen Gefäßes, welches er mit einem Faustschlage beehrt, auszuweichen suchte.



Man hört leise, bescheiden dreimal an die Thüre klopfen.



Es trat ein tiefes Stillschweigen ein. Jedermann war in so gespannter Erwartung, daß Niemand zu fragen wagte, wer geklopft.



»Verzeihen Sie,« sagte eine unbekannte Stimme, »ich wünschte mit der Frau Gräfin Dubarry zu sprechen.«



»Aber, mein Herr, man geht nicht so hinein,« rief der Schweizer, der dem Fremden nachgelaufen war, um ihn an weiterem Eindringen zu verhindern.



»Einen Augenblick Geduld,« sagte Dubarry, »es kann uns nichts Schlimmeres begegnen, als was uns begegnet. Was wollen Sie von der Gräfin?« fragte Jean, und öffnete die Thüre mit einer Hand, welche die Thore von Gaza erbrochen hätte.



Der Fremde wich dem Stoß durch einen Sprung rückwärts aus, fiel in die dritte Stellung und erwiederte: »Mein Herr, ich wollte meine Dienste der Frau Gräfin Dubarry anbieten, welche, wie ich glaube, heute Ceremonie hat.«



»Was für Dienste, mein Herr?«



»Die meines Gewerbes.«



»Was ist Ihr Gewerbe?«



»Ich bin Friseur.«



Hiebei machte der Unbekannte eine zweite Verbeugung.



»Ah!« rief Jean, indem er dem jungen Manne um den Hals fiel, »ah! Sie sind Friseur? Treten Sie ein, mein Freund, treten Sie ein.«



»Kommen Sie, mein lieber Herr, kommen Sie,« sagte Chon und faßte den verwirrten jungen Mann um den Leib.



»Ein Friseur!« rief Madame Dubarry, die Hände zum Himmel erhebend. »Ein Friseur! oh das ist ein Engel! Sind Sie von Lubin geschickt?«



»Ich bin von Niemand geschickt. Ich las in einer Zeitung, die Frau Gräfin werde diesen Abend vorgestellt, und sagte zu mir: ‚Halt, wenn zufällig die Frau Gräfin Dubarry keinen Friseur hätte, das ist nicht wahrscheinlich, aber es ist möglich; und so kam ich.’ «



»Wie heißen Sie?« fragte die Gräfin, ein wenig erkaltet.



»Léonard, Madame.«



»Léonard, Sie sind nicht bekannt?«



,.Noch nicht. Doch wenn Madame meine Dienste annimmt, werde ich es morgen sein.«



»Hm! hm!« machte Jean, »es ist ein Unterschied zwischen Frisiren und Frisiren.«



»Wenn Madame mir zu sehr mißtraut, so werde. ich mich entfernen,« sagte der Fremde.



»Wir haben keine Zeit, einen Versuch zu machen,« sprach Chon.



»Und warum einen Versuch?« rief der junge Mann in einem Augenblick der Begeisterung, und nachdem er im Kreise um Madame Dubarry gegangen war. »Ich weiß wohl, daß Madame durch ihre Coiffure aller Augen auf sich ziehen muß. Seitdem ich Madame betrachte, habe ich auch einen. Kopfputz ersonnen, der, ich bin es fest überzeugt, die wunderbarste Wirkung hervorbringen wird.«



Und der junge Mann machte mit der Hand eine Geberde voll Vertrauen zu sich selbst, welche die Gräfin zu erschüttern anfing und die Hoffnung in das Herz von Chon und Jean wieder zurückführte.



»Oh!« sagte die Gräfin, sehr erstaunt über den Anstand des jungen Mannes, der Hüftenpositionen nahm, wie sie nur der große Lubin hätte nehmen können.



»Aber vor Allem müßte ich das Staatskleid von Madame sehen, um die Zierrathen damit in Einklang zu bringen«



»Oh! mein Kleid!« rief Madame Dubarry, an die furchtbare Wirklichkeit erinnert, »mein armes Kleid!« Jean schlug sich vor die Stirne und sprach: »Oh! es ist wahr; denken Sie sich einen Hinterhalt, einen abscheulichen Hinterhalt!  . . . man hat sie bestohlen; Staatskleid, Nätherin, Alles! Chon! meine gute Chon!«



Und müde, sich die Haare auszuraufen, fing Dubarry an zu schluchzen.



»Wenn Du zu ihr zurückkehren würdest, Chon?« sagte die Gräfin.



»Warum, da sie weggefahren ist, um hierher zu kommen?« entgegnete Chon.



»Ach!’ murmelte die Gräfin, indem sie sich auf ihrem Stuhle zurückwarf, »ach! wozu nützt mich ein Friseur, wenn ich kein Kleid habe?«



In diesem Augenblick erscholl die Glocke der Hausthüre. Der Schweizer hatte aus Furcht, man könnte abermals eindringen, alle Flügel geschlossen und hinter allen Flügeln die Riegel vorgeschoben.



»Man läutet,« sagte Madame Dubarry.



Chon eilte an das Fenster.



»Ein Carton,« rief sie.



,.Ein Carton!« wiederholte die Gräfin. »Kommt er herein?«



»Ja,  . . . nein,  . . . doch, man übergibt ihn dem Schweizer.«



»Laufen Sie, Jean, laufen Sie, in des Himmels Namen.«



Jean stürzte nach der Treppe, kam allen Lackeien zuvor und riß dem Schweizer den Carton aus den Händen.



Chon schaute ihm durch die Scheiben zu.



Er öffnete den Deckel des Carton, tauchte die Hand in seine Tiefen und stieß ein Freudengebrülle ans.



Er enthielt ein bewunderungswürdiges Kleid von chinesischem Atlaß mit ausgeschnittenen Blumen und eine ganze Spitzengarnitur von ungeheuerem Werth.



»Ein Kleid! ein Kleid! rief Chon, in die Hände klatschend.



»Ein Kleid!« wiederholte Madame Dubarry,« der Freude fast unterliegend, wie sie beinahe dem Schmerz unterlegen wäre.



»Wer hat Dir das gegeben, Bursche?« fragte Jean den Schweizer.



»Eine Frau, mein Herr.«



»Was für eine Frau?«



»Ich kenne sie nicht.«



»Wo ist sie?«



»Sie stellte den Carton quer vor meine Thüre,« rief mir zu: » »Für die Frau Gräfin!«» stieg wieder in das



Cabriolet, das sie gebracht hatte, und fuhr weg, so schnell das Pferd laufen konnte.«



»Vortrefflich!« sagte Jean, »hier ist ein Kleid, und das ist die Hauptsache.«



,-Kommen Sie doch herauf, Jean,« rief Chon, »meine Schwester stirbt vor Ungeduld.«



»Sehen Sie, schauen Sie, bewundern Sie,« sagte Jean, »das schickt uns der Himmel.«



»Aber es wird mir nicht passen, es kann mir nicht passen, denn es ist nicht für mich gemacht worden. Mein Gott! mein Gott! welch, ein Unglück! es ist so hübsch.«



Chon nahm rasch ein Maaß.



»Dieselbe Länge, dieselbe Weite der Taille,« sagte sie.



»Der bewunderungswürdige Stoff!« sprach Dubarry.



»Das ist fabelhaft!« versetzte Chon.



»Das ist furchtbar!« rief die Gräfin.



»Im Gegentheil,« erwiederte Jean, »es beweist, daß Sie, wenn Sie große Feinde haben, zugleich auch auf ergebene Freunde rechnen können.«



»Es ist vielleicht kein Freund,« versetzte Chon, »denn wie wäre er von dem unterrichtet worden, was man gegen uns anzettelte? Es muß eine Sylphe, es muß irgend ein Geist sein.«

 



»Mag es der Teufel sein,« rief Madame Dubarry, »gleichviel, wenn er mir nur die Grammont bekämpfen hilft; er wird nie so sehr Teufel sein, wie diese Leute.«



»Und ich bedenke  . . .« sagte Jean.



»Was bedenken Sie?«



»Sie können Ihren Kopf in vollem Vertrauen diesem Herrn überlassen.«



»Was verleiht Ihnen diese Sicherheit?«



»Bei Gott! er ist von demselben Freunde, der uns das Staatskleid geschickt hat, benachrichtigt worden.«



»Ich!« entgegnete Léonard mit einem naiven Erstaunen.



»Vorwärts!« rief Jean; »diese Zeitungsgeschichte ist eine Komödie, nicht wahr, mein lieber Herr?«



»Es ist die reine Wahrheit, Herr Vicomte.«



»Gestehen Sie es doch,« sprach die Gräfin.



»Die Zeitung ist hier in meiner Tasche; ich habe sie aufbewahrt, um Wickeln daraus zu machen.«



Der junge Mann zog in der That aus seiner Tasche eine Zeitung, in welcher die Vorstellung angekündigt war.



»Aus! zum Werke,« sprach Chon; »es schlagt acht Uhr.«



»Oh! wir haben hinreichend Zeit,« entgegnete der Friseur, »Madame braucht eine Stunde zur Fahrt.«



»Ja, wenn wir einen Wagen haben,« versetzte die Gräfin.



»Oh! Mord und Tod! das ist wahr,« rief Jean, »und diese Canaille von einem Francian kommt nicht.«



»Hat man uns nicht davon in Kenntniß gesetzt?« sagte die. Gräfin; »weder Friseur, noch Staatskleid, noch Carrosse.«



»Oh!« sagte Chon erschrocken, »wird er uns auch das Wort nicht halten?«



»Nein,« sprach Jean, »nein, hier kommt er.«



»Und der Wagen? der Wagen?« rief die Gräfin.



»Er wird vor der Thüre geblieben sein,« sprach Jean, »der Schweizer muß erst öffnen. Aber was hat denn der Wagenmacher?«



Meister Francian trat in der That beinahe in demselben Augenblick ganz bestürzt in den Salon.



»Ah! Herr Vicomte!« rief er »der Wagen von Madame war auf dem Wege nach dem Hotel, als er an der Biegung der Rue Traversière von vier Männern angehalten wurde, welche meinen ersten Gesellen, der ihn führte, niederschlugen, die Pferde in Galopp setzten und in der Rue Saint-Nicaise verschwanden.«



»Ich sagte es doch,« sprach Dubarry, ohne von dem Stuhle aufzustehen, auf welchem er bei dem Eintritte des Wagenmachers saß, »ich sagte es doch.«



»Das ist ein Attentat!« rief Chon, »rühren Sie sich, mein Bruder.«



»Mich rühren, und warum?«



»Um einen Wagen für uns zu finden, denn hier gibt es nur kreuzlahme Pferde und schmutzige Carrossen, Jeanne kann in solchen Schubkarren nicht nach Versailles fahren.«



»Bah!« erwiederte Dubarry, »derjenige, welcher der Wuth der Wellen Zügel anlegt, welcher den Vögelchen Futter gibt, einen Friseur wie diesen Herrn und ein Staatskleid wie dieses hier schickt, wird uns nicht in Ermanglung eines Wagens im Stiche lassen.«



»Ei! sehen Sie, hier fährt einer,« rief Chon.



»Und er hält sogar an,« versetzte Dubarry.



»Ja, er kommt nicht herein,« sprach die Gräfin.



»Er kommt nicht herein, so ist es,« sagte Jean.



Und er sprang an das Fenster, öffnete es und rief:



»Lauft, Mord und Tod! lauft, oder Ihr werdet zu spät kommen. Geschwinde, geschwinde, daß wir wenigstens unsern Wohlthäter kennen lernen.«



Die Bedienten, die Piqueurs stürzten hinaus, aber es war zu spät. Eine mit weißem Atlaß ausgeschlagene und mit zwei herrlichen braunrothen Pferden bespannte Carrosse stand vor der Thüre.



Doch vom Kutscher, von den Lackeien keine Spur, ein einfacher Commissionär hielt die Pferde am Gebiß.



Der Commissionär hatte sechs Livres von demjenigen erhalten, welcher die Pferde geführt, und dieser war sodann in der Richtung der Cour des Fontaines entflohen.



Man forschte an den Füllungen; aber eine rasche Hand hatte das Wappen durch eine Rose ersetzt.



Dieser ganze Widerpart des Unglücks hatte nicht eine Stunde gedauert.



Jean ließ den Wagen in den Hof führen, schloß das Thor und nahm den Schlüssel zu sich.



Daun ging er in das Ankleidecabinet, wo der Friseur sich eben anschickte, der Gräfin die ersten Proben seiner Wissenschaft zu geben.



»Mein Herr!« rief er, indem er Léonard am Arm faßte, »wenn Sie unsern Schutzgeist nicht nennen, wenn Sie denselben nicht unserer ewigen Dankbarkeit bezeichnen, so schwöre ich Ihnen  . . .«



»Nehmen Sie sich in Acht, Herr Vicomte,« unterbrach ihn phlegmatisch der junge Mann, »Sie erweisen mir die Ehre, meinen Arm so stark zu drücken, daß ich eine steife Hand haben werde, wenn ich die Frau Gräfin frisiren soll; wir haben aber Eile, denn es schlägt halb neun Uhr.«



»Lassen Sie ihn los, Jean, lassen Sie ihn los!« rief die Gräfin.



Jean fiel in sein Fauteuil zurück.



»Wunder!« sprach Chon, »Wunder! das Kleid ist von einem vollkommenen Maaß  . . . vorne einen Zell zu lang, und sonst kein Mangel! doch in zehn Minuten wird dieser Fehler verbessert sein.«



»Und der Wagen. wie ist er? . . kann man sich mit Ehren darin zeigen?« fragte die Gräfin.



»Vom besten Geschmack  . . . ich bin hineingestiegen,« antwortete Jean, »er ist mit weißem Atlaß ausgeschlagen, und mit Rosenessenz parfumirt.«



»Alles geht gut!« rief Madame Dubarry, indem sie ihre kleinen Hände an einander schlug. »Vorwärts, Herr Léonard, und wenn es Ihnen gelingt, ist Ihr Glück gemacht.«



Léonard ließ sich das nicht zweimal sagen: er bemächtigte sich des Kopfes von Madame Dubarry und mit dem ersten Striche seines Kammes offenbarte er ein erhabenes Talent.



Schnelligkeit, Geschmack. vollkommene Pünktlichkeit, Verständniß des Zusammenhangs zwischen dem Moralischen und Physischen, er entwickelte Alles in der Erfüllung dieser wichtigen Functionen.



Nach Verlauf von drei Viertelstunden ging Madame Dubarry ans seinen Händen verführerischer als die Göttin Aphrodite hervor, denn sie war weniger nackt. und nicht minder schön.



Als er den letzten Stein dieses glänzenden Gebäudes gelegt, als er seine Solidität geprüft, als er Wasser für seine Hände verlangt, und Chon, welche ihn in ihrer Freude wie einen Monarchen bediente, gedankt hatte, wollte er sich zurückziehen.



»Ah! mein Herr,« sprach Dubarry, »Sie sollen erfahren, daß ich eben so hartnäckig in meiner Liebe als in meinem Haße bin. Ich hoffe nun, daß Sie die Güte haben werden, mir zu sagen, wer Sie sind.«



»Sie wissen es bereits, mein Herr; ich bin ein junger Anfänger und heiße Léonard.«



»Ein Anfänger! Gottes Blut, Sie sind über den Meister hinaus, mein Herr.«



»Sie werden mein Friseur, Herr Léonard,« sagte die Gräfin, während sie sich in einem kleinen Handspiegel beschaute, »und ich gebe Ihnen für jede Zeremonienfrisur fünfzig Louisd’or. Chon, bezahle dem Herrn hundert Louisd’or für die erste, und er wird fünfzig Handgeld haben.«



»Ich sagte es Ihnen wohl, Madame, Sie würden meinen Ruf machen.«



»Aber Sie frisiren nur mich.«



»Dann behalten Sie Ihre hundert Louisd’or, Madame,« entgegnete Leonard, »ich will meine Freiheit; ihr verdanke ich es, daß mir die Ehre zu Theil geworden ist, Sie heute zu frisiren. Die Freiheit ist das erste der Güter des Menschen.«



»Ein philosophischer Friseur!« rief Dubarry, indem er die Hände zum Himmel erhob; »wohin kommt es, mein Herr und Gott, wohin kommt es noch? Nun! mein lieber Herr Leonard, ich will mich nicht mit Ihnen entzweien; nehmen Sie Ihre hundert Louisd’or, und behalten Sie Ihr Geheimniß und Ihre Freiheit. In den Wagen Gräfin, in den Wagen!«



Diese Worte waren an Frau von Béarn gerichtet, welche eben eintrat, steif und geschmückt wie eine Madonna in einem Reliquienkasten; man hatte sie gerade in dem Augenblick, wo man sich ihrer bedienen wollte, aus ihrem Cabinet geholt.



»Vorwärts, vorwärts,« sagte Jean, »man nehme Madame zu Vieren und trage sie sachte unten an die Stufen. Wenn sie einen einzigen Seufzer ausstößt, lasse ich Euch striegeln.«’



Während Jean dieses zarte und wichtige Manoeuvre überwachte, wobei ihm Chon in der Eigenschaft eines Lieutenant unterstützte, suchte Madame Dubarry mit den Augen Léonard.



Léonard war verschwunden.



»Wo ist er denn hinausgegangen?« murmelte Madame Dubarry, welche sich noch nicht ganz von allem Erstaunen, das bei ihr auf