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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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XXXV.
Pathin und Täufling

Die arme Gräfin! Behalten wir für sie das Beiwort, das ihr der König gegeben, denn sie verdiente es gewiß in diesem Augenblick; die arme Gräfin, sagen wir, fuhr wie eine Seele in der Verdammniß auf der Straße nach Paris.

Wie sie niedergeschmettert durch den vorletzten Paragraphen des Briefes von Jean, verbarg Chon in dem Boudoir von Luciennes ihren Schmerz und ihre Unruhe und verfluchte es, daß sie den unseligen Gedanken gehabt hatte, Gilbert auf der Landstraße aufzunehmen.

Als sie auf die Brücke von Antin kam, welche über den Canal gebaut war, der in den Fluß ausmündete und Paris von der Seine bis zur Roquette umgab, fand die Gräfin einen Wagen, der ihrer harrte.

In diesem Wagen war der Vicomte Jean, in Gesellschaft eines Anwalts, mit dem er sich auf eine kräftige Weise zu besprechen schien.

Sobald Jean die Gräfin erblickte, ließ er seinen Anwalt, sprang zur Erde, und machte dem Kutscher seiner Schwester ein Zeichen, rasch anzuhalten.

»Geschwinde, Gräfin,« sagte er, »geschwinde; steigen Sie in meinen Wagen und fahren Sie eiligst nach der Rue Saint-Germain-des-Prés.«

»Die Alte hintergeht uns also?« sagte Madame Dubarry, indem sie den Wagen wechselte, »während der Anwalt, durch ein Zeichen des Vicomte veranlaßt, dasselbe that.

»Ich glaube, Gräfin,« erwiederte Jean, »ich glaube; das ist eine Repressalie.«

»Aber was ist denn vorgefallen?«

»Hören Sie es mit zwei Worten. Ich war in Paris geblieben, weil ich stets mißtraue, und ich habe nicht Unrecht, wie Sie sehen. Von neun Uhr Abends an streifte ich bei dem Gasthof zum krähenden Hahne umher. Nichts; keine Schritte, kein Besuch. Alles ging auf das Beste. Ich glaubte folglich, ich könnte zurückkehren und schlafen. Ich kehre zurück und schlafe.

»Diesen Morgen bei Tagesanbruch wache ich auf; ich wecke Patrice und befehle ihm, an den Ecke Schildwache zu stehen.

»Um neun Uhr, merken Sie wohl, eine Stunde früher, als es abgemacht war, komme ich mit der Carrosse an; Patrice hat nichts Beängstigendes gesehen, und ich steige ziemlich beruhigt die Treppe hinauf.

An der Thüre hält mich eine Dienerin auf und benachrichtigt .mich, die Frau Gräfin werde an diesem Tage und vielleicht acht Tage nicht ausgehen.

Ich gestehe. obgleich auf irgend eine Unannehmlichkeit gefaßt, erwartete ich doch dies nicht.

‚Wie! sie wird nicht ausgehen,’ rief ich, ‚was hat sie denn?’

‚Sie ist krank.’

‚Krank? Unmöglich! Gestern war sie noch zum Entzücken wohl.’

‚Ja, mein Herr. Doch Madame hat die Gewohnheit, ihre Chocolade zu machen, und diesen Morgen, als sie dieselbe kochen ließ, goß sie aus dem Ofen auf ihren Fuß und verbrannte sich. Auf das Geschrei, das die Frau Gräfin ausstieß, lief ich herbei. Die Frau Gräfin wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. Ich trug sie auf ihr Bett und in diesem Augenblick schläft sie, glaube ich.’

Ich war bleich wie Ihre Spitze, Gräfin, und rief: ‚Das ist eine Lüge!’

‚Nein, lieber Herr Dubarry,’ antwortete eine Stimme, so spitzig, daß sie die Balken zu durchbohren schien; ‚nein, das ist keine Lüge, und ich leide furchtbar.’

Ich stürzte nach der Seite, woher diese Stimme kam; ich drang durch eine Glasthüre, welche sich nicht öffnen wollte; die alte Gräfin lag wirklich im Bett.

‚Ah! Madame . . .’ sagte ich.

Mehr konnte ich an Worten nicht vorbringen. Ich war wüthend, und hätte sie mit Freuden erdrosselt.

»Sehen Sie,’ sagte sie zu mir, indem sie auf eine abscheuliche Kanne deutete, welche auf dem Boden lag, ‚diese Kaffeekanne hat alles Unheil verursacht.’

Ich sprang mit gleichen Füßen auf die Kanne, diese wird keine Chocolade mehr machen, dafür stehe ich Ihnen.

‚Welch ein Mißgeschick!’ fuhr die Alte mit ihrer kläglichen Stimme fort, ‚die Baronin d’Alogny wird nun Ihre Frau Schwester vorstellen. Was wollen Sie! das stand so geschrieben, wie die Orientalen sagen.’ «

»Ah! mein Gott,« rief die Gräfin, »Sie bringen mich in Verzweiflung, Jean.«

»Ich verzweifle nicht, wenn Sie sich zu ihr begeben, deßhalb habe ich Sie rufen lassen.«

»Und warum verzweifeln Sie nicht?«

»Weil Sie vermögen, was ich nicht vermag, weil Sie eine Frau sind, weil Sie den Verband in Ihrer Gegenwart können abnehmen lassen, weil Sie Frau von Béarn, wenn der Betrug erwiesen ist, sagen können, ihr Sohn werde nie etwas Anderes sein, als ein Krautjunker, sie werde nie einen Sou von der Erbschaft der Saluces bekommen; weil Sie endlich die Verwünschungen von Camilla mit viel mehr Wahrscheinlichkeit spielen werden, als ich die Wuth des Orestes spielen würde.«

»Ich glaube, er scherzt!« sagte die Gräfin.

»Ja, mit der Schärfe der Zähne.«

»Wo wohnt unsere Sibylle?«

»Sie wissen es wohl: im krähenden Hahnen, in der Rue Saint-Germain-des-Prés  . . . ein großes, schwarzes Haus, mit einem ungeheuren Hahnen, der auf ein blechenes Schild gemalt ist. Wenn das Blech knarrt, kräht der Hahn.«

»Ich werde eine abscheuliche Scene haben.«

»Das ist meine Meinung, Doch es ist auch meine Meinung, daß man es wagen muß; soll ich Sie geleiten?«

»Hüten Sie sich wohl, Sie würden Alles verderben.«

»Das hat mir auch unser Anwalt gesagt, den ich in dieser Hinsicht um Rath fragte. Eine Person in ihrem Hause schlagen, zieht Geldbuße und Gefängniß nach sich. Sie auswärts schlagen  . . .«

»Das ist nichts,« sagte die Gräfin, zu Jean, »Sie wissen das besser, als irgend Jemand.«

Jean machte eine Grimasse, welche wie ein schlimmes Lächeln aussah.

»Oh!« sagte er, »Schulden, welche spät bezahlt werden, häufen Interessen an, und wenn ich je meinen Mann wieder finde.«

»Wir wollen nur von meiner Frau sprechen, Vicomte.«

»Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen, gehen Sie.«

Und Jean trat auf die Seite, um den Wagen vorüberfahren zu lassen.

»Vorwärts, wo erwarten Sie mich?«

»In dem Gasthofe selbst; ich verlange eine Flasche Wein, und wenn Sie bewehrten Beistand brauchen, so komme ich.«

»Vorwärts, Kutscher,« rief die Gräfin.

»Rue Saint-Germain-des-Prés, im krähenden Hahnen,« fügte der Vicomte bei.

Der Wagen fuhr ungestüm nach den Champs-Elysèes.

Eine Viertelstunde nachher hielt er bei der Rue Abbatiale und dem Marché Sainte-Marguerite.

Hier stieg Madame Dubarry aus, denn sie befürchtete, das Rasseln eines Wagens könnte die schlaue Alte, welche ohne Zweifel lauerte, aufmerksam machen, und sie würde, sich hinter einem Vorhange verbergend, den Besuch frühe genug erblicken, um ihn zu vermeiden.

Die Gräfin ging daher allein mit ihrem Lackei, der hinter ihr marschirte, in die kleine Rue Abbatiale, welche nur drei Häuser enthielt, von denen der Gasthof die Mitte bildete.

Sie schlüpfte behende in die gähnende Halle des Wirthshauses.

Niemand sah sie eintreten, aber am Fuße der hölzernen Treppe begegnete sie der Wirthin.

»Frau von Béarn?« fragte die Gräfin.

»Frau von Béarn ist sehr krank und kann Niemand empfangen.«

»Krank; ich will mich gerade nach ihr erkundigen,« versetzte die Gräfin.

Und leicht wie ein Vogel war sie in einer Secunde oben auf der Treppe.

»Madame! Madame!« rief die Wirthin, »man sprengt Ihre Thüre mit Gewalt!«

»Wer denn?« fragte die alte Prozeßkrämerin ans der Tiefe ihres Zimmers.

»Ich,« rief die Gräfin, indem sie sich plötzlich auf der Schwelle mit einer Physiognomie zeigte, welche vollkommen den Umständen angepaßt war, denn sie lächelte Höflichkeit und grimassirte Bedauern.

»Die Frau Gräfin hier!« rief die Alte bleich vor Schrecken.

»Ja, meine liebe Dame, und ich komme, um Ihnen den ganzen Antheil zu bezeigen, den ich an Ihrem Unglück nehme, wovon ich so eben unterrichtet worden bin. Erzählen Sie mir doch Ihren Unfall, ich bitte Sie.«

»Madame, ich wage es nicht, Ihnen einen Stuhl in dieser Spelunke anzubieten.«

»Ich weiß, daß Sie ein Schloß in der Touraine haben, und entschuldige das Wirthshaus.«

Die Gräfin setzte sich. Frau von Béarn begriff, daß sie eine feste Stellung nahm.

»Sie scheinen viel zu leiden, Gräfin?« fragte Madame Dubarry.

»Furchtbar.«

»Am rechten Bein? O Gott! aber wie haben Sie es gemacht, um sich am Bein zu brennen?«

»Das war ganz einfach: ich hielt die Kaffeekanne, der Stiel glitschte in meiner Hand aus, das Wasser entströmte siedend, und es fiel ein Glas voll auf meinen Fuß.«

»Das ist schrecklich!«

Die Alte stieß einen Seufzer aus.

»Oh! ja,« sagte sie, »schrecklich. Doch was wollen Sie? die Unglücksfälle kommen in Schaaren.«

»Sie wissen, daß der König Sie diesen Morgen erwartete.«

»Sie verdoppeln meine Verzweiflung, Madame.«

»Seine Majestät ist durchaus nicht zufrieden, Madame, daß er Sie nicht gesehen.«

»Ich habe meine Entschuldigung in meinem Leiden, und ich hoffe diese Entschuldigung seiner Majestät demuthsvoll zu Füßen legen zu dürfen.«

»Ich sage das nicht, um Ihnen den geringsten Kummer zu verursachen,« versetzte Madame Dubarry, welche sah, wie gravitätisch die Alte zu sein bemüht war, »ich wollte Ihnen nur begreiflich machen, daß Seiner Majestät sehr viel an diesem Schritte lag, und daß er den größten Dank dafür wußte.«

»Sie sehen meine Lage, Madame.«

»Allerdings; doch soll ich Ihnen Eines sagen?«

»Sprechen Sie; ich fühle mich geehrt, es zu hören.«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach rührt Ihr Unfall von einer großen Aufregung her, welche Sie ergriffen hatte.«

»Oh! ich sage nicht nein,« erwiederte die Alte mit einer Verbeugung des Oberleibs; »ich war sehr bewegt durch die Ehre, die Sie mir dadurch erwiesen, daß Sie mich so anmuthreich in Ihrem Hause empfingen.«

»Ich glaube, es war noch etwas Anderes im Spiel.«

»Etwas Anderes? Meiner Treue, nein, nichts daß ich wüßte.«

»Oh! doch wohl, ein Zusammentreffen  . . .«

 

»Das mir begegnet sein soll?«

»Ja, als Sie mein Haus verließen.«

»Ich bin mit Niemand zusammengetroffen, Madame. Ich war in dem Wagen Ihres Herrn Bruders.«

»Ehe Sie in den Wagen stiegen.«

Die Alte gab sich die Miene, als suchte sie.

»Während Sie die Stufen der Freitreppe hinabgingen.«

Die Alte heuchelte eine noch größere Aufmerksamkeit.

»Ja,« sagte Madame Dubarry mit einem Lächeln, in das sich eine gewisse Ungeduld mischte; »es kam Jemand in den Hof, eben als Sie das Haus verließen.«

»Ich habe Unglück, Madame, ich erinnere mich dessen nicht.«

»Eine Frau  . . . ah! nun entsinnen Sie sich wohl.«

»Ich habe ein so kurzes Gesicht, daß ich auf zwei Schritte von mir, wie Sie jetzt gerade sitzen, Madame, nichts zu unterscheiden vermag. Urtheilen Sie also.«

»Ah! sie ist stark,« sprach leise die Gräfin zu sich selbst. »Wir wollen nicht mehr mit List zu Werk gehen, denn sie würde mich schlagen.«

»Nun, da Sie diese Dame nicht gesehen haben,« fuhr sie laut fort, »so will ich Ihnen sagen, wer sie ist.«

»Die Dame, welche herein kam, als ich wegfuhr?«

»Ganz richtig, es war meine Schwägerin, Mademoiselle Dubarry.

»Ah! sehr gut, Madame, sehr gut, da ich sie aber nie gesehen hatte  . . .«

»Doch wohl.«

»Ich habe sie gesehen?«

»Ja, und gesprochen.«

»Mademoiselle Dubarry?«

»Ja, Mademoiselle Dubarry, nur hieß sie an jenem Tag Mademoiselle Flageot.«

»Ah!« rief die Alte mit einer Bitterkeit, welche sie nicht verbergen konnte, »ah! die falsche Mademoiselle Flageot, welche mich aufsuchte und zu der Reise veranlaßte, war Ihre Schwägerin?«

»In Person, Madame.«

»Und wurde zu mir geschickt?«

»Durch mich.«

»Um mich zu mystificiren?«

»Nein, um Ihnen zu dienen, während Sie zugleich mir dienen würden.«

Die alte Frau zog ihre dicken, grauen Augbrauen zusammen und erwiederte:

»Ich glaube, dieser Besuch wird mir nicht sehr vortheilhaft sein.«

»Wären Sie etwa von Herrn von Maupeou schlecht empfangen worden, Madame?«

»Weihwasser von Hofe.«

»Mir dünkt, ich habe die Ehre gehabt, Ihnen etwas minder Unfaßbares, als Weihwasser anzubieten.«

»Madame, Gott lenkt, während der Mensch denkt.«

»Madame, sprechen wir ernsthaft,« sagte die Gräfin.

»Ich höre Sie.«

»Sie haben sich den Fuß verbrannt?«

»Sie sehen es.«

»Bedeutend?«

»Furchtbar.«

»Können Sie nicht, trotz dieser Wunde, welche allerdings schmerzhaft sein mag, aber sicherlich nicht gefährlich ist. können Sie sich nicht ein wenig anstrengen, den Wagen ertragen, und eine Sekunde in meinem Cabinet vor Seiner Majestät stehen?«

»Unmöglich, Madame; schon bei dem Gedanken, mich zu erbeben, fühle ich mich einer Ohnmacht nahe.«

»Sie haben sich also eine gräßliche Wunde gemacht?«

»Gräßlich, wie Sie sagen.«

»Und wer verbindet, wer beräth, wer pflegt Sie?«

»Ich habe wie jede Frau, welche eine Haushaltung geführt, vortreffliche Recepte für Brandwunden; ich lege mir einen von mir selbst bereiteten Balsam auf.«

»Kann man, ohne unbescheiden zu sein, dieses specifische Mittel sehen?«

»In jener Phiole, auf dem Tisch.«

»Heuchlerin!« dachte die Gräfin, »so weit hat sie die Verstellung getrieben; sie ist offenbar sehr stark, doch wir wollen das Ende abwarten.«

»Madame,« sagte die Gräfin laut, »ich habe auch ein vortreffliches Oel für solche Unfälle, doch die Anwendung hängt hauptsächlich von der Art des Brandes ab.«

»Wie so?«

»Es gibt einfache Röthen, Wasserblasen und Abschindung der Haut. Ich bin kein Arzt. Aber Jedermann hat sich mehr oder minder in seinem Leben gebrannt.«

»Madame, es ist eine Abschindung,« versetzte die Gräfin.

»Oh! mein Gott! wie müssen Sie leiden! Soll ich mein Oel anwenden?«

»Das wäre mir ungemein lieb. Sie haben es also mitgebracht?«

»Nein; aber ich werde es schicken  . . .«

»Ich danke tausendmal.«

»Nur erscheint es zweckdienlich, daß ich mich von dem Grade der Verletzung überzeuge.«

»Oh! nein, nein, Madame,« rief die Alte, »ich will Ihnen kein solches Schauspiel bieten.«

»Gut,« dachte Madame Dubarry, »hier ist sie gefangen.«

»Befürchten Sie das nicht,« sprach sie, »ich bin mit dem Anblick von Wunden vertraut.«

»Oh! Madame, ich kenne zu gut den Wohlanstand.«

»Wo es sich darum handelt, unserem Nächsten beizustehen, müssen wir den Wohlanstand vergessen.«

Und sie streckte rasch die Hand nach dem Beine aus, das die Gräfin auf einem Fauteuil liegen hatte.

Die Alte stieß ein furchtbares Schmerzgeschrei aus, obgleich Madame Dubarry sie kaum berührte.

»Oh! gut gespielt!« murmelte die Gräfin, welche jede Zuckung auf dem verstörten Gesichte von Frau von Béarn studirte.

»Ich sterbe,« sagte die Alte. »Ah! welche Angst haben Sie mir eingejagt.«

Und die Wangen bleich, die Augen sterbend, warf sie sich zurück, als ob sie in Ohnmacht fiele.

»Sie erlauben, Madame,« fuhr die Favoritin fort.

»Immerhin,« sagte die Alte mit einer erloschenen Stimme.

Madame Dubarry verlor keine Zeit; sie zog die erste Nadel aus der Leinwand, welche das Bein umgab, und entrollte rasch die Binde.

Zu ihrem großen Erstaunen ließ sie die Alte machen.

»Sie wartet, bis ich an der Compresse bin, um laut zu schreien; aber ich werde ihr Bein sehen, und wenn ich sie ersticken müßte,« murmelte die Favoritin.

Und sie fuhr fort.

Frau von Béarn seufzte, widersetzte sich aber nicht.

Die Compresse wurde aufgehoben, und eine wahre Wunde zeigte sich den Augen von Madame Dubarry. Das war nicht Nachahmung, und hier endigte die Diplomatie von Frau von Béarn.

Bleifarbig und von Blut durchfurcht, sprach die Wunde sehr beredt. Frau von Béarn konnte Chon gesehen und erkannt haben, dann aber schwang sie sich zu der Höhe von Porcia und Mucius Scävola empor.

Madame Dubarry schwieg und bewunderte.

Wieder zu sich gekommen, genoß die Alte in vollem Maaße ihren Sieg; ihr falbes Auge versenkte sich gleichsam in die Gräfin, welche zu ihren Füßen kniete.

Madame Dubarry brachte die Compresse mit der zarten Sorgfalt der Frauen, deren Hand für die Verwundeten so leicht ist, wieder an ihren Platz, legte das Bein der Kranken auf das Kissen, setzte sich zu ihr und sprach:

»Madame, Sie sind noch stärker, als ich glaubte, und ich bitte Sie um Verzeihung, daß ich nicht mit dem ersten Schlage die Frage so angegriffen habe, wie es sich bei einer Dame von Ihrem Werth geziemte. Machen Sie Ihre Bedingungen.«

Die Augen der Alten funkelten, aber es war nur ein Blitz, der alsbald wieder erlosch.

»Sprechen Sie Ihren Wunsch unumwunden aus, Madame,« sagte sie, »und ich werde sehen, in welcher Beziehung ich Ihnen angenehm sein kann.«

»Ich will durch Sie in Versailles vorgestellt werden, Madame,« sprach die Gräfin, »und sollte es Sie auch eine Stunde der furchtbaren Leiden kosten, die Sie diesen Morgen ausgestanden haben.«

Frau von Béarn hörte ohne eine Miene zu verziehen.

»Und dann?« sagte sie.

»Das ist Alles, Madame; nun ist die Reihe an Ihnen.«

»Ich möchte gern,« erwiederte Frau von Béarn mit einer Festigkeit, welche der Gräfin klar bewies, daß man mit ihr wie eine Macht mit der andern zu unterhandeln hatte, »ich möchte die zweimal hundert tausend Livres meines Prozesses garantirt haben.«

»Aber wenn Sie den Prozeß gewinnen, so macht dies viermal hundert tausend Franken, wie mir scheint.«

»Nein, denn ich betrachte die zweimal hundert tausend Livres, welche mir die Saluces streitig machen, als mein Eigenthum. Die weiteren zweimal hundert tausend Livres sind ein Glück, der Ehre beigefügt, welche mir dadurch zu Theil geworden ist, daß ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe.«

»Sie sollen die zweimal hundert tausend Livres bekommen, Madame, Hernach?«

»Ich habe einen Sohn, den ich zärtlich liebe, Madame. Das Schwert wurde in unserem Hause stets gut geführt; aber Sie müssen begreifen, daß wir. zum Befehlen geboren, nur mittelmäßige Soldaten geben. Ich brauche auf der Stelle eine Compagnie für meinen Sohn mit einem Oberstenpatent für das nächste Jahr.«

»Wer wird die Kosten des Regiments tragen, Madame?«

»Der König. Sie begreifen, daß ich, wenn ich für dieses Regiment die zweimal hundert tausend Livres von meinem Gewinn ausgebe, morgen so arm sein werde, als ich es heute bin.«

»Gut gerechnet macht das sechsmal hundert tausend Livres.«

»Viermal hundert tausend, vorausgesetzt, daß das Regiment zweimal hundert tausend werth ist, was dasselbe hoch anschlagen heißt.«

»Es sei; Sie sollen in diesem Punkte befriedigt werden.«

»Ich habe von dem König Entschädigung für meinen Weingarten in der Touraine zu verlangen; es sind vier gute Morgen. welche mir die Ingenieurs des Königs vor vier Jahren für den Kanal genommen haben.«

»Man hat den Weingarten bezahlt.«

»Ja, doch nach dem Anschlage von Experten; und ich selbst schätze ihn gerade auf das Doppelte des Preises, zu dem sie ihn angeschlagen haben.«

»Gut! man wird Ihnen denselben zum zweiten Male bezahlen. Ist das Alles?«

»Verzeihen Sie, meine Kasse ist leer, wie Sie sich leicht denken können. Ich bin Meister Flageot ungefähr neuntausend Livres schuldig.«

»Neuntausend Livres!«

»Oh! das ist unerläßlich. Meister Flageot ist ein vortrefflicher Rathgeber.«

»Ja, ich glaube es wohl,« versetzte die Gräfin, »ich werde diese neuntausend Livres von meinen eigenen Geldern bezahlen.. Ich hoffe, Sie haben mich willfährig gefunden?«

»Oh! Sie sind vollkommen, Madame; aber ich glaube Ihnen auch von meiner Seite allen guten Willen bewiesen zu haben.«

»Wenn Sie wüßten, wie sehr ich bedaure, daß Sie sich verbrannt haben,« sagte Madame Dubarry lächelnd.

»Ich bedaure es nicht, Madame,« entgegnete die Alte, »denn trotz dieses Unfalls wird mir meine Ergebenheit die Kraft verleihen, Ihnen nützlich zu sein, als ob mir nichts begegnet wäre.«

»Fassen wir die Bedingungen noch einmal zusammen,« sagte Madame Dubarry.

»Warten Sie.«

»Haben Sie etwas vergessen?«

»Eine Kleinigkeit.«

»Sprechen Sie.«

»Ich war nicht darauf gefaßt, vor unserem großen König erscheinen zu dürfen. Ach! längst bin ich mit Versailles und seinen Herrlichkeiten nicht mehr vertraut, und somit besitze ich kein Staatskleid.«

»Ich habe diesen Umstand vorhergesehen, Madame: gestern nach Ihrem Abgang ist Ihr Vorstellungskleid angefangen worden, und ich war so vorsichtig, es nicht bei meiner Schneiderin zu bestellen, damit diese nicht mit Arbeit überhäuft wäre. Morgen zur Mittagsstunde ist es fertig.«

»Ich habe keine Diamanten.

»Die Herren Boemer und Bossange werden Ihnen morgen auf eine Zeile von mir einen Schmuck von zweimal hundert zehntausend Livres geben, den sie Ihnen übermorgen für zweimal hundert tausend livres wieder abnehmen; dadurch wird Ihre Entschädigung bezahlt sein.«

»Sehr gut, Madame; ich habe nichts mehr zu wünschen.«

»Sie sehen mich entzückt.«

»Aber das Patent meines Sohnes?«

»Seine Majestät wird es Ihnen selbst übergeben«

»Doch das Versprechen der Kosten für die Anwerbung eines Regiments?«

»Das Patent wird es enthalten.«

»Vortrefflich. Es bleibt mir noch die Frage des Weingartens.«

»Wie hoch schätzen Sie diese vier Morgen, Madame?«

»Auf sechstausend Livres den Morgen. Es war ausgezeichnetes Land.«

»Ich will Ihnen eine Obligation von zwölftausend Livres unterschreiben, was mit den zwölftausend, die Sie schon erhalten haben, gerade die vier und zwanzig tausend macht.«

»Hier ist das Schreibzeug, Madame,« sagte die Gräfin, und deutete mit dem Finger auf den Gegenstand, den sie nannte.

»Ich werde die Ehre haben, es Ihnen zu geben,« sprach Madame Dubarry.

»Mir?«

»Ja.«

»Wozu?«

»Damit Sie gefälligst an Seine Majestät den kleinen Brief schreiben, den ich Ihnen zu dictiren die Ehre haben werde. Wenn ich etwas gebe, muß ich etwas dafür bekommen.«

»Das ist richtig,« sagte Frau von Béarn.

»Wollen Sie also schreiben, Madame.«

»Die Alte zog den Tisch zu ihrem Fauteuil, richtete ihr Papier zurecht, nahm die Feder und wartete.

Madame Dubarry dictirte:

»Sire, das Glück, das ich empfinde, indem ich von Eurer Majestät mein Anerbieten, die Pathin meiner lieben Freundin, der Gräfin Dubarry  . . .«

Die Alte verzog die Lippen und ließ ihre Feder spritzen.

»Sie haben eine schlechte Feder,« sagte die Favoritin, »Sie müssen eine andere nehmen.«

»Es ist nicht nöthig, Madame, sie wird sich gewöhnen.«

»Sie glauben, Madame?«

»Ja.«

Madame Dubarry fuhr fort:

 

»zu werden, angenommen sehe, macht mich so kühn, Eure Majestät zu bitten, mich mit günstigem Auge anschauen zu wollen, wenn ich mich morgen, wie Sie es zu erlauben geruhen, in Versailles einfinden werde. Ich wage zu glauben, Sire, daß Eure Majestät mich mit einem guten Empfange beehren kann, da ich die Verwandte eines Hausses bin, bei welchen jedes Haupt sein Blut für den Dienst der Fürsten Ihres erhabenen Geschlechts vergossen hat.«

»Nun unterzeichnen Sie, wenn es Ihnen beliebt.«

Und die Gräfin unterzeichnete:

»Anastasie Euphemie Rodolphe,

Gräfin von Béarn.«

Die Alte schrieb mit einer festen Hand; die einen halben Zoll großen Charaktere lagerten sich auf dem Papier, das sie mit einer aristokratischen Quantität von Schreibfehlern bestreute.

Als die Alte unterzeichnet hatte, reichte sie, während sie mit einer Hand den Brief hielt, den sie geschrieben, mit der andern die Tinte, das Papier und die Feder der Gräfin Dubarry, welche mit einer kleinen, geraden, kritzeligen Handschrift eine Obligation von einundzwanzigtausend Livres unterschrieb, zwölftausend als Entschädigung für den Verlust des Weingarten, neuntausend zu Bezahlung der Honorare von Meister Flageot.

Dann schrieb sie ein Briefchen an die Herren Boemer und Bossange, Juweliere der Krone, und bat sie, dem Ueberbringer den Schmuck von Diamanten und Smaragden zuzustellen, den man Louise nannte, weil es von der Prinzessin, Tante des Dauphin, kam, welche ihn für ihre Almosen verkauft hatte.

Nachdem dies geschehen war, tauschten Pathin und Täufling ihr Papier aus.

»Nun geben Sie uns einen Beweis guter Freundschaft, liebe Gräfin,« sagte Madame Dubarry.

»Herzlich gern, Madame.«’

»Ich bin überzeugt, wenn Sie einwilligen, in meinem Hause zu wohnen, wird Sie Tronchin in weniger als drei Tagen heilen. Kommen Sie dahin, Sie werden zugleich mein Oel versuchen, das vortrefflich ist.«

»Steigen Sie immerhin in Ihren Wagen, Madame,« erwiederte die kluge Alte; »ich habe noch einige Angelegenheiten zu beendigen, ehe ich mich zu Ihnen begebe.

»Sie weisen es also zurück?«

»Ich erkläre Ihnen im Gegentheil, daß ich einwillige, doch nicht für den gegenwärtigen Augenblick. Es schlägt ein Uhr auf der Abtei; geben Sie mir Zeit bis drei Uhr; auf den Punkt fünf Uhr bin ich in Luciennes.«

»Erlauben Sie, daß um drei Uhr mein Bruder Sie mit seinem Wagen abholt?«

»Es wird mir sehr angenehm sein.«

»Pflegen Sie sich nun bis dahin.«

»Seien Sie unbesorgt. Ich bin Edeldame. Sie haben mein Wort und ich werde Ihnen morgen in Versailles Ehre machen, und sollte ich darüber sterben.«

»Auf Wiedersehen, meine liebe Pathin!«

»Auf Niedersehen, mein anbetungswürdiger Täufling!«

Und sie trennten sich so, die Alte stets liegend, ein Bein auf ihren Kissen, eine Hand auf ihren Papieren; Madame Dubarry noch leichter als bei ihrer Ankunft, aber das Herz etwas gepreßt, daß sie nicht die Stärkere gegen eine alte Prozeßkrämerin gewesen war, sie, die nach ihrem Belieben den König von Frankreich schlug.

Als sie vor dem großen Saale vorüberkam, erblickte sie Jean, der, ohne Zweifel um keinen Verdacht zu erregen, eine zweite Flasche angegriffen hatte.

Sobald er seine Schwägerin gewahrte, sprang er von seinem Stuhle auf, lief auf sie zu und rief:

»Nun, wie steht es?«

»Der Marschall von Sachsen sagte zu Seiner Majestät, indem er ihr das Schlachtfeld von Fontenoy zeigte ‚Sire, erfahren Sie durch dieses Schauspiel, wie theuer und schmerzlich ein Sieg ist.’ «

»Wir sind also Sieger?« fragte Jean.

»Ein anderes Wort, doch dieses ist uns aus dem Alterthum zugekommen: ‚Noch ein Sieg wie dieser, und wir sind zu Grunde gerichtet.’ «

»Wir haben die Pathin?«

»Ja, nur kostet sie uns beinahe eine Million.«

»Oh! oh!« machte Dubarry mit einer furchtbaren Grimasse.

»Bei Gott! es war zu nehmen oder zu lassen.«

»Aber das ist schreiend!«

»Es ist nun einmal so. Und entsetzen Sie sich nicht zu sehr, denn wenn Sie nicht sehr vernünftig wären, könnte es sein, daß wir gar nichts hätten, oder daß es uns das Doppelte kosten würde.«

»Mein Gott, welch’ eine Frau!«

»Es ist eine Römerin.«

»Es ist eine Griechin.«

»Gleichviel! Griechin oder Römerin, halten Sie sich bereit, sie um drei Uhr abzuholen und zu mir nach Luciennes zu bringen. Ich bin nicht eher ruhig, als bis ich sie unter meinem Verschluß habe.«

»Ich gehe keinen Schritt von hier weg,« versetzte Jean.

»Und ich, ich eile, um Alles vorzubereiten, sprach die Gräfin.

Und sie warf sich in ihren Wagen, und rief ihm noch zu:

»In Luciennes! Morgen werde ich sagen in Marly!«

»Gleichviel,« sprach Jean, während er der Carrosse mit dem Auge folgte, »wir kosten Frankreich sehr viel!  . . . Das ist schmeichelhaft für die Dubarry.«