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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»»Es mit Barnave machen wie mit Mirabeau: Zeit gewinnen, die Constitution beschwören, sie buchstäblich vollziehen, um zu zeigen, daß sie unausführbar ist. Frankreich wird erkalten, sich langweilen; die Franzosen haben einen leichten Sinn, es wird eine neue Mode entstehen, und die Freiheit wird vorübergehen.««

»»Geht die Freiheit nicht vorüber, so wird man ein Jahr gewonnen haben; und in einem Jahre werden wir zum Kriege bereit sein.««

»Laß also hier diese zwei Verurtheilten, die man aus Spott noch den König und die Königin nennt, und begib Dich, ohne einen Augenblick zu verlieren, in das Hospital des Gros-Cailou; Du wirst dort einen Sterbenden finden, der weniger krank ist, als sie; denn diesen Sterbenden kannst Du vielleicht retten, während sie, ohne daß Du sie retten kannst, bei ihrem Sturze Dich mit hinabziehen werden!«

Das Billet war nicht unterzeichnet; Gilbert erkannte aber die Handschrift von Cagliostro.

In diesem Augenblick trat Madame Campan ein; sie kam durch die Thüre der Königin.

Sie übergab Gilbert einen in folgenden Ausdrücken abgefaßten kleinen Zettel:

»Der König bittet Herrn Gilbert, ihm schriftlich den ganzen politischen Plan, den er der Königin auseinandergesetzt, vorzulegen.

»Durch eine wichtige Angelegenheit abgehalten, bedauert die Königin, nicht zu Herrn Gilbert zurückkehren zu können; es wäre also unnütz, wenn er länger warten würde.«

Gilbert las, blieb einen Augenblick nachdenkend, schüttelte den Kopf und murmelte:

»Die Wahnsinnigen!«

»Haben Sie Ihren Majestäten nichts sagen zu lassen?« fragte Madame Campan.

Gilbert gab der Kammerfrau den Brief ohne Unterschrift, den er so eben erhalten, und sprach:

»Hier ist meine Antwort.«

Und er ging ab.

CXVII
Keinen Herrn! Keine Herrin mehr!

Ehe wir Gilbert in das Hospital des Gros-Cailou folgen, wohin ihn die Behandlung des von Cagliostro empfohlenen unbekannten Verwundeten ruft, werfen wir einen letzten Blick auf die Nationalversammlung, die sich auflösen wird nach der Annahme dieser Constitution, an der die Nichtentsetzung des Königs hängt, und sehen wir, welchen Nutzen der Hof aus dem unseligen Siege am 17. Juli ziehen wird, der zwei Jahre später Bailly den Kopf kosten soll. Dann werden wir zu den Helden unserer Geschichte zurückkehren, die wir ein wenig aus dem Blicke verloren haben, entrückt wie sie sind, durch den politischen Sturm, der uns nöthigt, vor die Augen der Leser die großen Unruhen der Straße zu stellen, wo die Individuen verschwinden, um den Massen Platz zu machen.

Wir haben gesehen, welcher Gefahr Robespierre preisgegeben war, und wir wissen, wie er durch die Dazwischenkunft des Schreiners Duplay dem vielleicht tödtlichen Triumphe entging, der seiner Popularität zuerkannt werden sollte.

Während er in Familie in einem auf den Hof gehenden Stübchen mit dem Manne, der Frau und den zwei Töchtern zu Nacht speist, sind seine Freunde, von der Gefahr, die er gelaufen, unterrichtet, in Unruhe über ihn.

Madame Roland besonders . . . Ein Wesen voll Hingebung, vergißt sie, daß sie auf dem Altar des Vaterlands gesehen und erkannt worden ist, und daß sie dieselbe Gefahr läuft, wie die Anderen. Sie fängt damit an, daß sie Robert und Fräulein von Keralio bei sich aufnimmt; sodann, da man ihr sagt, die Nationalversammlung werde noch in derselben Nacht eine Anklageacte gegen Robespierre abfassen, geht sie, um ihn hiervon zu benachrichtigen, nach dem äußersten Marais, und da sie ihn nicht findet, kehrt sie nach dem Quai des Théatins zu Buzot zurück.

Buzot ist einer der Bewunderer von Madame Roland; sie weiß, welchen Einfluß sie ans Buzot hat. Darum wendet sie sich an ihn.

Buzot schickt sogleich eine Zeile an Grégoire. Greift man Robespierre bei den Feuillants an, so wird ihn Grégoire bei den Feuillants vertheidigen; greift man Robespierre in der Nationalversammlung an, so wird Buzot Robespierre in der Nationalversammlung vertheidigen.

Das ist von seiner Seite um so verdienstlicher, als er Robespierre nicht anbetet.

Grégoire ging zu den Feuillants und Buzot in die Nationalversammlung: es war nicht die Rede davon, Robespierre oder irgend einen Andern anzuklagen. Abgeordnete und Feuillants waren erschrocken über ihren eigenen Sieg, bestürzt über den blutigen Schritt, den sie zu Gunsten der Royalisten gethan hatten. In Ermangelung einer Anklage gegen die einzelnen Männer, führte man eine gegen die Clubbs; ein Mitglied der Nationalversammlung verlangte, daß man sie sogleich schließe. Man glaubte einen Augenblick, es werde Einstimmigkeit für diese Maßregel stattfinden; aber Duport, aber Lafayette reclamirten; die Clubbs schließen hieße die Feuillants schließen. Lafayette und Duport waren noch nicht enttäuscht über die Gewalt, welche diese Waffe in ihre Hände legte, Sie glaubten, die Feuillants werden die Jacobiner ersetzen, und durch die ungeheure Maschine werden sie den Geist Frankreichs lenken.

Am andern Tage empfing die Nationalversammlung den doppelten Bericht des Maire von Paris und des Commandanten der Nationalgarde. Jedermann hatte ein Interesse, sich zu täuschen: die Komödie war leicht zu spielen.

Der Commandant und der Maire sprachen von der ungeheuren Unordnung, die sie haben unterdrücken müssen, vom Henken am Morgen und von den Flintenschüssen am Abend, zwei Dinge, die in gar keiner Verbindung miteinander standen; – von der Gefahr, welche den König, die Nationalversammlung und die ganze Gesellschaft bedroht habe, – eine Gefahr, von der sie besser als irgend Jemand wußten, daß sie nie bestanden.

Die Nationalversammlung dankte ihnen für eine Energie, welche zu entwickeln ihnen nie eingefallen war, sie wünschte ihnen Glück zu einem Siege, den Jeder im Grunde des Herzens beklagte, und dankte dem Himmel, der es gestattet, daß man mit einem einzigen Schlage den Aufruhr und die Aufrührer vernichtet habe.

Hörte man die Beglückwünschten und die Glückwünschenden, so war die Revolution beendigt.

Die Revolution fing an.

Die alten Jacobiner, die den anderen Tag nach dem vorhergehenden beurtheilten, glaubten sich mittlerweile angegriffen, verfolgt, umstellt, und bereiteten sich vor, sich Vergebung für ihr wirkliches Gewicht durch eine geheuchelte Demuth zu verschaffen. Noch ganz zitternd, daß er zum König an der Stelle von Ludwig XVI. vorgeschlagen worden, verfaßte Robespierre eine Adresse im Namen der Gegenwärtigen und der Abwesenden.

In dieser Adresse dankte er der Nationalversammlung für ihre edelmüthigen Anstrengungen, für ihre Weisheit, ihre Festigkeit, ihre Wachsamkeit, ihre unparteiische und unbestechliche Gerechtigkeit.

Warum sollten die Feuillants nicht wieder Muth gefaßt und sich allmächtig geglaubt haben, da sie diese Demuth ihrer Feinde sahen?

Einen Augenblick hielten sie sich nicht nur für die Herren von Paris, sondern auch für die Herren von Frankreich.

Ach! die Feuillants hatten die Lage nicht begriffen: sich von den Jacobinern trennend, hatten sie ganz einfach eine zweite Nationalversammlung, ein Unterfutter der ersten gemacht. Die Aehnlichkeit zwischen beiden Gesellschaften war so groß, daß man bei den Feuillants wie bei der Kammer nur Eintritt fand, wenn man Steuer bezahlte, nur unter der Bedingung, daß man activer Bürger, Wähler der Wähler war.

Das Volk halte zwei bürgerliche Kammern statt einer.

Das war es nicht, was es wollte.

Es wollte eine volksthümliche Kammer, welche nicht die Verbündete, sondern die Feindin der Nationalversammlung sein sollte, welche nicht diese in der Wiederherstellung des Königthums unterstützen, sondern sie dasselbe zu zerstören zwingen sollte.

Die Feuillants entsprachen also keines Weges dem öffentlichen Geiste; das Publicum verließ sie auch auf dem kurzen Uebergange, den sie gemacht hatten.

Ihre Popularität verlor sich über die Gasse gehend.

Im Juli zählte die Provinz vierhundert Gesellschasten; von diesen vierhundert Gesellschaften correspondirten dreihundert gleichmäßig mit den Feuillants und den Jacobinern; hundert mit den Jacobinern allein.

Vom Juli bis zum September entstanden sechshundert andere Gesellschaften, von denen nicht eine mit den Feuillants correspondirte.

Und sowie die Feuillants immer schwächer wurden, reconstituirten sich die Jacobiner unter der Hand von Robespierre, . . Robespierre fing an der populärste Mann Frankreichs zu sein.

Die gegen Gilbert ausgesprochene Prophezeihung von Cagliostro ging in Betreff des kleinen Advocaten von Arras in Erfüllung.

Vielleicht werden wir sie ebenso getreu in Betreff des kleinen Corsen von Ajaccio in Erfüllung gehen sehen.

Mittlerweile schlug die Stunde, welche das Ende der Nationalversammlung sehen sollte: die schlug allerdings langsam wie für jene Greise, bei denen sich das Tropfen um Tropfen verzehrt, bis es völlig erlischt.

Nachdem sie dreitausend Gesetze votiert, hatte sie endlich die Revision der Constitution beschlossen.

Diese Constitution war ein eiserner Käfich, in den sie, fast unwillkürlich, fast ohne ihr Wissen, den König eingesperrt hatte.

Sie hatte das Gitter des Käfichs vergoldet, am Ende aber, obschon vergoldet, verbarg das Gitter das Gefängniß nicht.

Der königliche Wille war in der That unmächtig geworden; es war ein Rad, das die Bewegung empfing, statt sie zu verleihen. Der ganze Widerstand von Ludwig XVI. lag in einem Veto, das auf drei Jahre den Vollzug der erlassenen Decrete suspendierte, wenn diese Dekrete dem König nicht genehm waren; dann hörte das Rad auf sich zu drehen und hemmte durch seine Unbeweglichkeit die ganze Maschine.

Abgesehen von dieser Trägheitskraft war das Königthum von Ludwig XIV. Und Heinrich IV, das ganz Initiative unter diesen zwei großen Königen, nur noch eine majestätische Nutzlosigkeit.

Es nahte indessen der Tag, wo der König die Constitution beschwören sollte.

 

England und die Emigrierten schrieben dem König:

»Gehen Sie unter, wenn es sein muß; erniedrigen Sie sich aber nicht dadurch, daß Sie schwören.«

Leopold und Barnave sagten:

»Schwören Sie immerhin; es wird halten, wer da kann.«

Der König endlich entschied die Frage durch die Phrase:

»Ich erkläre, daß ich in der Constitution keine genügende Mittel der Thätigkeit und der Einheit sehe; da aber die Meinungen über diesen Gegenstand verschieden sind, so willige ich darein, daß die Erfahrung der einzige Richter hierüber sein soll.«

Es fragte sich, an welchem Orte die Constitution dem König zur Annahme vorgelegt werden sollte; in den Tuilerien oder in der Nationalversammlung?

Der König schnitt die Schwierigkeit dadurch ab, daß er erklärte, er werde die Constitution da beschwören, wo sie votirt worden sei.

Der vom König bestimmte Tag war der 15. September.

Die Nationalversammlung empfing diese Mitteilung mit einstimmigem Beifallsrufe.

Der König kam zu ihr!

In einem Aufschwunge von Begeisterung erhob sich Lafayette und verlangte eine allgemeine Amnestie für diejenigen, welche die Flucht des Königs begünstigt zu haben beschuldigt waren.

Die Nationalversammlung beschloß die Amnestie durch Acclamation.

Diese Wolke, welche einen Augenblick den Himmel von Gilbert und Andrée verdüstert hatte, zerstreute sich also, nachdem sie sich kaum gebildet.

Eine Deputation von sechzig Mitgliedern wurde ernannt, um dem König für seinen Brief zu danken.

Der Siegelbewahrer stand auf und eilte fort, um dem König diese Deputation anzukündigen.

An demselben Morgen hatte ein Beschluß den heiligen Geist Orden aufgehoben und den König allein ermächtigt, dieses Band, das Emblem der hohen Aristokratie, zu tragen.

Die Deputation fand den König nur mit dem Kreuze des St. Ludwigs Ordens decoriert, und als Ludwig XVI. wahrnahm, welche Wirkung auf die Abgeordneten die Abwesenheit des blauen Bandes hervorbrachte, sprach er:

»Meine Herren, Sie haben heute Morgen den heiligen Geist-Orden aufgehoben und ihn mir allein vorbehalten; da aber ein Orden, welcher es auch sein mag, in meinen Augen keinen andern Werth hat, als den, mitgeheilt werden zu können, so halte ich ihn von heute an als aufgehoben für mich, wie für die Anderen.«

Die Königin, der Dauphin und Madame Royale blieben bei der Thüre stehen; die Königin bleich, die Zähne an einander gepreßt, alle Fibern bebend; Madame Royale schon leidenschaftlich, heftig, hoffärtig, empfindlich für die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Demüthigungen; – der Dauphin sorglos wie ein Kind; nur schien er durch sein Lächeln und durch die Bewegung, die er sich gab, eine lebende Person in einer Marmorgruppe zu sein.

Der König hatte ein paar Tage vorher zu Herrn von Montmorin gesagt:

»Ich weiß wohl, daß ich verloren bin. Alles, was man fortan zu Gunsten des Königthums versuchen wird, versuche man für meinen Sohn.«

Ludwig XVI. beantwortete mit einer scheinbaren Aufrichtigkeit die Rede der Deputation.

Als er geendigt hatte, wandte er sich gegen die Königin und die königliche Familie und sprach:

»Hier sind meine Frau und meine Kinder; sie theilen alle meine Gefühle.«

Ja, Frau und Kinder theilten sie, denn als die Deputation, der der König mit einem besorgten, die Königin mit einem gehässigen Blicke folgten, sich entfernt hatte, näherten sich die zwei Gatten einander, Marie Antoinette legte ihre weiße, marmorkalte Hand auf den Arm des Königs und sagte:

»Diese Leute wollen keine Fürsten mehr, Sie reißen die Monarchie Stein um Stein nieder, und aus diesen Steinen machen sie uns ein Grabmahl!«

Sie täuschte sich, die unglückliche Frau! Im Sarge der Armen beerdigt, sollte sie nicht einmal ein Grabmahl haben!

Das aber, worin sie sich nicht täuschte, waren diese Angriffe aller Tage auf das königliche Prärogativ.

Herr von Malonet war Präsident der Nationalversammlung; das war ein Vollblutroyalist, doch er hielt sich für verpflichtet, in Berathschlagung zu bringen, ob die Versammlung stehend oder sitzend bleiben sollte, während der König den Eid sprechen würde.

»Sitzend! sitzend!« rief man von allen Seiten.

»Und der König?« fragte Herr von Malonet.

»Stehend und mit entblößtem Haupte!« rief eine Stimme.

Die ganze Versammlung schauerte.

Diese Stimme war vereinzelt, aber entschieden, stark, klangvoll; es schien die Stimme des Volkes zu sein, die sich nur allein hören läßt, um besser gehört zu werden.

Der Präsident erbleichte.

Wer hatte diese Worte gesprochen? Waren sie vom Saale oder von den Tribünen ausgegangen?

Gleichviel! sie hatten eine solche Macht, daß der Präsident genöthigt war, darauf zu antworten.

»Meine Herren,« sprach er, »es gibt keinen Umstand, wo die in Gegenwart des Königs versammelte Nation ihn nicht als ihr Oberhaupt anerkennt. Leistet der König seinen Eid stehend, so verlange ich, daß ihn die Versammlung in derselben Haltung anhört.«

Da ließ sich dieselbe Stimme vernehmen.

»Ich habe ein Amendement vorzuschlagen, das alle Welt in Einklang bringen wird, sagte sie. »Beschließen wir, daß es Herrn von Malonet und Jedem, der diese Stellung vorzieht, erlaubt sein soll, den König auf den Knieen anzuhören; lassen Sie uns aber den Antrag aufrecht erhalten.«

Der Antrag wurde beseitigt.

Am Tage nach dieser Discussion sollte der König den Eid leisten.

Der Saal war gedrängt voll; auf den Tribunen war jeder Raum von Zuschauern besetzt.

Um Mittag verkündigte man die Ankunft des Königs.

Der König sprach stehend; die Nationalversammlung hörte stehend; als die Rede gesprochen war, unterzeichnete man die Verfassungsurkunde, und Jedermann setzte sich.

Da erhob sich der Präsident, – es war Thouret – um seine Rede zu halten; doch nach den ersten paar Sätzen, als er sah, daß der König nicht aufstand, setzte er sich auch wieder.

Diese Handlung rief ein gewaltiges Beifallklatschen der Tribunen hervor.

Bei dem mehrere Male wiederholten Beifallklatschen erbleichte der König unwillkürlich.

Er zog sein Schnupftuch aus der Tasche und wischte sich den Schweiß ab, der von seiner Stirne rieselte.

Die Königin wohnte der Sitzung in einer besonderen Loge bei; sie konnte es nicht länger aushalten, stand auf, ging hinaus, warf heftig die Thüre zu und ließ sich wieder nach den Tuilerien führen.

Sie kam in ihre Gemächer zurück, ohne ein einziges Wort, selbst zu ihren Vertrautesten, zu sagen. Seit Charny nicht mehr bei ihr war, schluckte ihr Herz die Galle ein, gab sie aber nicht mehr von sich.

Der König kam eine halbe Stunde nach ihr zurück.

»Die Königin?« fragte er sogleich,

Man bezeichnete ihm, wo sie war.

Ein Huissier wollte ihm vorangehen.

Er hieß ihn durch einen Wink beiseit bleiben, öffnete selbst die Thüren und erschien plötzlich auf der Schwelle des Zimmers, wo sich die Königin befand.

Er war so bleich, so entstellt, der Schweiß floß in so großen Tropfen von seiner Stirne, daß die Königin, als sie ihn erblickte, rasch aufstand und einen Schrei ausstieß.

»Oh! Sire,« sagte sie, »was ist denn geschehen?« Der König warf sich, ohne zu antworten, in einen Lehnstuhl und brach in ein Schluchzen aus.

»Oh! Madame,« rief er, »warum haben Sie dieser Sitzung beigewohnt? Mußten Sie Zeuge meiner Demüthigung werden? Habe ich Sie hierzu, unter dem Vorwande, Königin zu sein, nach Frankreich kommen lassen?«

Ein solcher Ausbruch von Seiten Ludwigs XVI. war um so herzzerreißender, als es eine höchst seltene Erscheinung. Die Königin konnte nicht an sich halten, sie lief auf den König zu und sank vor ihm auf die Kniee.

In diesem Augenblicke machte das Geräusch einer Thüre, die man öffnete, daß sie sich umwandte, Madame Campan trat ein.

Die Königin streckte den Arm gegen sie aus und rief:

»Oh! lassen Sie uns, Campan, lassen Sie uns!«

Madame Campan täuschte sich nicht in dem Gefühle, das die Königin veranlaßte, sie zu entfernen. Sie zog sich ehrerbietig zurück, doch vor der Thüre stehend, hörte sie noch lange die beiden Gatten durch ihr Schluchzen unterbrochene Worte austauschen.

Endlich schwiegen die Sprechenden, das Schluchzen besänftigte sich; nach einer halben Stunde wurde die Thüre wieder geöffnet und die Königin rief selbst Madame Campan.

»Campan,« sagte sie, »übernehmen Sie es, diesen Brief Herrn von Malden zuzustellen; er ist an meinen Bruder Leopold adressirt. Herr von Malden soll unverzüglich nach Wien abreisen; dieser Brief muß vor der Kunde von dem, was heute vorgefallen ist, dort ankommen. Braucht er ein paar hundert Louis d’or, so geben Sie ihm dieselben; ich werde sie Ihnen wiedergeben.«

Madame Campan nahm den Brief und ging hinaus. Zwei Stunden nachher reiste Herr von Malden nach Wien ab.

Das Schlimmste bei Allem dem war, daß man lächeln, schmeicheln, eine heilere Miene haben mußte.

Den ganzen Tag waren die Tuilerien gefüllt von einer zahllosen Menge. Am Abend funkelte die ganze Stadt von Beleuchtungen. Man lud den König und die Königin ein, auf den Champs-Elysées, unter dem Geleite der Adjutanten und der Chefs der Pariser Armee, spazieren zu fahren.

Kaum erschienen sie, als die Rufe: »Es lebe der König!« und: »Es lebe die Königin!« hörbar wurden. Doch in einem Zwischenraume, wo diese Rufe erloschen und der Wagen angehalten hatte, sagte ein Mann mit wildem Gesichte, der mit gekreuzten Armen beim Fußtritte stand:

»Glaubt ihnen nicht! Es lebe die Nation!«

Der Wagen fuhr im Schritt weiter, doch der Mann aus dem Volke stützte seine Hand auf den Schlag, ging beständig neben dem Wagen, und so oft das Volk: »Es lebe der König! es lebe die Königin!« rief, wiederholte er mit seiner scharfen Stimme:

»Glaubt ihnen nicht . . . Es lebe die Nation!«

Die Königin kehrte zurück, das Herz zermalmt von dem unablässigen Hammerstreich, der mit dem periodischen Wesen der Halsstarrigkeit und des Hasses schlug.

Vorstellungen organisirten sich in den verschiedenen Theatern: einmal in der großen Oper, sodann in der Comédie-Française und bei den Italienern.

In der Oper und bei den Français machte man den Saal, und der König und die Königin wurden mit einstimmigen Acclamationen empfangen; als man aber dieselben Vorsichtsmaßregeln bei den Italienern nehmen wollte, war es nicht mehr Zeit: das Parterre war schon in Masse gemiethet.

Man begriff, es werde bei den Italienern nicht sein wie in der Oper und in der Comédie Française, und es werde dort wahrscheinlich Lärm geben.

Die Furcht verwandelte sich in Gewißheit, als man sah, wie das Parterre zusammengesetzt war.

Danton, Camille, Desmoulins, Legendre, Santerre nahmen hier die ersten Plätze ein. In dem Augenblicke, wo die Königin in ihre Loge trat, versuchten es die Gallerien, Beifall zu klatschen.

Das Parterre zischte.

Die Königin tauchte mit Angst ihren Blick in diesen vor ihr gähnenden Krater: sie sah, wie durch eine Flammenatmosphäre, Augen voller Zorn und Drohung.

Sie kannte keinen von diesen Menschen von Gesicht, Einige nicht einmal dem Namen nach.

»Mein Gott! was habe ich ihnen denn gethan?« fragte sie sich, indem sie ihre Bangigkeit unter einem Lächeln zu verbergen suchte, »und warum hassen sie mich so?«

Plötzlich heftete sich ihr Blick mit Schrecken auf einen Mann, der an einer der Säulen stand, auf denen die Gallerie ruhte.

Dieser Mann schaute sie mit entsetzlicher Starrheit an.

Es war der Mann vom Schlosse Taverney, der Mann von der Rückkehr von Sèvres, der Mann vom Tuilerien-Garten; es war der Mann mit den drohenden Worten, mit den geheimnißvollen, furchtbaren Handlungen.

Sobald einmal die Augen der Königin auf diesem Manne verweilten, konnten sie sich nicht mehr von ihm abwenden. Er übte auf sie die Zaubermacht, welche die Schlange auf den Vogel übt.

Das Schauspiel fing an; die Königin machte eine Anstrengung, brach den Zauber, und es gelang ihr, den Kopf abzuwenden und auf die Bühne zu schauen.

Man gab die Unvorhergesehenen Ereignisse von Grétry.

Doch wie sehr sich Marie Antoinette auch anstrengte, um ihren Geist von dem geheimnißvollen Manne abzuziehen, unwillkürlich und wie durch die Wirkung einer magnetischen Kraft, welche stärker als ihr Wille, wandte sie sich wieder um und schleuderte ihren erschrockenen Blick in dieser einzigen Richtung.

Und der Mann stand unablässig an demselben Platze, – unbeweglich, spöttisch, höhnisch. Das war ein schmerzlicher, unseliger Druck, etwas, im Wachen, dem Aehnliches, was der Alp bei Nacht ist.

Es schwamm eine Art von Elektricität in der Luft. Diese zwei schwebenden Grimme mußten unfehlbar zusammenstoßen, wie in den Gewittertagen im August zwei von beiden Extremitäten des Horizonts kommende Wolken, und wie diese zwei zusammenstoßenden Wolken den Blitz, wenn nicht gar den Donnerstrahl entfesseln.

 

Die Gelegenheit bot sich bald.

Madame Dugazon, diese reizende Frau, hatte ein Duett mit dem Tenor zu singen, und in diesem Duett sang sie die Verse:

 
»Oh! wie lieb’ ich meine Herrin!«
 

Das muthige Geschöpf trat rasch vorne auf die Bühne, erhob die Arme und die Augen zur Königin und warf die verhängnißvolle Herausforderung hin.

Die Königin begriff, daß hier der Sturm war.

Sie wandte sich erschrocken ab, und ihre Augen richteten sich unwillkürlich auf den Mann der Säule.

Sie glaubte ihn ein Zeichen des Befehls machen zu sehen, dem das ganze Parterre gehorchte.

In der That, mit einer Stimme, mit einer furchtbaren Stimme rief das Parterre:

»Keinen Herrn mehr! keine Herrin mehr! Freiheit!«

Doch auf diesen Ruf antworteten Logen und Gallerien!

»Es lebe der König! es lebe die Königin! es leben unser Herr und unsere Herrin!«

»Keinen Herrn mehr! keine Herrin mehr! Freiheit! Freiheit! Freiheit!« brüllte zum zweiten Male das Parterre.

Als sodann diese doppelte Kriegserklärung hingeschlendert und angenommen war, begann der Kampf.

Die Königin stieß einen Angstschrei aus und schloß die Augen; sie fühlte nicht mehr die Kraft, in sich, diesen Dämon anzuschauen, der der König der Unordnung, der Geist der Vernichtung zu sein schien.

In demselben Augenblick umschlossen sie die Officiere der Nationalgarde, machten ihr einen Wall aus ihren Leibern und zogen sie aus dem Saale fort.

Doch in den Gängen verfolgte sie unaufhörlich das Geschrei:

»Keinen Herrn mehr! keine Herrin mehr! keinen König mehr! keine Königin mehr!«

Man trug sie ohnmächtig in ihren Wagen.

Es war dies das letzte Mal, daß die Königin ins Theater ging.

Am 30. September erklärte die Nationalversammlung, durch das Organ ihres Präsidenten Thouret, sie habe ihre Mission erfüllt, und schloß ihre Sitzungen.

Wir geben hier mit ein paar Zeilen das Resultat ihrer Arbeiten, welche zwei Jahre und vier Monate gedauert hatten:

Die völlige Desorganisation der Monarchie;

Die Organisation der Volksgewalt;

Die Vernichtung aller adeligen und geistlichen Privilegien;

Zwölfhundert Millionen Assignate dekretiert;

Die Nationalgüter mit Hypotheken beschwert;

Die Glaubensfreiheit anerkannt;

Die klösterlichen Gelübde aufgehoben;

Die geheimen Verhaftsbefehle vernichtet;

Die Gleichheit der öffentlichen Aemter festgestellt;

Die inneren Dounanen unterdrückt;

Die Nationalgarde eingeführt;

Endlich, die Constitution votiert und der Annahme des Königs unterworfen.

Man hätte sehr traurige Vorhersehungen haben müssen, um, – als König oder Königin von Frankreich, – zu glauben, man habe mehr von der Nationalversammlung zu befürchten, welche zusammentreten sollte, als von der, welche sich aufgelöst.