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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CVI
Der Kelch

Als die Königin wieder zu sich kam, befand sie sich in ihrem Schlafzimmer in den Tuilerien.

Frau von Misery und Madame Campan, ihre zwei Lieblingsfrauen, waren an ihrer Seite.

Mit dem ersten Schrei fragte sie nach dem Dauphin.

Der Dauphin befand sich in seinem Zimmer und lag in seinem Bette, bewacht von Frau von Tourzel, seiner Gouvernante, und Madame Brunier, seiner Kammerfrau.

Diese Versicherung genügte der Königin nicht: sie erhob sich sogleich und lief noch ganz in Unordnung, wie sie war, in die Wohnung ihres Sohnes.

Das Kind hatte gewaltig Angst gehabt und viel geweint, doch seine Bangigkeiten waren beschwichtigt, und es schlief.

Nur beunruhigten leichte Schauer seinen Schlaf.

Die Königin blieb lange, an die Säule seines Bettes angelehnt, die Augen auf den Knaben geheftet, stehen und schaute ihn durch ihre Thränen an.

Die entsetzlichen Worte, die jener Mann leise zu ihr gesagt: »Ich bedarf Deiner, um die Monarchie an ihren letzten Abgrund zu treiben, darum rette ich Dich,« tosten unablässig in ihrem Ohre fort.

Es wahr also wahr? sie trieb also die Monarchie zum Abgrunde?

Das mußte so sein, da ihre Feinde über ihrem Leben wachten, weil sie sich auf Marie Antoinette verließen, daß sie das Werk der Zerstörung besser vollführe, als sie selbst.

Würde dieser Abgrund, an den sie die Monarchie trieb, sich wieder schließen, nachdem er den König, sie und den Thron verschlungen? Müßte sie in den Schlund nicht auch ihre zwei Kinder werfen? War es nicht in den Religionen des Alterthums nur die Unschuld, was die Götter entwaffnete?

Allerdings hatte der Herr das Opfer Abrahams nicht angenommen; doch er hatte das von Jephta angenommen.

Das waren finstere Gedanken für eine Königin, noch finsterer für eine Mutter.

Endlich schüttelte sie den Kopf und ging mit langsamen Schritten in ihre Wohnung zurück.

Hier erst dachte sie an die Unordnung in ihrem Aeußeren.

Ihre Kleider waren zerknittert und an mehreren Stellen zerrissen; ihre Schuhe waren von den spitzigen Kieselsteinen, auf denen sie gegangen, durchlöchert worden, und ihre ganze Person war mit Staub bedeckt.

Sie verlangte andere Schuhe und ein Bad.

Barnave war zweimal da gewesen, um sich nach ihr zu erkundigen.

Als sie ihr diesen Besuch meldete, schaute Madame Campan die Königin mit Erstaunen an.

»Sie werden ihm freundlichst danken,« sagte Marie Antoinette.

Madame Campan schaute sie noch mehr erstaunt an.

»Wir haben große Verbindlichkeiten gegen diesen jungen Mann, Madame,« sprach die Königin, die sich wider ihre Gewohnheit herbei ließ, eine Erklärung ihres Gedankens zu geben.

»Mir schien aber, Herr Barnave sei ein Demokrat, ein Mensch aus dem Volke, dem alle Mittel gut gewesen, um dahin zu gelangen, wo er nun ist,« wagte die Kammerfrau zu bemerken.

»Alle Mittel, die das Talent bietet, ja, Madame, das ist wahr,« versetzte die Königin; »aber behalten Sie wohl, was ich Ihnen sagen werde: ich entschuldige Barnave; ein Gefühl des Ehrgeizes, das ich nicht zu tadeln vermöchte, hat ihn Alles das beklatschen lassen, was den Weg zum Ruhme für die Classe ebnete, in der er geboren, ist. Keine Verzeihung für die Adeligen, die sich in die Revolution geworfen haben! Kehrt aber die Macht wieder in unsere Hände zurück, so ist Barnave die Verzeihung zum Voraus bewilligt. Gehen Sie und suchen Sie Nachricht über die Herren von Valory und von Malden zu erhalten.«

Das Herz der Königin fügte diesen zwei Namen den des Grafen bei, doch ihre Lippen weigerten sich, ihn auszusprechen.

Man meldete ihr, das Bad sei bereit.

Während der Zeit, die seit dem Besuche der Königin beim Dauphin verlaufen war, hatte man überallhin selbst vor die Thüre ihres Ankleidecabinets, selbst vor die ihres Badezimmers Schildwachen gestellt.

Die Königin brachte es mit großer Mühe dahin, daß diese Thüre geschlossen bleiben sollte, während sie ihr Bad nehmen würde.

Was Prudhomme in seinem Journal Revolutions de Paris sagen ließ:

»Einige gute Patrioten, in denen das Gefühl des Königthums nicht das des Mitleids erstickt hat, schienen besorgt über den moralischen und physischen Zustand von Ludwig XVI, und seiner Familie nach einer so unglücklichen Reise, wie es die von Sainte-Menehould war.

»Sie mögen sich beruhigen! Unser Ehemaliger befand sich am Samstag Abend, da er in seine Gemächer zurückkam, nicht mehr unwohl, als bei der Heimkehr von einer ermüdenden Jagd; er verschlang wie gewöhnlich sein Huhn. Am andern Tage, nach Beendigung seines Mittagsmahles, spielte er mit seinem Sohne.

»Was die Mutter betrifft, sie nahm ein Bad bei ihrer Ankunft; es war ihr erster Befehl, daß sie Schuhe verlangte, wobei sie geflissentlich zeigte, die von ihrer Reise seien durchlöchert; sie benahm sich sehr leicht gegen die ihrer Bewachung vorgesetzten Officiere, fand es lächerlich und unschicklich, daß sie sich gezwungen sehe, die Thüre ihres Badezimmers und die ihres Schlafzimmers offen zu lassen.«

Seht doch das Ungeheuer, das die Schändlichkeit begeht, bei seiner Ankunft ein Huhn zu essen und am andern Tage mit seinem Sohne zu spielen!

Seht doch diese Sybaritin, die ein Bad nach fünf Tagen im Wagen und drei Nächten im Wirthshause nimmt!

Seht doch die Verschwenderin, welche Schuhe verlangt, weil die von ihrer Reise durchlöchert sind!

Seht doch die Messalina, welche, da sie es unschicklich und lächerlich findet, sich gezwungen zu sehen, die Thüre ihres Badezimmers und die ihres Schlafzimmers offen zu lassen, die Schildwachen um Erlaubniß bittet, diese Thüren schließen zu dürfen!

Ah! Herr Journalist, Sie haben mir ganz den Anschein, als äßen Sie Huhn nur an den vier großen Festtagen des Jahrs, als hätten Sie keine Kinder, als nähmen Sie kein Bad, und als gingen Sie in Ihre Loge der Nationalversammlung mit durchlöcherten Schuhen!

Auf die Gefahr des Aergernisses, das die Sache bereiten könnte, bekam die Königin ihr Bad, und sie brachte es, wie gesagt, dahin, daß die Thüre geschlossen blieb.

Die Schildwache verfehlte auch nicht, Madame Campan eine Aristokratin zu nennen, in dem Augenblick, wo sie, nachdem sie Erkundigungen eingezogen, in das Badezimmer zurückkehrte.

Die Nachrichten waren nicht so unglücklich, als man hätte glauben sollen.

Bei ihrer Ankunft an der Barrière hatten Charny und seine zwei Gefährten einen Plan entworfen: dieser Plan hatte zum Zwecke, einen Theil der Gefahren, welche der König und die Königin liefen, dadurch abzulenken, daß sie dieselben sich zuziehen würden. Dem zu Folge wurde verabredet, daß sich, sobald der Wagen angehalten, der Eine rechts werfen sollte, der Andere links, und der, welcher die Mitte inne hatte, vorwärts; aus diese Art würde man die Schaar der Mörder theilen, und, indem man sie nöthigte, drei entgegengesetzte Fährten zu verfolgen, drei verschiedene Jagden herbeiführen; vielleicht bliebe dann ein Weg, auf welchem der König und die Königin frei das Schloß erreichen würden.

Der Wagen hielt, wie wir wohl erwähnt, über dem ersten Bassin, bei der großen Terrasse des Schlosses, an. Die Hast der Mörder war so groß, daß zwei derselben, indem sie dem Wagen entgegenstürzten, sich schwer verwundeten. Einen Augenblick gelang es den außen am Bocke sitzenden Grenadieren, die drei Officiere zu beschützen; bald aber, nachdem man sie zu Boden gezogen, ließen sie die Letzteren wehrlos zurück.

Das war der Augenblick, den sie wählten; alle Drei sprangen hinab, jedoch nicht so rasch, daß sie nicht bei ihrem Sprunge fünf bis sechs Menschen niederwarfen, welche auf die Räder und die Fußtritte stiegen, um sie von ihren Sitzen zu reißen. Da verzettelte sich, wie sie es sich gedacht hatten, der Zorn des Volkes auf drei Punkte.

Kaum auf der Erde, befand sich Herr von Malden unter der Axt von zwei Sapeurs. Die beiden Aexte waren aufgehoben und suchten nur ein Mittel, ihn allein zu treffen. Er machte eine rasche, heftige Bewegung, durch welche er die Menschen, die ihn am Kragen hielten, von sich entfernte, so daß er sich abermals vereinzelt sah.

Dann kreuzte er die Arme und rief:

»Schlagt zu!«

Eine von den beiden Aexten blieb aufgehoben. Der Muth des Opfers lähmte den Mörder.

Die andere fiel blutdürstig, doch im Fallen begegnete sie einem Musketon, dessen Lauf sie abweichen machte, und nur die Spitze traf Herrn von Malden an den Hals und brachte ihm eine leichte Wunde bei.

Dann drang er unerschrocken in die Menge ein, die sich öffnete; doch nach einigen Schritten wurde er von einer Gruppe von Officieren in Empfang genommen, die ihn, da sie ihn retten wollten, gegen das Spalier der Nationalgarde fortschoben, welches Spalier für den König und die königliche Familie einen bedeckten Weg vom Wagen zum Schlosse bildete. In diesem Augenblick erschaute ihn der General Lafayette; schleunigst ritt er auf ihn zu, faßte ihn beim Kragen und zog ihn an seinen Steigbügel, um ihn gewisser Maßen durch seine Popularität zu beschirmen; Herr von Malden aber, der ihn erkannte, rief ihm zu:

»Weichen Sie von mir, mein Herr, sorgen Sie nur für die königliche Familie und überlassen Sie mich der Canaille.»

Herr von Lafayette ließ ihn in der That los und sprengte, da er einen Menschen die Königin forttragen sah, auf die Seite dieses Menschen.

Nun wurde Herr von Malden niedergeworfen, wieder aufgehoben, von den Einen angegriffen, von den Andern vertheidigt, und rollte so bedeckt mit Quetschungen, Wunden und Blut fort bis zur Thüre des Schlosses; hier packte ihn ein Officier vom Dienste, der ihn dem Unterliegen nahe sah, beim Kragen, riß ihn an sich und rief:

»Es wäre Schade, wenn ein solcher Wicht eines so sanften Todes sterben würde. Für einen Schuft dieser Art muß man eine besondere Marter erfinden, Ueberlaßt ihn mir, ich nehme ihn auf mich!«

 

Und er schmähte Herrn von Malden fortwährend und sagte zu ihm: »Komm, Schurke! komm hierher; Du sollst es mit mir zu thun haben!« zog ihn aber mittlerweile bis zu einem dunkleren Orte fort, wo er ihm zuflüsterte:

»Fliehen Sie, mein Herr, und verzeihen Sie die List, die ich habe gebrauchen müssen, um Sie den Händen dieser Elenden zu entreißen.«

Da eilte Herr von Malden aus die Treppen des Schlosses und verschwand.

Etwas ungefähr Aehnliches trug sich mit Herrn von Valory zu; er bekam zwei bedeutende Wunden am Kopfe; doch in dem Augenblick, wo sich zwanzig Bajonnete, zwanzig Säbel, zwanzig Dolche erhoben, um seinem Leben ein Ende zu machen, stürzte Pétion herbei, stieß die Mörder mit der ganzen Stärke, mit der er begabt war, zurück und rief:

»Im Namen der Nationalversammlung erkläre ich Euch für unwürdig des Namens von Franzosen, wenn Ihr nicht auf der Stelle zurückweicht und mir diesen Menschen überlaßt! Ich bin Pétion!«

Und Pétion, der unter einer etwas rauhen Hülle eine große Redlichkeit, ein muthiges und loyales Herz verbarg, strahlte, indem er diese Worte sagte, dergestalt in den Augen der Mörder, daß sie zurückwichen und ihm Herrn von Valory überließen.

Er führte den jungen Mann, indem er ihn unterstützte, – denn ganz betäubt von den Streichen, die er bekommen, konnte sich Herr von Valory kaum aufrecht halten, – er führte ihn dann bis zum Spalier der Nationalgarden und übergab ihn hier dem Adjutanten Mathieu Dumas, der mit seinem Kopfe für ihn haftete und ihn in der That unter seinem Schutze ins Schloß brachte.

In diesem Momente hörte Pétion die Stimme von Barnave. Barnave rief um Hilfe, da er nicht mehr genügte, um Charny zu vertheidigen.

Von zwanzig Armen ausgehoben, niedergeworfen, im Staube fortgeschleppt, hatte sich der Graf wieder aufgerichtet, ein Bajonnet von einer Flinte gerissen und stieß mit aller Macht gegen die Menge, die ihn umgab.

Doch in diesem ungleichen Kampfe müßte er bald unterlegen sein, wären ihm nicht Barnave und dann Pétion zu Hilfe geeilt.

Die Königin hörte diese Erzählung in ihrem Bade an; aber Madame Campan, die ihr dies erzählte, konnte ihr sichere Nachrichten nur von den Herren von Valory und von Malden geben, die man im Schlosse gequetscht, blutig, jedoch im Ganzen ohne gefährliche Wunden, gesehen.

Von Charny wußte man nichts Bestimmtes; man sagte wohl, er sei durch die Herren Pétion und Barnave gerettet worden, doch mau hatte ihn nicht ins Schloß zurückkehren sehen.

Bei diesen letzten Worten von Madame Campan überzog eine solche tödtliche Blässe das Gesicht der Königin, daß die Kammerfrau, im Glauben, diese Blässe rühre von der Furcht her, es sei dem Grafen Unglück widerfahren, ausrief:

»Oh! Ihre Majestät darf nicht an der Rettung von Herrn von Charny verzweifeln; die Königin weiß, daß die Gräfin Charny in Paris wohnt, und vielleicht hat sich der Graf zu seiner Frau geflüchtet.«

Gerade dieser Gedanke war Marie Antoinette gekommen und hatte sie so gräßlich erbleichen gemacht.

Sie sprang aus dem Bade und rief:

»Kleiden Sie mich an, Campan! kleiden Sie mich rasch an! ich muß durchaus wissen, was aus dem Grafen geworden ist!«

Aus welchem Grafen?« fragte Frau von Misery eintretend.

»Aus dem Grafen von Charny!« rief die Königin.

»Der Graf von Charny ist im Vorzimmer Ihrer Majestät und bittet um die Ehre einer kurzen Unterredung mit ihr, sagte Frau von Misery.

»Ah!« murmelte die Königin, »er hat also sein Wort gehalten!«

Die zwei Frauen schauten einander an, denn sie wußten nicht, was die Königin sagen wollte, welche keuchend, unfähig, ein Wort mehr zu sprechen, ihnen durch einen Wink bedeutete, sie sollen sich beeilen.

Der Lanzenstich.


Nie war eine Toilette rascher beendigt. Allerdings beschränkte sich Marie Antoinette darauf, ihre Haare, die sie, um den Staub herauszubringen, mit einem wohlriechenden Wasser hatte waschen lassen, einfach zu drehen und über ihr Hemd ein weites Gewand von weißer Mousseline anzuziehen.

Als sie in ihr Zimmer zurückkam und den Grafen von Charny einzuführen befahl, war sie so weiß wie ihr Gewand.

CVII
Der Lanzenstich

Nach einigen Secunden meldete der Kammerdiener den Grafen von Charny, und dieser erschien im Thürrahmen, beleuchtet vom goldenen Reflexe eines Strahls der untergehenden Sonne.

Er hatte auch, wie die Königin, die Zeit, welche seit seiner Rückkehr ins Schloß verlaufen war, dazu verwendet, die Spuren dieser langen Reise und des furchtbaren Kampfes, den er bei seiner Ankunft ausgehalten, verschwinden zu machen.

Er hatte seine alte Uniform, das heißt das Costume eines Fregatten-Kapitäns mit den rothen Revers und dem Spitzenjabot wieder angezogen.

Das war dasselbe Costume, welches er an dem Tage trug, wo er die Königin und Andrée von Taverney auf dem Platze des Palais-Royal traf, und wo er Beide, nachdem er sie zu einem Fiacre geführt, nach Versailles zurückgeleitete.

Nie war er so elegant, so ruhig, so schön gewesen, und die Königin, als sie ihn erblickte, konnte kaum glauben, es sei dies derselbe Mann, der eine Stunde vorher vom Volke beinahe in Stücke zerrissen und zerhauen worden wäre.

»Oh! mein Herr,« rief die Königin, »man mußte Ihnen sagen, wie sehr ich um Sie besorgt war, und wie ich nach allen Seiten schickte, um mich nach Ihnen erkundigen zu lassen.«

»Ja, Madame,« erwiderte Charny sich verbeugend; »doch glauben Sie mir, ich bin nicht in meine Wohnung zurückgekehrt, ohne mich zuvor bei Ihren Frauen versichert zu haben, daß Sie auch gesund und unversehrt sind.«

»Man behauptet, Sie verdanken das Leben Herrn Pétion und Herrn Barnave; ist das wahr, und sollte ich diese neue Verbindlichkeit gegen den Letzteren haben?«

»Das ist wahr, Madame, und ich bin sogar Herrn Barnave doppelt zu Dank verpflichtet; denn er, der mich nicht verlassen wollte, bis ich in meinem Zimmer wäre, hatte die Güte, mir zu sagen, Sie haben sich unter Weges mit mir beschäftigt.«

»Mit Ihnen, Graf! und aus welche Art?«

»Indem Sie dem König die Besorgnisse auseinandersetzten, welche, wie Sie dachten, Ihre alte Freundin während meiner Abwesenheit haben müsse . . .  Ich bin weit entfernt, an die Lebhaftigkeit dieser Besorgnisse zu glauben; jedoch  . . . «

Er hielt inne, denn es schien ihm, die Königin, die schon so bleich, erbleiche noch mehr.

»Jedoch?« wiederholte die Königin.

»Ohne in seinem ganzen Umfang den Urlaub anzunehmen, den Eure Majestät mir anzubieten beabsichtigte, glaube ich jedoch in der That, daß es nun, da ich über das Leben des Königs, über das Ihrige und das Ihrer erhabenen Kinder beruhigt bin, schicklich ist, wenn ich in Person der Frau Gräfin von Charny Nachricht von mir gebe.«

Die Königin drückte ihre linke Hand an ihr Herz, als hätte sie sich versichern wollen, daß dieses Herz nicht gestorben an dem Schlage, den es empfangen, und mit einer durch die Trockenheit ihrer Kehle fast erstickten Stimme sprach sie:

»Ei! mein Herr, das ist m der That nur zu billig, und ich frage mich, wie Sie so lange haben warten können, um diese Pflicht zu erfüllen.«

»Die Königin vergißt, daß ich ihr mein Wort gegeben, ich werde die Gräfin ohne ihre Erlaubniß nicht wiedersehen.«

»Und um diese Erlaubniß wollen Sie mich ersuchen?«

»Ja, Madame, und ich bitte Eure Majestät inständig, sie mir zu bewilligen.«

»Sonst würden Sie sich in Ihrem glühenden Eifer, Frau von Charny wiederzusehen, derselben überheben, nicht wahr?«

»Ich glaube, daß die Königin ungerecht gegen mich ist,« erwiderte Charny. »In dem Augenblick, wo ich Paris verließ, dachte ich es für lange Zeit, wenn nicht für immer, zu verlassen. Während dieser ganzen Reise habe ich menschlich Alles gethan, was zu thun in meiner Macht lag, damit die Reise glücke. Es ist nicht meine Schuld, Eure Majestät erinnere sich dessen, wenn ich nicht, wie mein Bruder, in Varennes das Leben gelassen habe, oder, wie Herr von Dampierre, in Stücke gehauen worden bin, auf der Landstraße oder im Tuilerien-Garten  . . .  Hätte ich die Freude gehabt, Eure Majestät über die Grenze zu fuhren, oder die Ehre, für sie zu sterben, so verbannte ich mich oder starb ich, ohne die Gräfin wiederzusehen. Doch ich wiederhole Eurer Majestät, nach Paris zurückgekehrt, kann ich der Frau, die meinen Namen trägt, – und Sie wissen, wie sie ihn trägt! – nicht dieses Zeichen von Gleichgültigkeit geben, daß ich ihr keine Kunde von mir bringe, besonders da mein Bruder Isidor nicht mehr lebt, um mich zu ersetzen . . .  Uebrigens hat sich entweder Herr von Barnave getäuscht, oder es war dies vorgestern noch die Meinung Eurer Majestät.«

Die Königin ließ ihren Arm an der Lehne ihres Canapé hinabgleiten, machte mit der ganzen Hohe ihres Leibes eine Bewegung, die sie Charny näher brachte, und sagte:

»Sie lieben diese Frau also sehr, daß Sie mir kalt einen solchen Schmerz bereiten?«

»Madame,« erwiderte Charny, »es sind bald sechs Jahre, daß Sie selbst in einem Augenblicke, wo ich nicht daran dachte, weil für mich nur eine Frau auf der Erde existirte und diese Frau Gott so hoch über mich gestellt hatte, daß ich sie nicht erreichen konnte, – es sind bald sechs Jahre, daß Sie mir zur Gattin Fräulein Andrée von Taverney gegeben haben. Seit diesen sechs Jahren hat meine Hand nicht zweimal die ihrige berührt; ich habe ohne Nothwendigkeit nicht zehnmal mit ihr gesprochen, und unsere Blicke sind sich nicht zehnmal begegnet. Mein Leben war in Anspruch genommen, erfüllt von einer andern Liebe, beschäftigt durch die tausend Sorgen, durch die tausend Arbeiten, durch die tausend Kämpfe, die das Dasein des Mannes bewegen. Ich habe bei Hose gelebt, die großen Wege durchschritten, für meinen Theil und mit dem Faden, den der König mir anzuvertrauen die Gnade hatte, die riesige Intrigue angeknüpft, welche so eben vom Verhängniß gelöst worden ist; ich habe aber die Tage nicht gezählt, ich habe die Monate nicht gezählt, ich habe die Jahre nicht gezählt; die Zeit verging um so rascher, als ich mit allen diesen Neigungen, mit allen diesen Sorgen, mit allen diesen Intriguen, die ich genannt, beschäftigt war. Doch nicht so war es bei der Gräfin von Charny. Seitdem sie den Schmerz gehabt hat, Sie zu verlassen, nachdem sie ohne Zweifel so unglücklich gewesen ist, Ihnen zu mißfallen, lebt sie allein, vereinzelt, verloren in dem Pavillon der Rue Coq-Héron; diese Einsamkeit, diese Vereinzelung, diese Verlassenheit hat sie angenommen, ohne sich zu beklagen; denn ein liebefreies Herz bedarf nicht derselben Zuneigungen, wie die anderen Frauen; was sie aber vielleicht nicht ohne sich zu beklagen annehmen würde, wäre mein Vergessen in Betreff der einfachsten Pflichten, der gewöhnlichsten Convenienzen.«

»Ei! mein Gott!« rief die Königin, »Sie sind sehr besorgt über das, was Frau von Charny von Ihnen meinen oder nicht meinen werde, wenn sie Sie sieht oder nicht sieht. Ehe Sie sich diese ganze Sorge machen, wäre es gut, zu wissen, ob sie an Sie gedacht hat im Augenblick ihrer Abreise, ob Sie an sie denkt im Augenblick Ihrer Rückkehr.«

»Ob die Gräfin in der Stunde meiner Rückkehr an mich denkt, weiß ich nicht, Madame, doch im Augenblick meiner Abreise hat sie an mich gedacht, dessen bin ich sicher.«

»Sie haben sie also im Augenblick Ihrer Abreise gesehen?«

»Ich hatte die Ehre, Eurer Majestät zu sagen, ich habe Frau von Charny nicht gesehen, seitdem ich der Königin mein Wort gegeben, sie nicht zu sehen.«

»Sie hat Ihnen also geschrieben?« Charny schwieg.

»Nun!« rief die Königin, »Sie hat Ihnen geschrieben, gestehen Sie es!«

»Sie hat meinem Bruder Isidor einen Brief für mich übergeben.«

»Und Sie haben diesen Brief gelesen?  . . .  Was sagte sie Ihnen?  . . .  was konnte sie Ihnen schreiben? Ah! sie hatte mir doch geschworen,, . Lassen Sie hören, antworten Sie rasch . ., Nun! in diesem Briefe sagte sie Ihnen?  . . .  Sprechen Sie doch! Sie sehen, daß ich koche.«

»Ich kann Eurer Majestät nicht wiederholen, was mir die Gräfin in diesem Briefe sagte: ich habe ihn nicht gelesen.«

»Sie haben ihn zerrissen?« rief die Königin freudig; »Sie haben den Brief ins Feuer geworfen, ohne ihn zu lesen? Charny! Charny! wenn Sie das gethan haben, sind Sie der Redlichste der Menschen, und ich hatte Unrecht, mich zu beklagen, und ich habe nichts verloren.«

Und die Königin streckte beide Arme gegen Charny aus, als wollte sie ihn zu sich rufen, Charny blieb aber an seinem Platze und sprach:

»Ich habe ihn nicht zerrissen, ich habe ihn nicht in’s Feuer geworfen.«

 

»Aber warum haben Sie ihn dann nicht gelesen?« fragte die Königin, während sie wieder aus ihr Canapé zurücksank.

»Der Brief sollte mir von meinem Bruder nur in dem Falle, daß ich aus den Tod verwundet wäre, übergeben werden. Ach! ich sollte nicht sterben, sondern er!  . . .  Als er todt war, brachte man mir seine Papiere; unter seinen Papieren war der Brief der Gräfin  . . .  und dieses Billet  . . .  Sehen Sie, Madame,« sagte Charny.

Und er reichte der Königin das von der Hand seines Bruders geschriebene Billet, das dem Briefe beigefügt war.

Marie Antoinette nahm dieses Billet mit einer zitternden Hand und klingelte.

Während der von uns erzählten Scene war es Nacht geworden.

»Licht!« sagte sie, »auf der Stelle!«

Der Kammerdiener eilte hinaus; es trat eine Minute des Stillschweigens ein, in der man kein anderes Geräusch hörte, als das keuchende Athmen der Königin und die hastigen Schläge ihres Herzens.

Der Kammerdiener kam mit zwei Candelabern zurück, die er aus den Kamin stellte.

Die Königin ließ ihm nicht einmal Zeit, sich wieder zu entfernen, und trat schon, indeß er wegging und die Thüre wieder schloß, mit dem Billet in der Hand an den Kamin.

Doch zweimal warf sie ihre Blicke aus das Papier, ohne etwas zu sehen.

»Oh!« murmelte sie, »das ist nicht Papier, das ist Flamme!«

Und sie strich mit der Hand über ihre Augen, als wollte sie ihnen die Fähigkeit, zu sehen, die sie verloren zu haben schienen, wiedergeben.

»Mein Gott! mein Gott!« sagte sie, vor Ungeduld mit dem Fuße stampfend.

Vom Willen bewältigt, hörte endlich ihre Hand auf zu zittern, und ihre Augen fingen an zu sehen.

Sie las mit einer heiseren Stimme, welche nichts mit ihrer gewöhnlichen Stimme gemein hatte:

»»Dieser Brief ist adressirt, nicht an mich, sondern an meinen Bruder, den Grafen Olivier von Charny; er ist geschrieben von seiner Frau, der Gräfin von Charny.««

Die Königin hielt einige Secunden inne; dann fuhr sie fort:

»»Sollte mir Unglück widerfahren, so wird der, welcher dieses Papier fände, gebeten, es dem Grafen Olivier von Charny zukommen zu lassen, oder es an die Gräfin von Charny zurückzuschicken.«

Die Königin hielt zum zweiten Male inne, schüttelte den Kopf und las weiter:

»»Ich habe ihn von dieser mit folgendem Auftrage.««

»Ah! diesen Austrag wollen wir sehen,« murmelte die Königin.

Und sie strich abermals mit ihrer Hand über ihre Augen.

»»Sollte der Graf bei dem Unternehmen, das er verfolgt, ohne Unfall davonkommen, den Brief der Gräfin zurückgeben.««

Die Stimme der Königin wurde immer keuchender, je weiter sie las.

Sie fuhr fort:

»»Würde er schwer verwundet, jedoch ohne Todesgefahr, ihn bitten, er möge seiner Frau die Gunst bewilligen, sich zu ihm begeben zu dürfen.««

»Oh! das ist klar!« stammelte die Königin.

Dann mit einer beinahe unverständlichen Stimme:

»»Würde er endlich auf den Tod verwundet, ihm diesen Brief übergeben, und, wenn er ihn nicht mehr selbst lesen kann, ihm denselben vorlesen, damit der Graf, bevor er verscheidet, das Geheimniß, das er enthält, kennen lerne.««

»Nun! werden Sie es leugnen!« rief Marie Antoinette, den Grafen mit einem entflammten Blicke gleichsam bedeckend.

»Was?«

»Ei! mein Gott! daß sie Sie liebt!«

»Wer? mich! die Gräfin liebe mich?  . . .  Was sagen Sie da, Madame?« rief Charny.

»Oh! ich Unglückliche, ich sage die Wahrheit!«

»Die Gräfin liebe mich? unmöglich!«

»Und warum? Ich liebe Sie wohl!«

»Wenn die Gräfin mich liebte, so würde sie es mir seit sechs Jahren gesagt haben, sie hätte es mich wahrnehmen lassen!«

Es war für die arme Marie Antoinette der Augenblick gekommen, wo sie so sehr litt, daß sie das Bedürfniß fühlte, sich wie einen Dolch das Leiden bis in die tiefste Tiefe des Herzens einzudrücken.

»Nein,« rief sie, »nein, sie hat Sie nichts wahrnehmen lassen; nein, sie hat Ihnen nichts gesagt; doch wenn sie Ihnen nichts gesagt hat, wenn sie nichts hat wahrnehmen lassen, so weiß sie wohl, daß sie nicht Ihre Frau sein kann.«

»Die Gräfin von Charny kann nicht meine Frau sein?« wiederholte Olivier.

»Sie weiß wohl,« fuhr die Königin, sich immer mehr in ihrem eigenen Schmerze berauschend, fort, »sie weiß, daß zwischen Ihnen ein Geheimniß besteht, das Ihre Liebe tödten würde.«

»Ein Geheimniß, das unsere Liebe tödten würde?«

»Sie weiß, daß Sie sie, sobald sie spräche, verachten würden.»

»Ich! die Gräfin verachten!«

»Wenigstens, wenn man das Mädchen, das Frau ist ohne Mann, Mutter ohne Gatten, verachtet.«

Nun war die Reihe an Charny, bleich zu werden wie der Tod und eine Stütze auf dem seiner Hand nächsten Lehnstuhle zu suchen.

»Oh! Madame, Madame!« rief er, »Sie haben zu viel oder zu wenig gesagt, und ich habe das Recht, von Ihnen eine Erklärung zu verlangen.«

»Eine Erklärung, mein Herr, von mir, der Königin, eine Erklärung!«

»Ja, Madame,« erwiderte Charny, »und ich verlange sie.«

In diesem Augenblick wurde die Thüre geöffnet.

»Was will man von mir?« rief die Königin ungeduldig.

»Eure Majestät sagte früher, sie sei immer für den Doctor Gilbert zu Hause,« antwortete der Kammerdiener.

»Nun!«

»Der Doctor bittet um die Ehre, Eurer Majestät seinen unterthänigen Respect bezeigen zu dürfen.«

»Der Doctor Gilbert!« versetzte die Königin, »sind Sie sicher, daß es der Doctor Gilbert ist?«

»Ja, Madame.«

»Oh! er trete ein, er trete ein,« rief die Königin.

Dann wandte sie sich gegen Charny um und sprach die Stimme erhebend:

»Sie wollten eine Erklärung in Beziehung aus Frau von Charny: verlangen Sie diese Erklärung vom Herrn Doctor Gilbert; besser als Irgend Jemand ist er im Stande, sie Ihnen zu geben.«

Gilbert war mittlerweile erschienen. Er hatte die Worte gehört, welche die Königin zuletzt gesprochen, und war unbeweglich auf der Thürschwelle stehen geblieben.

Die Königin warf Charny das Billet seines Bruders zu und machte ein paar Schritte, um ihr Ankleidecabinet zu erreichen; doch schneller als sie, versperrte ihr der Gras den Weg, faßte sie beim Handgelenke und sagte:

»Verzeihen Sie, Madame, diese Erklärung muß in Ihrer Gegenwart stattfinden.«

»Mein Herr,« erwiderte Marie Antoinette, das Auge fieberhaft und mit den Zähnen knirschend, »ich glaube, Sie vergessen, daß ich die Königin bin.«

»Sie sind eine undankbare Freundin, welche verleumdet; Sie sind eine eifersüchtige Frau, welche eine andere Frau beschimpft, die Frau eines Mannes, der seit drei Tagen zwanzigmal sein Leben für Sie gewagt hat, die Frau des Grafen von Charny! Vor Ihnen, die Sie sie verleumdet, beschimpft haben, soll ihr Gerechtigkeit widerfahren . . .  Setzen Sie sich also und warten Sie.«

»Wohl! es sei,« erwiderte die Königin. »Herr Gilbert,« fuhr sie fort, indem sie ein Gelächter versuchte, das ihr schlecht gelang, »Sie sehen, was dieser Herr wünscht.«

»Herr Gilbert,« sprach Charny mit höflichem, aber würdevollem Tone, »Sie hören, was die Königin befiehlt.«

Gilbert trat näher hinzu und schaute Marie Antoinette traurig an.

»Oh! Madame! Madame!« sagte er leise.

Dann wandte er sich an Charny und sprach:

»Herr Gras, was ich Ihnen mitzutheilen habe, ist die Schande eines Mannes und der Ruhm einer Frau. Ein Unglücklicher, ein Bauer, ein Erdenwurm liebte Fräulein von Taverney. Eines Tags fand er sie ohnmächtig, und ohne Achtung für ihre Jugend, für ihre Unschuld that ihr der Elende Gewalt an, und so wurde das Mädchen Frau ohne Mann, Mutter ohne Gatten  . . .  Fräulein von Taverney ist ein Engel! Frau von Charny ist eine Märtyrin.«

Charny wischte den Schweiß ab, der von seiner Stirne floß.

»Ich danke, Herr Gilbert,« sagte er.

Dann sich an die Königin wendend:

»Madame, ich wußte nicht, daß Fräulein von Taverney so unglücklich gewesen ist; ich wußte nicht, daß Frau von Charny so ehrwürdig ist; sonst hätte ich, ich bitte Sie, dies zu glauben, ich hätte nicht sechs Jahre hingehen lassen, ohne vor ihr auf die Kuiee zu fallen und sie anzubeten, wie sie angebetet zu werden verdient.«

Und er verbeugte sich vor der erstaunten Königin und ging ab, ohne daß die unglückliche Frau es wagte, eine Bewegung zu machen, um ihn zurückzuhalten.

Nur hörte er den Schmerzensschrei, den sie ausstieß, als sie sah, wie sich die Thüre zwischen ihr und ihm schloß.

Sie begriff, an diese Thüre, wie an die der Hölle, habe die Hand des Dämons der Eifersucht den furchtbaren Spruch geschrieben: