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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Dumpfe Drohungen waren gegen die Husaren, welche zu jener Zeit gerade eines der verhaßtesten Corps des Heeres, ausgestoßen worden; die Bauern verhöhnten sie und sangen ihnen unter die Nase das improvisirte Lied:

Gott der Herr soll uns bewahren

Vor den schuftigen Husaren!

Andere Personen, welche besser unterrichtet oder scharfsinniger, sangen dabei an zu sagen, die Husaren seien da, nicht um eine Execution gegen die Bauern von Frau von Elboeuf vorzunehmen, sondern um den König und die Königin zu erwarten.

Mittlerweile schlägt es vier Uhr, ohne daß Courier oder Nachrichten eintreffen.

Herr von Choiseul entschließt sich indessen, noch zu bleiben. Nur läßt er die Postpferde wieder an seinen Wagen spannen, übernimmt die Diamanten von Leonard und schickt diesen nach Varennes ab, wobei er ihn beauftragt, in Saint-Menehould Herrn Dandoins, in Clermont Herrn von Damas und in Varennes Herrn von Bonillé Sohn zu sagen, in welcher Lage er sich befinde.

Dann, um die Exaltation, die sich um ihn her kundgibt, zu beschwichtigen, erklärt er, er und die Husaren seien nicht da, wie man glaube, um gegen die Bauern von Frau von Elboeuf einzuschreiten, sondern um einen Schatz zu escortiren, den der Kriegsminister dem Heere schicke. Doch dieses Wort Schatz, das einen doppelten Sinn bietet, beschwichtigt die Gereiztheit bei einem Punkte und bestätigt den Verdacht bei dem andern. Der König und die Königin sind auch ein Schatz, und dieser Schatz ist es gewiß, den Herr von Choiseul erwartet.

Nach einer Viertelstunde sind Herr von Choiseul sind seine Husaren dergestalt bedrängt und eingeschlossen, daß er begreift, er könne sich nicht länger halten, und wenn unglücklicher Weise in diesem Augenblick der König und die Königin kommen, so werde er unvermögend sein, sie zu beschützen.

Nach seinem Befehle soll er so handeln, daß der Wagen des Königs seine Fahrt ohne Hinderniß fortsetzen kann.

Statt ein Schutz zu sein, ist seine Gegenwart ein Hinderniß geworden.

Das Beste, was sich thun läßt, ist, selbst für den Fall, daß der König ankäme, abzugehen, Bein Abgang wird in der That die Straße wieder frei machen.

Nur muß man einen Vorwand haben, um abgehen zu können.

Der Postmeister ist da mitten unter fünf bis sechshundert Neugierigen, für die es nur ein Wort braucht, um Feinde aus ihnen zu machen.

Er schaut, wie die Andern, mit gekreuzten Armen zu und steht gerade unter der Nase von Herrn von Choiseul.

»Mein Herr,« sagte der Herzog zu ihm, »haben Sie Kenntniß von einer Geldsendung, welche nach Metz expedirt worden ist?«

»Diesen Morgen erst,« antwortete der Postmeister, »hat die Diligence hunderttausend Thaler dahingebracht; sie wurde von zwei Gendarmen escortirt.«

»Wahrhaftig?« versetzte Herr von Choiseul ganz erstaunt über die Parteilichkeit, mit der ihn der Zufall bediente.

»Bei Gott! das ist wahr!« rief ein Gendarme, »Robin und ich hatten die Bedeckung.«

»Dann wird wohl,« sprach Herr von Choiseul, indem er sich ruhig gegen Herrn von Goguelat umwandte, »dann wird wohl der Minister diese Art der Sendung vorgezogen haben, und da unsere Gegenwart hier keinen Grund mehr hat, so glaube ich, daß wir uns entfernen können. Auf, Husaren! zäumt die Pferde.«

Ziemlich besorgt, gehorchten die Husaren sehr gern diesem Befehle. In einem Augenblicke waren die Pferde gezäumt und die Husaren im Sattel.

Sie stellten sich in einer Linie auf.

Herr von Choiseul ritt an der Front der Linie hinab, warf einen Seitenblick gegen Chalons und rief dann mit einem Seufzer:

»Auf! Hnsaren, zu Vieren brecht ab, und im Schritt, Marsch!«

Und er verließ Pont de Sommevelle, Trompeter an der Spitze, als es im Kirchthurme halb sechs Uhr schlug.

Zweihundert Schritte vom Dorfe nahm Herr von Choiseul einen Querweg, um Sainte-Menehould zu vermeiden, wo der Sage nach eine große Aufregung herrschte.

Gerade in diesem Augenblicke kam Isidor von Charny, der mit den Sporen und der Peitsche ein Pferd antrieb, mit welchem er zwei Stunden gebraucht hatte, um vier Meilen zurückzulegen, bei der Post an, erkundigte sich, während er das Pferd wechselte, ob man nicht eine Abtheilung Husaren gesehen habe, erfuhr, diese Abtheilung sei vor einer Viertelstunde auf der Straße nach Sainte-Menehould im Schritt weggeritten, bestellte die Pferde und eilte, in der Hoffnung, Herrn von Choiseul einzuholen und in seinem Rückzuge aufzuhalten, im stärksten Galopp eines frischen Pferdes davon.

Herr von Choiseul hatte, wie man gesehen, die Straße nach Sainte-Menehould verlassen und einen Qnerweg gerade in dem Augenblicke eingeschlagen, wo der Vicomte von Charny zur Post kam, so daß dieser den Herzog nicht erreichte.

LXXXVIII
Verhängniß

Zehn Minuten nach dem Abgange von Isidor von Charny kam der Wagen des Königs an.

Die Versammlung hatte sich, wie Herr von Choiseul vorhergesehen, völlig zerstreut.

Der Graf von Charny, da er wußte, es müsse ein erstes Detachement von Truppen in Pont de Sommevelle sein, hatte es nicht für dringend nothwendig erachtet, zurückzubleiben; er galoppirte am Schlage des Wagens und ermahnte zur Eile die Postillons, welche ein Losungswort erhalten zu haben und absichtlich in kurzem Trab zu fahren schienen.

Als man nach Pont de Sommevelle kam und der König weder die Husaren, noch Herrn von Choiseul sah, beugte er unruhig seinen Kopf zum Fenster hinaus.

»Ich bitte Sire,« sagte Charny, »zeigen Sie sich nicht, ich will mich erkundigen.«

Und er trat in das Posthaus ein.

Fünf Minuten nachher erschien er wieder; er hatte Alles erfahren und wiederholte Alles dem König.

Der König begriff, daß sich Herr von Choiseul, um ihm die Passage frei zu lassen, zurückgezogen hatte.

Das Wichtigste war, Weg zu gewinnen und in Sainte-Menehould anzukommen; ohne Zweifel hätte Herr von Choiseul eine Wendung gegen Sainte-Menehould gemacht, und man würde Husaren und Dragoner vereinigt finden.

Im Augenblick des Abgangs näherte sich Charny dem Schlage und fragte:

»Was befiehlt die Königin? soll ich voraus reiten, soll ich nachfolgen?«

»Verlassen sie mich nicht,« erwiderte die Königin.

Charny verbeugte sich auf seinem Pferde und galoppirte am Schlage.

Isidor von Charny ritt indessen voraus, ohne die Verlassenheit der Straße zu begreifen, welche in einer so geraden Linie angelegt war, daß man bei gewissen Punkten aus die Entfernung von einer bis anderthalb Meilen vor sich sehen konnte.

Besorgt, trieb er sein Pferd an und erreichte einen größeren Vorsprung vor dem Wagen, als dies bis jetzt geschehen war; er befürchtete, die Einwohner von Sainte-Menehould könnten Verdacht gegen die Dragoner von Herrn Dandoins geschöpft haben, wie die von Pont de Sommevelle Verdacht gegen die Husaren von Herrn von Choiseul geschöpft hatten.

Er täuschte sich nicht. Das Erste, was er in Sainte-Menehould erblickte, war eine große Anzahl von Nationalgarden, welche in den Straßen umher zerstreut standen.

Die ganze Stadt schien in Bewegung zu sein, und in dem Viertel dem entgegengesetzt, durch welches Isidor einritt, wurde die Trommel gerührt.

Der Vicomte sprengte durch die Straßen, ohne daß er sich nur im Geringsten um diese Bewegung zu bekümmern schien, und hielt vor der Post an.

Als er über den großen Platz kam, bemerkte er ein Dutzend Dragoner, welche mit der Polizeimütze auf dem Kopfe auf einer Bank saßen.

Ein paar Schritte von ihnen, an einem Fenster des Erdgeschosses, stand der Marquis Dandoins ebenfalls mit einer Polizeimütze und eine Reitpeitsche in der Hand haltend.

Isidor ritt vorüber, ohne anzuhalten, und gab sich den Anschein, als sähe er nichts; er setzte voraus, Herr Dandoins, welcher wisse, wie die Tracht der Couriere des Königs sein müsse, werde ihn erkennen und folglich kein anderes Anzeichen nöthig haben.

Ein junger Mann von achtundzwanzig Jahren mit à la Titus geschnittenen Haaren, wie sie damals die Patrioten trugen, mit einem Backenbart, der unter dem Kinn durchlief und die Runde um das Gesicht machte, stand in einem Schlafrock bei der Thüre.

Isidor suchte, an wen er sich wenden sollte.

»Was wünschen Sie, mein Herr?« fragte ihn der junge Mann mit dem schwarzen Backenbart.

»Mit dem Postmeister zu sprechen,« erwiderte Isidor.

»Der Postmeister ist für den Augenblick abwesend, mein Herr; doch ich bin sein Sohn Jean Baptiste Drouet . . .  Kann ich ihn ersetzen, so reden Sie.«

Der junge Mann legte einen besonderen Nachdruck aus die Worte: Jean Baptiste Drouet, als hätte er errathen, diese Worte oder vielmehr diese Namen werden in der Geschichte eine unselige Celebrität erlangen.

»Ich wünsche sechs Postpferde für zwei Wagen, die mir folgen.«

Drouet nickte mit den, Kopfe aus eine Weise, welche besagen wollte, der Courier werde erhalten, was er wünsche, ging dann aus dem Hause in den Hof und rief:

»He! Postillons! sechs Pferde für zwei Wagen und einen Klepper für den Courier!«

In diesem Augenblicke trat der Marquis Dandoins rasch ein.

»Mein Herr,« sagte er, indem er sich an Isidor wandte, »nicht wahr, Sie reiten dem Wagen des Königs voran?«

»Ja, mein Herr, und ich bin ganz erstaunt, Sie und Ihre Leute in Polizeimützen zu sehen.«

»Wir sind nicht in Kenntniß gesetzt worden, mein Herr; überdies finden sehr bedrohliche Demonstrationen um uns her statt: man versucht es, meine Leute abspänstig zu machen. Was soll ich thun?«

»Da der König hier durchpassiren wird, bewachen Sie seinen Wagen, gehen Sie mit den Umständen zu Rathe und marschiren Sie eine halbe Stunde nach der königlichen Familie ab, um als Nachhut zu dienen.«

Dann plötzlich sich unterbrechend, sagte Isidor:

»Stille! man bespäht uns; vielleicht hat man uns gehört. Gehen Sie zu Ihrer Schwadron und thun Sie Ihr Möglichstes, um Ihre Leute in ihrer Pflicht zu erhalten.«

 

Drouet steht in der That unter der Thüre der Küche, wo dieses Gespräch stattfindet.

Herr Dandoins entfernt sich.

In demselben Augenblick hört man die Peitschen knallen, der Wagen des Königs kommt an, fährt über den Platz und hält vor der Post.

Bei dem Geräusche, das er macht, gruppiert sich die Einwohnerschaft neugierig in der Umgebung.

Herr Dandoins, der es sich angelegen sein läßt, dem König zu erklären, warum er seine Leute in der Ruhe, statt unter den Waffen finde, stürzt, mit seiner Polizeimütze in der Hand, an den Schlag und bringt mit allen Arten von Zeichen der Ehrfurcht seine Entschuldigung beim König und der königlichen Familie vor.

Der König, während er ihm antwortet, zeigt seinen Kopf zu wiederholten Malen durch den Wagenschlag.

Einen Fuß im Steigbügel, steht Isidor in der Nähe von Drouet, welcher mit einer tiefen Aufmerksamkeit in den Wagen schaut; er ist im Jahre vorher bei der Föderation gewesen: er hat den König gesehen und glaubt ihn zu erkennen.

Am Morgen hat er eine bedeutende Summe in Assignaten erhalten. Er hat diese mit dem Portrait des Königs gestempelten Assignate untersucht, um zu sehen, ob sie nicht falsch seien, und diese Stempel des Königs, welche in seinem Gedächtnisse geblieben, scheinen ihm zuzurufen: »Der Mensch, den Du vor dir hast, ist der König.« Er zieht ein Assignat aus seiner Tasche, vergleicht das Original mit dem auf das Assignat gestochenen Portrait und murmelt: Es ist entschieden der König!«

Isidor reitet aus die andere Seite des Wagens; sein Bruder bedeckt mit seinem Leibe den Schlag, auf welchen sich die Königin mit dem Ellenbogen stützt.

»Der König ist erkannt!« sagte er zu ihm. »Beschleunige den Abgang des Wagens und schaue wohl diesen großen braunen Burschen an!  . . .  Er ist der Sohn des Postmeisters, er hat den König erkannt! Er heißt Jean Baptiste Drouet!«

»Gut,« versetzte Olivier, »ich werde wachen; reite!«

Isidor sprengte im Galopp weg, um die Pferde in Clermont zu bestellen.

Kaum ist er am Ende der Stadt, als angespornt durch die dringenden Ermahnungen der Herren von Melden und von Valory und durch das Versprechen eines Thalers Trinkgeld die Postillons die Wagen in scharfem Trabe fortführen.

Der Graf hat Drouet nicht aus dem Gesichte verloren.

Drouet hat sich nicht gerührt; nur hat er leise mit einem Stallknecht gesprochen.

Charny tritt auf ihn zu und sagt zu ihm:

»Mein Herr, ist nicht ein Pferd für mich bestellt worden?«

»Doch, mein Herr,« antwortet Drouet, »aber es sind keine Pferde mehr vorhanden.«

»Wie! es sind keine Pferde mehr vorhanden?« versetzt der Gras; »was für ein Pferd ist denn das, welches man eben im Hofe sattelt, mein Herr?«

»Das meinige.«

«Können Sie mir es nicht abtreten, mein Herr? Ich werde bezahlen, was Sie wollen.«

»Unmöglich, mein Herr, es ist spät, und ich muß noch einen Ritt machen, den ich nicht verschieben kann.«

Beharren heißt Verdacht erregen; es versuchen, das Pferd mit Gewalt zu nehmen, heißt Alles gefährden.

Charny hatte überdies ein Mittel gefunden, welches Alles ausgleicht.

Er geht auf Herrn Dandoins zu, der dem Wagen des Königs mit den Augen bis zu der Biegung der Straße gefolgt ist.

Herr Dandoins fühlt, daß sich eine Hand aus seine Schulter legt.

Er wendet sich um.

»Stille!« flüstert ihm Olivier zu, »ich bin es, der Graf von Charny  . . .  Es gibt kein Pferd mehr für mich aus der Post  . . .  Lassen Sie mir von einem Ihrer Dragoner das seinige abtreten; ich muß dem König und der Königin folgen! Ich allein weiß, wo das Relais von Herrn von Choiseul ist, und wenn ich nicht dabei bin, bleibt der König in Varennes.«

»Graf,« antwortet Herr Dandoins, »nicht das Pferd von einem meiner Leute werde ich Ihnen geben, sondern eines von den meinigen.«

»Ich nehme es an. Das Heil des Königs und der königlichen Familie hängt von dem geringsten Unfall ab. Je besser das Pferd ist, desto besser wird die Chance sein.«

Und Beide entfernen sich durch die Straßen und gehen nach der Wohnung des Marquis Dandoins.

Ehe sie sich entfernen, hat Charny einen Quartiermeister beauftragt, alle Bewegungen von Drouet zu beobachten.

Zum Unglück ist das Haus des Marquis fünfhundert Schritte vom Platze entfernt. Bis die Pferde gesattelt sind, wird man wenigstens eine Viertelstunde verloren haben; wir sagen die Pferde, denn Herr Dandoins will auch aufsitzen, um nach dem Befehle, den ihm der König gegeben, mit seinen Leuten durch eine Wendung hinter dem Wagen zu reiten und die Nachhut zu bilden.

Plötzlich scheint es Charny, als hörte er ein gewaltiges Geschrei und mit diesem Geschrei vermischt die Worte:

»Der König! die Königin.«

Er stürzt aus dem Hause und ersucht Herrn Dandoins nur noch, ihm sein Pferd auf den Platz führen zu lassen.

Es ist in der That die ganze Stadt im Aufruhr. Kaum haben Herr Dandoins und Charny den Platz verlassen, da ruft Drouet, als hätte er nur diesen Augenblick abgewartet, um auszubrechen:

»Der Wagen, der so eben hier durchgekommen, ist der Wagen des Königs! Und der König, die Königin und die Kinder von Frankreich befinden sich in diesem Wagen!«

Und er schwingt sich auf sein Pferd.

Mehrere von seinen Freunden versuchen es, ihn zurückzuhalten.

Wohin geht er? was will er thun? was ist sein Vorhaben?«

Er antwortet ihnen leise:

»Der Oberst und das Dragoner-Detachement waren da  . . .  Unmöglich, den König festzuhalten, ohne eine Collision, welche eine schlimme Wendung für uns nehmen konnte. Was ich hier nicht gethan habe, werde ich in Clermont thun  . . .  Haltet die Dragoner zurück, das ist Alles, was ich von Euch verlange.«

Und er reitet im Galopp auf der Spur des Königs weg.

Da verbreitet sich das Gerücht, der König und die Königin seien in dem Wagen, welcher durchgefahren, und das Geschrei, das bis zu Charny dringt, wird hörbar.

Auf dieses Geschrei sind der Maire und die Municipalität herbeigelaufen, und der Maire fordert die Dragoner auf, in die Kaserne zurückzukehren, da es acht Uhr geschlagen habe.

Charny hat Alles gehört: der König ist erkannt, Drouet ist abgegangen; er stampft vor Ungeduld mit den Füßen.

In diesem Augenblick kommt Herr Dandoins aus ihn zu.

»Die Pferde! die Pferde!« ruft Charny, so bald er ihn von fern erblickt.

»Man bringt sie auf der Stelle,« antwortet Herr Dandoins.

»Haben Sie Pistolen in die Holfter des meinigen stecken lassen?«

»Ja.«

»Sind sie in gutem Stande?«

»Ich habe sie selbst geladen.«

»Gut! Nun hängt Alles von der Geschwindigkeit Ihres Pferdes ab. Ich muß einen Mann, der schon fast eine Viertelstunde Vorsprung vor mir hat, einholen und ihn tödten!«

»Wie! Sie müssen ihn tödten?«

»Ja! Wenn ich ihn nicht tödte, ist Alles verloren!«

»Alle Teufel! dann gehen Sie den Pferden entgegen.«

»Bekümmern Sie sich nicht um mich; beschäftigen Sie sich mit Ihren Dragonern, die man zu einer Meuterei anwirbt  . . .  Sehen Sie dort den Maire, der sie haranguirt? Sie haben ebenso wenig Zeit zu verlieren; gehen Sie, gehen Sie!«

In diesem Augenblick kommt der Bediente mit den zwei Pferden.

Charny springt auf das Gerathewohl auf dasjenige, welches sich näher bei ihm befindet, entreißt die Zügel den Händen des Bedienten, faßt sie zusammen und jagt wie eine Windsbraut Drouet auf der Spur nach, ohne genau die letzten Worte zu verstehen, die ihm der Marquis Dandoins zuwirft.

Diese letzten Worte, die der Wind fortgetragen, sind jedoch wohl von Gewicht.

»Sie haben mein Pferd statt des Ihrigen genommen, und es sind Ihre Pistolen nicht geladen!« hat Herr Dandoins gerufen.

LXXXIX
Verhängniß

Indessen flog der Wagen des Königs, dem Isidor voranritt, auf der Straße von Sainte-Menehould nach Clermont.

Der Tag neigte sich, wie gesagt; es hatte acht Uhr geschlagen, und der Wagen drang in den Wald von Argonne ein, der gleichsam rittlings auf der Landstraße sitzt.

Charny hatte die Königin nicht von der Unannehmlichkeit, die ihn zurückhielt, in Kenntniß gesetzt, da der königliche Wagen weggefahren war, ehe Drouet geantwortet, es gebe keine Pferde mehr.

Als sie vor die Stadt kam, bemerkte die Königin, daß ihr Cavalier den Schlag ihres Wagens verlassen hatte, doch es war weder möglich, den Laus zu hemmen, noch die Postillons zu befragen.

Zehnmal vielleicht neigte sie sich aus dem Wagen, um zurückzuschauen; sie entdeckte aber nichts.

Einmal glaubte sie einen Reiter zu unterscheiden, der in großer Entfernung galoppirte; doch dieser Reite r sing schon an sich in den wachsenden Schatten der Nacht zu verlieren.

Mittlerweile, denn zum Verständnisse der Ereignisse und um jeden Punkt dieser entsetzlichen Reise klar zu machen, müssen wir abwechselnd von einem Schauspieler zum andern übergehen, mittlerweile, das heißt, während Isidor als Courier dem Wagen eine Viertelmeile voranreitet, während der Wagen der Landstraße von Sainte-Menehould nach Clermont folgt und in den Wald von Argonne eindringt, während Drouet dem Wagen nachjagt und Charny Drouet nachsetzt, kehrt der Marquis Dandoins zu seiner Schaar zurück und läßt zum Aufsitzen blasen.

Doch die Soldaten, die es versuchen, sich in Marsch zu setzen, finden die Straßen dergestalt mit Menschen versperrt, daß die Pferde keinen Schritt vorwärts machen können.

Mitten unter dieser Menge sind dreihundert Mann Nationalgarde in Uniform und mit der Muskete in der Hand.

Den Kampf wagen, und Alles deutet an, er werde heftig sein, heißt den König in’s Verderben stürzen.

Besser ist es, zu bleiben und bleibend all dies Volk zurückzuhalten. Herr Dandoins parlamentirt mit ihm, er fragt die Führer, was sie wollen, was sie wünschen, und warum diese Drohungen und feindseligen Demonstrationen. Während dieser Zeit wird der König Clermont erreichen und hier Herrn von Damas mit seinen hundertundvierzig Dragonern finden.

Hätte er hundertundvierzig Dragoner wie Herr von Damas, so würde der Marquis Dandoins etwas versuchen; doch er hat nur dreißig. Was thun mit dreißig Dragonern gegen drei bis viertausend Menschen?

Parlamentiren, und das ist es, wie gesagt, was er thut. Um halb zehn Uhr kommt der Wagen des Königs, dem Isidor nur aus ein paar hundert Schritte vorausreitet, während die Postillons rasch gefahren sind, in Clermont an; er hat nicht mehr als fünf Viertelstunden gebraucht, um die vier Meilen zurückzulegen, welche die eine Stadt von der andern trennen.

Das erklärt bis aus einen gewissen Grad der Königin die Abwesenheit von Charny.

Er wird sie aus der Station einholen.

Vor der Stadt erwartet Herr von Damas den Wagen des Königs. Er ist von Leonard in Kenntniß gesetzt worden; er erkennt die Livrée des Couriers und hält Isidor an.

»Verzeihen Sie, mein Herr,« spricht er, »es ist wohl der König, dem Sie vorausreiten?«

»Und Sie, mein Herr,« fragt Charny, »Sie sind wohl der Graf Charles Damas?«

»Ja.«

»Nun wohl, mein Herr, ich reite in der That dem voran. Versammeln Sie Ihre Dragoner und escortiren Sie den Wagen Seiner Majestät.«

»Mein Herr,« antwortete der Graf, »es weht durch die Lüfte ein Aufruhrwind, der mich erschreckt, und ich muß Ihnen gestehen, daß ich nicht für meine Dragoner hafte, wenn sie den König erkennen. Alles, was ich Ihnen versprechen kann, ist, daß ich, sobald der Wagen passirt ist, meine Mannschaft hinter ihm zusammenziehen und die Straße schließen werde.«

»Thun Sie Ihr Möglichstes, mein Herr. Hier kommt der König.«

Und er deutet mitten in der Finsterniß aus den ankommenden Wagen, dessen Lauf man nach den Funken, welche unter den Hufen der Pferde aufsprühen, verfolgen kann.

Die Pflicht Isidors ist es, voran zueilen und die Relais zu bestellen.

Fünf Minuten nachher hält er vor dem Posthause; beinahe zu gleicher Zeit mit ihm kommen Herr von Damas und fünf bis sechs Dragoner an.

Dann der Wagen des Königs.

Der Wagen des Königs folgt Isidor so nahe, daß er nicht Zeit gehabt hat, wieder zu Pferde zu steigen. Dieser Wagen, ohne prächtig zu sein, ist so bemerkbar, daß viele Personen sich vor dem Hause des Postmeisters zusammenzuschaaren anfingen.

Heu von Damas verweilte dem Schlage gegenüber, ohne entfernt nur den Anschein zu haben, als kenne er die hohen Reisenden.

Doch weder der König, noch die Königin konnten dem Verlangen widerstehen, Erkundigungen einzuziehen.

Aus der einen Seite winkte der König Herrn von Damas, aus der andern winkte die Königin Isidor.

»Sie sind es, Herr von Damas?« fragte der König.

»Ja, Sire.«

»Warum sind Ihre Dragoner nicht unter den Waffen?«

 

»Sire, Eure Majestät ist um fünf Stunden im Verzug. Meine Schwadron war seit vier Uhr heute Nachmittag zu Pferde. Ich habe die Sache so lange als möglich hinausgezogen; doch die Stadt fing an in Bewegung zu gerathen, meine Dragoner selbst stellten beunruhigende Vermuthungen auf. Kam die Nährung vor dem Durchzuge Eurer Majestät zum Ausbruch, so erscholl die Sturmglocke, und die Straße war versperrt. Ich habe also nur ein Dutzend Mann zu Pferde behalten und den Andern in ihre Wohnungen zurückzukehren befohlen; nur habe ich die Trompeter bei mir eingeschlossen, um sie, sobald es nöthig wäre, zum Aufsitzen blasen zu lassen. Eure Majestät sieht übrigens, daß Alles auf das Beste steht, da die Straße frei ist.«

»Sehr gut, mein Herr,« erwiedert der König, »Sie haben als ein kluger Mann gehandelt. Sobald ich abgefahren bin, lassen Sie zum Aufsitzen blasen, und Sie folgen dem Wagen auf ungefähr eine Viertelmeile.«

»Sire,« sprach die Königin, »wollen Sie hören, was Herr Isidor von Charny sagt?«

»Und was sagt er?« fragte der König mit einer gewissen Ungeduld.

»Sire, er sagt, Sie seien vom Sohne des Postmeisters von Sainte-Menehould erkannt worden; er wisse das gewiß; er habe diesen jungen Mann, ein Assignat in der Hand, sich von der Aehnlichkeit Ihres Portraits, dieses mit Ihnen selbst vergleichend, versichern sehen; von Herrn Isidor unterrichtet, sei sein Bruder zurückgeblieben, und ohne Zweifel gehe in diesem Augenblick etwas Ernstes vor, da wir den Herrn Grafen von Charny nicht zurückkommen sehen.«

»Wenn wir erkannt worden sind, so ist dies ein Grund mehr, daß wir uns beeilen, Madame.«

»Herr Isidor, treiben Sie die Postillons an und reiten Sie voraus.«

Das Pferd von Isidor war bereit. Der junge Mann schwang sich in den Sattel und rief den Postillons zu:

»Straße nach Varennes!«

Die zwei Gardes du corps, welche auf dem Bocke saßen, wiederholten: »Straße nach Varennes!«

Herr von Damas wich zurück, indem er ehrerbietig den König grüßte, und die Postillons sprengten ihre Pferde an.

Der Wagen war in einem Augenblick umgespannt worden und entfernte sich mit der Geschwindigkeit des Blitzes.

Als er aus der Stadt hinausfuhr, kreuzte er sich mit einem Quartiermeister von den Husaren, welcher eben eintritt.

Herr von Damas hatte einen Augenblick den Gedanken, dem Wagen des Königs mit den paar Leuten, über die er verfügen konnte, zu folgen, doch der König hatte ihm ganz entgegengesetzte Befehle gegeben; er glaubte diesen Befehlen um so mehr entsprechen zu müssen, als sich eine gewisse Aufregung in der Stadt zu verbreiten anfing. Die Bürger liefen von Hause zu Hause; die Fenster öffneten sich, und man sah daran sowohl Kopfe als Lichter erscheinen. Herr von Damas bekümmerte sich nur um Eines: um die Sturmglocke, welche geläutet werden konnte, und er lief nach der Kirche und bewachte ihre Thüre.

Ueberdies sollte jeden Augenblick Herr Dandoins mit seinen dreißig Mann ankommen und ihn verstärken.

Alles schien sich indessen zu beruhigen. Nach einer Viertelstunde kam Herr von Damas aus den Platz zurück. Er fand hier seinen Escadronches Herrn von Noirvllle; er gab ihm Instructionen für den Weg und befahl ihm, die Mannschaft unter die Waffen treten zu lassen.

In diesem Augenblick meldete man Herrn von Damas, ein von Herrn Dandoins abgeschickter Dragoner-Unterofficier erwarte ihn in seiner Wohnung.

Dieser Unterofficier zeigte ihm an, daß er weder Herrn Dandoins, noch seine Dragoner zu erwarten habe, da Herr Dandoins auf der Municipalität von den Bürgern von Sainte-Menehould zurückgehalten werde; daß überdies, was Herr von Damas schon wußte, Drouet mit verhängten Zügeln weggeritten sei, um dem Wagen zu folgen, den er wahrscheinlich nicht zu erreichen vermocht, da man ihn nicht in Clermont gesehen.

Herr von Damas war so weit mit den ihm von dem Unterofficier vom Regiment Royal gegebenen Nachrichten, als man ihm eine Ordonnanz der Husaren von Lauzun meldete.

Diese Ordonnanz war von Herrn von Rohrig abgeschickt worden, der mit den Herren von Bouillé Sohn und von Raigecourt den Posten von Varennes befehligte. Besorgt, daß sie die Stunden verlaufen sahen, ohne daß Jemand kam, schickten diese wackeren Edelleute zu Herrn von Damas, um sich erkundigen zu lassen, ob er Nachrichten vom König habe.

»In welchem Zustand haben Sie den Posten von Varennes verlassen?« fragte vor Allem Herr von Damas.

«Vollkommen ruhig,« antwortete die Ordonnanz.

»Wo sind die Husaren?«

»In der Kaserne mit den gesattelten Pferden.«

»Sind Sie keinem Wagen aus der Straße begegnet?«

»Doch, einem Wagen mit vier Pferden und einen mit zwei.«

»Das sind die Wagen, nach welchen Sie sich erkundigen wollten. Alles geht gut,« sagte Herr von Damas.

Wonach er in seine Wohnung zurückkehrte und den Trompetern zum Aufsitzen zu blasen befahl.

Er schickte sich an, dem König zu folgen und ihm, wenn es nöthig wäre, bewaffneten Beistand zu leisten.

Fünf Minuten nachher bliesen die Trompeter.

Alles ging also auf das Beste, abgesehen von dem Unfall, der in Sainte-Menehould die dreißig Mann von Herrn Dandoins zurückhielt.

Doch mit seinen vierzig Dragonern würde wohl Herr von Damas dieses Zuwachses von Krästen entbehren können.

Kehren wir zum Wagen des Königs zurück, der, statt von Clermont abgehend der geraden Linie zu folgen, welche nach Verdun fuhrt, sich nach links gewandt hat und auf der Straße nach Varennes fortrollt.

Wir haben die topographische Lage der in eine obere und eine untere Stadt abgetheilten Stadt Varennes angegeben; wir haben gesagt, es sei beschlossen worden, die Pferde am Ende der Stadt, aus der Seite von Dun, zu wechseln, und wie man müsse, um dahin zu gelangen, die Straße, die den Abhang hinaussteige, verlassen, dann die Straße nehmen, welche nach der Brücke führe, diese Brücke unter dem Gewölbe des Thurmes durch passiren und das Relais von Herrn von Choiseul erreichen, um welches die Herren von Bouillé und von Raigecourt wachen sollten. Herrn von Rohrig, einen zwanzigjährigen jungen Officier, hatte man nicht in das Vertrauen gezogen, und er glaubte hierher gekommen zu sein, um eine Geldsendung für das Heer zu escortiren.

Bei diesem schwierigen Punkte angelangt, sollte übrigens, wie man sich erinnert, Herr von Charny den königlichen Wagen in dem Irrsale der Straßen führen; Charny ist vierzehn Tage in Varennes geblieben, er hat Alles studirt, Alles aufgenommen; es gibt keinen Weichstein, der ihm nicht bekannt, kein Gäßchen, mit dem er nicht vertraut ist.

Zum Unglück ist Charny nicht da.

Die Unruhe verdoppelt sich auch bei der Königin. Daß Charny unter solchen Umständen den Wagen nicht einholt, muß ihm ein ernster Unfall widerfahren sein!

Da man sich Varennes nähert, wird der König selbst unruhig; auf Charny zählend, hat er nicht einmal den Plan der Stadt mitgenommen.

Dann ist die Nacht ganz finster und nur durch die Sterne erleuchtet; es ist eine von den Nächten, in denen man sich leicht selbst bei bekannten Oertlichkeiten verirrt, um so mehr in den Krümmungen einer fremden Stadt.

Isidor hatte die Weisung, die ihm Charny selbst gegeben, vor der Stadt anzuhalten.

Dort würde ihn sein Bruder ablösen und, wie gesagt, selbst die Führung der kleinen Caravane übernehmen.

Doch Isidor wurde, wie die Königin und vielleicht ebenso sehr als die Königin, unruhig über die Abwesenheit seines Bruders. Die einzige Hoffnung, die ihm blieb, war, Herr von Bouillé oder Herr von Raigecourt seien in ihrer Ungeduld dem König entgegen geritten und warten diesseits Varennes.

Da sie sich seit ein paar Tagen in der Stadt befinden, so werden sie diese kennen und leicht als Führer dienen.

Als er unten an den Hügel kam und ein paar spärliche Lichter in der Stadt glänzen sah, hielt Isidor auch unentschlossen an, schaute umher und suchte die Finsterniß mit seinem Blicke zu durchdringen.

Er sah nichts.

Da rief er mit leiser Stimme, dann laut, dann endlich mit voller Stimme den Herren von Bouillé und von Raigecourt.

Niemand antwortete.

Man hörte das Rollen des Wagens, der von einer Viertelmeile wie ein entfernter Donner allmälig sich nähernd herbei fuhr.

Da kam Isidor ein Gedanke. Diese Herren waren vielleicht im Saume des Waldes verborgen, der sich links vom Wege hinzog.

Er trat in den Wald ein und durchforschte den ganzen Saum.

Niemand!

Er konnte keinen andern Entschluß fassen, als den, zu warten, und er wartete.