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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Wahrhaftig,« erwiderte Gilbert, »wären Sie dabei gewesen, mein lieber Graf, Sie hätten weder besser gesehen, noch besser gehört.«

»Die Ungeschickten!« rief Mirabeau mit Bitterkeit. »Ich sagte Ihnen, Sie wissen nichts zu rechter Zeit zu thun. Eine mitten durch diese Menge, welche unter meinen Fenstern und vor meiner Thüre: »»Es lebe Mirabeau!«« rief, bei mir eintretende königliche Livree, gab ihnen aus ein Jahr wieder Popularität.«

Und Mirabeau schüttelte den Kopf und drückte die Hand an seine Augen.

Gilbert sah ihn zu seinem Erstaunen eine Thräne abwischen.

»Was haben sie denn, Graf?« fragte er.

»Ich? nichts!« erwiderte Mirabeau. »Wissen Sie etwas Neues von der Nationalversammlung, von den Cordeliers oder von den Jacobinern? hat Robespierre eine neue Rede destillirt? hat Marat ein neues Pamphlet gespieen?«

»Haben Sie lange nicht gegessen?« fragte Gilbert.

»Seit zwei Uhr heute Nachmittag nicht.«

»Dann werden Sie ein Bad nehmen, mein lieber Graf.«

»Ah! da haben Sie einen vortrefflichen Gedanken, Doctor  . . .  Jean, ein Bad!«

»Hier, Herr Graf?«

»Nein, nein, nebenan im Ankleidecabinet.«

Zehn Minuten nachher war Mirabeau im Bade, und Teisch führte Gilbert, wie gewöhnlich, zurück.

Mirabeau erhob sich aus seiner Badewanne, um Gilbert mit den Augen zu folgen; dann, als er ihn aus dem Gesichte verloren, horchte er auf das Geräusch seiner Tritte; dann blieb er unbeweglich, bis er die Thüre des Hotel öffnen und wieder schließen gehört hatte.

Hieraus klingelte er heftig und sagte zu dem eintretenden Bedienten:

»Jean, lassen Sie einen Tisch in meinem Zimmer zurichten und fragen Sie Oliva in meinem Namen, ob sie die Gefälligkeit haben wolle, mit mir zu Nacht zu speisen.«

Der Lackei ging sogleich ab, um zu gehorchen; Mirabeau rief ihm aber noch nach:

»Blumen, besonders Blumen! ich bete die Blumen an.«

Um vier Uhr wurde der Doctor durch ein heftiges Läuten geweckt.

»Ah!« sagte er, während er aus dem Bette sprang, »es geht sicherlich schlimmer bei Mirabeau!«

Der Doctor täuschte sich nicht, Mirabeau, nachdem er hatte Abendbrod auftragen und den Tisch mit Blumen bedecken lassen, schickte Jean weg und befahl Teisch. zu Bette zu gehen.

Dann schloß er alle Thüren, mit Ausnahme der, welche zu der unbekannten Frau ging, die der alte Teisch seinen bösen Genins nannte.

Doch die zwei Diener gingen nicht zu Bette; nur schlief Jean, obgleich jünger, in einem Lehnstuhle im Vorzimmer ein.

Teisch wachte.

Um drei Viertel aus vier Uhr ertönte ein heftiges Klingeln. Beide stürzten nach dem Zimmer von Mirabeau.

Die Thüren waren geschlossen.

Da kam ihnen der Gedanke, einen Umweg durch die Wohnung der unbekannten Frau zu machen, und so konnten sie in das Schlafzimmer eindringen.

Halb ohnmächtig, hielt Mirabeau diese Frau in seinen Armen, ohne Zweifel, damit sie nicht um Hilfe rufen könnte, und erschrocken läutete sie mit dem Tischglöckchen, weil sie nicht bis zu der Klingelschnur am Kamin zu gehen vermochte.

Sobald sie die zwei Diener erblickte, rief sie eben so wohl für sich als für Mirabeau um Hilfe; in seinen Convulsionen erstickte sie Mirabeau.

Man hätte glauben sollen, es sei der verkleidete Tod, der sie ins Grab zu ziehen suche.

Durch die vereinigte Anstrengung der zwei Diener wurden die Arme des Sterbenden losgemacht; Mirabeau fiel auf seinen Sitz zurück, und sie ging, in Thränen zerfließend, in ihr Zimmer.

Jean lief dann zum Doctor Gilbert, während Teisch seinem Herrn die erste Pflege zu geben bemüht war.

Gilbert nahm sich weder Zeit, anspannen, noch einen Wagen rufen zu lassen. Von der Rue Saint Honoré bis zur Chaussée-d’Antin war der Weg nicht weit; er folgte Jean, und nach zehn Minuten befand er sich im Hotel von Mirabeau.

Teisch wartete unten im Vestibule.

»Nun, mein Freund, was gibt es wieder?« fragte Gilbert.

»Ah! Herr Doctor,« erwiderte der alte Diener, »diese Frau, immer diese Frau, und dann die verdammten Blumen  . . .  Sie werden sehen.«

In diesem Augenblick hörte man etwas wie ein Schluchzen. Gilbert ging hastig die Treppe hinauf; als er aus die letzten Stufen gelangte, öffnete sich eine Thüre in der Nähe der Thüre von Mirabeau, und eine Frau in einen weißen kurzen Mantel gehüllt erschien plötzlich und fiel dem Doctor zu Füßen.

»Oh! Gilbert, Gilbert,« rief sie, indem sie ihn mit beiden Händen bei der Brust faßte »um des Himmels willen, retten Sie ihn!«

»Nicole!« rief Gilbert, »Nicole! Oh! Unglückliche, Sie waren es also?«

»Retten Sie ihn! retten Sie ihn!« wiederholte Nicole.

Gilbert blieb einen Augenblick wie in einen gräßlichen Gedanken versunken.

»Ah!« murmelte er, »Beausire verkauft Pamphlete gegen ihn, Nicole, seine Geliebte! Er ist wahrhaftig verloren, denn dahinter steckt Cagliostro!«

Und er eilte nach dem Zimmer von Mirabeau, da er einsah, es sei keine Minute zu verlieren.

LXXVII
Es lebe Mirabeau!

Mirabeau lag auf seinem Bette: er war wieder zum Bewußtsein gelangt. Die Ueberreste vom Abendbrode, die Schüsseln, die Blumen waren da als eben so anklagende Zeugen, als es auf dem Boden eines Gefäßes die Ueberreste vom Gifte beim Bette eines Selbstmörders sind.

Gilben ging rasch aus ihn zu und athmete, als er ihn sah.

»Ah!« sagte er, es ist noch nicht so schlimm, als ich befürchtete.«

»Sie glauben?« versetzte lächelnd Mirabeau.

Und er schüttelte den Kopf wie ein Mensch, der seinen Zustand wenigstens eben so gut zu kennen meint, als der Doctor, welcher sich zuweilen selbst täuschen will, um die Andern besser zu täuschen.

Diesmal hielt sich Gilbert nicht an die äußeren Anzeichen. Er fühlte den Puls: der Puls ging stark und rasch; er beschaute die Zunge: die Zunge war belegt und bitter; er untersuchte den Zustand des Kopfes: der Kopf war schwer und mit Schmerzen behaftet.

Ein Anfang von Kälte machte sich an den unteren Extremitäten fühlbar.

Plötzlich traten die Krämpfe, an denen der Kranke zwei Tage vorher gelitten hatte, wieder ein und warfen sich abwechselnd auf das Schulterblatt, aus das Schlüsselbein und aus das Zwerchfell. Der Puls, der, wie gesagt, stark und rasch war, wurde ungleich und convulsivisch.

Gilbert verordnete dieselben ableitenden Mittel, welche eine erste Besserung herbeigeführt hatten.

Zum Unglück, mochte nun der Kranke nicht die Kraft haben, das empfindliche Mittel zu ertragen, oder wollte er nicht geheilt sein, zum Unglück beklagte er sich nach einer Viertelstunde über so heftige Schmerzen auf allen mit Senfpflastern belegten Gegenden, daß man diese Pflaster wegnehmen mußte.

Von da an verschwand die Besserung, die sich seit der Anwendung dieser Mittel geoffenbart hatte.

Es ist nicht unsere Absicht, der furchtbaren Krankheit in allen ihren Phasen zu folgen; nur verbreitete sich das Gerücht davon am Morgen dieses Tages in der Stadt, und diesmal ernster als am vorhergehenden Tage.

Es sei ein Rückfall eingetreten, sagte man, und dieser Rückfall drohe mit dem Tode.

Da war es erst wirklich gestattet, zu beurtheilen, welchen riesigen Platz ein Mann in einer Nation einnehmen kann. Ganz Paris war bewegt, wie in der Stunde, wo ein allgemeines Unheil zugleich die einzelnen Menschen und die Bevölkerung bedroht. Den ganzen Tag, wie es schon am Abend vorher gewesen, war die Straße versperrt und bewacht von Leuten aus dem Volke, damit das Geräusch der Wagen nicht zu dem Kranken gelangte. Von Stunde zu Stunde erkundigten sich die unter den Fenstern versammelten Gruppen; es wurden Bulletins ausgegeben, welche auf der Stelle von der Rue de la Chaussée-d’Antin bis zu den äußersten Enden, von Paris kreisten. Die Thüre war belagert von einer Menge von Bürgern von allen Ständen, von allen Meinungen, als ob jede Partei, so sehr sie der andern entgegengesetzt, durch den Verlust von Mirabeau etwas zu verlieren gehabt hätte. Während dieser Zeit füllten die Freunde, die Verwandten und die Bekannten des großen Redners die Höfe, die unteren Hausgänge und Zimmer, ohne daß er selbst eine Idee von dieser Zusammenschaarung hatte.

Es waren übrigens wenig Worte zwischen Mirabeau und dem Doctor Gilbert gewechselt worden.

»Sie wollen offenbar sterben?« hatte der Doctor gesagt.

»Wozu leben?« hatte Mirabeau erwiedert.

Und Gilbert, der sich der von Mirabeau gegen die Königin übernommenen Verbindlichkeiten und des Undanks von dieser erinnert hatte, war nicht weiter in ihn gedrungen und hatte sich nur gelobt, seine Pflicht als Arzt bis zum Ende zu erfüllen, während er wohl wußte, daß er kein Gott war, der gegen das Unmögliche kämpfen konnte.

Am Abend dieses ersten Tages des Rückfalls schickte die Gesellschaft der Jacobiner, um sich nach der Gesundheit ihres Expräsidenten zu erkundigen, eine Deputation, an deren Spitze Barnave war. Man hatte Barnave die zwei Lameth beigeben wollen, doch sie hatten sich geweigert.

Als man Mirabeau von diesem Umstande unterrichtete, sagte er:

»Ah! ich wußte wohl, es seien Feige, doch ich wußte nicht, daß es Dummköpfe sind!«

Vierundzwanzig Stunden lang verließ der Doctor Gilbert Mirabeau nicht einen Augenblick. Am Mittwoch Abend, gegen elf Uhr, stand es gut genug, daß Gilbert einwilligte, in ein anstoßendes Zimmer zu gehen, um ein paar Stunden zu ruhen.

Ehe er sich niederlegte, befahl der Doctor, ihn beim geringsten Wiedererscheinen von schlimmen Zufällen sogleich zu benachrichtigen.

Bei Tagesanbruch erwachte er. Niemand hatte seinen Schlaf gestört, und dennoch stand er unruhig auf: es dünkte ihm unmöglich, daß sich eine Besserung so ohne irgend einen schlimmen Zwischenfall erhalten habe.

Als er hinab kam, meldete ihm wirklich Teisch, mit Thränen in den Augen und in der Stimme: es stehe sehr schlecht bei Mirabeau, doch der Kranke habe, welche Schmerzen er auch ausgestanden, verboten, den Doctor zu wecken.

 

Und der Kranke hatte doch grausam leiden müssen: der Puls hatte den erschrecklichsten Charakter angenommen. Die Schmerzen hatten sich mit einem wahren Grimme entwickelt; endlich waren die Krämpfe und die Erstickungsanfälle wieder gekommen.

Mehrere Male, und Teisch schrieb dies einem Anfange vom Delirium zu, mehrere Male hatte der Kranke den Namen der Königin ausgesprochen.

»Die Undankbaren!« hatte er gesagt, »sie haben sich nicht einmal nach mir erkundigen lassen!«

Dann hatte er, wie mit sich selbst sprechend, beigefügt:

»Ich möchte wohl wissen, was sie sagen wird, wenn sie morgen, übermorgen erfährt, daß ich todt bin  . . . «

Gilbert dachte, Alles hänge von der Krise ab, die sich vorbereitete; er hielt sich auch gerüstet, kräftig gegen die Krankheit zu kämpfen, und verordnete vor Allem die Anwendung von Blutegeln an der Brust; doch als wären sie Mitschuldige des Sterbenden gewesen, bissen die Blutegel schlecht an; man ersetzte sie durch einen zweiten Aderlaß am Fuße und durch Moschuspillen.

Der Anfall dauerte acht Stunden. Gilbert focht, so zu sagen, mit dem Tode, parirte jeden Schlag, den er führte, kam einigen zuvor, wurde aber auch zuweilen von ihm getroffen. Endlich, nach acht Stunden, fiel das Fieber, und der Tod nahm seinen Rückzug; doch wie ein Tiger, der flieht, um wiederzukommen, drückte er seine erschreckliche Klaue in das Gesicht des Kranken ein.

Gilbert blieb mit gekreuzten Armen vor dem Bette stehen, wo der Kampf sich vollendete. Er war zu tief in die Geheimnisse der Kunst eingeweiht, nicht nur, um irgend eine Hoffnung zu hegen, sondern sogar, um zu zweifeln.

Mirabeau war verloren, und es war dem Doctor nicht möglich, in dem vor seinen Augen ausgestreckten Leichname den lebendigen Mirabeau zu sehen.

Seltsam! von diesem Augenblicke an sprachen der Kranke und Mirabeau, im Einklange und wie von einem und demselben Gedanken berührt, von Mirabeau als von einem Menschen, der gewesen, der aber zu sein aufgehört.

Von diesem Augenblicke nahm auch die Physiognomie den Charakter der Feierlichkeit an, der wesentlich dem Todeskampfe der großen Männer zukommt: seine Stimme wurde ernst, beinahe prophetisch; es lag von da an in seinem Worte etwas Strengeres, Tieferes, Umfangreicheres, in seinen Gefühlen etwas Liebevolleres, Hingebenderes, Erhabeneres.

Man meldete ihm, ein junger Mann, der ihn nur einmal gesehen und der nicht sagen wolle, wer er sei, dringe darauf, daß man ihn einlasse.

Er wandte sich gegen Gilbert um, als wollte er ihn um Erlaubniß bitten, diesen jungen Mann empfangen zu dürfen.

Gilbert verstand ihn:

»Lassen Sie ihn eintreten,« sagte er zu Teisch.

Teisch öffnete die Thüre.

Ein junger Mensch von kaum neunzehn Jahren erschien aus der Schwelle, trat langsam vor, kniete vor dem Bette von Mirabeau nieder, nahm seine Hand und küßte sie unter heftigem Schluchzen.

Mirabeau schien in seinem Gedächtniß eine schwankende Erinnerung zu suchen.

»Ah!« sagte er plötzlich, »ich erkenne Sie, Sie sind der junge Mann von Argenteuil.«

»Mein Gott! sei gepriesen! das war Alles, was ich mir von Dir erbat!« sprach der junge Mann, Und er stand, seine beiden Hände auf seine Augen drückend, auf und ging hinaus.

Einige Secunden nachher trat Teisch wieder ein; er hatte in der Hand ein Billet, das der junge Mann im Vorzimmer geschrieben.

Dieses Billet enthielt folgende einfache Worte:

»Als ich Herrn von Mirabeau in Argenteuil die Hand küßte, sagte ich ihm, ich sei bereit, für ihn zu sterben.

»Ich komme, um mich meines Wortes zu entledigen.

»In einem englischen Journal habe ich gestern gelesen, die Uebergießung von Blut sei in einem Falle dem ähnlich, in welchem sich der ruhmwürdige Kranke befindet, in London mit günstigem Erfolge ausgeführt worden.

»Sollte, um Herrn von Mirabeau zu retten, die Uebergießung des Blutes für nützlich erachtet werden, so biete ich das meinige an, es ist jung und rein.«

»Marnais.«

Als er diese paar Zeilen las, konnte sich Mirabeau der Thränen nicht erwehren.

Er befahl, den jungen Mann wieder einzuführen, doch dieser, der ohne Zweifel einer so wohlverdienten Dankbarkeit entgehen wollte, hatte sich schon mit Hinterlassung seiner doppelten Adresse in Paris und Argenteuil entfernt.

Einige Augenblicke nachher willigte Mirabeau ein, Jedermann zu empfangen: die Herren von der Mark und Frochot, seine Freunde; Madame du Saillant, seine Schwester; Frau von Aragon, seine Nichte.

Nur weigerte er sich, einen anderen Arzt als Gilbert zu sehen.

»Nein,« erwiderte er, als dieser in ihn drang, »Sie haben alle Unannehmlichkeiten der Krankheit gehabt; heilen Sie mich, so soll Ihnen das ganze Verdienst der Rettung zukommen.«

Von Zeit zu Zeit wollte er wissen, wer sich nach ihm erkundigt habe, und obgleich er nicht fragte: »Hat die Königin vom Schlosse geschickt?« errieth doch Gilbert an dem Seufzer, den der Sterbende ausstieß, wenn er an das Ende der Liste kam, daß der einzige Name, den er hier zu finden gewünscht hätte, gerade derjenige war, welcher sich nicht fand.

Dann, ohne vom König oder von der Königin zu sprechen, – Mirabeau war noch nicht so sterbend, um hierzu zu gelangen, – warf er sich mit einer bewunderungswürdigen Beredtsamkeit in die allgemeine Politik und besonders in die, welche er England gegenüber verfolgt hätte, wäre er Minister gewesen.

Mit Pitt besonders Leib an Leib zu kämpfen würde ihn glücklich gemacht haben.

»Oh! dieser Pitt,« rief er einmal aus, »das ist der Minister der Vorbereitungen: er regiert mehr mit dem, womit er droht, als mit dem, was er macht; hätte ich gelebt, so würde ich ihm Kummer verursacht haben.«

Von Zeit zu Zeit erhob sich ein Geschrei bis zu den Fenstern: das war der traurige Ruf: »Es lebe Mirabeau!« den das Volk ertönen ließ, ein Ruf, der ein Gebet zu sein schien, ein Ruf, der mehr einer Klage als einer Hoffnung glich.

Da horchte Mirabeau und ließ das Fenster öffnen, damit dieses Geräusch, der Lohn für so viele ausgestandene Leiden, zu ihm dringe. Einige Secunden blieb er mit gespanntem Ohr und zog gleichsam in sich und verschlang diesen ganzen Lärmen.

Dann murmelte er:

»Oh! gutes Volk! Volk, verleumdet, beleidigt, verachtet wie ich, es ist gerecht, daß sie es sind, die mich vergessen, und daß Du mich belohnst!«

Es kam die Nacht. Gilbert wollte den Kranken nicht verlassen; er befahl, das Canapé an sein Bett zu rücken und legte sich darauf, Mirabeau ließ ihn gewähren; seitdem er sicher war, daß er sterben mußte, schien er seinen Arzt nicht mehr zu fürchten.

Sobald der Tag anbrach, hieß er die Fenster öffnen.

Mein lieber Doctor,« sagte er zu Gilbert, »heute werde ich sterben. Wenn man da ist, wo ich bin, hat man nur noch sich in Wohlgerüche zu hüllen und mit Blumen zu bekränzen, um so angenehm als möglich in den Schlaf einzugehen, von dem man nicht mehr erwacht  . . .  Habe ich die Erlaubniß, zu thun, was ich?«

Gilbert bedeutete ihm mit dem Kopfe nickend, daß er vollkommen Herr seiner Handlungen sei.

Da rief er seine zwei Diener.

»Jean,« sagte er, »hole für mich die reizendsten Blumen, die Du finden kannst, während Teisch bemüht sein wird, mich so schön als möglich zu machen.«

Jean schien mit den Augen Gilbert um Erlaubniß zu fragen; der Doctor nickte ihm einwilligend zu.

Jean ging hinaus, und Teisch, der am Tage vorher sehr krank gewesen war, fing an seinen Herrn zu rasiren und zu frisiren.

»Ah!« sagte Mirabeau zu ihm, »Du warst gestern krank, mein armer Teisch; wie geht es Dir heute?«

»Oh! sehr gut, mein lieber Herr,« erwiderte der redliche Diener, »und ich wünsche, Sie wären an meinem Platze.«

»Ich,« erwiderte Mirabeau lachend, »ich wünsche Dir, wenn Dir ein wenig am Leben gelegen ist, nicht, an dem meinigen zu sein.«

In diesem Augenblick erscholl ein Kanonenschuß. Woher kam er? Man erfuhr es nie.

Mirabeau bebte.

»Oh!« sagte er, indem er sich aufrichtete, »ist das schon des Leichenbegängniß von Achilles?«

Kaum hatte Jean, auf den, als er aus dem Hotel herauskam, Alles losstürzte, um sich nach dem hohen Kranken zu erkundigen, geäußert, er wolle Blumen holen, als Menschen mit dem Rufe: »»Blumen für Herrn von Mirabeau!«« durch die Straßen liefen und alle Thüren sich öffneten, und Jeder anbot, was er in seinen Treibhäusern oder in seinen Zimmern hatte, so daß in weniger als einer Viertelstunde das Hotel mit den seltensten Blumen gefüllt war.

Um neun Uhr Morgens war das Zimmer von Mirabeau in ein wahres Blumenstück verwandelt.

In diesem Augenblick hatte Teisch seine Toilette vollendet.

»Mein lieber Doctor,« sagte Mirabeau, »ich bitte Sie um eine Viertelstunde, um Abschied von Jemand zu nehmen, der das Haus vor mir verlassen soll. Wollte man diese Person beleidigen, so empfehle ich sie Ihnen.«

Gilbert begriff.

»Gut!« erwiderte er, »ich lasse Sie allein.«

»Ja, doch Sie warten im Nebenzimmer. Ist diese Person weggegangen, so werden Sie mich bis zu meinem Tode nicht mehr verlassen.«

Gilbert machte ein bejahendes Zeichen.

»Geben Sie mir Ihr Wort,« sprach Mirabeau.

Gilben gab es stammelnd. Dieser stoische Mann war ganz erstaunt, daß er, Thränen bei sich fand, er, der glaubte, kraft der Philosophie sei er zur Unempfindlichkeit gelangt.

Gilbert ging auf die Thüre zu.

Mirabeau hielt ihn zurück.

»Ehe sie weggehen,« sagte er, »öffnen Sie meinen Secretaire und geben Sie mir eine kleine Cassette, die sich darin findet.«

Gilbert that, was Mirabeau wünschte.

Diese Cassette war schwer. Gilbert schloß, sie müsse voll von Gold sein, Mirabeau bedeutete ihm durch einen Wink, er möge sie auf einen Nachttisch stellen; dann reichte er ihm die Hand und sprach:

»Sie werden die Güte haben, mir Jean zu schicken; Jean, Sie hören wohl? nicht Teisch; es ermüdet mich, zu rufen oder zu klingeln.«

Gilbert ging hinaus.

Jean wartete im anstoßenden Zimmer und trat durch dieselbe Oeffnung, welche Gilbert Ausgang gewährt hatte, ein.

Gilbert hörte, daß die Thüre hinter Jean mit dem Riegel geschlossen wurde.

Die folgende halbe Stunde wurde von Gilbert angewendet, um allen denjenigen, welche das Haus belagerten, Kunde vom Zustande von Mirabeau zu geben.

Diese Kunde war verzweiflungsvoll; der Doctor verbarg der Menge nicht, daß Mirabeau wahrscheinlich nicht mehr den ganzen Tag leben werde.

Ein Wagen hielt vor der Thüre des Hotel an.

Der Doctor hatte einen Augenblick den Gedanken, es sei ein Wagen von Hofe, den man aus Rücksicht, trotz des allgemeinen Verbotes, sich dem Hause haben nähern lassen.

Er lies ans Fenster.

Es wäre ein so süßer Trost für den Sterbenden gewesen, zu erfahren, die Königin beschäftige sich mit ihm.

Doch es war ein einfacher Miethwagen, den Jean geholt hatte.

Der Doctor errieth, für wen.

Nach einigen Minuten kam wirklich Jean, eine in eine große Mantille gehüllte Frau führend, heraus.

Diese Frau stieg in den Wagen.

Vor dem Wagen trat die Menge, ohne sich darum zu bekümmern, wer diese Frau sei, ehrerbietig aus die Seite.

Jean kam zurück.

Nach einem Augenblick wurde die Thüre des Zimmers von Mirabeau wieder geöffnet, und man hörte die geschwächte Stimme des Kranken nach dem Doctor verlangen.

Gilbert lief zu ihm.

»Mein lieber Doctor,« sagte Mirabeau, »stellen Sie diese Cassette wieder an ihren Ort.«

Dann, da Gilbert sehr erstaunt schien, daß er sie so schwer fand als zuvor, sprach Mirabeau:

»Ja, nicht wahr, das ist seltsam? Wo des Teufels hat die Uneigennützigkeit ihr Nest!«

Als der Doctor nahe zum Bette kam, fand er auf dem Boden ein gesticktes und ganz mit Spitzen besetztes Taschentuch.

Es war von Thränen benetzt.

»Ah!« sagte er zu Mirabeau, »sie hat nichts mitgenommen, doch sie hat etwas zurückgelassen.«

Mirabeau nahm das Tuch, und als er es ganz feucht fühlte, legte er es aus seine Stirne.

»Oh!« murmelte er, »nur sie hat also kein Herz?«

Und er sank mit geschlossenen Augen wieder aus sein Bett zurück, so daß man ihn hätte für ohnmächtig oder für todt halten können ohne das Röcheln seiner Brust, welches andeutete, daß er erst im Begriffe war, zu sterben.