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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Wie hast Du in Beziehung aus Sardinien gesagt, mein lieber Pitou?  . . .«

»Ich habe gesagt, Sardinien, das dem König von Piemont gehört, und ich glaube mich nicht zu täuschen.«

»So ist es  . . .ganz richtig, mein lieber Pitou. Isidor sagt in seinem Briefe, er gehe nach Turin in Piemont.«

»Ah!« versetzte Pitou, »ich begreife nun  . . .Gut! gut! Gut! . . . Nach Turin hat Herrn Isidor der König geschickt, und um zu wissen, wohin Herr Isidor geht, befragen Sie mich.«

»Warum sonst, wenn nicht um seinetwillen?« versetzte das Mädchen. »Was gehen mich Sardinien, Piemont, Turin an?  . . .So lange er nicht dahin ging, habe ich nichts von dieser Insel, von dieser Hauptstadt gewußt, und ich bekümmerte mich wenig darum. Doch er ist nach Turin abgereist  . . .begreifst Du, mein lieber Pitou? und ich will wissen, was Turin ist  . . .«

Pitou stieß einen schweren Seufzer aus, schüttelte den Kopf, strengte aber nichtsdestoweniger alle seine Kräfte an, um Catherine zu befriedigen.

»Turin  . . .« sagte er, »warten Sie  . . .Hauptstadt von Piemont  . . .Turin  . . .Ich habe es! Turin, Bodincomagus, Taurasia, Colonia Julia, Augusta Taurinorum bei den Alten, heute die Hauptstadt von Piemont und der sardinischen Staaten, zwischen dem Po und der Dora liegend, eine der schönsten Städte Europas. Bevölkerung 120.000 Einwohner; regierender König Karl Emmanuel . . . Das ist Turin, Mademoiselle Catherine.«

»Und in welcher Entfernung liegt Turin von Pisseleu? Du, der Du Alles weißt, Pitou, mußt auch dies wissen  . . .«

»Ah! ja!« versetzte Pitou, »ich werde Ihnen wohl sagen, wie weit Turin von Paris entfernt liegt, aber von Pisseleu, das ist schwierig.«

»Nun, so sage zuerst von Paris, Pitou, und wir werden sodann die achtzehn Meilen von Pisseleu bis Paris beifügen.«

»Halt! das ist bei meiner Treue wahr,« rief Pitou.

Und er fuhr fort:

»Entfernung von Paris zweihundertundsechs Meilen, von Rom hundertundvierzig, von Konstantinopel  . . .«

Ich brauche nur Paris, mein lieber Pitou.

Zweihundert und sechs Meilen  . . .und achtzehn, das macht zweihundertvierundzwanzig. Er ist also zweihundertvierundzwanzig Meilen von mir entfernt  . . .Vor drei Tagen war er da  . . .eine Stunde von hier  . . .an meiner Seite  . . .und heute  . . .heute . . .« fügte Catherine in Thränen zerfließend und die Hände ringend bei, »heute ist er zweihundertvierundzwanzig Meilen von mir entfernt!  . . .«

»Oh! noch nicht,« bemerkte Pitou schüchtern: »er ist vorgestern erst abgereist  . . .er hat den halben Weg zurückgelegt, und dies kaum.«

»Und wo ist er dann?«

»Oh! was das betrifft, das weiß ich nicht,« erwiederte Pitou, »der Abbé Fortier lehrte uns zwar, was die Königreiche und die Hauptstädte sind, er sagte uns aber nichts von den Wegen, welche dahin führen.«

»Das ist also Alles, was Du weißt, mein lieber Pitou?«

»Oh! mein Gott, ja,« erwiederte der Geograph, gedemüthigt dadurch, daß er so schnell die Grenzen seines Wissens berührte, »wenn nicht etwa noch, daß Turin ein Aristokratennest ist!«

»Was will das besagen?«

»Das will besagen, Mademoiselle, daß sich in Turin alle Prinzen, alle Prinzessinnen und alle Emigranten versammelt haben: der Herr Graf d’Artois, der Herr Prinz von Condé, Frau von Polignac, kurz, eine Masse von Schurken, welche gegen die Nation conspiriren, und denen man hoffentlich eines Tags den Kopf mit einer sehr sinnreichen Maschine, die soeben Herr Guillotin erfindet, abschlagen wird.«

»Oh! Pitou!«

»Was denn?«

»Du wirst wieder grausam, wie bei Deiner ersten Rückkehr von Paris.«

»Grausam!  . . .Ich!« rief Pitou. »Ah! es ist wahr . . .Ja, ja, ja  . . .Herr Isidor ist einer von diesen Aristokraten, und Sie haben bange für ihn.«

Dann fügte er mit einem von den schweren Seufzern, die wir wiederholt bezeichnet haben, bei:

»Sprechen wir nicht hiervon  . . .Sprechen wir von Ihnen, Mademoiselle Catherine, und auf welche Art ich Ihnen angenehm sein kann.«

»Mein lieber Pitou,« erwiederte Catherine, »der Brief, den ich diesen Morgen empfangen habe, ist wahrscheinlich nicht der einzige, den ich empfangen werde . . .«

»Und Sie wünschen, daß ich die andern hole wie diesen?«

»Pitou, da Du angefangen hast, so gut zu sein  . . .«

»So soll ich auch fortfahren, nicht wahr?«

»Ja.«

»Herzlich gern.«

»Du begreifst wohl, daß ich, von meinem Vater bewacht, wie ich dies sein werde, nicht in die Stadt gehen kann . . .«

»Ah! ich muß Ihnen wohl sagen, daß er mich auch ein wenig bewacht, der Vater Billot;, ich habe es an seinem Auge gesehen.«

»Ja, doch Dir, Pitou, kann er nicht nach Haramont folgen, und wir können in Betreff eines Ortes übereinkommen, wo Du die Briefe niederlegst.«

»Oh! sehr gut,« errwiederte Pitou, »zum Beispiel der große hohle Weidenbaum, der bei der Stelle ist, wo ich Sie ohnmächtig gesunden habe?«

»Ganz richtig. Das ist nicht weit vom Pachthose entfernt und kann doch von den Fenstern aus nicht gesehen werden. Abgemacht also. Du bringst sie dorthin?«

»Ja, Mademoiselle Catherine.«

»Nur sei besorgt daß man Dich nicht steht.«

»Fragen Sie doch die Jagdaufseher der Hut vor, Longpré, von Taille-Fontaine und von Montaigu, ob sie mich je gesehen, und ich habe ihnen doch Dutzende von Kaninchen weggeblasen!  . . .Aber Sie, Mademoiselle Catherine, wie werden Sie es machen, um sie zu holen?«

»Ich?  . . .Oh! ich,« erwiederte Catherine mit einem Lächeln voll Hoffnung und Willen, »ich werde sehr rasch zu genesen suchen.«

Pitou stieß den schwersten von den Seufzern los, die er noch ausgestoßen hatte.

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre, und der Doctor Raynal erschien.

LIV
Pitou als Montirungs-Kapitän

Dieser Besuch kam sehr gelegen, um den Abgang von Pitou zu erleichtern.

Der Doctor näherte sich der Kranken, nicht ohne zu bemerken, welche bedeutende Veränderung sich bei ihr seit dem vorhergehenden Tage bewerkstelligt hatte.

Catherine lächelte dem Doctor zu und reichte ihm den Arm.

»Ah!« sagte der Doctor, »geschähe es nicht um des Vergnügens willen, Ihre hübsche Hand zu berühren, meine liebe Catherine, so würde ich nicht einmal Ihren Puls befragen. Ich wette, wir überschreiten nicht fünfundsiebenzig Schläge in der Minute.«

»Es geht allerdings viel besser, Doctor, und Ihre Verordnungen haben Wunder gethan.«

»Meine Verordnungen  . . . hm! hm!« versetzte der Doctor. »Sie begreifen, es ist mir ganz lieb, wenn alle Ehre Ihrer Wiedergenesung mir zufällt; doch ich muß, so eitel ich bin, einen Theil dieser Genesung meinem Zögling Pitou überlassen.«

Dann schlug er die Augen zum Himmel und und sprach:

»O Natur, Natur! mächtige Ceres, große Isis, wie viel Geheimnisse bewahrst du noch für diejenigen, welche dich zu befragen wissen werden!«

Und er wandte sich nach der Thüre und rief:

»Auf! auf! tretet ein, Vater mit dem düsteren Gesichte, Mutter mit dem bangen Auge, und seht die theure Kranke; sie bedarf, um völlig zu genesen, nur noch Eurer Liebe und Eurer Zärtlichkeit.«

Als sie die Stimme des Doctors vernahmen, lief der Vater Billot und die Mutter Billot herbei: der Vater Billot mit einem Ueberreste von Argwohn in der Physiognomie, die Mutter Billot mit einem strahlenden Gesichte.

Während sie eintraten, nahm Pitou, nachdem er den letzten Blick, den ihm Catherine zuwarf, erwiedert hatte, seinen Abgang.

Lassen wir Catherine, welche der auf ihrem Herzen liegende Brief von Isidor fortan der Anwendung von Eis auf ihrem Kopfe und von Senf auf ihren Füßen überhebt, lassen wir Catherine unter den Liebkosungen ihrer würdigen Eltern zur Hoffnung und zum Leben zurückkehren und folgen wir Pitou, der ganz einfach und naiv eine der schwierigsten vom Christenthum den christlichen Seelen auferlegten Pflichten, die Selbstverleugnung und die Aufopferung für seinen Nebenmenschen, geübt hatte.

Wollten wir sagen, der arme Junge habe Catherine mit freudigem Herzen verlassen, so würden wir zu viel sagen. Wir beschränken uns darauf, daß wir versichern, er habe sie mit zufriedenem Herzen verlassen. Obgleich er sich keine Rechenschaft von der Größe der Handlung gegeben, die er vollführt, fühlte er doch an den Glückwünschen der inneren Stimme, welche Jeder in sich trägt, daß er etwas Gutes und Frommes gethan hatte, nicht aus dem Gesichtspunkte der Moral, welche sicherlich die Verbindung von Catherine mit dem Vicomte von Charny, das heißt einer Bäuerin mit einem vornehmen Herrn verwarf, sondern aus dem Gesichtspunkte der Humanität.

In der Zeit aber, von der wir sprechen, war die Humanität eines von den Modeworten, und Pitou, der dieses Wort mehr als einmal ausgesprochen, ohne zu wissen, was es besagen wollte, Pitou hatte es in Ausübung gebracht, ohne genau zu wissen, was er gethan.

Was er gethan, war eine Sache, die er aus Geschicklichkeit hätte thun müssen, würde er sie nicht aus Seelengüte gethan haben. Von einem Nebenbuhler von Charny, – eine Stellung, die er unmöglich behaupten konnte, – war Pitou der Vertraute von Catherine geworden.

Statt ihn hart anzulassen, statt ihn zurückstoßend zu behandeln, statt ihn vor die Thüre zu setzen, wie sie es bei der Rückkehr von seiner ersten Reise nach Paris gethan, hatte ihm Catherine geschmeichelt, ihn gedutzt, geliebkost.

Als Vertrauter hatte er erlangt, was er als Nebenbuhler nie geträumt, – abgesehen von dem, was er noch erlangen würde, nach dem Maße, in welchem die Ereignisse seine Theilnahme an dem geheimen Leben und den verborgenen Gefühlen des schönen Bauernmädchens immer nothwendiger machen würden.

Um sich diese Zukunft freundlicher Zärtlichkeiten zu erhalten, fing Pitou damit an, daß er Frau Colombe eine ihm von Catherine gegebene, beinahe unleserliche Vollmacht brachte, nach der er für sie und in ihrem Namen alle Briefe, welche für sie und mit ihrem Namen ankämen, empfangen sollte.

 

Dieser geschriebenen Vollmacht fügte Pitou noch ein mündliches Versprechen von Catherine bei, die sich anheischig machte, am nächsten Martini den Tagelöhnern von Pisseleu einen ganz aus Pfefferkuchen und Gerstenzucker bestehenden Imbiß zu geben.

Gegen diese Vollmacht und dieses Versprechen, wodurch zugleich das Gewissen und die Interessen der Mutter Colombe gesichert wurden, machte sich diese anheischig, jeden Morgen die Briefe, welche für Catherine ankommen könnten, in Empfang zu nehmen und zur Verfügung von Pitou zu stellen.

Nachdem dieser Punkt geordnet war, wanderte Pitou, der nichts mehr in der Stadt, wie man prunkhaft Villers-Coterets nannte, zu thun hatte, nach dem Dorfe.

Die Rückkehr von Pitou nach Haramont war ein Ereigniß. Seine hastige Abreise nach der Hauptstadt hatte eine große Anzahl von Commentaren hervorgerufen, und nach dem, was in Folge des von Paris durch einen Adjutanten von Lafayette überschickten Befehls, sich der beim Abbé Fortier aufbewahrten Gewehre zu bemächtigen, geschehen war, hatten die Haramonter keinen Zweifel mehr an der politischen Wichtigkeit von Pitou gehabt. Die Einen sagten, er sei nach Paris durch den Doctor Gilbert berufen worden; die Andern, durch den General Lafayette, und wieder Andere, – das war allerdings die kleinste Zahl, – durch den König.

Obgleich Pitou nichts von den Gerüchten wußte, die sich in seiner Abwesenheit verbreitet hatten, Gerüchte, welche ganz zu seinen Gunsten lauteten, kehrte er nichtsdestoweniger mit einer solchen Würde in seine Heimath zurück, daß Jedermann über diese Würde erstaunt war.

Um in ihrer wahren Größe gesehen zu werden, müssen die Menschen aus dem Terrain gesehen werden, das ihnen eigen ist. Schüler in der Anstalt des Herrn Abbé Fortier, Tagelöhner im Pachthofe des Herrn Billot, war Pitou Mann, Bürger, Kapitän in Haramont.

Abgesehen davon, daß er als Kapitän außer fünf bis sechs Louis d’or, die ihm eigen gehörten, wie man sich erinnert, fünfundzwanzig Louis d’or mitbrachte, welche ihm großmüthig der Doctor Gilbert für die Equipirung und Montirung der Nationalgarde von Haramont gegeben hatte.

Kaum war er auch in seinem Hause, kaum erschien der Trommler bei ihm zum Besuche, als er diesem befahl, für den nächsten Sonntag Mittag eine officielle Revue mit Sack und Pack aus dem großen Platze von Haramont anzukündigen.

Nun zweifelte man nicht mehr, Pitou habe eine Mittheilung der Nationalgarde von Haramont im Auftrage der Regierung zu machen.

Viele kamen zu Pitou und ließen sich mit ihm in ein Gespräch ein, um vor den Anderen etwas von diesem großen Geheimnisse zu erfahren; Pitou aber beobachtete in Betreff der öffentlichen Angelegenheiten ein majestätisches Stillschweigen.

Am Abend ging Pitou, den die öffentlichen Angelegenheiten ebenso wenig seinen Privatangelegenheiten entzogen, als ihn die Privatangelegenheiten den öffentlichen abwendig machen konnten, ging Pitou hinaus, um seine Schlingen zu legen und Vater Clouis zu begrüßen, was ihn nicht verhinderte, um sieben Uhr Morgens bei Meister Dulauroy, dem Schneider, zu sein, nachdem er in seinem Hause in Haramont drei Kaninchen und einen Hasen niedergelegt und sich bei Mutter Colombe erkundigt hatte, ob keine Briefe für Catherine da seien.

Es fanden sich keine vor, und Pitou war beinahe betrübt, indem er an den Kummer dachte, den hierüber die arme Wiedergenesende empfinden werde.

Der Besuch bei Herrn Dulauroy hatte zum Zweck, zu erfahren, ob dieser die Montirung der Nationalgarde von Haramont auf Lieferung übernehmen und welchen Preis er dafür verlangen würde.

Meister Dulauroy machte die bei solchen Vorkommenheiten üblichen Fragen über den Wuchs der Individuen, auf welche Fragen Pitou dadurch antwortete, daß er ihm mit Namen den Etat der dreiunddreißig Mann vor Augen legte, welche, Officiere, Unterofficiere und Soldaten, den Effectivstand der Bürgergarde von Haramont bildeten.

Da die ganze Mannschaft dem Meister Dulauroy bekannt war, so berechnete man Größe und Länge, und, mit Feder und Kreide in der Hand erklärte der Schneider, er könne dreiunddreißig Röcke und dreiunddreißig Paar Hosen in anständiger Beschaffenheit nicht um weniger, als um dreiunddreißig Louis d’or liefern.

Und Pitou dürfte um diesen Preis nicht einmal völlig neues Tuch fordern.

Pitou schrie auf und behauptete, er wisse aus dem Munde von Lafayette selbst, daß er drei Millionen Mann, welche die Bürgergarde Frankreichs bilden, für fünfundzwanzig Livres den Mann habe kleiden lassen, was fünfundsiebenzig Millionen für das Ganze mache.

Meister Dulauroy entgegnete, bei einer solchen Zahl, wenn man im Einzelnen verliere, vermöge man sich beim Ganzen herauszuziehen, er aber, und das sei sein letztes Wort, könne nicht mehr thun, als die Bürgergarde von Haramont um zweiundzwanzig Franken den Mann kleiden, und in Betracht der nothwendigen Vorschüsse könne er auch die Sache nur gegen baar Geld unternehmen.

Pitou zog eine Hand voll Gold aus der Tasche und erklärte, das wäre kein Hinderniß, allein er sei in seinem Preise beschränkt, und wenn Meister Dulauroy sich weigere, die dreiunddreißig Röcke und ebenso viel Paare Hosen zu verfertigen, so werde er den Antrag dem Meister Bligny, dem Zunftgenossen und Nebenbuhler von Meister Dulauroy, machen, da er ihm nur den Vorzug als einem Freunde der Tante Angelique gegeben habe.

Es war in der That Pitou nicht unangenehm, wenn die Tante Angelique auf einem Umwege erfuhr, er, Pitou, habe Gold die Hülle und die Fülle, und er bezweifelte nicht, noch an demselben Abend werde ihr der Schneider berichten, was er gesehen, nämlich, daß Pitou reich war wie der selige Crösus.

Die Drohung, anderswo einen Auftrag von solcher Bedeutung zu geben, brachte ihre Wirkung, hervor und Meister Dulauroy ging ein, was Pitou haben wollte. Dieser aber forderte, daß ihm seine Kleidung von neuem Tuche, gleichviel ob von seinem oder grobem, – er liebte das grobe mehr als das feine, – die Epauletten mitbegriffen in den Kauf, geliefert werden müsse.

Das war der Gegenstand einer neuen Debatte, welche nicht minder lang und nicht minder hitzig als die erste, doch auch bei dieser siegte Pitou in Folge der erschrecklichen Drohung, von Meister Bligny zu erlangen, was er nicht bei Meister Delauroy durchsetzen könnte.

Das Resultat dieser ganzen Verhandlung war, daß Meister Dulauroy sich anheischig machte, am nächsten Sonnabend einunddreißig Röcke und eben so viel Paare Hosen für die Soldaten, zwei Röcke und zwei Paare Hosen für Sergent und Lieutenant, und einen Rock und ein Paar Hosen für den Kapitän, den Rock mit seinen Epauletten geschmückt, zu liefern.

Würde nicht pünktlich geliefert, so blieb die Bestellung auf Rechnung des säumigen Schneiders, da die Feierlichkeit des Bündnisses, das Villers-Coterets und die zu diesem Cantonhauptorte gehörenden Dörfer schließen wollten, am Sonntag, den andern Tag nach diesem Sonnabend, stattfinden sollte.

Diese Bedingung wurde angenommen wie die andern.

Um neun Uhr Morgens war die große Angelegenheit zu Ende gebracht.

Um halb zehn Uhr kehrte Pitou, zum Voraus ganz stolz aus die Ueberraschung, die er seinen Mitbürgern bereitete, nach Haramont zurück.

Um elf Uhr schlug der Trommler den Rappel.

Um Mittag maneuvrirte die Nationalgarde unter den Waffen mit der gewöhnlichen Präcision auf dem öffentlichen Platze des Dorfes. Nach einem Manoeuvre von einer Stunde, das dieser wackeren Nationalgarde die Lobeserhebungen ihres Führers und die Bravos der Weiber, der Kinder und der Greise eintrug, die diesem Schauspiele mit der rührendsten Theilnahme zusahen, rief Pitou den Sergent Claude Tellier und den Lieutenant Desiré Maniquet zu sich und befahl ihnen, ihre Leute zu versammeln und sie im Namen von ihm, Pitou, im Namen von Doctor Gilbert, im Namen von General Lafayette und endlich im Namen des Königs aufzufordern, sich zu Meister Dulauroy, dem Schneider von Villers-Coterets, zu begeben, der ihnen eine wichtige Mittheilung zu machen habe.

Die Trommel wurde abermals gerührt, der Sergent und der Lieutenant, welche nicht minder unwissend als die Soldaten, an die sie sich wandten, überbrachten ihren Leuten wortgetreu den Befehl des Kapitäns; dann vernahm man von der schallenden Stimme von Pitou den Ruf: »Eingerückt!«

Fünf Minuten nachher liefen die einundreißig Soldaten der Bürgergarde von Haramont nebst dem Sergenten Claude Tellier und dem Lieutenant Desiré Maniquet, als hätte man ihnen die Milz ausgenommen, aus der Straße nach Villers-Coterets. Am Abend gaben die zwei Spielleute von Haramont dem Kapitän eine Serenade; die Lust ward durchfurcht von Petarden, Raketen und romanischen Lichtern, und einige, allerdings etwas weinschwere, Stimmen riefen in Zwischenräumen:

»Es lebe Ange Pitou! der Vater des Volks!«

LV
Wo der Abbé Fortier einen neuen Beweis von seinem contrerevolutionären Geiste gibt

An dem darauf folgenden Sonntag wurden die Einwohner von Villers-Coterets durch den Trommler aufgeweckt, welcher schon um fünf Uhr des Morgens mit aller Heftigkeit den Rappel schlug.

Nichts ist meiner Ansicht nach unverschämter, als auf diese Art eine Bevölkerung aufzuwecken, von der beinahe immer die Mehrzahl, es ist nicht zu leugnen, lieber ruhig ihre Nacht beendigen und die sieben Stunden Schlaf, die nach der Volksgesundheitslehre jeder Mensch nöthig hat, um sich frisch und munter zu erhalten, vollständig machen würde.

Doch in allen Revolutionszeiten ist es so, und tritt man in eine von diesen Perioden der Agitation und des Fortschritts ein, so muß man philosophisch den Schlaf zur Zahl der Opfer setzen, die man dem Vaterlande zu bringen hat.

Die Einwohner von Villers-Coterets, mochten sie zufrieden oder unzufrieden, Patrioten oder Aristokraten sein, wurden also am Sonntag den 18. October 1790 um fünf Uhr Morgens aufgeweckt.

Die Feierlichkeit begann indessen erst um zehn Uhr; doch fünf Stunden waren nicht zu viel, um zu vollenden, was Alles zu thun blieb.

Eine große Schaubühne, die man vor mehr als zehn Tagen errichtet, erhob sich mitten aus dem Platze. Doch diese Schaubühne, deren Erbauung vom Eifer der Schreiner zeugte, war, so zu sagen, nur das Gerippe des Monuments.

Das Monument bildete ein dem Vaterlande geweihter Altar, an welchem der Abbé Fortier mehr als vierzehn Tage vorher die Messe am Sonntag den 18. October zu lesen, statt sie in seiner Kirche zu lesen, aufgefordert worden war.

Um aber das Monument seiner doppelten religiösen und gesellschaftlichen Bestimmung würdig zu machen, mußte man alle Reichthümer der Gemeinde in Contribution setzen.

Und wir müssen sagen, Jeder hatte großmüthig seine Reichtümer für diese Festlichkeit angeboten; Dieser einen Teppich, Jener ein Altartuch, der Eine seidene Vorhänge, der Andere ein Heiligenbild.

Da aber die Stabilität im Monat October keine von den guten Eigenschaften der Witterung ist und der Fall, daß der Barometer beständig schön andeutet, unter dem Zeichen des Scorpions nur selten vorkommt, so hatte sich Niemand der Gefahr ausgesetzt, sein Opfer zum Voraus zu bringen, und Jeder hatte den Tag des Festes abgewartet, um seinen Tribut zu entrichten.

Die Sonne ging, nach ihrer Gewohnheit in dieser Jahreszeit, um halb sieben Uhr auf und verkündigte durch die Klarheit und Wärme ihrer Strahlen einen der schönen Herbsttage, welche einen Vergleich mit den schönen Tagen des Frühlings aushalten.

Um neun Uhr Morgens wurde der Altar mit einem herrlichen Teppich von Aubusson bekleidet, mit einem mit Spitzen verzierten Tuche bedeckt, und daraus setzte man ein Gemälde, die Predigt des heiligen Johannes in der Wüste vorstellend, während das Ganze durch einen Prachthimmel mit goldenen Crepinen beschirmt war, von dem herrliche Brocatvorhänge herabhingen.

Die für die Feier der Messe nothwendigen Gegenstände mußten natürlich von der Kirche geliefert werden, und man bekümmerte sich nicht darum. Ueberdies hatte jeder Bürger wie am Fronleichnamsfeste über die Vorderseite seiner Thüre oder die Façade seines Hauses Tücher mit Epheuzweigen geschmückt oder Tapetenwerk, theils Blumen, theils Personen vorstellend, ausgespannt.

Alle Mädchen von Villers-Coterets und der Umgegend sollten, weiß gekleidet, einen dreifarbigen Gürtel um den Leib und in der Hand einen Zweig mit Blätterwerk haltend, den Altar des Vaterlandes umgeben.

Nachdem die Messe gelesen, sollten die Männer der Constitution den Eid leisten.

Unter den Waffen von Morgens um acht Uhr an, erwartete die Nationalgarde von Villers-Coterets die Bürgergarden der verschiedenen Dörfer und fraternisirte mit ihnen, so wie sie nach und nach ankamen.

Es versteht sich von selbst, daß unter allen diesen patriotischen Milizen diejenige, welche mit der größten Ungeduld erwartet wurde, die Bürgergarde von Haramont war. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, durch den Einfluß von Pitou und eine ganz königliche Freigebigkeit seien die dreiunddreißig Mann, aus denen sie bestand, nebst dem Kapitän Auge Pitou mit Uniformen bekleidet worden.

 

Die Magazine von Meister Dulauroy waren die ganze Woche nicht leer gewesen. Es hatte ein großer Zustrom von Neugierigen innen und außen stattgefunden, um die zehn Gesellen an der Riesenbestellung, die seit Menschengedenken nicht ihres Gleichen in Villers-Coterets gehabt, arbeiten zu sehen.

Die letzte Uniform, die des Kapitäns, – denn Pitou hatte gefordert, daß man erst an ihn denke, nachdem die Anderen bedient seien, – die letzte Uniform, sagen wir, war nach der Uebereinkunst am Samstag Abend um elf Uhr fünfundfündzig Minuten abgeliefert worden.

Nach der Uebereinkunft hatte auch Pitou die fünfundzwanzig Louis d’or bis auf den letzten Sou an Herrn Dulauroy bezahlt.

Alles dies hatte natürlich großes Aufsehen im Hauptorte des Cantons gemacht, und man durfte sich nicht wundern, daß am genannten Tage die Nationalgarde von Haramont mit Ungeduld erwartet wurde.

Aus den Schlag neun Uhr ertönten eine Trommel und eine Pfeife am Ende der Rue de Largny. Man horte gewaltige Schreie her Freude und der Bewunderung, und man erblickte von fern Pitou aus seinem Schimmel oder vielmehr auf dem Schimmel seines Lieutenants Desiré Maniquet.

Die Nationalgarde von Haramont, was gewöhnlich, bei Dingen, von denen man lange gesprochen, nicht der Fall ist, die Nationalgarde von Haramot erschien nicht unter ihrem Rufe.

Man erinnere sich des Triumphes, den die Haramonter erlangt halten, da sie statt jeder Uniform nur dreiunddreißig ähnliche Hüte besaßen, und Pitou, da er als Auszeichnung seines Ranges nur den Helm und den Säbel eines gemeinen Dragoners trug.

Man stelle sich also vor, welches martialische Ansehn die dreiunddreißig Mann von Pitou, mit Uniformsrocken und solchen Hosen bekleidet, haben mußten, und welche wohlgefällige Miene ihr Anführer mit seinem kleinen Hute auf dem Ohr, seinem Ringkragen auf der Brust, seinen Katzenpfoten auf den Schultern und seinem Degen in der Hand annehmen mußte.

Es war nur ein Schrei der Bewunderung vom Ende der Rue de Largny bis zum großen Platze.

Die Tante Angelique wollte mit aller Gewalt ihren Neffen nicht wiedererkennen. Sie hätte sich beinahe vom Schimmel von Maniquct niedertreten lassen, um Pitou unter die Nase zu schauen.

Pitou salutirte mit seinem Degen auf eine majestätische Art und sprach, daß er auf zwanzig Schritte in der Runde gehört werden konnte, statt aller Rache die Worte:

»Guten Morgen, Frau Angelique.«

Zu Boden geschmettert unter dieser ehrerbietigen Anrufung, machte die alte Jungfer drei Schritte rückwärts, hob die Arme zum Himmel empor und rief:

»Oh! der Unglückliche! die Ehrenbezeigungen haben ihm den Kopf verdreht; er kennt seine Tante nicht mehr.«

Pitou ritt majestätisch weiter, ohne aus diesen Ausruf zu antworten, und nahm am Fuße vom Altar des Vaterlandes den Ehrenplatz ein, der der Nationalgarde von Haramont als dem einzigen Truppe, welcher eine vollständige Uniform hatte, gebührte.

Hier angelangt, stieg Pitou ab und gab sein Pferd zum Halten einem Straßenjungen, welcher für diese Bemühung sechs Sous vom freigebigen Kapitän erhielt.

Dieser Umstand wurde fünf Minuten nachher der Tante Angelique gemeldet, und sie rief:

»Oh! der Unglückliche! er ist also Millionär!«

Und leise fügte sie bei:

»Ich war sehr schlecht inspirirt, daß ich mich mit ihm entzweite: die Tanten erben von den Neffen.«

Pitou hörte weder den Ausruf, noch die Betrachtung, Pitou war ganz einfach in Extase.

Mitten unter den mit einem dreifarbigen Bande umgürteten und einen grünen Zweig in der Hand haltenden Mädchen hatte er Catherine erkannt.

Catherine, noch bleich von der kaum überwundenen Krankheit, doch schöner in ihrer Blässe, als eine Andere im frischesten Colorit der Gesundheit gewesen wäre!

Catherine bleich, aber glücklich; am Morgen desselben Tages hatte sie durch die Bemühungen von Pitou einen Brief in dem hohlen Weidenbaume getroffen.

Pitou fand, wie wir gesagt haben, Zeit zu Allem.

Am Morgen um sieben Uhr hatte er Zeit gefunden, bei der Mutter Colombe zu sein, um ein Viertel aus acht Uhr hatte er Zeit gefunden, den Brief in den hohlen Weidenbaum zu legen, und um acht Uhr Zeit, mit seiner Uniform bekleidet sich an die Spitze seiner dreiunddreißig Mann zu stellen.

Er hatte Catherine seit dem Tage, wo er sie in ihrem Bette im Pachthose verlassen, nicht mehr gesehen.

Sie winkte ihm zu sich.

Pitou schaute umher, um sich zu versichern, ob der Wink wirklich an ihn gerichtet sei.

Catherine wiederholte lächelnd ihre Einladung.

Man konnte sich nicht täuschen.

Pitou steckte seinen Degen in die Scheide, nahm artig seinen Hut an der Ecke und schritt mit entblößtem Haupte auf das Mädchen zu.

Für Herrn von Lafayette hätte Pitou einfach die Hand an seinen Hut gelegt.

»Ah! Herr Pitou,« sagte Catherine zu ihm, »ich erkannte Sie nicht  . . .Mein Gott, wie hübsch sehen, Sie aus in Ihrer Uniform!«

Dann fügte sie leise bei:

»Ich danke, mein lieber Pitou; oh! wie gut sind Sie, und wie liebe ich Sie!«

Und sie ergriff die Hand des Kapitäns der Nationalgarde und drückte sie in ihren Händen.

Eine Blendung zog über die Augen von Pitou hin; sein Hut entschlüpfte der Hand, welche frei geblieben, und der arme Verliebte war vielleicht selbst nahe daran, zu seinem Hute niederzufallen, als ein gewaltiges Geräusch, begleitet von bedrohlichen Ausrufungen, aus der Seite der Rue de Soissons ertönte.

Was auch die Ursache dieses Geräusches sein mochte, Pitou benutzte den Vorfall, um sich seiner Verlegenheit zu entreißen.

Er machte seine Hand von den Händen von Catherine los, lief weg und rief an der Spitze seiner dreiunddreißig Mann:

»In’s Gewehr!«

Sagen wir, was die Ursache dieses bedrohlicher, Geräusches war.

Man weiß, daß der Abbé Fortier das Bündniß durch eine Messe am Altar des Vaterlands zu feiern bestimmt worden, und daß die heiligen Gefäße und die andern Ornamente des Gottesdienstes, wie Kreuze, Fahnen, Leuchter, von der Kirche nach dem mitten auf dem Platze errichteten Altar gebracht werden sollten.

Der Maire, Herr von Longpré, gab die Befehle in Betreff dieses Theiles der Festlichkeit.

Herr von Longpré hatte, wie man sich erinnert, schon einmal mit dem Abbé Fortier zu thun gehabt, als Pitou, Mit dem Beschlüsse von Herrn von Lafayette in der Hand, die bewaffnete Macht requirirte, um sich der vom Abbé Fortier zurückbehaltenen Gewehre zu bemächtigen.

Herr von Longpré kannte aber, wie Jedermann, den Charakter des Abbé Fortier; er wußte, daß er eigenwillig bis zur Halsstarrigkeit, reizbar bis zur Heftigkeit war.

Er vermuthete wohl, der Abbé Fortier habe kein zärtliches Andenken für seine Intervention in dieser ganzen Flintenangelegenheit bewahrt.

Statt dem Abbé Fortier einen Besuch zu machen und die Sache von Seiten der bürgerlichen Behörde mit der geistlichen Behörde zu verhandeln, beschränkte er sich auch darauf, daß er dem würdigen Diener Gottes das Festprogramm schickte, in welchem gesagt war:

Art. 4

»Die Messe wird am Altar des Vaterlands vom Herrn Abbé Fortier gelesen; sie wird Morgens um zehn Uhr beginnen.«

Art. 5

»Die heiligen Gefäße und anderen Ornamente des Gottesdienstes werden durch die Sorge des Herrn Abbé Fortier von der Kirche von Villers-Coterets zum Altar des Vaterlands gebracht.«

Der Secretär der Mairie hatte in Person das Programm dem Abbé Fortier überbracht; dieser hatte es mit einer spöttischen Miene durchlaufen und mit einem Tone, der ganz seiner Miene ähnlich, erwiedert:

»Es ist gut.«

Um neun Uhr war, wie gesagt, der Altar des Vaterlands völlig geschmückt mit seinem Teppiche, mit seinen Vorhängen, mit seinem Tuche und mit seinem Gemälde, den heiligen Johannes, wie er in der Wüste predigt, vorstellend.

Es fehlten nur noch die Leuchter, das Tabernakel, das Kreuz und die anderen für den Gottesdienst notwendigen Gegenstände.