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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Gewiß nicht . . .Dieser handhabte die Feile und den Meißel ziemlich gut. Ich habe ihn eine eiserne Stange mit einem Schlage durchhauen und eine Platte mit einem Rattenschwanz durcharbeiten sehen, als hätte er es mit einem Bohrer an einer Latte gethan. Bei Allem dem war aber mehr Theorie als Praxis; er hatte nicht sobald seine Arbeit beendigt, als er seine Hände wusch, und er wusch nicht sobald die Hände, als sie weiß wurden. Werden wahre Schlosserhände so weiß? Ah, ja wohl! ich dürfte die meinigen immerhin waschen!« sagte Gamain.

Und er zeigte mit Stolz seine schwarzen, schwieligen Hände, welche in der That allen Mandelteigen und allen Seifen der Erde zu trotzen schienen.

»Aber, versetzte der Unbekannte, den Schlosser zu der Sache zurückführend, die ihn am meisten zu interessiren schien, »was haben Sie gethan, als Sie beim König ankamen?«

»Vor Allem scheint es, daß wir erwartet wurden. Man ließ uns in die Schmiede eintreten. Dort gab mir der König ein Schloß das, bei meiner Treue! nicht schlecht angefangen war, doch es blieb in den Bärten stecken. Ein Schloß mit drei Bärten, sehen Sie, es gibt nicht viele Schlosser, welche im Stande sind, dies zu machen, und Könige noch viel weniger, wie Sie leicht begreifen werden. Ich schaute mir das Ding an und sagte: »»Es ist gut, lassen Sie mich eine Stunde allein, und in einer Stunde wird das gehen wie auf Rädchen,«« Da erwiederte der König: »Wohl, Gamain, mein Freund, Du bist zu Hause; hier sind Feilen, hier sind Schraubstöcke; arbeite, mein Junge, arbeite, wir wollenden Schrank zurichten.« Wonach er mit dem Teufelsgesellen wegging.«

»Auf der großen Treppe?« fragte nachlässig der Waffenschmied.

»Nein, aus der kleinen Geheimtreppe, welche in sein Arbeitscabinet führt  . . .Als ich fertig war, sagte ich zu mir: »»Der Schrank ist nur ein Schein; sie haben sich mit einander eingeschlossen, um irgend ein Complot einzufädeln. Ich will sachte hinabgehen; ich öffne die Thüre des Cabinets und so sehe ich ein wenig, was sie thun.««

»Und was thaten sie?« fragte der Unbekannte.

»Ah! ja wohl! sie horchten wahrscheinlich. Sie begreifen, ich habe nicht den Tritt eines Tänzers! Ich mochte mich immerhin so leicht als möglich machen, die Treppe krachte unter meinen Füßen, und so hörten sie mich; sie stellten sich, als kämen sie mir und in dem Augenblick, wo ich die Hand an den Knopf der Thüre legen wollte, krach! da öffnete sie sich. Wer war übertölpelt? Gamain.«

»So wissen Sie also nichts?«

»Warten Sie doch! »»Ah! Gamain,«« sagte der König, »»Du bist es?«« »»Ja, Sire,«« erwiederte ich; »»ich bin fertig.«« »»Uno wir auch, wir sind auch fertig,«« sprach er; »»komm, ich will Dir nun ein anderes Geschäft geben,«« Und er ließ mich rasch das Cabinet durchschreiten, doch nicht so rasch, daß ich nicht aus einem Tische ausgebreitet eine große Karte sah, die ich für eine Karte von Frankreich halte, in Betracht, daß sie. drei Lilien an einer ihrer Ecken hatte.«

»Und Sie haben nichts Besonderes an dieser Karte von Frankreich bemerkt?«

»Doch: drei lange Reihen von Nadeln, welche, vom Mittelpunkte ausgehend, in einiger Entfernung von einander hinliefen und gegen das Ende vorrückten: man hätte glauben sollen, es seien Soldaten, die aus drei verschiedenen Straßen nach der Grenze marschirten.«

»Wahrhaftig, mein lieber Gamain,« sprach der Unbekannte, als wäre er von Bewunderung hingerissen, »Sie sind von einem Scharfsinn, dem nichts entgeht, ., . Und Sie glauben, statt sich mit Ihrem Schranke zu beschäftigen, haben sich der König und Ihr Geselle mit dieser Karte beschäftigt?«

»Ich bin dessen sicher,« versetzte Gamain.

»Sie können nicht dessen sicher sein.«

»Doch.«

»Wie so?«

»Das ist ganz einfach: die Nadeln hatten Köpfe von Wachs, – die einen von schwarzem Wachs, die andern von blauem Wachs, die dritten von rothem Wachs; nun wohl! der König hielt in der Hand und putzte sich die Zähne, ohne es zu bemerken, mit einer Nadel mit rothem Kopfe.«

»Ah! Gamain, mein Freund,« sagte der Unbekannte, »wenn ich ein neues System der Kunst des Waffenschmieds entdecke, so werde ich Sie nicht in mein Cabinet einlassen, nicht einmal, um es rasch zu durchschreiten, dafür stehe ich Ihnen! Oder ich verbinde Ihnen die Augen, wie an dem Tage, wo man Sie zu dem fraglichen vornehmen Herrn führte; und trotz Ihrer verbundenen Augen bemerkten Sie doch, daß die Freitreppe zehn Stufen hatte, und daß das Haus aus das Boulevard ging.«

»Warten Sie doch!« sagte Gamain, entzückt über das Lob, das man ihm spendete, »Sie sind nicht beim Ende: es war wirklich ein Schrank da!«

»Ah! ah! Und wo dies?«

»Ah! ja wo dies! Errathen Sie ein wenig!  . . .In die Mauer eingegraben, mein lieber Freund!«

»In welche Mauer?«

»In die Mauer des innern Corridors, der vom Alcoven des Königs mit dem Zimmer des Dauphin in Verbindung steht.«

»Wissen Sie, daß das, was Sie mir da sagen, sehr interessant ist?  . . .Und dieser Schrank war ganz offen?«

»Ja, prosit!  . . .Das heißt, ich mochte immerhin mit allen meinen Augen schauen, ich sah nichts und ich sagte: »»Nun, dieser Schrank, wo ist er denn?«« Da blickte der König umher und sprach zu mir: »»Gamain, ich habe immer Vertrauen zu Dir gehabt: es sollte auch kein Anderer als Du mein Geheimniß kennen. Sieh! . . .«« Und so sprechend, während der Geselle uns leuchtete, – denn das Tageslicht dringt nicht in diesen Corridor ein, – nahm der König eine Füllung des Täfelwerks weg, und ich erblickte ein rundes Loch, das ungefähr zwei Fuß im Durchmesser bei seiner Oeffnung hatte. Dann, als er mein Erstaunen sah, sagte er, unserem Gesellen mit dem Auge zublinzelnd: »»Mein Freund, Du siehst wohl dieses Loch? Ich habe es gemacht, um Geld darin zu verbergen; dieser junge Mann hat mir während der vier bis fünf Tage, die er im Schlosse war, geholfen. Nun muß man das Schloß an dieser eisernen Thüre anbringen, welche so schließen soll, daß die Füllung wieder ihren Platz einnimmt und sie verbirgt, wie sie das Loch verbarg . . . Brauchst Du einen Gehilfen, so wird Dich dieser junge Mann unterstützen; kannst Du seiner entbehren, so verwende ich ihn anderswo, doch immer in meinem Dienste.«« »»Oh!«« erwiederte ich, »»Sie wissen wohl, daß ich, wenn ich ein Geschäft allein verrichten kann, keine Hilfe verlange. Es sind hier vier Stunden Arbeit für einen guten Arbeiter, und ich, ich bin Meister, was besagen will, daß in drei Stunden Alles fertig sein wird. Gehen Sie also an Ihre Geschäfte, junger Mann, und Sie an die Ihrigen, Sire, und wenn Sie etwas hier zu verbergen haben, so kommen Sie in drei Stunden wieder.«« Man muß glauben, daß der König, wie er sagte, für unseren Gesellen anderswo Arbeit hatte denn ich habe ihn nicht wiedergesehen; nach Verlauf von drei Stunden kam der König allein zurück und fragte: »»Nun, Gamain, wie weit sind wir?«« »»Es ist fertig,«« erwiederte ich, und ich zeigte ihm die Thüre, welche ging, daß es ein Vergnügen war, ohne den geringsten Ton von sich zu geben, und das Schloß, das spielte wie ein Automat von Herrn Vaucauson. »»Gut,«« sagte er zu mir: »»nun wirst Du mir das Geld zählen helfen, das ich darin verbergen will.«« Und er ließ vier Säcke Doppel-Louis d’or durch den Kammerdiener bringen und sprach zu mir: »»Zählen wir.«« Da zählte er eine Million und ich eine Million, wonach er, da fünf und zwanzig Louis d’or Ueberschuß blieben, zu mir sagte: »»Hier, Gamain, nimm diese fünf und zwanzig Louis d’or; das ist für Deine Mühe;«« als wäre es nicht eine Schande, einen armen Mann, der fünf Kinder hat, eine Million Louis d’or zählen zu lassen und ihm nur fünf und zwanzig zur Belohnung zu geben!! Wie! was sagen Sie dazu?«

Der Unbekannte machte eine Bewegung mit den Lippen und erwiedert: »Das ist filzig!«

»Warten Sie doch, das ist nicht Alles. Ich nehme die fünf und zwanzig Louis d’or, ich stecke sie in meine Tasche und sage: »»Ich danke, Sire! doch mit Allem dem habe ich seit heute Morgen weder gegessen, noch getrunken, und ich sterbe vor Durst.«« Ich hatte nicht geendigt, als die Königin durch eine masquirte Thüre eintrat, so daß sie plötzlich, ohne nur: Aufgeschaut! zu sagen, vor mir stand; sie hielt in der Hand einen Teller, worauf ein Glas Wein und eine Butterstolle. »»Mein lieber Gamain,«« sagte sie zu mir, »»Sie haben Durst, trinken Sie dieses Glas Wein; Sie haben Hunger, essen Sie diese Butterstolle.«« »»Ah!«’ erwiederte ich, indem ich mich verbeugte, »»Frau Königin, Sie hätten sich meinetwegen nicht bemühen sollen.«« Sprechen Sie, was denken Sie hiervon? ein Glas Wein einem Menschen, der sagt, er habe Durst, eine Butterstolle einem Menschen, der sagt, er habe Hunger!  . . .Was soll man damit machen, Königin?  . . .Man sieht wohl, daß das nie Hunger und nie Durst gehabt hat? Ein Glas Wein!  . . .man bekommt wahrlich Mitleid!«

»Sie haben es also ausgeschlagen?«

»Es wäre besser gewesen, ich hätte es ausgeschlagen  . . .nein, ich habe es getrunken. Die Butterstolle wickelte ich aber in mein Taschentuch ein, und ich sagte zu mir: »»Was nicht gut für den Vater ist, ist gut für die Kinder.«« Dann dankte ich Ihrer Majestät, wie es der Mühe werth war, und ich begab mich auf den Weg, indem ich schwur, daß sie mich in den Tuilerien nicht Mehr sehen sollen!  . . .«

»Und warum sagen Sie, Sie hatten besser daran gethan, den Wein auszuschlagen?«

»Weil sie Gift hineingemischt haben müssen! Kaum hatte ich den Pont Tournant überschritten, als mich ein Durst erfaßte  . . .aber ein Durst!  . . .dergestalt, daß ich, da ich den Fluß zu meiner Linken und die Weinschenken zu meiner Rechten hatte, einen Augenblick schwankte, ob ich nicht in den Fluß gehen sollte  . . .Ah! da sah ich, was für eine schlechte Qualität Wein sie mir gegeben hatten: je mehr ich trank, desto mehr bekam ich Durst. Das dauerte so lange, bis ich das Bewußtsein verlor. Sie können auch ruhig sein: fordert man mich je zum Zeugniß gegen sie auf, so werde ich sagen, sie haben mir fünf und zwanzig Louis d’or dafür gegeben, daß sie mich hatten vier und zwanzig Stunden arbeiten und eine Million zählen lassen, und aus Furcht, ich könnte den Ort verrathen, wo sie ihren Schatz verbergen, haben sie mich vergiftet wie einen Hund.13«

 

»Und ich, mein lieber Gamain,« versetzte, während er aufstand, der Waffenschmied, der ohne Zweifel Alles wußte, was er wissen wollte, »ich werde Ihr Zeugniß unterstützen und sagen, ich habe Ihnen das Gegengift gegeben, durch welches Sie ins Leben zurückgerufen worden seien.«

»Zwischen uns,« sprach Gamaln, indem er die Hände des Unbekannten ergriff, »zwischen uns Beiden fortan auf Leben und Tod!«

Und nachdem er mit einer ganz spartanischen Mäßigkeit das Glas Wein zurückgewiesen, das ihm zum dritten oder vierten Male der unbekannte Freund anbot, dem er so eben eine ewige Zärtlichkeit geschworen halte, schlug Gamain, auf welchen der Ammoniak seine doppelte Wirkung, indem er ihm im Augenblick den Rausch benahm und bei ihm für vier und zwanzig Stunden einen Ekel gegen den Wein erregte, hervorgebracht hatte, schlug Gamain, sagen wir, wieder den Weg nach Versailles ein, wo er wohlbehalten Morgens um zwei Uhr mit den fünf und zwanzig Louis d’or in seiner Westentasche und der Butterstolle der Königin in seiner Wammstasche ankam.

Der falsche Waffenschmied aber, der hinter ihm im Cabinet geblieben war, zog aus seinem Sacke Tabletten von Schildpatt mit Gold incrustirt und schrieb darein die doppelte Notiz:

»Hinter dem Alcoven des Königs, in dem schwarzen Corridor, der zum Zimmer des Dauphin führt, – eiserner Schrank.

»Sich versichern, ob dieser Louis Lecomte, Schlossergeselle nicht ganz einfach der Graf Louis, Sohn des Marquis von Buoillé, vor elf Tagen aus Metz angekommen, wäre.«

XLI
Die Maschine von Herrn Guillotin

Durch die seltsamen und vielfachen Verzweigungen des Verkehrs, welche Cagliostro in allen Classen der Gesellschaft, selbst im Dienste des Königs besaß, wußte er, zwei Tage nachher, daß der Graf Louis von Bouillé am 15. oder 16. November in Paris angekommen, von Herrn von Lafayette, seinem Vetter, am 18. entdeckt und an demselben Tage dem König vorgestellt worden war, sich als Schlossergeselle Gamain am 22. angeboten hatte, am vierten Tage mit ihm von Versailles nach Paris gewandert, ohne Schwierigkeiten beim König eingeführt worden, aus den Tuilerien zwei Stunden vor Gamain weggegangen, in die Wohnung, die er bei seinem Freunde Achille du Chastellet inne hatte, zurückgekehrt und, nachdem er die Kleider gewechselt, noch an demselben Abend mit Postpferden nach Metz abgereist war.

Andererseits hatte er am Tage nach der nächtlichen Conferenz, welche zwischen ihm und Herrn von Beausire aus dem Saint-Jean Kirchhofe stattgefunden, diesen ganz bestürzt nach Bellevue zum Banquier Zannone laufen sehen. Als er um sieben Uhr Morgens vom Spiele nach Hause kam, nachdem er Alles, bis aus seinen letzten Louis d’or, trotz der unschlagbaren Martingale von Herrn Law, verloren, hatte nämlich Meister Beausire das Haus völlig leer gesunden: Mademoiselle Oliva und der junge Toussaint waren verschwunden.

Da erinnerte sich Beausire, daß der Graf von Cagliostro mit ihm wegzugehen sich geweigert und erklärt hatte, er habe mit Mademoiselle Oliva etwas Vertrauliches zu reden. Das war ein dem Verdachte geöffneter Weg: Oliva war vom Grafen von Cagliostro entführt worden; als guter Leithund hatte Herr von Beausire die Nase auf der rechten Fährte, und er verfolgte sie bis Bellevue; hier nannte er sich, und sogleich wurde er eingeführt beim Baron Zannone, oder beim Grafen von Cagliostro, wie der Leser, wenn nicht die Hauptperson, doch wenigstens den Schließnagel des Dramas, das wir zu erzählen unternommen, nennen will.

Als er in den Salon eingeführt war, den wir kennen, weil wir am Anfange dieser Geschichte den Doctor Gilbert und den Marquis von Favras hier haben eintreten sehen, als er sich dem Grafen gegenüber fand, zögerte Beausire; der Graf schien ihm ein so vornehmer Herr zu sein, daß er es nicht einmal wagte, seine Geliebte von ihm zurückzufordern.

Doch als hätte er in der Tiefe des Herzens des ehemaligen Gefreiten lesen können, sagte Cagliostro: »Herr von Beausire, ich habe Eines bemerkt: Sie haben aus der Welt nur zwei wahre Leidenschaften: das Spiel und Mademoiselle Oliva.«

»Ah! Herr Graf,« rief Beausire, »Sie wissen also, was mich hierher führt?«

»Vollkommen. Sie wollen Mademoiselle Oliva von mir zurückverlangen; sie ist bei mir.«

»Wie! sie ist beim Herrn Grafen?«

»Ja, in meinem Hause in der Rue Saint-Claude; sie hat dort wieder ihre alte Wohnung gefunden; und wenn Sie vernünftig sind, wenn ich mit Ihnen zufrieden bin, wenn Sie mir Neuigkeiten bringen, die mich interessiren oder belustigen, nun, Herr von Beausire, so werden wir Ihnen dieser Tage fünf und zwanzig Louis d’or in die Tasche stecken und einen schönen Rock auf den Leib geben, damit Sie den adeligen Herrn im Palais Royal und den Liebesritter in der Rue Saint-Claude spielen können.«

Beausire hatte große Lust, die Stimme zu erheben und Mademoiselle Oliva zu reclamiren; aber Cagliostro hatte ein paar Worte von der unglücklichen Geschichte mit der portugiesischen Gesandtschaft fallen lassen, welche immer wie das Schwert des Damokles über dem Haupte des ehemaligen Gefreiten schwebte, und Beausire schwieg.

Als er sodann einen Zweifel darüber äußerte, daß Mademoiselle Oliva im Hotel der Rue Saint-Claude sei, befahl der Herr Graf anzuspannen, fuhr mit Beausire nach dem genannten Hotel, führte ihn in das Allerheiligste ein und ließ ihn, indem er ein Bild verrückte, durch eine geschickt angebrachte Oeffnung Mademoiselle Oliva sehen, welche, angethan wie eine Königin, in einer großen Causeuse eines von jenen, damals so allgemein verbreiteten, schlechten Büchern las, welche, wenn sie das Glück hatte, ein solches zu treffen, die Freude der ehemaligen Kammerjungfer von Fräulein von Taverney bildeten, während Herr Toussaint, ihr Sohn, gekleidet wie ein Königssohn, mit einem mit Federn geschmückten weißen Hut à la Henri IV. und einer himmelblauen, Pumphose, welche ein goldbefranster dreifarbiger Gürtel um den Leib festhielt, sich mit herrlichem Spielzeug belustigte.

Da fühlte Beausire, wie sich in ihm das Herz des Liebenden und des Vaters ausdehnte; er versprach Alles, was der Graf wollte, und getreu seinem Worte erlaubte der Graf Herrn von Beausire, an den Tagen, wo er eine interessante Neuigkeit bringen würde, nachdem er in Gold die Bezahlung aus seiner Hand empfangen hätte, sich den Preis in Liebe in den Armen von Mademoiselle Oliva zu holen.

Alles ging also nach den Wünschen des Grafen und, wir möchten beinahe sagen, auch nach denen von Beausire, als gegen das Ende des Monats December zu einer für diese Jahreszeit sehr ungebührlichen Stunde, nämlich um sechs Uhr Morgens, der Doctor Gilbert, der schon seit anderthalb Stunden bei der Arbeit war, drei Schläge an seine Thüre thun hörte und an den Zwischenräumen zwischen diesen Schlägen erkannte, derjenige, welcher sich ankündige, sei ein Bruder Maurer.

Dem zu Folge öffnete er.

Ein Lächeln aus den Lippen stand Cagliostro jenseits der Thüre.

Gilbert fand sich nie ohne einen gewissen Schauer diesem geheimnißvollen Manne gegenüber.

»Ah! Sie sind es, Graf?« sagte er.

Dann, nach einer Anstrengung gegen sich selbst, fügte er, indem er ihm die Hand reichte, bei:

Seien Sie willkommen? zu welcher Stunde Sie auch erscheinen, und was auch die Ursache sein mag, die Sie hierher führt.«

»Die Ursache, die mich hierher führt, mein lieber Gilbert,« erwiederte der Graf, »ist der Wunsch, Sie einem philanthropischen Experimente, von dem ich mit Ihnen zu sprechen die Ehre gehabt habe, beiwohnen zu lassen.«

Gilbert suchte sich zu erinnern, aber vergebene, von welchem Experimente der Graf mit ihm gesprochen hatte.

»Ich entsinne mich nicht,« sagte er.

»Kommen Sie immerhin, mein lieber Gilbert, seien Sie unbesorgt, ich störe Sie nicht umsonst. Ueberdies werden Sie da, wohin ich Sie führe, Personen von Ihrer Bekanntschaft treffen.«

»Lieber Graf, überallhin, wohin Sie mich auch führen, gehe ich um Ihretwillen; der Ort, an den ich gehe, und die Personen, die ich dort treffe, sind nur secundäre Dinge.«

»Dann kommen Sie, denn wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Gilbert war ganz angekleidet; er hatte nur seine Feder niederzulegen und seinen Hut zu nehmen.

Als diese beiden Operationen vollbracht waren, sagte er:

»Graf, ich bin zu Ihren Befehlen.«

»Lassen Sie uns gehen,« erwiederte einfach der Graf.

Und er ging voran; Gilbert folgte ihm.

Ein Wagen wartete unten; die zwei Männer stiegen ein.

Der Wagen entfernte sich rasch, ohne daß der Graf einen Befehl zu geben brauchte. Der Kutscher wußte offenbar zum Voraus, wohin man ging.

Nach einer Fahrt von einer Viertelstunde, während welcher Gilbert bemerkte, daß man durch ganz Paris und vor die Barrière kam, hielt man in einem großen viereckigen Hose an, gegen den zwei Stockwerke von vergitterten Fenstern gingen.

Hinter dem Wagen schloß sich das Thor wieder, das ihn eingelassen.

Als er ausgestiegen war, bemerkte Gilbert, daß er sich im Hofe eines Gefängnisses befand, und bei näherer Betrachtung dieses Hofes erkannte er, daß der von Bicêtre war.

Dieser durch seinen natürlichen Anblick schon sehr traurige Ort der Scene wurde noch trauriger gemacht durch das zweifelhafte Tageslicht, das nur mit Bedauern in diesen Hof herabzusteigen schien.

Es war ungefähr ein Viertel auf sieben Uhr Morgens, eine unbehagliche Stunde im Winter, denn in dieser Stunde wird die Kälte selbst für die kräftigsten Organisationen empfindlich.

Ein feiner, florartiger Regen fiel schräge und zog Streifen an den grauen Mauern.

Mitten im Hofe errichteten fünf bis sechs Arbeiter unter der Anführung eines Meisters und unter den Befehlen eines schwarz gekleideten Mannes, der sich selbst mehr Bewegung machte als alle Andere, eine Maschine von einer unbekannten, seltsamen Form.

Als er die zwei Fremden gewahrte, erhob der kleine Mann das Haupt.

Gilbert schauerte; er hatte den Doctor Guillotin erkannt, den er bei Marat getroffen. Diese Maschine war im Großen dieselbe, die er im Kleinen im Keller des Redacteur der Zeitung: L’Ami du Peuple gesehen.

Der kleine Mann erkannte seinerseits Cagliostro und Gilbert.

Die Ankunft dieser zwei Männer schien ihm wichtig genug, daß er einen Augenblick die Leitung seiner Arbeit verließ und zu ihnen kam.

Dies geschah indessen nicht, ohne daß er dem Zimmermeister die größte Aufmerksamkeit bei der Arbeit empfahl, mit der er beschäftigt war.

»Nun, nun, Meister Guidon., . es ist gut,« sagte er; »vollenden Sie, die Plattform; die Plattform, das ist die Basis des Gebäudes; ist die Plattform vollendet so werden Sie die zwei Pfosten errichten, wobei Sie wohl auf die Zeichen Acht haben müssen, damit sie nicht zu weit von einander entfernt, noch zu nahe bei einander sind. Uebrigens bin ich da und verliere Sie nicht aus dem Blicke.«

Dann näherte er sich Cagliostro und Gilbert, die ihm die Hälfte des Weges ersparten, und sprach: »Guten Morgen, Baron, es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie zuerst kommen und uns den Doctor bringen. Doctor, erinnern Sie sich, daß ich Sie bei Marat eingeladen habe, mein Experiment anzusehen: ich vergaß nur, Sie um Ihre Adresse zu bitten. Sie werden etwas Seltsames sehen, die menschenfreundlichste Maschine, die je erfunden worden ist.«

Dann wandte er sich plötzlich gegen diese Maschine, den Gegenstand seiner theuersten Besorgnisse um, und rief: »Ei! ei! Guidon, was thun Sie? Sie machen das Vordere hinten hin!«

Und er sprang aus die Treppe, welche zwei Gesellen an das Gerüste angesetzt hatten, und befand sich in einem Augenblick auf der Plattform, wo durch seine Gegenwart in ein paar Secunden der Fehler verbessert wurde, den die mit den Geheimnissen dieser neuen Maschine noch nicht sehr vertrauten Arbeiter begangen hatten.

»Gut, gut« sagte der Doctor Guillotin, sehr erfreut darüber, daß nun, da er sie leitete, die Dinge ganz von selbst gingen; »es handelt sich nur noch darum, das Messer in den Falz einzufügen  . . . Guidon, Guidon,« rief er plötzlich, wie von einem Schrecken erfaßt, »warum ist denn der Falz nicht mit Kupfer beschlagen?«

 

»Ah! Doctor: ich dachte gehörig mit Fett eingeschmiertes Eichenholz sei so so gut als Kupfer,« erwiederte der Zimmermeister.

»Ja wohl,« sprach der Doctor mit einer verächtlichen Miene, »Ersparnisse, Ersparnisse! wenn es sich um den Fortschritt der Wissenschaft, und das Wohl der Menschheit handelt! Guidon, schlägt unser Versuch heute fehl, so mache ich Sie verantwortlich. Meine Herren, ich nehme Sie zu Zeugen,« fuhr der Doctor, sich an Cagliostro und Gilbert wendend, fort, »ich nehme Sie zu Zeugen, daß ich die Falze in Kupfer verlangt hatte; ich Protestire gegen den Mangel des Kupfers; bleibt da Messer unter Weges stecken oder schlüpft schlecht, so bin ich nicht daran Schuld, und ich wasche meine Hände.«

Und der Doctor machte auf der Plattform der Maschine dieselbe Geberde, welche Pilatus auf der Terrasse seines Palastes gemacht hatte.

Trotz aller dieser kleinen Hindernisse und Schwierigkeiten erhob sich indessen die Maschine und nahm, indem sie sich erhob, eine gewisse mörderische Haltung an, die ihren Erfinder erfreute, den Doctor Gilbert aber schauern machte.

Cogliostro blieb unempfindlich; seit dem Tode von Lorenza hätte man glauben sollen, er sei von Marmor geworden.

Folgendes war die Form, welche die Maschine annahm.

Vor Allem ein Boden, zu dem eine Art von Müllertreppe führte. Dieser Boden, in Form eines Schaffots, bot eine Plattform von fünfzehn Fuß Breite an allen seinen Selten; auf dieser Plattform, bei zwei Dritteln ihrer Länge, erhoben sich zwei parallele zehn bis zwölf Fuß hohe Pfosten.

An diesen zwei Pfosten oder Säulen war der erwähnte Falz, bei welchem Meister Guidon das Kupfer gespart, eine Ersparung, über welche der philanthropische Doctor Guillotin laut aufgeschrieen hatte.

In diesem Falze glitt mittelst einer Feder, welche ihm, indem sie sich öffnete, alle Freiheit ließ, mit der Gewalt seines eigenen Gewichts, verhundertfacht durch ein fremdes Gewicht, ein Messer in Form eines Halbmondes herab.

Eine kleine Oeffnung war zwischen den zwei Säulen angebracht; die zwei Flügel dieser Oeffnung, durch welche ein Mensch seinen Kopf strecken konnte, fügten sich so zusammen, daß sie seinen Hole faßten wie ein Halsband.

Eine Schaukel, bestehend aus einem Brette von der Länge eines Menschen von gewöhnlichem Wuchse, präsentirte sich von selbst in der Höhe dieses Fensters.

Alles dies war, wie man steht, äußerst sinnreich.

Während die Zimmerleute, Meister Guidon und der Doctor die letzte Hand an die Errichtung ihrer Maschine legten, während Cagliostro und Gilbert über die größere oder geringere Neuheit des Instrumentes sprachen, dessen Erfindung der Graf dem Doctor Guillotin streitig machte, indem er ähnliche in der italienischen Mannay und besonders in jenem Schnittmesser fand, mit welchem der Marschall Montmorency enthauptet wurde, hatten neue Zuschauer, ohne Zweifel berufen, um auch dem Versuche beizuwohnen, den Hof bevölkert.

Es war vor Allem ein Greis, ein Bekannter von uns, der eine thätige Rolle in dieser langen Geschichte gespielt hat; von der Krankheit befallen, an der er bald sterben sollte, hatte er sich aus die Bitten seines Collegen Guillotin dem Zimmer entrissen und war, trotz der frühen Stunde und des schlechten Wetters, in der Absicht, die Maschine arbeiten zu sehen, gekommen.

Gilbert erkannte ihn und ging ihm ehrerbietig entgegen.

Er erschien in Begleitung von Herrn Giraud, dem Baumeister der Stadt Paris, der seinen Functionen die Gunst einer besonderen Einladung verdankte.

Die zweite Gruppe, welche Niemand gegrüßt hatte und von Niemand gegrüßt worden war, bestand aus vier sehr einfach schwarz gekleideten Männern.

Kaum eingetreten, hatten sich diese vier Männer in die von der, wo Cagliostro und Gilbert waren, entfernteste Ecke zurückgezogen, und hier standen sie demüthig, leise sprechend und trotz des Regens mit dem Hut in der Hand.

Derjenige, welcher der höchste unter diesen vier Männern zu sein schien, oder wenigstens derjenige, welchen sie mit Achtung anhörten, wenn er leise ein paar Worte sprach, war ein Mann von fünfzig bis zwei und fünfzig Jahren, von hohem Wuchse, mit einem wohlwolenden Lächeln und einer offenen Physiognomie.

Dieser Mann hieß Charles Louis Sanson; er war geboren den 15. Februar 1738 in Paris; er hatte Damiens durch seinen Vater viertheilen sehen, und hatte diesen unterstützt, als ihm die Ehre zu Theil wurde, Herrn von Lally-Tollendal den Kopf abzuschlagen.

Man nannte ihn gewöhnlich: Herr von Paris.

Die drei Anderen waren sein Sohn, welcher die Ehre haben sollte, ihm bei der Enthauptung von Ludwig XVI. beizustehen, und seine zwei Gehilfen.

Die Gegenwart von Herrn von Paris, seinem Sohn und seinen zwei Gehilfen gab der Maschine von Herrn Guillotin eine erschreckliche Beredtsamkeit, denn sie bewies, daß der Versuch, der angestellt werden sollte, wenn nicht mit der Garantie, doch wenigstens mit der Billigung der Regierung gemacht wurde.

Für den Augenblick sah Herr von Paris sehr traurig aus: wurde die Maschine, deren Probearbeit anzusehen berufen war, angenommen, so war damit die ganze pittoreske Seite seiner Physiognomie abgeschnitten; der Scharfrichter erschien der Menge nicht mehr als der Würgengel bewaffnet mit dem stammenden Schwerte, der Henker war nur noch eine Art von Hausmeister, der dem Tode die Schnur zog.

Hier war auch die wahre Opposition.

Da der Regen seiner vielleicht, sicherlich aber gedrängter zu fallen fortfuhr, so wandte sich der Doctor Guillotin, der ohne Zweifel befürchtete, das schlechte Wetter könnte ihm einen von seinen Zuschauern entführen, an die wichtigste Gruppe, nämlich an diejenige, welche aus Cagliostro, Gilbert, dem Doctor Louis und dem Baumeister Giraud bestand, und sprach wie ein Theaterdirector, welcher fühlt, daß das Publikum ungeduldig wird:

»Meine Herren, wir erwarten nur noch eine Person, den Herrn Doctor Cabanis; ist der Doctor Cabanis da, so fangen wir an.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als ein dritter Wagen in den Hof einfuhr und ein Mann von acht und dreißig bis vierzig Jahren mit kahler Stirne, verständiger Physiognomie und lebhaftem, forschendem Auge ausstieg.

Das war der letzte Zuschauer, den man erwartete; es war der Doctor Cabanis.

Er grüßte Jeden aus eine freundliche Weise, wie es ein Philosoph-Arzt machen muß, reichte die Hand Guillotin, der ihm von seiner Plattform herab zurief: »Kommen Sie doch, Doctor, kommen Sie doch, man erwartet nur noch Sie!« Dann vermischte er sich mit der Gruppe von Gilbert und Cagliostro.

Mittlerweile schloß sich sein Wagen den zwei andern Wagen an.

Der Fiacre von Herrn von Paris war demüthig vor dem Thore geblieben.

»Meine Herren,« sprach der Doctor Guillotin, »da wir Niemand mehr erwarten, so wollen wir anfangen.«

Und auf einen Wink seiner Hand öffnete sich eine Thüre und man sah zwei in eine Art von grauer Uniform gekleidete Männer hervortreten, welche auf ihren Schultern einen Sack trugen, unter dessen Tuch sich unbestimmt die Form eines menschlichen Körpers hervorhob.

Hinter den Scheiben der Fenster erscheinen die bleichen Gesicher der Kranken, mit einem erschrockenen Auge schauten sie, ohne daß Jemand daran gedacht hatte, sie einzuladen, diesem unerwarteten gräßlichen Schauspiele zu, von dem sie weder die Zubereitungen, noch den Zweck begreifen konnten.

13Das war wirklich die Anklage, welche dieser Elende vor dem Connent vorbrachte.