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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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XXXVII
Wo Gamain beweist, daß er wahrhaft Meister über Meister, Meister über Alle ist

Man erinnert sich des Wunsches, den der König in Gegenwart von Herrn von Lafayette und vom Herrn Grafen von Bouillé ausgedrückt, des Wunsches, seinen alten Meister Gamain bei sich zu haben, um sich von ihm bei einer wichtigen Schlosserarbeit unterstützen zu lassen; der König hatte sogar beigefügt,– und wir halten es nicht für unnütz, diesen Umstand zu bezeichnen, – ein geschickter Geselle wäre nicht zu viel, um die schmiedende Trilogie zu vervollständigen. Die Zahl drei, welche den Göttern gefällt, hatte Lafayette nicht mißfallen, und er hatte dem zu Folge den Befehl gegeben, daß Meister Gamain und seinem Gesellen der freie Eintritt gestattet werde, und daß man sie, sobald sie erscheinen, in die Schmiede führe.

Man wird sich also nicht wundern, wenn man einige Tage nach dem von uns mitgetheilten Gespräche Meister Gamain, der unsern Lesern nicht fremd ist, da wir bemüht gewesen sind, ihn am Morgen des 6. October mit einem unbekannten Waffenschmiede in der Schenke des Pont de Sèvres eine Flasche Burgunder leerend zu zeigen, – man wird sich nicht wundern, sagen wir, wenn man einige Tage nach diesem Gespräche Meister Gamain in Begleitung eines Gesellen, – Beide in Arbeitskleidern – am Thore der Tuilerien erscheinen, nach ihrer Zulassung, welche keiner Schwierigkeit unterliegt, die königlichen Gemächer durch die Hausflur umgehen, die Treppe bis zum obersten Stockwerke hinaussteigen sieht und, sobald sie hier angelangt sind, ihre Namen und ihren Stand dem Kammerdiener nennen hört.

Die Namen waren: Nicolaus Claude Gamain;

Und Louis Lecomte.

Der Stand war: für den ersten der eines Schlossermeisters;

Für den zweiten der eines Gesellen.

Obgleich in Allem dem nichts sehr Aristokratisches war, lief doch Ludwig XVI. sobald er Namen und Stand gehört hatte, selbst nach der Thüre und rief:

»Herein!«

»Hier, hier!« sagte Gamain, der mit der Vertraulichkeit nicht nur eines Hausgenossen, sondern eines Meisters eintrat.

Mochte er nun weniger an den Verkehr mit Fürsten gewöhnt sein oder hatte ihm die Natur eine größere Ehrfurcht für gekrönte Häupter verliehen, unter welchem Costume sie sich ihm auch zeigten, oder unter welchem Costume er vor ihnen erschien, der Geselle blieb, ohne der Einladung zu folgen, und nachdem er einen schicklichen Zwischenraum zwischen die Erscheinung von Meister Gamain und die seinige gesetzt hatte, mit seinem Wammse auf dem Arm und seiner Mütze in der Hand bei der Thüre stehen, die der Kammerdiener wieder hinter ihnen schloß.

Vielleicht war er übrigens besser hier, als aus einer mit der von Gamain parallelen Linie, um den Blitz der Freude aufzufassen, der in dem trüben Auge von Ludwig XVI. glänzte, und um durch ein ehrerbietiges Zeichen mit dem Kopfe zu antworten.

»Ah! Du bist es, mein lieber Gamain,« sagte Ludwig XVI.; »es freut mich sehr, Dich zu sehen; in der That, ich zählte nicht mehr aus Dich; ich glaubte, Du habest mich vergessen.«

»Und darum nahmen Sie einen Gesellen?« versetzte Gamain; »Sie haben wohl daran gethan, das war Ihr Recht, da ich nicht anwesend; leider aber,« fügte er mit einer schlauen Geberde bei, »leider ist Geselle nicht Meister, wie?«

Der Geselle machte dem König ein Zeichen.

»Was willst Du, mein armer Gamain,« sprach Ludwig XVI. »man hatte mich versichert, Du wollest mich weder von fern, noch von nahe mehr sehen: man sagte, Du befürchtest, Dich zu gefährden.«

»Bei meiner Treue, Sire, Sie konnten sich in Versailles überzeugen, daß es nicht gut that, zu Ihren Freunden zu gehören, und ich habe ganz in meiner Nähe – von Herrn Leonard selbst – in der kleinen Schenke des Pont de Sèvres zwei Köpfe von Garden, welche ein abscheuliches Gesicht schnitten, frisiren sehen, weil sie sich in dem Augenblick, wo Ihnen Ihre guten Pariser einen Besuch machten, in Ihren Vorzimmern befunden hatten.«

Eine Wolke zog über die Stirne des Königs, und der Geselle neigte das Haupt.

»Doch man sagt,« fuhr Gamain fort, »man sagt, es gehe besser, seitdem Sie nach Paris zurückgekehrt seien, und Sie machen nun mit den Parisern, was Sie wollen. Ah! bei Gott, darüber darf man sich nicht wundern, Ihre Pariser sind so dumm, und die Königin ist so schmeichlerisch, wenn es ihr beliebt.«

Ludwig XVI. antwortete nichts, eine leichte Röthe stieg ihm aber zu den Wangen empor.

Der junge Mann schien ungeheuer unter den Vertraulichkeiten zu leiden, die sich Meister Gamain erlaubte.

Nachdem er seine von Schweiß bedeckte Stirne mit einem Taschentuche abgewischt hatte, welches für das eines Schlossergesellen vielleicht ein wenig fein war, näherte er sich dem König und sprach:

»Sire, erlaubt mir Eure Majestät, ihr zu sagen, wie Meister Gamain die Ehre hat, sich vor Eurer Majestät zu befinden, und wie ich selbst bei ihr bin?«

»Ja, mein lieber Louis,« antwortete der König.

»Ah! so, mein lieber Louis! armdick!« murmelte Gamain. »Mein lieber Louis zu einem Bekannten von vierzehn Tagen, zu einem Arbeiter, zu einem Gesellen!  . . .Was wird man dann zu mir sagen, zu mir, der ich Sie seit fünfundzwanzig Jahren kenne? zu mir, der ich Ihnen die Feile in die Hand gesteckt habe? zu mir, der ich Meister bin? So geht es, wenn man eine goldene Zunge und weiße Hände hat.«

»Zu Dir sage ich: »»Mein guter Gamain!«« Diesen jungen Mann nenne ich meinen lieben Louis, nicht weil er sich zierlicher ausdrückt, als Du, nicht weil er die Hände öfter wäscht, als Du es vielleicht thust, – ich lege, wie Du weißt, sehr wenig Werth auf alle diese Niedlichkeiten, – sondern weil er das Mittel gefunden hat, Dich zu mir zurückzuführen, Dich, mein Freund, während man behauptete, Du wollest mich nicht mehr sehen.«

»Oh! ich war es nicht, der Sie nicht mehr sehen wollte, denn trotz aller Ihrer Fehler liebe ich Sie doch am Ende sehr: aber meine Frau, Madame Gamain, sagte mir alle Augenblicke: »»Du hast schlimme Bekanntschaften, Gamain, Bekanntschaften, welche zu hoch für Dich; es thut in dieser Zeit nicht gut, die Aristokratie zu sehen; wir besitzen ein Bischen, wachen wir darüber; wir haben Kinder, erziehen wir sie; und, will der Dauphin auch die Schlosserei lernen, so wende er sich an Andere als uns; es fehlt nicht an Schlossern in Frankreich.««

Ludwig XVI. schaute den Gesellen an, unterdrückte einen halb spöttischen, halb schwermüthigen Seufzer und erwiederte:

»Ja, allerdings, es fehlt nicht an Schlossern in Frankreich, doch es gibt keine Schlosser, wie Du einer bist.«

»Das sagte ich dem Meister auch, Sire, als ich in Ihrem Auftrage zu ihm kam,« sprach der Geselle; »ich sagte ihm: »»Bei meiner Treue, der König ist gerade beschäftigt, ein Geheimschloß zu verfertigen; er bedurfte eines Gehilfen; man sprach von mir, er nahm mich zu sich, viel Ehre für mich!  . . .Doch es ist eine feine Arbeit, die der König macht. Das war gut beim Schloß, so lange es nur den Kasten, das Schloßblech und den Sperriegel betraf; als es sich aber um den Schloßriegel handelte, da kam der Arbeiter in Verlegenheit.««

»Ich glaube es wohl,« sagte Gamain, »der Riegel ist die Seele des Schlosses.«

»Und das Meisterwerk der Schlosserkunst, wenn er gut gemacht ist,« versetzte der Geselle, »doch es ist ein Unterschied unter den Riegeln  . . .es gibt stehende Riegel, Riegel mit Ziehstange, Riegel mit Getriebe . . .Kur; wir geriethen in Verlegenheit und blieben am Ende stecken  . . .«

»Es ist allerdings nicht Jedermann gegeben, sich aus einer solchen Schwierigkeit herauszuwickeln,« sagte Gamain.

»Ganz richtig . . .»»Nun darum,«« fuhr ich fort, »»darum bin ich zu Euch gekommen, Meister Gamain. So oft der König in Verlegenheit war, sagte er mit einem Seufzer: »Ah! wenn Gamain da wäre!« Da erwiederte ich: »Nun, Sire, lassen Sie ihm sagen, er soll kommen, Ihr großer Gamain, daß man ihn beim Geschäfte sieht!« Der König antwortete aber: »Das wäre vergeblich, mein armer Louis, Gamain hat mich vergessen!« »Eure Majestät vergessen! ein Mann, der die Ehre gehabt hat, mit ihr zu arbeiten, unmöglich!« Da sagte ich zum König: »Ich will ihn aufsuchen, diesen Meister, diesen Meister über Alle!« Der König erwiederte mir: »Gehe, doch Du wirst ihn nicht zurückbringen!« Ich aber versetzte: »Ich werde ihn zurückbringen!« und ich ging ab,«« Ah! Sire, ich wußte nicht, welche Arbeit ich übernommen, und mit was für einem Manne ich es zu thun hatte. Da ich als Geselle bei ihm erschien, so unterwarf er mich überdies einer Prüfung, daß es schlimmer war, als wenn ich in ein Codettenhaus hätte eintreten wollen  . . .Gut, . . .ich war also bei ihm. Am andern Tag wagte ich es, ihm zu sagen, ich komme in Ihrem Auftrage. Diesmal glaubte ich, er werde mich vor die Thüre werfen: er nannte mich Spion, Mouchard. Ich mochte ihn immerhin versichern, ich sei von Ihnen abgesandt, – das half nichts. Erst als ich ihm gestand, wir Beide haben ein Werk angefangen, das wir nicht vollenden können, that er die Ohren auf; doch Alles dies bestimmte ihn nicht. Er sagte, das sei eine Falle, die ihm seine Feinde stellen. Gestern endlich, als ich ihm die zwanzig Louis d’or übergab, die mir Eure Majestät für ihn eingehändigt hatte, sprach er: »»Ah! Ah! in der That, das könnte wirklich vom König sein!  . . .Nun! gut!«« fügte er bei, »»wir werden morgen gehen; wer nichts wagt, gewinnt nichts,«« Den ganzen Abend habe ich den Meister in dieser guten Stimmung erhalten und heute Morgen sagte ich: »»Wir müssen aber aufbrechen!«« Er machte wohl noch einige Schwierigkeiten, endlich jedoch entschloß er sich. Ich band ihm die Schürze um den Leib, ich gab ihm den Stock in die Hand und schob ihn hinaus; wir schlugen den Weg nach Paris ein, und hier sind wir!«

»Seid willkommen,« sprach der König, während er mit einem Blicke dem jungen Manne dankte, der eben so viel Mühe gehabt zu haben schien, um dem Inhalte und besonders der Form nach diese Erzählung zu machen, als Gamain gehabt hätte, um eine Rede von Bossuet oder Flechier zu machen; »und nun, Gamain, mein Freund, da Du Eile zu haben scheinst, laß uns keine Zeit verlieren.«

 

»Allerdings.« erwiederte der Schlosser; »auch habe ich Madame Gamain versprochen, beute Abend zurückzukommen  . . .Lassen Sie sehen, wo ist denn das Schloß?«

Der König reichte dem Meister ein zu drei Vierteln vollendetes Schloß.

»Nun, was sagtest Du denn, es sei ein Benardeschloß?« sprach Gamain zum Lehrling! »ein Benardeschloß schließt sich auf beiden Seiten, Stümper! und dieses ist ein Kastenschloß!  . . .Wir wollen ein wenig sehen  . . .Das geht also nicht, wie?  . . .Ei! mit Meister Gamain muß das wohl gehen!« fügte der Schlosser bei.

Und er versuchte es, den Schlüssel sich drehen zu machen.

»Ah! ja, ja,« sagte er.

»Du hast den Fehler gesunden, mein lieber Gamain?«

»Bei Gott!«

»Zeige mir das.«

»Das wird schnell geschehen sein, schauen Sie; der Bart beschreibt wohl die Hälfte seines Kreises, hier aber, da er nicht schräge gearbeitet ist, schlüpft er nicht allein durch, das ist die Sache  . . .Da der Laus des Bartes sechs Linien beträgt, so muß die Schulterung eine Linie betragen.«

Ludwig XVI, und der Geselle schauten sich wie erstaunt über das Wissen von Gamain an.

»Ei! mein Gott,« sagte dieser, ermuthigt durch diese stillschweigende Bewunderung, »es ist doch ganz einfach, und ich begreife nicht, wie Sie das vergessen konnten! Sie müssen, seitdem Sie mich nicht mehr gesehen, an eine Menge von Albernheiten gedacht haben, und darüber haben Sie das Gedächtniß verloren. Sie haben drei Bärte, nicht wahr? einen großen und zwei kleine: einen von fünf Linien, zwei von zwei Linien?«

»Ja,« erwiederte der König, der mit einem gewissen Interesse der Auseinandersetzung von Gamain folgte.

»Nun, sobald der Schlüssel den großen Bart losgelassen, muß er den Riegel öffnen können, den er geschlossen hat, nicht wahr?«

»Ja,« sagte der König.

»Dann muß er in umgekehrter Richtung, das heißt, auf seinem Wege zurückkehrend, den zweiten Bart in dem Augenblicke, wo er den ersten losläßt, ergreifen können.«

»Ah! ja, ja!« rief der König.

»Ah! ja, ja,« wiederholte Gamain mit spottendem Tone. »Wie soll sich nun dieser arme Schlüssel benehmen, wenn der Zwischenraum zwischen dem großen Barte und dem kleinen Barte nicht gleich ist der Dicke des Kamms mit ein wenig Freiheit?«

»Ah!  . . .«

»Ah!« wiederholte abermals Gamain. »Sie mögen immerhin König von Frankreich sein, Sie mögen immerhin sagen: »»Ich will!»« der kleine Bart sagt: »»Ich will nicht!«« und dann gute Nacht! Das ist gerade, wie wenn Sie sich mit der Nationalversammlung streiten, – die Nationalversammlung ist stärker.«

»Es gibt aber doch Mittel, nicht wahr, Meister?« fragte der König.

»Ei! es gibt immer Mittel. Man braucht nur den ersten Bart schräge zu schneiden, die Schulterung um eine Linie auszuhöhlen, den ersten Bart um vier Linien vom zweiten zu entfernen, und in der gleichen Entfernung den dritten Bart wiederherzustellen, – den, welcher am Riegelhaken anhält.«

»Aber,« bemerkte der König, »für alle diese Veränderungen ist wohl ein Tag Arbeit nöthig, mein lieber Gamalo?«

»Ja, ein Anderer würde wohl einen Tag brauchen, doch für Gamalo werden zwei Stunden genügen, nur muß man mich allein lassen und nicht durch Bemerkungen stören  . . .Gamain hier  . . .Gamain da . . . Man lasse mich also allein; die Schmiede scheint mir ziemlich gut mit Handwerkszeug versehen, und in zwei Stunden  . . .nun, in zwei Stunden, wenn die Arbeit gehörig angefeuchtet wird,« fuhr Gamain lächelnd fort, »kann man wiederkommen: das Werk wird vollendet sein.«

Was Gamain verlangte, entsprach ganz dem Wunsche des Königs. Blieb Gamain allein, so hatte er Gelegenheit, mit dem Gesellen unter vier Augen zu sein.

Er schien jedoch Schwierigkeiten zu machen.

»Wenn Du aber etwas brauchst, mein armer Gamain?«

»Brauche ich etwas, so werde ich den Kammerdiener rufen, und wenn er Befehl hat, mir zu geben, was ich verlange, so ist das hinreichend.«

Der König ging selbst an die Thüre, öffnete sie und sagte: »François, ich bitte, bleiben Sie in der Nähe. Hier ist Gamain, mein alter Meister in der Schlosserkunst, der mir eine mangelhafte Arbeit verbessert. Geben Sie ihm, was er braucht, und besonders ein paar Flaschen trefflichen Bordeaux.«

»Sire, wenn Sie nur die Güte haben wollten, sich zu erinnern, daß ich den Burgunder mehr liebe: dieser Teufelsbordeaux, das ist gerade, als ob man laues Wasser tränke.«

»Ah! ja, es ist wahr  . . .ich vergaß das.« versetzte der König lachend; »wir haben doch mehr als einmal mit einander getrunken, mein armer Gamain. François, Sie hören, Burgunder, Bolnay!«

»Gut!« sagte Gamain, der mit der Zunge über seine Lippen strich, »ich erinnere mich dieses Namens.«

»Und er macht, daß Dir das Wasser im Munde zusammenläuft.«

»Sprechen Sie nicht von Wasser, Sire; ich weiß nicht, wozu das Wasser dienen soll, wenn nicht, um das Eisen zu härten. Diejenigen aber, welche es zu einem anderen Gebrauche genommen, haben es seiner wahren Bestimmung entfremdet  . . .Wasser . . .pfui!«

»Sei nur ruhig, so lange Du hier bist, sollst Du nie von Wasser reden hören, und da wir befürchten, es könnte das Wort dem Einen oder dem Andern entschlüpfen, so lassen wir Dich allein; wenn Du fertig bist, schicke nach uns.«

»Und was machen Sie mittlerweile?«

»Den Schrank, für den das Schloß bestimmt ist.«

»Ah! schön, das ist die Arbeit, die sich für Sie schickt. Viel Vergnügen!«

»Guten Muth!« erwiederte der König.

Und er nickte zum Abschied Gamain vertraulich mit dem Kopfe zu und entfernte sich mit dem Gesellen Louis Lecomte oder dem Comte Louis, was ohne Zweifel der Leser vorzieht, bei dem wir Scharfsinn genug voraussetzen, um zu glauben, er habe in dem falschen Gesellen den Sohn des Marquis von Bouillé erkannt.

XXXVIII
Wo man von Allem, nur nicht von der Schlosserkunst spricht

Nur ging Ludwig XVI. diesmal nicht aus der Werkstätte auf der äußeren, für das ganze Haus gemeinschaftlichen Treppe weg; er stieg die ihm allein vorbehaltene Geheimtreppe hinab.

Diese Treppe führte in sein Arbeitscabinet.

Ein Tisch von diesem Arbeitscabinet war mit rinen ungeheuren Karte von Frankreich bedeckt, welche bewies, daß der König oft schon den kürzesten Weg, um aus seinem Reiche zu kommen, studiert hatte.

Doch erst unten an der Treppe, als die Thüre hinter ihm und dem Schlossergesellen wieder zugemacht war, schien Ludwig XVI., nachdem er einen forschenden Blick im Cabinet halte umherlaufen lassen, denjenigen zu erkennen, welcher ihm mit dem Wamms auf der Schulter und die Mütze in der Hand folgte.

»Endlich sind wir allein, mein lieber Graf!« sagte er; »lassen Sie mich Ihnen vor Allem zu Ihrer Gewandtheit Glück wünschen und Ihnen für Ihre Ergebenheit danken.«

»Und mir, Sire,« erwiederte der junge Mann, »erlauben Sie, Eure Majestät tausendmal um Verzeihung zu bitten, daß ich es, wenn auch für ihren Dienst, gewagt habe, so gekleidet vor ihr zu erscheinen und mit ihr zu sprechen, wie ich es gethan habe.«

»Sie haben wie ein wackerer Edelmann gesprochen, mein lieber Louis, und wie Sie auch angethan sein mögen, es schlägt ein redlich Herz unter Ihrem Kleide. Doch wir haben keine Zeit zu verlieren! Niemand, selbst nicht der Königin, ist Ihre Gegenwart hier bekannt, Niemand hört uns, sagen Sie mir geschwinde, was Sie hierher führt.«

»Hat Eure Majestät meinem Vater nicht die Ehre erwiesen, ihm einen Officier von ihrem Hause zu schicken?«

»Ja, Herrn von Charny.«

»Herrn von Charny, ganz richtig. Er war der Überbringer eines Briefes  . . .«

»Eines unbedeutenden,« unterbrach der König, »der nur als Einführung für einen mündlichen Auftrag dienen sollte.«

»Dieser mündliche Auftrag ist vollzogen, Sire, und damit sein Vollzug gewiß sei, bin ich auf den Befehl meines Vaters und in der Hoffnung, allein mit Eurer Majestät zu sprechen, nach Paris abgereist.«

»Sie sind also von Allem unterrichtet?«

»Ich weiß, daß der König in einem gegebenen Augenblick die Sicherheit, Paris verlassen zu können, haben möchte.«

»Und daß er aus den Marquis von Bouillé als auf den Mann gerechnet hat, der am Fähigsten, ihn bei seinem Plane zu unterstützen.«

»Mein Vater ist zugleich stolz und sehr dankbar für die Ehre, die Sie ihm erwiesen.«

»Kommen wir zur Hauptsache. Was sagt er von dem Plane?«

»Er sei verwegen, er heische große Vorsicht, doch die Ausführung scheine ihm nicht unmöglich.«

»Vor Allem,« sagte der König: »müßte man nicht, um der Unterstützung von Herrn von Bouillé die ganze Wirksamkeit zu geben, welche sein biederer Charakter und seine Ergebenheit versprechen, seinem Commando von Metz das von mehreren Provinzen und besonders das von Franche-Comté beifügen?«

»Das ist die Ansicht meines Vaters, Sire, und ich bin glücklich, daß der König zuerst seine Meinung in dieser Hinsicht ausgesprochen hat; der Marquis befürchtete, der König könnte es einem persönlichen Ehrgeize zuschreiben  . . .«

»Ei! kenne ich denn die Uneigennützigkeit Ihres Vaters nicht? Lassen Sie mich hören, hat er sich mit Ihnen über den Weg besprochen, der zu wählen wäre?«

»Mein Vater befürchtet vor Allem Eines, Sire.«

»Was?«

»Es dürfen Eurer Majestät mehrere Fluchtpläne, sei es nun von Seiten Spaniens, oder von Seiten des Reiches, oder von Seiten der Emigranten in Turin geboten worden sein, und da diese Pläne einander widersprechen oder sich durchkreuzen, so könnte der seinige durch einige von jenen Umständen scheitern, welche man auf Rechnung des Verhängnisses setzt, während sie beinahe immer die Folge der Eifersucht oder der Unklugheit der Parteien sind.«

»Mein lieber Louis, ich verspreche Ihnen, alle Welt um mich her intriguiren zu lassen: das ist einmal ein Bedürfniß der Parteien, und dann ist es eine Nothwendigkeit meiner Lage. Während der Geist von Lafayette und die Blicke der Nationalversammlung allen Fäden folgen, welche keinen andern Zweck haben, als sie irre zu führen, werden wir ohne weitere Vertraute, als die für die Ausführung des Planes streng nothwendigen Personen, – lauter Personen, aus welche zählen zu können wir fest überzeugt sein dürfen, unsern Weg mit um so mehr Sicherheit verfolgen, je geheimnißvoller er sein wird.«

»Sire, nachdem dieser Punkt festgestellt ist, hat mein Vater die Ehre, Eurer Majestät Folgendes vorzuschlagen.«

»Sprechen Sie,« sagte der König, indem er sich auf die Karte neigte, um mit den Augen den verschiedenen Entwürfen zu folgen, die ihm der Graf mit dem Worte auseinandersetzen würde.

»Sire, es gibt mehrere Punkte, nach denen sich der König zurückziehen kann.«

»Gewiß.«

»Hat der König seine Wahl getroffen?«

»Noch nicht. Ich erwartete die Ansicht vor, Herrn von Bouillé, und ich denke, Sie bringen sie mir.«

Der junge Mann machte mit dem Kopfe ein ehrerbietiges und zugleich bejahendes Zeichen.

»Sprechen Sie,« sagte Ludwig XVI.

»Da ist vor Allem Besançon, Sire, dessen Citadelle einen sehr starken und sehr vortheithaften Posten bietet, um eine Armee zu sammeln und den Schweizern das Signal und die Hand zu geben. Mit der Armee vereinigt, können die Schweizer durch Burgund, wo dir Royalisten zahlreich sind, vorrücken und gegen Paris marschiren.«

Der König machte eine Bewegung mit dem Kopfe, welche bezeichnete: »Etwas Anderes wäre mir lieber.«

Der junge Graf fuhr fort:

»Dann ist Valenciennes da, Sire, oder irgend ein anderer Platz Flanderns, der eine sichere Garnison hätte. Herr von Bouillé würde sich selbst mit den Truppen seines Commandos, entweder vor oder nach der Ankunft des Königs, dahin begeben.«

Der König machte eine zweite Bewegung mit dem Kopfe, welche besagen wollte: »Etwas Anderes, mein Herr.«

»Der König kann auch,« fuhr der junge Mann fort, »durch die Ardennen und Oesterreichisch-Flandern weggehen, sodann über dieselbe Grenze zurückkehren und sich nach einem der Plätze begeben, welche Herr von Bouillé in seinem Commando übergeben würde, und wo man zum Voraus Truppen zusammengezogen hätte.«

»Ich werde Ihnen sogleich sagen, was mich veranlaßt, Sie zu fragen, ob Sie nicht etwas Besseres haben, als Alles dies.«

»Endlich kann sich der König unmittelbar nach Sedan oder nach Montmédy begeben; der General, der sich im Mittelpunkte seines Commandos befände, hätte dort, um dem Wunsche des Königs zu gehorchen, gefiele es ihm nun, sich aus Frankreich zu entfernen oder wäre es ihm dienlicher, gegen Paris zu marschiren, volle Freiheit, zu handeln und zu wirken.«

 

»Mein lieber Graf,« erwiederte der König, »ich will Ihnen mit zwei Worten erklären, was mich die drei ersten Vorschläge verwerfen läßt, und aus welchem Grunde ich wahrscheinlich bei dem vierten stehen bleiben werde. Einmal ist Besançon zu weit entfernt, und ich hätte zu viel Chancen, ehe ich dahin käme, festgenommen zu werden; die Entfernung von Valenciennes ist gut, und es würde mir dies in Betreff des in dieser Stadt herrschenden vortrefflichen Geistes zusagen, aber Herr von Rochambeau, der im Hennegau, das heißt vor seinen Thoren commmandirt, ist ganz dem demokratischen Geiste zugethan; was die Flucht über die Ardennen und durch Flandern betrifft, wobei man Oesterreich anrufen müßte, – nein: abgesehen davon, daß ich Oesterreich nicht liebe, weil es sich nur in unsere Angelegenheiten mischt, um sie in Verwirrung zu bringen, hat Oesterreich zu dieser Stunde genug an der Krankheit meines Schwagers, am Kriege mit den Türken und an der Empörung Brabants, ohne daß ich ihm noch einen Zuwachs an Verlegenheiten durch seinen Bruch mit Frankreich gebe; überdies will ich Frankreich nicht verlassen; hat einmal ein König den Fuß außerhalb seines Reiches, so weiß er nie, ob er dahin zurückkehren wird. Sehen Sie Karl II., sehen Sie Jacob II.: der Eine kehrt nur nach Verlauf von dreizehn Jahren zurück, der Andere kehrt nie zurück. Nein ich ziehe Montmédy vor; Montmédy liegt in einer entsprechenden Entfernung, im Mittelpunkte des Commando Ihres Vaters  . . .Sagen Sie dem Marquis, meine Wahl sei getroffen, und ich begebe mich nach Montmédy.«

»Hat der König die Flucht fest beschlossen, oder ist es nur ein Plan?« erdreistete sich der junge Mann zu fragen.

»Mein lieber Louis,« erwiederte Ludwig XVI., »noch ist nichts fest beschlossen, und Alles wird von den Umständen abhängen. Sehe ich, daß die Königin und meine Kinder neue Gefahren laufen, wie die, welchen sie in der Nacht vom 5. auf den 6. October preisgegeben waren, so werde ich mich entscheiden, und sagen Sie Ihrem Vater: sobald der Entschluß gesaßt ist, wird er unwiderruflich sein.«

»Sire,« fuhr der junge Mann fort, »wenn es mir nun erlaubt wäre, in Beziehung auf die Art, wie die Reise gemacht werden soll, der Weisheit des Königs die Ansicht meines Vaters zu unterwerfen . . .«

»Oh! sprechen Sie.«

»Seiner Ansicht nach, Sire, würde man die Gefahren der Reise vermindern, wenn man sie theilte.«

»Erklären Sie sich.«

»Sire, Eure Majestät würde aus der einen Seite mit Madame Royale und Madame Elisabeth abreisen, während die Königin auf der andern mit Monseigneur dem Dauphin abginge,  . . .so daß  . . .«

Der König ließ Herrn von Bouillé seinen Satz nicht vollenden und erwiederte: »Es ist unnütz, diesen Punkt zu erörtern; wir, die Königin und ich, haben in einem feierlichen Augenblicke beschlossen, daß wir uns nicht verlassen werden. Will Ihr Vater uns retten, so rette er uns Beide mit einander oder keines von Beiden.«

Der junge Graf verbeugte sich und sprach:

»Ist der Augenblick gekommen, so wird der König seine Befehle geben, und seine Befehle sollen vollzogen werden. Nur erlaube ich mir, dem König zu bemerken, daß es schwierig sein wird, einen Wagen zu finden, der groß genug, daß Ihre Majestäten, deren erhabene Kinder, Madame Elisabeth und einige Dienstleute, welche sie begleiten sollen, darin Platz haben.«

»Seien Sie deshalb unbesorgt, mein lieber Louis: man wird ihn besonders hierfür machen lassen, denn es ist für den Fall vorhergesehen.«

»Noch etwas Anderes, Sire; es führen zwei Straßen nach Montmédy; ich habe Sie zu fragen, welche diejenige ist, der Eure Majestät den Vorzug gibt, damit man sie durch einen vertrauten Ingenieur studiren lassen kann.«

»Diesen vertrauten Ingenieur haben wir. Herr von Charny, der uns ganz ergeben ist, hat Karten von den Gegenden von Chandernagor mit der größten Treue und einem merkwürdigen Talente gezeichnet; je weniger Personen wir in das Geheimniß ziehen, desto besser wird es sein; wir haben im Grafen einen ganz bewährten, verständigen und braven Diener: benützen wir ihn. Was die Straße betrifft, so sehen Sie, daß ich mich damit beschäftigt habe. Da ich zum Voraus Montmédy wählte, so sind die zwei Straßen, welche dahin führen, aus dieser Karte punktirt.«

»Es gibt sogar drei,« bemerkte ehrerbietig Herr von Bouillé.

»Ja, ich weiß es, diejenige, welche von Paris nach Metz geht, die man verläßt, nachdem man durch Verdun gekommen ist, um den Weg längs der Maaß, nach Stennay einzuschlagen, wovon Montmédy nur drei Meilen entfernt ist.«

»Dann ist die nach Rheims, Isle, Rethel und Stennay,« sagte der junge Graf so lebhaft, daß der König wahrnahm, er gebe dieser den Vorzug.

»Ah! ah,« rief der König, »es scheint, das ist die Straße, die Sie vorziehen?«

»Oh! nicht ich, Sire, Gott bewahre mich, daß ich, der ich beinahe ein Kind bin, die Verantwortlichkeit für eine in einer so ernsten Angelegenheit ausgesprochene Meinung haben soll. Nein, Sire, das ist nicht meine Meinung, es ist die meines Vaters, und er stützte sich darauf, daß die Landschaft, welche man durchreise, arm, beinahe verödet sei, daß sie folglich weniger Vorsichtsmaßregeln erforderte; er fügt bei, Royal-Allemand, das beste Regiment des Heeres, das einzige vielleicht, welches völlig treu geblieben, liege in Garnison in Stennay, und es könnte von Isle oder Rethel an mit der Bedeckung des Königs beauftragt werden; so würde man die Gefahr einer zu großen Truppenbewegung vermeiden  . . .«

»Ja,« unterbrach ihn der König, »doch man würde durch Rheims kommen, wo ich gesalbt worden bin, wo der Erste der Beste mich zu erkennen im Stande ist,  . . .Nein, mein lieber Graf, über diesen Punkt habe ich mich entschieden.«

Der König sprach seine letzten Worte mit einem so festen Tone, daß der Graf es nicht einmal wagte, diese Entscheidung zu bekämpfen.

»Der König hat sich also entschieden?  . . .« fragte er.

»Für die Straße nach Chalons durch Varennes, mit Vermeidung von Verdun. Was die Regimenter betrifft, so sollen sie in den zwischen Montmédy und Chalons liegenden Dörfern echelonnirt werden; ich würde sogar nichts Ungeeignetes darin sehen, wenn mich das erste Detachement in letzterer Stadt erwartete,« fügte der König bei.

»Sire, wenn wir so weit sind, wird es ein Punkt der Erörterung sein, bis zu welcher Stadt sich diese Regimenter wagen sollen; nur ist dem König nicht unbekannt, daß es in Varennes keine Pferdepost gibt.«

»Es freut mich, Sie so wohl unterrichtet zu sehen, Herr Graf,« sagte der König lachend: »das beweist, daß Sie mit allem Ernste an unserem Plane gearbeitet haben; doch seien Sie hierüber ruhig, wir werden Mittel finden, Pferde diesseits und jenseits der Stadt bereit halten zu lassen; unser Ingenieur wird uns sagen, wo dies am Besten geschehen kann.«

»Und nun, Sire,« sprach der junge Graf, »ermächtigt mich nun, da beinahe Alles festgestellt ist, Eure Majestät, ihr im Namen meines Vaters ein paar Zeilen eines italienischen Schriftstellers zu citiren, die ihm so sehr der Lage, in welcher sich der König befindet, zu entsprechen schienen, daß er mir befahl, sie auswendig zu lernen, damit ich sie dem König sagen könnte.«

»Sprechen Sie, mein Herr.«

»Sie lauten: »»Der Verzug ist immer nachtheilig, und bei allen Dingen, die man unternimmt, gibt es nie völlig günstige Umstände; so daß derjenige, welcher wartet, bis er eine vollkommene Gelegenheit trifft, nie eine Sache unternehmen oder, wenn er sie unternimmt, häufig schlecht davon kommen wird.«« Es ist der Autor, welcher so spricht, Sire.«

»Ja, mein Herr, und dieser Autor ist Macchiavelli, Glauben Sie mir, ich werde den Rath des Gesandten der herrlichen Republik berücksichtigen  . . .Doch stille!  . . .ich höre Tritte aus der Treppe  . . .Gamain kommt herab; gehen wir ihm entgegen, damit er nicht sieht, wir haben uns mit etwas Anderem beschäftigt, als mit dem Schranke.«

Bei diesen Worten öffnete der König die Thüre der Geheimtreppe.

Es war Zeit, der Schlossermeister stand, mit seinem Schlosse in der Hand, auf der letzten Stufe.