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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Siebentes bis zehntes Bündchen

XXXV
Wo der Leser das Vergnügen haben wird, Herrn von Beausire so wiederzufinden, wie er ihn verlassen

Nach diesen artigen Worten des Grafen herrschte ein kurzes Stillschweigen; Cagliostro schritt indessen bis in die Mitte der Stube vor und schaute mit einem forschenden Blicke umher, ohne Zweifel, um die moralische und besonders pecuniäre Lage der alten Bekannten zu schätzen, unter welche ihn die furchtbaren unterirdischen Schleichgänge, deren Mittelpunkt er war, unvermuthet zurückführten.

Das Resultat dieses Blickes konnte einem so scharfsichtigen Manne, wie es der Graf war, keinen Zweifel lassen.

Ein gewöhnlicher Beobachter hätte, – was der Wahrheit entsprach, – errathen, die arme Haushaltung sei bei ihrem letzten Vierundzwanzig-Sous-Stücke.

Von den drei Personen, bei denen das Erscheinen des Grafen so große Verwunderung verursacht hatte, war die erste, die das Stillschweigen brach, diejenige, welche ihr Gedächtniß nur an die Ereignisse des Abends erinnerte, und der folglich ihr Gewissen nichts vorzuwerfen hatte.

»Ah! mein Herr, welch ein Unglück!« rief der junge Toussaint, »ich habe meinen Louis d’or verloren!«

Nicole öffnete den Mund, um die Umstände nach ihrer Wahrheit darzustellen, aber sie bedachte, ihr Stillschweigen werde dem Kinde vielleicht einen zweiten Louis d’or eintragen, und diesen zweiten Louis d’or werde sie erben.

Nicole täuschte sich nicht.

Du hast Deinen Louis d’or verloren, mein armes Kind?« sagte Cagliostro; »hier sind zwei, verliere sie diesmal nicht mehr!«

Und er zog aus einer Börse, deren Rundheit die gierigen Blicke von Beausire entflammte, zwei andere Louis d’or und ließ sie in die kleine Hand des Kindes fallen.

»Sieh, Mama!« rief der Knabe, während er aus Nicole zulief, »da ist einer für Dich und einer für mich.«

Und er theilte seinen Schatz mit seiner Mutter.

Cagliostro hatte bemerkt, mit welcher Zähigkeit der Blick des falschen Sergenten seiner Börse, die er geöffnet, um den achtundvierzig Livres Abzug zu gewähren, bei den verschiedenen Evolutionen, die sie von ihrem Ausgange aus seiner Tasche bis zu ihrer Rückkehr gemacht, gefolgt war.

Als er sie in den Tiefen der Weste des Grafen verschwinden sah, stieß der Liebhaber von Nicole einen Seufzer aus.

»Oh! Herr von Beausire,« sagte Cagliostro, »wie, immer schwermüthig?«

»Und Sie, Herr Graf, immer Millionär?«

»Ei! mein Gott! Sie, der Sie einer der größten Philosophen sind, die ich sowohl in den letzten Jahrhunderten, als im Alterthum gekannt habe, müssen vertraut sein mit dem Axiom, das zu allen Zeiten in Ehren war: Das Geld macht nicht das Glück. Ich habe Sie verhältnißmäßig reich gesehen.«

»Ja, es ist wahr,« erwiederte Beausire, »ich besaß hunderttausend Franken.«

»Das ist möglich; nur hatten Sie zur Zeit, wo ich Sie wieder fand, bereits ungefähr vierzigtausend davon verzehrt, so daß Sie nur noch sechzigtausend besaßen, was, wie Sie zugestehen werden, immer noch eine ziemlich runde Summe für einen ehemaligen Gefreiten war.«

Beausire seufzte.

»Was sind sechzigtausend Livres im Vergleiche mit den Summen, über welche Sie verfügen?« sagte er.

»Als Verwahrer, Herr von Beausire, denn wenn wir recht rechnen würden, so glaube ich, daß Sie der heilige Martin wären, und ich wäre der Arme, und Sie müßten mir, um mich nicht vor Kälte erfrieren zu lassen, die Hälfte von Ihrem Mantel geben . . .Nun, mein lieber Herr von Beausire, erinnern Sie sich der Umstände, unter welchen ich Sie getroffen habe? Sie hatten damals, wie ich so eben sagte, ungefähr sechzigtausend Livres in Ihrer Tasche; waren Sie darum glücklicher?«

Beausire stieß einen rückwärts schauenden Seufzer aus, der für ein Stöhnen gelten konnte.

»Antworten Sie doch,« sagte Cagliostro, »würden Sie gern Ihre gegenwärtige Lage, obgleich Sie nur den unglücklichen Louis d’or besitzen, den Sie dem jungen Toussaint genommen haben . . .«

»Mein Herr,« unterbrach ihn der ehemalige Gefreite.

»Erzürnen wir uns nicht, Herr von Beausire; wir haben uns schon einmal erzürnt, und Sie sahen sich genöthigt, auf der Straße Ihren Degen zu suchen, der durch das Fenster geflogen war, Sie erinnern sich dessen?, . . Nicht wahr, Sie erinnern sich?« wiederholte der Graf, als er wahrnahm, daß Beausire nicht antwortete: »Gedächtniß haben ist schon etwas. Nun denn, ich frage Sie abermals, würden Sie gern Ihre gegenwärtige Lage, obgleich Sie nur den unglücklichen Louis d’or besitzen, den Sie dem jungen Toussaint genommen haben, – diesmal ging die Anschuldigung ohne Einwurf vorüber, – gegen die precäre Lage vertauschen, welcher Sie entzogen zu haben ich mich glücklich fühle.«

»Nein, Herr Graf,« erwiederte Beausire, »Sie haben Recht, ich würde nicht tauschen. Ach! damals war ich von meiner theuren Nicole getrennt.«

»Und dann leicht von der Polizei verfolgt, wegen Ihrer Angelegenheit mit Portugal . . .Was Teufels ist aus dieser Sache geworden, Herr von Beausire? . . .Eine garstige Geschichte, so viel ich mich erinnern kann!«

»Sie ist in’s Wasser gefallen, Herr Graf,« antwortete Beausire.

»Ah! desto besser, denn sie mußte Sie sehr beunruhigen; zählen Sie übrigens nicht zu viel auf diese Ersäufung. Es gibt tüchtige Taucher bei der Polizei, und so trübe oder so tief das Wasser sein mag, eine garstige Geschichte ist immer leichter zu fischen, als eine schöne Perle.«

»Nun, ja, Herr Graf, abgesehen von der Armuth, zu der wir herabgesunken sind  . . .«

»Fühlen Sie sich glücklich . . .so daß Sie nur ein Tausend Louis d’or brauchen würden, damit dieses Glück vollständig wäre?«

Die Augen von Nicole glänzten, die von Beausire sprühten Flammen.

»Nämlich,« rief der Letztere, »wenn wir tausend Louis d’or hätten, nämlich, wenn wir vierundzwanzigtausend Livres hätten, würden wir ein Landgut für die Hälfte der Summe kaufen, mit der andern Hälste würden wir eine kleine Rente gründen, und ich würde Feldbauer!«

»Wie Cincinnatus.«

»Während sich Nicole ganz der Erziehung unseres Kindes widmen könnte!«

»Wie Cornelia! Alle Wetter! Herr von Beausire, das wäre nicht nur exemplarisch, sondern auch sehr rührend; Sie hoffen also nicht, so viel bei der Sache zu gewinnen, welche Sie in diesem Augenblicke betreiben?«

Beausire bebte.

»Welche Sache?« fragte er.

»Die Sache, bei der Sie sich als Sergent von den Garden produciren; die Sache, für welche Sie sich heute Abend unter die Arcaden der Place Royale begeben.«

Beausire wurde bleich wie ein Todter.

»Oh! Herr Graf,« sagte er, indem er mit einer flehenden Miene die Hände faltete.

»Was?«

»Stürzen Sie mich nicht ins Verderben!«

»Gut! Wie schweifen Sie nun aus! Bin ich der Polizeilieutenant, um Sie ins Verderben zu stürzen?«

»Hörst Du!« rief Nicole, »ich sagte Dir wohl, Du lassest Dich in eine schlimme Sache ein!«

»Ah! Sie kennen diese Angelegenheit, Mademoiselle Legay?«

»Nein, Herr Graf, doch es ist . . .wenn er mir eine Angelegenheit verbirgt, so geschieht es, weil sie schlecht ist, das weiß ich . . .«

»Was diese betrifft, so täuschen Sie sich, Mademoiselle Legay, sie kann im Gegentheil vortrefflich sein.«

»Ah! nicht wahr?« rief Beausire. »Der Herr Graf ist Edelmann, und der Herr Graf begreift, daß der ganze Adel dabei interessirt ist  . . .«

»Daß sie glückt. Es ist wahr, doch das ganze Volk ist seinerseits dabei interessirt, daß sie scheitert . . .. Wenn Sie mir nun glauben wollen, mein lieber Herr von Beausire, – Sie verstehen, es ist ein Rath, den ich Ihnen gebe, ein wahrer Freundesrath, – wenn Sie mir glauben wollen, so werden Sie weder für den Adel, noch für das Volk Partei nehmen.«

»Für wen werde ich aber dann Partei nehmen?«

»Für Sie.«

»Für mich?«

»Ei! allerdings, für Dich,« sagte Nicole. Bei Gott! Du hast genug an Andere gedacht, es ist Zeit, daß Du an Dich denkst!«

»Sie hören, – sie spricht wie der heilige Johannes Chrysvstomos.12 Erinnern Sie sich wohl, Herr von Beausire, jede Sache hat eine gute und eine schlimme Seite: gut für die Einen, schlimm für die Andern; eine Angelegenheit, welche es auch sein mag, kann nicht schlimm für Jedermann oder gut für Jedermann sein; nun es handelt sich einzig und allein darum, daß man sich auf der guten Seite findet.«

»Ah! ah! und es würde scheinen, ich sei nicht aus der guten Seite?«

»Nicht ganz, Herr von Beausire; nein, entfernt nicht. Ich füge sogar bei, daß, wenn Sie hartnäckig hierbei bleiben, – Sie wissen, ich mische mich in das Prophetenthum, – ich füge sogar bei, daß Sie, wenn Sie hartnäckig hierbei bleiben, diesmal nicht Ihre Ehre, nicht Ihr Vermögen in Gefahr setzen werden, sondern Ihr Leben. Ja, Sie würden wahrscheinlich gehenkt!«

»Mein Herr,« erwiederte Beausire, welcher seine Fassung zu behaupten bemüht war, indeß er den Schweiß abwischte, der von seiner Stirne floß, »man henkt einen Edelmann nicht.«

»Das ist wahr; doch um es dahin zu bringen, daß man Sie köpfen würde, lieber Herr von Beausire, müßten Sie Ihre Ahnenproben machen, was ein wenig lange dauern würde, lange genug, um das Tribunal so verdrießlich zu stimmen, daß es wohl provisorisch befehlen könnte, Sie sollen gehenkt werden. Hiergegen werden Sie mir bemerken, wenn die Sache schön sei, liege wenig an der Strafe. Das Verbrechen macht die Schande und nicht das Schaffot, hat ein großer Dichter gesagt.«

»Aber . . .stammelte Beausire immer mehr erschrocken.

»Ja, aber Sie hängen nicht so sehr an Ihren Meinungen, daß Sie ihnen Ihr Leben opfern würden; ich begreife das . . ., Teufel! »»Man lebt nur einmal.«« wie ein anderer, nicht minder großer Dichter gesagt hat.«

 

»Herr Graf,« sprach endlich Beausire, »ich habe in dem seltenen Verkehr, in den ich mit Ihnen zu kommen so glücklich gewesen bin, wahrgenommen, daß Sie eine Art von den Dingen zu reden besitzen, welche die Haare auf dem Haupte eines ängstlichen Menschen sich sträuben machen würde.«

»Teufel! das ist nicht meine Absicht,« versetzte Cagliostro; »übrigens sind Sie kein ängstlicher Mensch!«

»Nein,« antwortete Beausire, »es gibt indessen gewisse Umstände  . . .«

»Ja, ich begreise; z. B. die, wobei man hinter sich die Galeeren wegen Betrugs hat und vor sich den Galgen wegen des Verbrechens der beleidigten Nation, wie man heute ein Verbrechen nennen würde, was etwa die Entführung des Königs zum Zwecke hätte.«

»Mein Herr!« rief Beausire ganz bestürzt.

»Unglücklicher!« sagte Oliva, »auf diese Entführung bautest Du also Deine Goldträume?«

»Und er hatte nicht ganz Unrecht, kleine liebe Demoiselle; nur gibt es, wie ich Ihnen so eben zu sagen die Ehre gehabt habe, bei jeder Sache eine gute und eine schlimme Seite, eine erleuchtete Seite und eine düstere Seite: Herr von Beausire hat das Unrecht gehabt, daß er die schlimme Seite adoptirt, die düstere Seite geliebkost; er braucht sich nur umzudrehen.«

»Ist es noch Zeit?« fragte Nicole.

»Oh! Gewiß.«

»Was muß ich thun, Herr Graf?« fragte Beausire.

»Nehmen Sie Eines an, mein Herr,« erwiederte Cagliostro.

»Was?«

»Nehmen Sie an, Ihr Complot scheitere; nehmen Sie an, die Mitschuldigen des Verlarvten und des Mannes mit dem braunen Mantel seien verhaftet; – nehmen Sie an, – man muß in der Zeit, in der wir leben, Alles annehmen, – nehmen Sie an, sie seien zum Tode verurtheilt  . . .ei! mein Gott! man hat wohl Besenval und Augeard freigesprochen, – Sie sehen, daß man Alles annehmen kann; nehmen Sie an, – werden Sie nicht ungeduldig: von Annahmen zu Annahmen kommen wir zu einer Thatsache; – nehmen Sie an, Sie seien einer von diesen Mitschuldigen; nehmen Sie an, Sie haben den Strick um den Hals, und man sage Ihnen, um aus Ihre Wehklagen zu antworten, – denn in einer solchen Lage, ei! mein Gott, so muthig er auch sein mag, lamentirt ein Mensch immer mehr oder weniger, nicht wahr?«

»Vollenden Sie, Herr Graf, ich bitte Sie inständig; mir ist schon, als ob ich erstickte.«

»Bei Gott! darüber darf man sich nicht wundern, ich nehme an, Sie haben den Strick um den Hals!  . . .Nun wohl! nehmen Sie an, man sage zu Ihnen: »»Ah! armer Herr von Beausire, lieber Herr von Beausire, das ist Ihre Schuld!««

»Wie so?« rief Beausire.

»Gemach! Sie sehen wohl, daß wir von Annahmen zu Annahmen zu einer Wirklichkeit kommen, da Sie mir antworten, als ob Sie schon dabei wären.«

»Ich gestehe es.«

»»Wie so?«« würde Ihnen die Stimme antworten; »»weil Sie nicht nur dem unglücklichen Tode, der Sie in seinen Klauen hält, entgehen, sondern auch tausend Louis d’or verdienen konnten, mit denen Sie das Häuschen mit den grünen Hagebuchen gekauft haben würden, wo Sie in Gesellschaft von Mademoiselle Oliva und dem kleinen Toussaint von fünfhundert Louis d’or Rente leben sollten, die Sie sich von den zwölftausend Livres gegründet hätten, welche nicht aus den Ankauf des Hauses verwendet worden wären  . . .leben, wie Sie sagten, als ein guter Landmann, mit Pantoffeln im Sommer und Holzschuhen im Winter an den Füßen, während wir, Sie besonders, statt dieses reizenden Horizonts vor den Augen den Grève-Platz haben, der mit zwei bis drei abscheulichen Galgen bepflanzt ist, von welchen der höchste die Arme nach Ihnen ausstreckt. Pfui! Herr von Beausire, welch eine häßliche Aussicht!««

»Aber wie hätte ich denn diesem unglücklichen Tode entgehen können? Wie hätte ich diese tausend Louis d’or verdienen können, welche meine Ruhe, die von Nicole und die von Toussaint sichern würden?«

»Würden Sie fragen, nicht wahr? »»Nichts wäre leichter gewesen,«« würde Ihnen die Stimme antworten; »»Sie hatten da, in Ihrer Nähe, nur zwei Schritte entfernt, den Grafen von Cagliostro.«« »»Ich kenne ihn,«« würden Sie bemerken; »»ein fremder Herr, der in Paris zu seinem Vergnügen wohnt und sich zum Sterben langweilt, wenn es ihm an Neuigkeiten fehlt.«« »»So ist es. Nun, Sie brauchten ihn nur auszusuchen und zu ihm zu sagen: – Herr Graf —«

»Aber ich wußte nicht, wo er wohnte,« rief Beausire; »ich wußte nicht, daß er in Paris war; ich wußte nicht einmal, daß er noch lebte!«

»»Deshalb, mein lieber Herr von Beausire,«« würde Ihnen die Stimme antworten, »»deshalb hat er auch Sie aufgesucht, und von dem Augenblicke an, wo er Sie ausgesucht, das müssen Sie zugestehen, haben Sie keine Entschuldigung mehr. Nun also! Sie hatten nur zu ihm zu sagen: – Herr Graf, ich weiß, wie lüstern Sie nach Neuigkeiten sind; ich habe, und zwar ganz frische. Monsieur, der Bruder des Königs, conspirirt – ., . Bah?  . . .– Ja, mit dem Marquis von Favras  . . .– Nicht möglich!  . . .– Doch; ich spreche wohlunterrichtet hiervon, da ich einer der Agenten von Herrn von Favras bin –  . . .– Wahrhaftig? Und was ist der Zweck des Complots? – Den König zu entführen und nach Peronne zu bringen. Nun wohl, Herr Graf, um Sie zu zerstreuen, will ich, Tag für Tag, Stunde für Stunde, wenn Sie es wünschen, Minute für Minute, wenn es sein muß, Ihnen sagen, wie die Sache steht. – »»Dann, mein lieber Freund, hätte der Graf, der ein freigebiger Herr ist, Ihnen geantwortet: – Wollen Sie das wirklich thun, Herr von Beausire? – Ja. – Wohl, da jede Mühe ihren Lohn verdient, wenn Sie das gegebene Wort halten, so habe ich dort in einer Ecke vier und zwanzig tausend Livres, die ich für eine gute Handlung verwenden wollte; bei meiner Treue, ich werde sie für diese Laune hingeben, und am Tage, wo der König entführt oder Herr von Favras verhaftet ist, suchen Sie mich auf und bei meinem Ehrenworte, die vier und zwanzig tausend Livres sollen Ihnen eingehändigt werden, wie ich Ihnen diese zehn Louisd’or einhändige, nicht als Vorschuß, nicht als Darlehn, sondern als ein einfaches Geschenk.««

Und bei diesen Worten zog der Graf von Cagliostro, wie ein Schauspieler, der mit den Requisiten probirt, aus seiner Tasche die gewichtige Börse, steckte den Zeigefinger und den Daumen hinein und kniff mit einer Geschicklichkeit, welche von seiner Gewohnheit in dieser Art von Uebungen zeugte, gerade zehn Louis d’or, nicht mehr, nicht weniger, heraus, während seinerseits Beausire, man muß ihm diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, die Hand ausstreckte, um das Gold in Empfang zu nehmen.

Cagliostro schob sachte diese Hand zurück und sagte:

»Verzeihen Sie, Herr von Beausire, wir machten, glaube ich, Annahmen?«

»Ja,« erwiederte Beausire, dessen Augen wie glühende Kohlen glänzten; »doch äußerten Sie nicht, von Annahmen zu Annahmen werden wir zur Thatsache kommen?«

»Sind wir dahin gekommen?«

Beausire zögerte einen Augenblick.

Bemerken wir sogleich, daß es nicht die Redlichkeit, nicht die Treue für das gegebene Wort, nicht das erregte Gewissen war, was dieses Zögern verursachte. Wollten wir dies behaupten, so kennen doch unsere Leser Herrn von Beausire zu gut, um uns nicht Lügen zu strafen.

Nein, es war einfach die Furcht, der Graf werde sein Versprechen nicht halten.

»Mein lieber Herr von Beausire,« sagte Cagliostro, »ich sehe wohl, was in Ihnen vorgeht!«

»Ja,« erwiederte Beausire, »Sie haben Recht, Herr Graf, ich zögere, zum Verräther an dem Vertrauen zu werden, das ein wackerer Mann in mich gesetzt hat,«

Und er schlug die Augen zum Himmel aus und schüttelte den Kopf wie Einer, der sich sagt: »Ach! das ist sehr hart!«

»Nein, das ist es nicht,« entgegnete Cagliostro, »und Sie sind mir ein neuer Beweis für die Wahrheit jenes Wortes des Weisen: »»Der Mensch kennt sich selbst nicht.««

»Und was ist es denn?« fragte Beausire, ein wenig verblüfft durch die Leichtigkeit, mit der der Graf in der tiefsten Tiefe des Herzens las.

»Sie befürchten, nachdem ich Ihnen die tausend Louis d’or versprochen habe, werde ich Ihnen dieselben nicht geben.«

»Ah! Herr Graf!  . . .«

»Und das ist ganz natürlich, ich sage es Ihnen zuerst; doch ich biete Ihnen eine Caution.«

»Eine Caution! Der Herr Graf hat das gewiß nicht nöthig!«

»Eine Caution, welche persönlich für mich haften wird.«

»Und welche Caution ist dies?« fragte schüchtern Beausire.

»Mademoiselle Nicole Oliva Legay.«

»Oh!« rief Nicole, »wenn der Herr Graf uns etwas verspricht, so ist es allerdings, als ob wir es hätten, Beausire.«

»Sehen Sie, mein Herr, so geht es, wenn man gewissenhaft die Versprechen, die man geleistet hat, erfüllt. An einem Tage, wo sich diese Demoiselle in der Lage befand, in der Sie sind, abgesehen vom Complot, das heißt, an einem Tage, wo Mademoiselle von der Polizei sehr gesucht war, machte ich ihr ein Anerbieten: das, bei mir eine Zuflucht zu nehmen. Mademoiselle zögerte; sie befürchtete für ihre Ehre. Ich gab ihr mein Wort, und trotz aller Versuchungen, die ich zu erdulden hatte, was Sie besser als irgend Jemand begreifen werden, habe ich es gehalten, mein Herr. Ist das wahr, Mademoiselle?«

»Oh! bei unserem kleinen Toussaint schwöre ich es!« rief Nicole.

»Sie glauben also, Mademoiselle Nicole, ich werde das Wort halten, das ich heute Herrn von Beausire verpfände, und ihm vier und zwanzig tausend Livres an dem Tage geben, wo der König die Flucht ergriffen hat, oder an dem Tage, wo Herr von Favras verhaftet ist? wohl verstanden, abgesehen davon, daß ich die Schlinge löse, welche Sie vorhin erstickte, mein Herr, und daß nie mehr für Sie von Strick oder Galgen die Rede sein wird, – wenigstens wegen dieser Sache. Darüber hinaus hafte ich für nichts . . .Einen Augenblick Geduld! verstehen wir uns recht! es gibt Berufe  . . .«

»Herr Graf,« unterbrach ihn Nicole, »für mich ist es, als ob der Notar dabei gewesen wäre.«

»Nun wohl, meine liebe Demoiselle,« sagte Cagliostro, während er die zehn Louis d’or, die er nicht losgelassen, auf dem Tische aneinander reihte, »machen Sie, daß Ihre Ueberzeugung in das Herz von Herrn von Beausire übergeht, und die Sache ist abgeschlossen.«

Und er bedeutete Beausire durch einen Wink, er möge einen Augenblick mit Nicole reden.

Das Gespräch dauerte nur fünf Miauten; doch die Gerechtigkeit heischt von uns die Bemerkung, daß es während dieser fünf Minuten äußerst belebt war.

Mittlerweile betrachtete Cagliostro beim Lichte den durchstochenen Carton und machte Kopfbewegungen, als begrüßte er einen alten Bekannten.

»Ah! ah!’ sagte er, »das ist die berühmte Martingale von Herrn Law, die Sie wiedergefunden? Ich habe auf diese Martingale eine Million verloren.«

Und er ließ die Karten nachläßig aus den Tisch fallen.

Diese Bemerkung von Cagliostro schien dem Gespräche von Nicole und Beausire eine neue Thätigkeit zu verleihen.

Endlich war Beausire entschlossen.

Er ging auf Cagliostro zu, mit ausgestreckter Hand, wie ein Pferdehändler, der einen unauflösbaren Handel abschließen will.

Doch der Graf wich die Stirne faltend zurück.

»Mein Herr,« sagte er, »unter Edelleuten gilt das Wort; Sie haben das meinige, geben Sie mir das Ihrige.«

»Bei meinem Ehrenworte, Herr Graf,« erwiederte Beausire, »es ist abgemacht,«

»Das genügt, mein Herr,« sprach Cagliostro.

Dann zog er aus seiner Tasche eine Uhr, auf welcher das Portrait von König Friedrich von Preußen mit Diamanten verziert zu sehen war, und fügte bei:

»Es ist drei Viertel auf neun Uhr, Herr von Beausire; aus den Schlag neun Uhr werden Sie unter den Arcaden der Place Royale, beim Hotel Sully, erwartet: nehmen Sie diese zehn Louis d’or, stecken Sie sie in Ihre Westentasche, ziehen Sie Ihren Rock an, schnallen Sie Ihren Degen um, gehen Sie über den Pont Notre-Dame und folgen Sie der Rue Saint-Antoine; Sie müssen nicht aus sich warten lassen.«

Beausire ließ sich das nicht zweimal sagen.

Er nahm die zehn Louis d’or, steckte sie in seine Tasche, zog seinen Rock an und schnallte seinen Degen um.

»Wo werde ich den Herrn Grafen wiederfinden?«

»Aus dem Saint-Jean-Friedhofe, wenn es Ihnen beliebt. Will man, ohne gehört zu werden, über solche Angelegenheiten plaudern, so plaudert man besser bei den Todten, als bei den Lebendigen.«

»Und um welche Stunde?«

»Um welche Stunde Sie frei sind; wer zuerst kommt, wird aus den Andern warten.«

»Der Herr Graf hat etwas zu thun?« fragte Beausire mit Unruhe, als er sah, daß sich Cagliostro nicht anschickte, ihm zu folgen.

»Ja,« erwiederte Cagliostro, »ich habe mit Mademoiselle Nicole zu reden.«

Beausire machte eine Bewegung.

 

»Oh! seien Sie unbesorgt, mein lieber Herr von Beausire; ich habe ihre Ehre respectirt, als sie Mädchen war, um so mehr werde ich sie respectiren, da sie Hausfrau ist. Gehen Sie, Herr von Beausire, gehen Sie.«

Beausire warf Nicole einen Blick zu, in welchem er ihr zu sagen schien: »Frau von Beausire, seien Sie des Vertrauens würdig, das ich zu Ihnen habe.« Er küßte zärtlich den jungen Beausire, grüßte mit einer mit Besorgnis, gemischten Ehrerbietung den Grafen von Cagliostro und ging gerade weg, als es auf Notre-Dame drei Viertel auf neun Uhr schlug.

12Goldmund.