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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CLXIII
Der Tempel

Doch ehe wir Andrée in das Gefängniß folgen, wo hin man sie als verdächtig schicken sollte, folgen wir der Königin in das, in welches man diese als schuldig geführt hatte.

Wir haben den Antagonismus der Nationalversammlung und der Commune bezeichnet.

Die Nationalversammlung, wie dies allen konstituierten Körpern begegnet, war nicht mit demselben Schritt gegangen wie die Individuen; sie hatte das Volk auf den Weg des 10. August hingetrieben, dann war sie zurückgeblieben.

Die Sectionen hatten den berufenen Rath der Commune improvisiert, und dieser Rath der Commune war es, der in Wirklichkeit den, von der Nationalversammlung gepredigten, 10. August gemacht hatte.

Und zum Beweise dient, daß gegen die Commune der König eine Zuflucht bei der Nationalversammlung gesucht.

Die Nationalversammlung hatte ein Asyl dem König gegeben, den die Commune nicht ungern in den Tuilerien überfallen, zwischen zwei Matratzen erstickt, zwischen zwei Thüren erdrosselt hätte, mit der Königin und dem Dauphin, mit der Wölfin und dem Wölflein, wie man sagt.

Die Nationalversammlung hatte dieses Project scheitern gemacht, dessen Gelingen, – so schändlich es will, – vielleicht ein großes Glück gewesen wäre.

Die den König, die Königin, den Dauphin, selbst den Hof beschützende Nationalversammlung war also royalistisch; die Nationalversammlung, welche decretirte, der König sollte das Luxembourg, das heißt einen Palast bewohnen, war royalistisch.

Allerdings gibt es, wie bei allen Dingen, Stufen beim Royalismus; was in den Augen der Commune, und so, war in den Augen der Nationalversammlung royalistisch, war revolutionär in anderen Augen.

Lafayette, als Royalist in Frankreich geächtet, sollte er nicht als Revolutionär vom Kaiser von Oestereich eingekerkert werden?

Die Commune fing also damit an, daß sie die Nationalversammlung des Royalismus bezichtigte; sodann streckte Robespierre von Zeit zu Zeit aus dem Loche, wo er verborgen war, seinen spitzigen Kopf hervor und pfiff eine Verleumdung.

Robespierre war gerade in diesem Augenblicke im Zuge, zu sagen, eine mächtige Partei, die Gironde, biete den Thron dem Herzog von Braunschweig an. Die Gironde? begreift Ihr? das heißt die erste Stimme, welche: »Zu den Waffen!« gerufen, der erste Arm, der sich angeboten hätte, um Frankreich zu vertheidigen!

Die revolutionäre Commune mußte aber, um zur Dictatur zu gelangen, Allem, was die royalistische Nationalversammlung that, entgegentreten.

Die Nationalversammlung hatte dem König das Luxembourg als Wohnung bewilligt.

Die Commune erklärte, sie hafte nicht für den König, wenn der König im Luxembourg wohne; die Keller des Luxembourg, versicherte die Commune, stehen mit den Katakomben in Verbindung.

Die Nationalversammlung wollte mit der Commune nicht wegen einer solchen Geringfügigkeit brechen: sie überließ ihr die Wahl der königlichen Wohnung.

Die Commune wählte den Tempel.

Man sehe, ob der Platz gut gewählt war.

Der Tempel ist nicht, wie das Luxembourg, eine durch seine Keller in die Katakomben, durch seine Mauern auf die Ebene gehender, mit den Tuilerien und dem Stadthause einen spitzigen Winkel bildender Palast; nein es ist ein unter das Auge und in den Bereich der Commune gestelltes Gefängniß; die Commune braucht die Hand auszustrecken: sie öffnet und schließt sein Thüren; es ist ein alter, vereinzelter, niedriger, starker fester Thurm, dessen Graben man wiederhergestellt hat; Philipp der Schöne, das beißt das Königthum, brach hier das Mittelalter, das sich gegen ihn empörte: das Königthum wird hierher zurückkehren, durch die neue Zeit gebrochen.

Wie war dieser alte Thurm hier geblieben, in dem volkreichen Quartier, schwarz und traurig wie eine Nachteule im hellen Sonnenscheine? Hier werden nach der Entscheidung der Commune der König und die königliche Familie wohnen.

War es Berechnung, als sie zum Aufenthaltsorte dem König dieses Asyl anwies, wo die früheren Bankerottirer die grüne Mütze aufsetzten und mit dem Hintern die Steine klopften, wie das Gesetz des Mittelalters sagt, wonach sie nichts mehr schuldig waren? Nein, es war Zufall, Verhängniß, wir würden sagen Vorsehung, wäre das Wort nicht zu grausam.

Am 10. Abends wurden der König, die Königin, Madame Elisabeth, Frau von Lamballe, Frau von Tourzel, Herr Chemilly, der Kammerdiener des Königs, und Herr Hue, der Kammerdiener des Dauphin, in den Tempel versetzt.

Die Commune hatte sich dergestalt beeilt, den König in seine neue Wohnung zu bringen, daß der Thurm noch nicht bereit war.

Die königliche Familie wurde dem zu Folge in Theil des Gebäudes geführt, welchen einst der Graf von Artois bewohnte, wenn er nach Paris kam, und den man das Palais nannte.

Ganz Paris schien freudig zu sein; es ist wahr, dreitausend Bürger waren umgekommen; doch der Freund es Auslands, doch der große Feind der Revolution, doch der Verbündete der Adeligen und der Priester: der König saß gefangen.

Alle den Tempel umgebende Häuser waren erleuchtet.

Es fanden sich Lämpchen bis in den Zinnen des Thurmes.

Als Ludwig XVI. aus dem Wagen stieg, sah er Santerre zu Pferde, zehn Schritte vom Schlage haltend.

Zwei Municipalbeamte erwarteten den König mit dem Hute in der Hand.

»Treten Sie ein, mein Herr,« sagten sie zu ihm.

Der König trat ein, und natürlich über seine zukünftige Residenz sich täuschend, verlangte er die Gemächer des Palais zu besichtigen.

Die Municipalbeamten wechselten einen Blick; ohne ihm zu sagen, die Promenade, die er zu machen gedenke, sei unnütz, da er den Thurm bewohnen sollte, ließen sie ihn den Tempel Zimmer für Zimmer besichtigen.

Der König machte die Eintheilung seiner Wohnung, und die Municipalbeamten ergötzten sich an diesem Irrthume, der sich in Bitterkeit verwandeln sollte.

Um zehn Uhr wurde das Abendbrod servirt. Während des Mahles stand Manuel in der Nähe des Königs; das war kein botmäßiger Diener mehr: es war ein Kerkermeister, ein Aufseher, ein Herr.

Man nehme zwei sich widersprechende Befehle an: den einen vom König, den andern von Manuel gegeben; er Befehl von Manuel wäre vollzogen worden.

Hier begann wirklich die Gefangenschaft.

Besiegt auf der Höhe der Monarchie, verläßt am 10. August Abends der König den obersten Gipfel und steigt mit raschen Schritten den entgegengesetzten Abhang des Berges hinab, an dessen Fuße ihn das Schaffot erwartet.

Er hat achtzehn Jahre gebraucht, um den Gipfel ersteigen und sich darauf zu behaupten; er wird fünf Monate und acht Tage brauchen, um herabgestürzt zu werden.

Man sehe, mit welcher Geschwindigkeit man ihr antreibt.

Um zehn Uhr ist man im Speisezimmer des Palais, um elf Uhr im Salon des Palais.

Der König ist noch oder glaubt wenigstens noch zu sein. Er weiß nicht, was vorgeht.

Um elf Uhr gibt einer von den Commissären den zwei Kammerdienern, Hue und Chemilly, Befehl, das bisschen Wäsche, was sie hatten, zu nehmen und ihm zu folgen.

»Wohin folgen?« fragten die Kammerdiener.

»In den Nachtaufenthalt Eures Herrn,« antwortete der Commissär; »das Palais ist nur der Tagaufenthalt.«

Der König, die Königin, der Dauphin waren schon nur noch die Herren von ihren Kammerdienern.

An der Thüre des Palais fand man einen Municipalbeamten, der mit einer Laterne vorausging. Man folgte ihm.

Beim schwachen Scheine dieser Laterne und mittels der Erleuchtung der benachbarten Häuser, – eine Erleuchtung, welche zu erlöschen anfing, – suchte Hue die zukünftige Wohnung des Königs zu erkennen; er sah vor sich nur den düstern Thurm, der sich in die Luft er hob wie ein Granitriese, an dessen Stirne eine Feuerkrone glänzte.

»Mein Gott!« sagte der Kammerdiener stillstehend, »sollten Sie uns in diesen Thurm führen?«

»Gewiß,« antwortete der Municipalbeamte. »Ah! die Zeit der Paläste ist vorüber! Du wirst sehen, wie man die Mörder des Volks quartiert.«

Nachdem er kaum diese Worte gesprochen, stieß der Mann mit der Laterne an die ersten Stufen einer Schneckentreppe.

Die Kammerdiener blieben im ersten Stocke; der Mann mit der Laterne ging aber weiter.

Im zweiten Stocke hörte er auf emporzusteigen, nahm seinen Weg in einen rechts von der Treppe liegenden Korridor, und öffnete ein Zimmer, das auf der linken Seite des Corridors lag.

Ein einziges Fenster erleuchtete dieses Zimmer; drei bis vier Stühle, ein Tisch und ein schlechtes Bett bildeten das ganze Mobiliar.

»Welcher von Euch Beiden ist der Bediente des Königs?« fragte der Municipalbeamte.

»Ich bin sein Kammerdiener,« erwiederte Herr Chemilly.

»Kammerdiener oder Bediente, das ist immer einerlei,« versetzte der Mann mit der Laterne.

Und auf das Bett deutend, fügte er bei:

»Sieh, hier wird Dein Herr schlafen.«

Und er warf auf einen Stuhl eine Decke und ein Paar Leilacken, zündete mit seiner Laterne zwei Lichter auf dem Kamine an und ließ die zwei Kammerdiener allein.

Man schickte sich an, die im ersten Stocke liegende Wohnung der Königin in Bereitschaft zu setzen.

Die Herren Hue und Chemilly schauten sich bestürzt an. Sie hatten noch in ihren thränenfeuchten Augen die Herrlichkeiten der königlichen Wohnungen; es war nicht einmal mehr ein Gefängniß, in das man den König stürzte: man quartierte ihn in einen Dachwinkel ein.

Die Majestät der Scenirung fehlte dem Unglücke.

Sie untersuchten das Zimmer.

Das Bett stand in einem Alcoven ohne Vorhänge, ein an die Wand gestelltes altes Weidengeflechte deutet eine gegen die Wanzen genommene Vorsichtsmaßregel an; – eine unzulängliche Maßregel, wie leicht zu sehen war.

Sie ließen sich indessen nicht abschrecken und fing an, so gut sie konnten, die Stube und das Bett säubern.

 

Während der Eine fegte und der Andere abstäubt, trat der König ein.

»Oh! Sire,« riefen sie einstimmig, »welche Schädlichkeit!«

Der König – war dies Seelenstärke? war es Sorglosigkeit? – blieb unempfindlich. Er schaute um her, sagte aber kein Wort.

Da er die Wand mit Kupferstichen tapezirt fand und einige von diesen Stichen obscön waren, so riß er sie ab.

»Ich will solche Gegenstände nicht unter den Augen meiner Tochter lassen!« sagte er.

Als sodann ein Bett gemacht war, legte sich der: König nieder und entschlief so ruhig, als ob er in den Tuilerien gewesen, wäre, – ruhiger vielleicht.

Wahrlich, hätte man zu dieser Stunde dem König dreißig tausend Livres Einkünfte gegeben, ein Landhaus mit einer Schmiede, eine Bibliothek von Reisewerken, eine Kapelle, um darin die Messe zu hören, eine Kaplan, um sie ihm zu lesen, einen Park von zehn Morgen, wo er hätte geschützt vor jeder Intrigue, umgeben von der Königin, vom Dauphin, von Madame Royale, das heißt – süßere Worte – von seiner Frau und seinen Kindern, leben können, der König wäre der glücklichste Mensch seines Reiches gewesen.

Nicht so war es bei der Königin.

Brüllte sie nicht beim Anblicke ihres Käfichs, die stolze Löwin, so war dies, weil ein so grausamer Schmerz in der Tiefe ihrer Brust wachte, daß sie für Alles, was sie umgab, blind und unempfindlich wurde.

Ihre Wohnung bestand aus vier Zimmern: einem Vorzimmer, wo die Frau Prinzessin von Lamballe blieb, einem Zimmer, das die Königin für sich nahm, einem Cabinet, welches man Frau von Tourzel abtrat, und einem weiten Zimmer, das man für Madame Elisabeth und die Kinder bestimmte.

Alles dies war etwas reinlicher als beim König.

Uebrigens, als hätte er sich der Hinterlist geschämt, er man sich gegen den König bedient hatte, kündigte Manuel an, der Baumeister der Commune, der Bürger Palloy, – derselbe, welcher mit dem Niederreißen der Bastille beauftragt gewesen war, – werde kommen und ich mit dem König verständigen, um die zukünftige Wohnung der königlichen Familie so bequem als möglich machen.

Während Andrée in das Grab den Leichnam ihres geliebten Gatten niederlegt; während Manuel im Tempel den König und die königliche Familie einquartiert; während der Zimmermann die Guillotine auf dem Platze des Carrousels, dem Siegesfelde, das sich in einen Grève-Platz verwandeln soll, errichtet, werfen wir einen Blick in das Innere des Stadthauses, wo wir schon zwei- oder dreimal eingetreten sind, und schätzen wir diese Macht, welche auf die der Bailly und der Lafayette gefolgt ist und sich, indem sie sich an die Stelle der legislativen Versammlung setzt, der Dictatur zu bemächtigen strebt.

Sehen wir die Menschen, sie werden uns die Erklärung der Acte geben.

Am 10. Abends, als Alles beendigt war, wohlverstanden; als der Lärm der Kanonen entschlummert war; als das Geräusch des Musketenfeuers erloschen war; als man nur noch mordete, hatte ein Trupp betrunkener, verlumpter Leute auf den Armen mitten in den Rath der Commune den Mann der Finsterniß, die Nachteule mit den blinzelnden Augen, den Propheten des Pöbels, den göttlichen Marat gebracht.

Er hatte mit sich machen lassen: es war nichts mehr zu befürchten; der Sieg war entschieden und das Feld für die Wölfe, die Geier und die Raben offen.

Sie nannten ihn den Sieger vom 10. August, ihn, den sie in dem Augenblicke genommen hatten, wo er den Kopf durch das Luftloch seines Kellers her vorstreckte.

Sie hatten ihn mit Lorbeeren bekränzt, und er hatte, wie Cäsar, naiv den Kranz auf einer Stirne behalten.

Sie kamen, die Bürger Sansculottes, und warfen, wie wir so eben gesagt haben, den Gott Marat mitten in die Commune.

So hatte man den lahmen Vulcan in den Rath der Götter geworfen.

Beim Anblicke von Vulcan hatten die Götter gelacht; beim Anblicke von Marat lachten Viele; die Andern wurden von Ekel erfaßt; Einige schauerten.

Diese Letzten hatten Recht.

Und Marat gehörte doch nicht zur Commune; er war nicht zum Mitgliede ernannt worden; man hatte ihn dahin getragen.

Er blieb hier.

Man machte ihm, – für ihn ganz ausdrücklich – eine Journalistenloge, nur, statt daß der Journalist unter der Hand der Commune war, wie der Logographe unter der Hand der Nationalversammlung, war die Commune unter der Klaue, unter der Pfote von Marat.

Wie in dem schönen Drama unseres theuren und großen Freundes Victor Hugo Angelo über Padua ist, aber Venedig über sich fühlt, so war die Commune über der Nationalversammlung, fühlte aber Marat über sich.

Schaut, wie sie gehorcht, diese stolze Commune, der die Nationalversammlung gehorcht! Einer der ersten Beschlüsse den sie faßt, ist:

»Die Pressen der royalistischen Giftmischer sollen nunmehr confiscirt und den patriotischen Druckern zuerkannt werden.«

An dem Tage, wo das Decret erlassen werden soll, vollzieht es Marat: er geht in die königliche Druckerei, läßt eine Presse zu sich schleppen und in Säcken die Schrift mitnehmen, die ihm ansteht. Ist er nicht der Erste der patriotischen Drucker?

Die Nationalversammlung war über die Schlächtereien des 10. August erschrocken; sie war unmächtig gewesen, sie zu verhindern: man hatte in ihrem Hofe, in ihrem Corridor, vor ihrer Thüre geschlachtet.

Danton hatte gesagt:

»Wo die Thätigkeit der Justiz anfängt, muß die Volksrache aufhören. Ich übernehme vor der Nationalversammlung die Verbindlichkeit, die Menschen zu beschützen, welche in ihrem Bezirke sind; ich werde an ihrer Spitze gehen; ich hafte für sie.«

Danton hatte dies gesagt, ehe Marat bei der Commune war.

Von dem Augenblicke an, wo Marat bei der Commune war, haftete er für nichts mehr.

Der Schlange gegenüber schlug der Löwe schiefe Wege ein: er suchte sich zum Fuchse zu machen.

Lacroix, dieser ehemalige Officier, dieser athletische Abgeordnete, einer der hundert Arme von Danton, bestieg die Tribüne und verlangte, daß man durch Santerre, – den Mann, dem die Royalisten selbst, unter einer rauhen Form, ein mitleidiges Herz zugestehen, – Lacroix verlangt, daß man durch Santerre ein Kriegsgericht ernennen lasse, welches auf der Stelle die Schweizer, Officiere und Soldaten, richten sollte.

Folgendes war die Idee von Lacroix oder vielmehr von Danton:

Dieses Kriegsgericht würde man unter den Männern nehmen, welche sich geschlagen hatten; die Männer, die sich geschlagen hatten, waren Männer von Muth: die Männer von Muth schätzen und achten aber den Muth.

Ueberdies hätte es ihnen gerade dadurch, daß sie Sieger waren, widerstrebt, Besiegte zu verurtheilen.

Hat man nicht diese Sieger, berauscht vom Blut, rauchend von der Schlächterei, die Weiber verschonen, sie beschützen, sie zurückführen sehen?

Ein Kriegsgericht gewählt unter den bretonischen oder den Marseiller Förderriten, kurz unter den Sieger, war also das Heil der Gefangenen, und zum Beweise, wie dies eine Maßregel der Milde war, dient, daß die Commune sie verwarf.

Marat zog die Schlächterei vor: das würde eher beendigt sein.

Er verlangte Köpfe, dann Köpfe und abermals Köpfe.

Seine Zahl, statt abzunehmen, nahm immer mehr zu; es waren Anfangs fünfzigtausend Köpfe, dann hundert tausend, dann zweimal hunderttausend; am Ende forderte er zweimal hundert dreiundsiebzig tausend.

Warum diese seltsame Rechnung, dieser sonderbare Bruch?

Er wäre selbst in Verlegenheit gewesen, es zu sagen.

Er verlangt die Schlächterei, das ist das Ganze, – und die Schlächterei organisiert sich.

Danton setzt auch keinen Fuß mehr in die Commune; eine Ministerarbeit nimmt ihn ganz und gar in Anspruch, wie er sagt.

Was macht die Commune? Sie schickt Deputationen an die Nationalversammlung ab.

Am 16. folgen sich drei Deputationen vor der Schranke.

Am 17. erscheint eine neue Deputation.

»Das Volk,« sagt sie, »ist es müde, nicht gerächt zu sein. Befürchtet, daß es Gerechtigkeit übt. Um Mitternacht wird man die Sturmglocke läuten. Man braucht ein Criminalgericht in den Tuilerien, einen Richter je für die Section; Ludwig XVI. und Marie Antoinette wollten Blut; sie mögen das ihrer Trabanten fließen sehen!«

Diese Dreistigkeit, dieses Drängen machen zwei Männer aufspringen: den Jacobiner Choudieu, den Dantonisten Thuriot.

»Diejenigen, welche hier die Schlächterei verlangen,« sagt Choudieu, »sind keine Freunde des Volks; es sind seine Schmeichler. Man will eine Inquisition; ich werde mich dem bis zum Tode widersetzen!«

»Ihr wollt die Revolution entehren!« ruft Thuriot; die Revolution gehört nicht allein Frankreich: die Revolution gehört der Menschheit!«

Nach den Petitionen kommen die Drohungen.

Die Sectionen treten auch ein und sprechen:

»Ist binnen drei Stunden der Director des Geschworenengerichts nicht ernannt, und die Geschworenen sind nicht im Stande, zu handeln, so wird großes Unglück in Paris umhergehen.«

Auf diese letzte Drohung sah sich die Nationalversammlung genöthigt, zu gehorchen: sie votirte die Errichtung eines außerordentlichen Tribunals.

Am 17. war das Verlangen gestellt worden.

Am 19. war das Tribunal geschaffen.

Am 20. installirte sich das Tribunal und verurtheilte einen Royalisten zum Tode.

Am 21. Abends wurde der Verurtheilte vom vorhergehenden Tage bei Fackelschein auf dem Carrousel-Platze hingerichtet.

Die Wirkung dieser ersten Hinrichtung war übrigens entsetzlich, so entsetzlich, daß der Henker selbst nicht widerstehen konnte.

In dem Augenblicke, wo er dem Volke den Kopf dieses ersten Verurtheilten zeigte, der den Leichenwagen eine so breite Straße eröffnen sollte, stieß er einen Schrei aus, ließ den Kopf auf das Pflaster rollen und fiel rückwärts.

Seine Gehilfen hoben ihn auf: er war todt.

CLXIV
Die blutige Revolution

Die Revolution von 1789, das heißt die der Necker, der Bailly und der Sieyès, hatte sich im Jahre 1790 geschlossen, die der Barnave, der Mirabeau und der Lafayette hatte ihr Ende 1792 gehabt, die große Revolution, die blutige Revolution, die Revolution von Danton, von Marat, von Robespierre hatte begonnen.

Indem wir diese drei Personen zusammenfassen, wollen wir sie nicht in einer und derselben Schätzung vermengen, sie repräsentieren in Gegentheile im unsere Augen, in ihrer Fans verschiedenen Individualität, die drei Gestalten der drei Jahre, welche nun verlaufen solle.

Danton verkörperte sich in 1792; Marat in 1793; Robespierre in 1794.

Die Ereignisse drängen sich übrigens; sehen in den Ereignissen: wir werden hernach die Mittel untersuchen, durch welche die Nationalversammlung und die Commune ihnen zuvorzukommen oder sie zu beschleunigen trachten.

Wir indessen fast in die Geschichte gerathen alle alle Helden unseres Buches sind, mit einigen Ausnahmen, im Revolutionssturme untergegangen.

Was ist aus den drei Brüdern Charny, Georges, Isidor und Olivier, geworden? Sie sind todt. Was ist aus der Königin und aus Andrée geworden? Sie sind gefangen. Was wird aus Lafayette? Er ist auf der Flucht.

Am 17. August hatte Lafayette durch eine Adresse die Armee aufgerufen, gegen Paris zu marschieren, dort die Constitution wiederherzustellen, den 10. August zu Nichte zu machen und den König zu restaurieren.

Lafayette, der redliche Mann, hatte den Kopf verloren wie die Andern; was er thun wollte, war: die Preußen und die Oesterreicher unmittelbar nach Paris führen.

Das Heer stieß ihn instinctmäßig zurück, wie es acht Monate später Dumouriez zurückstieß.

Die Geschichte würde die Namen dieser zwei Männer aneinander angehängt, – wir wollen sagen, mit einander verkettet haben, hätte Lafayette, von der Königin gehaßt, nicht das Glück gehabt, von den Oesterreichern verhaftet und nach Olmütz geschickt zu werden: die Gefangenschaft machte die Desertion vergessen.

Am 18. ging Lafayette über die Grenze.

Am 21. schloßen diese Feinde Frankreichs, diese Verbündeten des Königthums, gegen welche man den 10. August gemacht hat, und gegen die man den 2. September machen wird; diese Oesterreicher, welche Marie Antoinette zu Hilfe rief in jener klaren Nacht, wo der Mond, durch die Scheiben des Schlafzimmers der Königin eindringend, den Tag auf ihr Bett ergoß, die Oesterreicher, sagen wir, schloßen Longwy ein.

Nach einem vierundzwanzigstündigen Bombardement ergab sich Longwy.

Am Tage vor dieser Uebergabe erhob sich, am andern Ende von Frankreich, die Vendée: die Leistung des geistlichen Eides war der Vorwand des Aufstandes.

Um gegen diese Ereignisse Fronte zu machen, er nannte die Nationalversammlung Dumouriez zum Commando der Ostarmee und beschloß die Verhaftung von Lafayette.

Sie beschloß auch, daß, sobald die Stadt Longwy wieder in der Gewalt der französischen Nation wäre, alle Häuser, mit Ausnahme der nationalen Gebäude, eingerissen und dem Erdboden gleich gemacht werden sollten; – sie erließ ein Gesetz, das jeden nicht beeidigten Priester vom Gebiete verbannte; – sie ermächtigte zu den Haussuchungen; sie confiscirte die Güter der Emigranten und setzte sie zum Verkaufe aus.

 

Was machte während dieser Zeit die Commune?

Wir haben gesagt, wer ihr Orakel war: Marat.

Die Commune guillotinierte auf dem Carrousel-Platze.

Man gab ihr einen Kopf täglich; das war sehr wenig; doch in einer Brochure, die am Ende des Augusts erscheint, erklären die Mitglieder des Tribunals, welche ungeheure Arbeit sie sich aufgelegt haben, um dieses Resultat zu erlangen, so wenig befriedigend es sein möge. Die Brochure ist allerdings unterzeichnet: Fouquier-Tinville!

Man sehe auch, was die Commune träumt; wir werden sogleich der Verwirklichung dieses Traumes beiwohnen.

Am 23. Abends gibt sie ihren Prospectus.

Gefolgt von einem in den Gossen der Vorstädte und den Hallen aufgelesenen Schwarme, erscheint eine Abordnung der Commune gegen Mitternacht in der Nationalversammlung.

Was verlangt sie? daß die Gefangenen von Orleans nach Paris gebracht werden, um hier ihre Strafe zu erleiden.

Die Gefangenen von Orleans sind aber nicht gerichtet.

Seien Sie ruhig, das ist eine Förmlichkeit, der sich die Commune überheben wird.

Ueberdies hat sie das Fest vom 10. August, das ihr zu Hilfe kommen soll.

Sergent, ihr Künstler, ist der Ordner davon; er hat schon die Procession vom Vaterlande in Gefahr in Scene gesetzt, und Sie wissen, ob ihm das gelungen ist.

Diesmal wird sich Sergent übertreffen.

Es handelt sich darum, mit Trauer, mit Rache, mit mörderischem Schmerze die Seelen von allen denjenigen zu erfüllen, welche am 10. August ein Wesen, das ihnen theuer war, verloren haben.

Der Guillotine gegenüber, welche auf dem Grève-Platze sanctionirt, errichtet er in der Mitte des großen Bassin der Tuilerien eine Riesenpyramide, ganz mit schwarzer Sarsche bedeckt. Auf jeder Seite ist an die Metzeleien erinnert, die man den Royalisten vorwirft: Metzelei von Nancy, Metzelei von Nimes, Metzelei von Montauban, Metzelei vom Marsfelde.

Die Guillotine sagte: »Ich tödte!« die Pyramide, sprach: »Tödte!«

Es geschah am Abend vom Sonntag dem 27. August, – fünf Tage nach dem durch die Priester gemachten Aufruhre der Vendée, vier Tage nach der Uebergabe von Longwy, wovon der General Clerfayt im Namen von Ludwig XVI. Besitz ergriffen hatte, – daß die Sühnungsprocession sich in Marsch setzte, um die geheimnißvollen Majestäten zu benützen, welche die Finsterniß auf alle Dinge wirft.

Voran schritten durch Wolken von Raucherwerk, das man aus dem ganzen zu durchlaufenden Wege verbrannte, die Witwen und die Waisen vom 10. August, in weiße Gewänder gehüllt, den Leib umschlossen mit schwarzen Gürteln, in einer Arche erbaut nach dem Muster von der des Alterthums die von Madame Roland dictierte, von Fräulein Kéralio auf dem Altar des Vaterlands geschriebene Petition tragend, deren blutige Blätter man zerstreut auf dem Marsfelde gefunden hatte, und die schon am 17. Juli 1791 die Republik verlangte.

Dann kamen riesige Sarkophage, auf jene Wagen anspielend, welche man am Abend des 10. Augusts in den Höfen der Tuilerien belud und stöhnend von der Last der Leichen nach den Vorstädten führte; sodann Fahnen der Trauer und der Rache, den Tod für den Tod fordernd; ferner das Gesetz, eine colossale Statue, mit einem Schwerte umgürtet. Ihr folgten die Richter der Tribunale, an deren Spitze das Revolutionstribunal vom 10. August marschierte, – das, welches sich entschuldigte, daß es nur einen Kopf täglich fallen mache!

Hierauf kam die Commune, die blutige Mutter dieses blutigen Tribunals, in ihren Reihen die Statue der Freiheit, von derselben Höhe wie die des Gesetzes, führend; endlich die Nationalversammlung, jene Bürgerkronen tragend, welche vielleicht die Todten trösten, die aber so ungenügend für die Lebenden sind.

Alles dies zog majestätisch einher unter den düsteren Gesängen von Chénier, unter der strengen Musik von Gossec, langsam schreitend wie die Rache, aber, wie sie, mit sicherem Fuße schreitend.

Ein Theil der Nacht vom 27. auf den 28. August verging in der Vollziehung dieser Ceremonie, einer Todtenfeier der Menge, wobei diese Menge, die Faust den leeren Tuilerien weisend, die Gefängnisse bedrohte, – Sicherheitsfesten, die man dem König und den Royalisten gegen ihre Paläste und ihre Schlösser gegeben hatte.

Als endlich die letzten Lämpchen erloschen, die letzten Fackeln in Rauch verwandelt waren, zog sich das Volk zurück.

Die zwei Statuen des Gesetzes und der Freiheit blieben allein, um den ungeheuren Sarkophag zu bewachen; da aber Niemand sie selbst bewachte, so beraubte man, geschah es ans Unvorsichtigkeit oder aus Ruchlosigkeit, in der Nacht beide Statuen ihrer unteren Kleider: – am andern Tage waren die zwei armen Göttinnen weniger als Frauen.

Das Volk stieß bei diesem Anblicke ein Wuthgeschrei aus; es bezichtigte die Royalisten, lief nach der Nationalversammlung, forderte Rache, bemächtigte sich der Statuen, kleidete sie wieder an und schleppte sie zur Wiederherstellung ihrer Ehre auf die Place Louis XV.

Später folgte ihnen das Schaffot dahin und gab denselben am 21. Januar eine entsetzliche Genugthuung für den Schimpf, der ihnen am 28. August angethan worden.

An demselben 28. August hatte die Nationalversammlung das Gesetz über die Haussuchungen erlassen.

Das Gerücht über die Vereinigung der preußischen und österreichischen Heere und von der Einnahme von Longwy durch den General Clerfayt sing an sich zu verbreiten.

Also marschirte, vom König, von den Adeligen und von den Priestern herbeigerufen, der Feind gegen Paris, und er konnte, vorausgesetzt, daß ihn nichts aufhielt, in sechs Etappen da sein.

Was sollte dann aus diesem wie ein Krater brodelnden Paris werden, dessen Stöße seit drei Jahren die Welt erschütterten? Was jener Brief von Herrn von Bouillé gesagt hatte, ein frecher Scherz, über den man so viel gelacht, und der eine Wirklichkeit werden sollte: es würde kein Stein auf dem andern bleiben.

Mehr noch: man sprach als von etwas ganz Sicherem von einem allgemeinen, erschrecklichen, unerbittlichen Urtheile, das, nachdem es Paris vernichtet, die Pariser vernichten würde. Auf welche Art und von wem wäre dieses Urtheil gesprochen worden? Die Schriften jener Zeit sagen es Euch; die blutige Hand der Commune ist ganz in dieser Legende, welche, statt die Vergangenheit zu erzählen, die Zukunft erzählt.

Warum sollte man übrigens nicht an diese Legende glauben? Folgendes ist es, was man in einem am 10. August in den Tuilerien aufgefundenen Briefe las, den wir selbst in den Archiven, wo er noch ist, gelesen haben:

»Die Tribunale kommen nach den Armeen; die aus Emigranten bestehenden Parlamentäre instruieren unter Weges, im Lager des Königs von Preußen, den Proceß der Jacobiner und rüsten ihren Galgen.«

So daß, wenn die preußischen und österreichischen Heere in Paris ankommen, die Instruction gemacht, das Urtheil gesprochen sein wird, und man es nur noch zu, vollziehen hat.

Um sodann zu bestätigen, was der Brief sagt, druckt man in das offizielle Bulletin des Krieges:

»Die österreichische Cavalerie hat in der Gegend von Saarlouis die patriotischen Mairs und die bekannten Republikaner weggeführt.

»Uhlanen haben Municipalbeamte genommen, ihnen die Ohren abgeschnitten und sie denselben auf die Stirne genagelt.«

Beging man solche Handlungen in der harmlosen Provinz, was würde man dem revolutionären Paris thun?

Was man ihm thun würde? Das war kein Geheimniß mehr.

Folgende Kunde verbreitete sich, auf allen Kreuzwegen preisgegeben, von jedem Centrum sich zerstreuend, um zu den Extremitäten zu gelangen:

Man wird einen großen Thron für die verbündeten Könige im Angesichte des Trümmerhaufens errichten, der Paris gewesen sein wird; die ganze gefangene Einwohnerschaft wird an den Fuß dieses Thrones getrieben, gestoßen, geschleppt werden; hier wird, wie beim jüngsten Gerichte, eine Auslese der Guten und der Bösen stattfinden: die Guten, das heißt die Royalisten, die Adeligen, die Priester, werden auf die rechte Seite treten, und man wird ihnen Frankreich übergeben, daß sie damit machen, was sie wollen; die Bösen, das heißt die Revolutionäre, werden auf die linke gehen und hier die Guillotine finden, dieses von der Revolution erfundene Instrument, durch welches die Revolution umkommen wird.