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Die drei Musketiere

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Die drei Musketiere
Die drei Musketiere
Audiobook
Czyta Eberhard Krug, Hans Mahlau, Klaus Jepsen, Peter Schiff, Rolf Marmitz, Rolf Marnitz
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»Ganz richtig,« sprach Athos, »doch das geht Aramis an.«

»Wohl,« sagte dieser erröthend, »was soll ich thun?«

»Das ist ganz einfach,« antwortete Athos, »einen zweiten Brief an die gewandte Person schreiben, welche in Tours wohnt.«

Aramis nahm die Feder wieder auf, dachte abermals einen Augenblick nach und schrieb folgende Zeilen, die er sogleich der Billigung seiner Freunde unterwarf:

»Meine liebe Base . . .«

»Ah! ab!« sagte Athos, »diese gewandte Person ist mit Euch verwandt?«

»Geschwisterkind,« sprach Aramis.

»Also Base.«

Aramis fuhr fort:

»Meine liebe Base, Seine Eminenz der Cardinal, den Gott zum Wohle Frankreichs und zur Schmach der Feinde des Reiches erhalten möge, ist auf dem Punkte, den ketzerischen Rebellen von La Rochelle den Garaus zu machen; es ist wahrscheinlich, daß die Hilfe der englischen Flotte nicht einmal vor dem Platz ankommen wird; ich möchte beinahe sagen, ich weiß gewiß, daß Herr von Buckingham durch ein gewisses Ereigniß verhindert sein wird, abzureisen. Seine Eminenz ist der erhabenste Politiker der Vergangenheit, der Gegenwart und wahrscheinlich auch der Zukunft. Er würde die Sonne auslöschen, wenn sie ihn genirte. Theilt diese glücklichen Nachrichten Eurer Schwester mit, meine liebe Base. Ich träumte, der verdammte Engländer wäre tot. Ich weiß nicht mehr, ob durch Eisen oder durch Gift; nur dessen bin ich gewiß, daß er tot war und Ihr wißt, meine Träume täuschen mich nie. Haltet Euch also versichert, mich bald zurückkommen zu sehen.«

»Vortrefflich,« rief Athos; »Ihr seid der König der Dichter, Ihr sprecht wie die Apokalypse und seid wahr wie das Evangelium. Es braucht jetzt nur noch die Adresse auf den Brief gesetzt zu werden.

»Das ist sehr leicht,« sagte Aramis.

Er legte den Brief niedlich zusammen und schrieb:

»An Mademoiselle Michon, Weißnäherin in Tours.«

Die drei Freunde schauten sich lachend an. Sie waren getäuscht.

»Nun begreift Ihr wohl, meine Herren,« sagte Aramis, »daß Bazin allein diesen Brief nach Tours bringen kann. Meine Base kennt nur Bazin und hat nur zu ihm Vertrauen. Bei jedem Andern würde die Sache scheitern. Ueberdies ist Bazin ehrgeizig und gelehrt. Bazin hat die Geschichte gelesen, meine Herren, er weiß, daß Sixtus V. Pabst geworden ist, nachdem er Schweine gehütet, und da er zugleich mit mir zur Kirche übertreten will, so verzweifelt er nicht daran, selbst einmal Pabst oder wenigstens Cardinal zu werden. Ihr begreift, daß ein Mensch, der solche Absichten hegt, sich nicht fangen läßt, oder wenn er gefangen wird, eher das Märtyrerthum erduldet, als daß er spräche.«

»Sehr gut,« sagte d'Artagnan, »ich lasse Euch gerne Bazin gelten, laßt mir dagegen Planchet gelten. Mylady hat ihn einst mit Stockschlägen aus dem Hause gejagt. Planchet aber hat ein gutes Gedächtniß, und wenn er irgendwo eine Rache wittern kann, so würde er sich eher bei lebendigem Leibe rädern lassen, als darauf Verzicht leisten. Sind die Angelegenheiten von Tours die Eurigen, Aramis, so sind die von London die meinigen. Ich bitte also, Planchet zu wählen, welcher überdies schon einmal mit mir in London gewesen ist und ganz deutlich auszusprechen versteht: London, Sir, if you please und my master, Lord d'Artagnan. Mit diesem wird er seinen Weg hin und zurück machen, Ihr könnt ganz unbesorgt sein.«

»In diesem Fall,« sprach Athos, »muß Planchet siebenhundert Livres für die Hinreise und siebenhundert für die Rückreise bekommen, und Bazin dreihundert für die Hinreise und dreihundert für die Rückreise. Dadurch schmilzt die Summe auf fünftausend Livres herab. Wir nehmen jeder Tausend Livres, um sie nach Gutdünken zu verbrauchen, und behalten einen Fonds von tausend Livres übrig, den der Abbé für außerordentliche Fälle oder gemeinschaftliche Bedürfnisse aufbewahrt. Ist Euch dies angenehm?«

»Mein lieber Athos,« sagte Aramis, »Ihr sprecht wie Nestor, der, wie Jedermann weiß, der weiseste der Griechen war.«

»Gut, das ist abgemacht,« versetzte Athos. »Planchet und Bazin werden reisen. Im Ganzen ist es mir nicht leid, daß Grimaud bei mir bleibt. Er ist an meine Art und Weise gewöhnt, und darauf halte ich große Stücke. Der gestrige Tag hat ihn bereits etwas erschüttert, diese Reise würde ihn zu Grund richten.«

Man ließ Planchet kommen und gab ihm seine Instruktionen. Er wurde von d'Artagnan unterrichtet, der ihm zuerst den Ruhm, dann das Geld und endlich die Gefahr ankündigte.

»Ich werde den Brief im Aufschlag meines Rockes tragen,« sagte Planchet, »und ihn verschlingen, wenn man mir ihn nehmen will.«

»Aber dann kannst Du Deinen Auftrag nicht besorgen,« entgegnete d'Artagnan.

»Ihr gebt mir diesen Abend eine Abschrift, die ich auswendig lerne.«

D'Artagnan schaute seine Freunde an, als wollte er sagen:

»Nun, was hatte ich Euch versprochen?«

»Du hast acht Tage,« fuhr er, sich an Planchet wendend, fort, »um zu Lord Winter zu gelangen. Du hast acht Tage, um hierher zurückzukommen. Im Ganzen sechzehn Tage. Wenn Du am sechszehnten Tage nach Deiner Abreise Abends nicht zurückgekommen bist, kein Geld, und wenn es acht Uhr fünf Minuten wäre.«

»Dann kauft mir eine Uhr, gnädiger Herr,« sprach Planchet.

»Nimm diese,« sagte Athos und gab ihm mit seiner sorglosen Großmuth die seinige, »sei ein braver Bursche und bedenke, daß Du, wenn Du plauderst, Schuld bist, daß Deinem Herrn, der so großes Vertrauen auf Deine Treue setzt und für Dich haftete, der Hals abgeschnitten wird. Aber bedenke auch, daß ich Dich, wenn durch Deine Schuld d'Artagnan ein Unglück widerfährt, überall finden werde, um Dir den Bauch aufzuschlitzen.«

»Oh, gnädiger Herr!« sagte Planchet, gedemüthigt durch diesen Verdacht und besonders erschrocken über die ruhige Miene des Musketiers.

»Und ich,« rief Porthos, seine große Augen in ihren Höhlen rollend, »bedenke, daß ich Dich lebendig erdroßle.«

»Oh, gnädiger Herr!«

Und Planchet fing an zu weinen; wir vermögen nicht anzugeben, ob dies aus Schrecken wegen der Drohungen, die man gegen ihn ausstieß, oder aus Rührung darüber geschah, daß er die vier Freunde so enge verbunden sah.

D'Artagnan faßte ihn bei der Hand und sprach:

»Siehst Du, Planchet, diese Herren sagen Dir dies Alles aus Liebe für mich, aber im Grunde sind sie Dir wohl geneigt.«

»Ah, gnädiger Herr,« erwiederte Planchet, »entweder schlage ich mich durch, oder man schneidet mich in Stücke, und wenn man mich in Stücke schneidet, so dürft Ihr überzeugt sein, daß keines davon sprechen wird.«

Es wurde beschlossen, daß Planchet am andern Morgen um acht Uhr abgehen sollte, damit er, wie er gesagt hatte, während der Nacht den Brief auswendig lernen könnte. Bei dieser Anordnung gewann er gerade zwölf Stunden. Er mußte am sechszehnten Tage Abends acht Uhr zurückgekommen sein.

Als er am andern Morgen zu Pferde steigen wollte, nahm d'Artagnan, der eine gewisse Vorliebe für den Herzog von Buckingham in seinem Innern fühlte, Planchet bei Seite und sprach:

»Höre, wenn Du den Brief Lord Winter zugestellt und er ihn gelesen hat, so sagst Du ihm noch weiter; ›Wacht über Seine Herrlichkeit, Lord Buckingham, denn man will ihn ermorden!‹ Siehst Du, Planchet, das ist aber so ernst und so wichtig, daß ich es nicht einmal meinen Freunden gestehen wollte; ich vertraue nur Dir dieses Geheimniß an, und ich möchte es nicht für eine Kapitänsstelle niederschreiben.«

»Seid unbesorgt, gnädiger Herr,« sprach Planchet, »Ihr werdet sehen, ob man auf mich zählen kann.«

Und auf einem vortrefflichen Pferd, von dem er sich zwanzig Meilen von da trennen sollte, um die Post zu nehmen, ritt Planchet im Galopp von dannen, das Herz ein wenig gepreßt durch das traurige Versprechen, das ihm die Musketiere gemacht hatten, aber im Ganzen in der besten Stimmung.

Bazin ging am andern Tag nach Tours ab und hatte acht Tage, um seinen Auftrag zu besorgen.

Die vier Freunde hatten, wie man sich leicht denken kann, während der ganzen Dauer dieser zwei Abwesenheiten, mehr als je ihre Augen auf der Lauer, die Nase im Winde und das Ohr im Horchwinkel.

Ihre Tage gingen damit hin, daß sie zu erfahren suchten, was man sagte, daß sie die Gänge des Cardinals beobachteten und die ankommenden Couriere ausspähten. Mehr als einmal wurden sie von einer unüberwindlichen Angst befallen, wenn man sie zu irgend einem unerwarteten Dienste rief. Sie hatten sich übrigens zu ihrer eigenen Sicherheit zu hüten: Mylady war ein Gespenst, das, wenn es einmal den Menschen erschienen war, sie nicht mehr ruhig schlafen ließ.

Am Morgen des achten Tages trat Bazin frisch, wie immer, und lächelnd, wie gewöhnlich, in die Schenke zum Parpaillot ein, wo die vier Freunde gerade beim Frühstücke saßen, und sagte, wie dies verabredet war:

»Herr Aramis, hier ist die Antwort Eurer Base.«

Die vier Freunde tauschten einen freudigen Blick aus, die Hälfte des Geschäftes war abgemacht. Allerdings war es die kürzere und leichtere.

Aramis nahm unwillkürlich erröthend den Brief, der von einer plumpen Handschrift und ohne Orthographie war.

»Guter Gott!« rief er lachend, »ich gerathe gewiß noch in Verzweiflung, nie wird die arme Michon wie Herr von Voiture schreiben.«

»Was soll das heißen: die arme Michon?« fragte der Schweizer, welcher, als der Brief ankam, gerade in einem Gespräch mit den vier Freunden begriffen war.

»Oh! mein Gott, weniger als nichts,« antwortete Aramis, »eine kleine reizende Nähterin, die ich sehr lieb habe, und von der ich mir einige Zeilen ihrer Hand als Andenken erbat.«

»Gottes Blut!« rief der Schweizer, »wenn ihre Seele so groß ist, als ihre Handschrift, so sitzt Ihr sehr im Glücke, mein Kamerad.«

»Laßt sehen, was sie mir schreibt,« sagte Athos.

Athos warf einen Blick auf das Papier und laß, um jeden Verdacht zu entfernen, der hätte entstehen können, ganz laut:

 

»Mein Vetter, meine Schwester und ich, wir errathen die Träume sehr gut und wir haben eine furchtbare Angst davor; aber von Eurem wird man hoffentlich sagen können: Träume Schäume. Adieu! Bleibt gesund und macht, daß wir von Zeit zu Zeit etwas von Euch hören.

Aglaë Michon.«

»Von welchem Traume spricht sie?« fragte der Dragoner.

»Ei, bei Gott!« rief Aramis, »das ist ganz einfach, von einem Traume, den ich gehabt und ihr erzählt habe.«

»Ah ja, bei Gott! Das ist ganz einfach, wenn man seine Träume erzählt. Aber ich, was mich betrifft, ich träume nie.«

»Ihr seid sehr glücklich,« sagte Athos aufstehend, »und ich wollte, ich könnte dasselbe von mir sagen.«

»Nie,« versetzte der Schweizer, entzückt, daß ein Mann wie Athos ihn um etwas beneidete, »nie, nie!«

Als d'Artagnan sah, daß Athos aufstand, machte er es ebenso, nahm ihn beim Arm und ging mit ihm hinaus.

Porthos und Aramis blieben zurück, um den Späßen des Dragoners und des Schweizers die Spitze zu bieten.

Bazin legte sich auf einen Bund Stroh nieder, und da er mehr Einbildungskraft als der Schweizer hatte, so träumte er, Aramis sei Papst geworden und schmücke ihn mit einem Cardinalshut.

Aber Bazin hatte, wie gesagt, durch seine glückliche Rückkehr den vier Freunden nur einen Theil der Unruhe benommen, welche auf ihnen lastete. Die Tage des Wartens sind lang und d'Artagnan besonders hätte gewettet, jeder Tag habe achtundvierzig Stunden.

Er vergaß die nothwendige Langsamkeit der Schifffahrt, er stellte sich die Macht Myladys allzu groß vor, er verlieh dieser Frau, die ihm einem Dämon ähnlich zu sein schien, übernatürliche Mittel; er bildete sich bei dem geringsten Geräusche ein, man komme, um ihn zu verhaften, und bringe Planchet herbei, um ihn mit ihm und seinen Freunden zu confrontiren. Diese Unruhe war so groß, daß sie auch Porthos und Aramis ergriff; nur Athos blieb unempfindlich. Er war, als ob es gar keine Gefahr um ihn her gäbe und als ob er seine gewöhnliche Atmosphäre athmete.

Am sechszehnten Tage besonders wurden diese Zeichen der Aufregung bei d'Artagnan und seinen zwei Freunden so sichtbar, daß sie nicht am Platze bleiben konnten und wie Schatten auf dem Wege umherirrten, auf welchem Planchet zurückkehren sollte.

»Wahrlich,« sagte Athos zu ihnen, »Ihr seid Kinder, daß Euch eine Frau so bange macht. Ei, was kann denn am Ende geschehen? Daß man uns einsperrt? Man wird uns auch wieder aus dem Gefängnisse ziehen, wie man Madame Bonacieux herausgezogen hat. Daß man uns enthauptet? Jeden Tag setzen wir uns im Laufgraben noch viel Schlimmerem aus, denn eine Kugel kann uns das Bein zerschmettern und ich bin überzeugt, daß uns ein Wundarzt bei Weitem größere Schmerzen verursacht, wenn er uns den Schenkel abschneidet, als ein Henker, wenn er uns den Kopf abschlägt. Seid also ruhig: in zwei Stunden, in vier, in sechs Stunden spätestens wird Planchet hier sein; denn er hat einzutreffen versprochen, und ich setze großes Vertrauen auf die Versprechungen Planchets.«

»Aber wenn er nicht kommt?« fragte d'Artagnan.

»Wenn er nicht kommt, nun so wird er aufgehalten worden sein. Das Pferd kann ihn abgeworfen haben, es kann einen Sprung über die Brücke gemacht haben, er kann so rasch gelaufen sein, daß er eine Brustentzündung bekommen hat. Ei, meine Herren, wir müssen auch die Ereignisse in Rechnung bringen. Das Leben ist ein großer Rosenkranz von kleinen Unglücksfällen, die der Philosoph lachend abkörnt. Seid Philosophen, wie ich, meine Herren, setzt Euch zu Tische und trinkt. Nichts läßt die Zukunft so rosenfarbig erscheinen, als wenn man sie durch ein Glas Chambertin anschaut.«

»Das ist sehr gut,« antwortete d'Artagnan, »aber ich bin es müde, bei jedem Schluck fürchten zu müssen, der Wein könnte aus Myladys Keller kommen.«

»Ihr seid sehr heikel,« sagte Athos, »eine so schöne Frau!«

»Eine Gebrandmarkte!« rief Porthos mit seinem plumpen Lachen.

Athos bebte, strich mit der Hand über die Stirne, um den Schweiß abzutrocknen, und stand ebenfalls mit einem Nervenzittern auf, das er nicht zu bewältigen vermochte.

Der Tag ging indessen hin und der Abend kam noch langsamer heran, aber er kam doch endlich; die Trinkstuben füllten sich mit Gästen. Athos, der seinen Antheil an dem Diamant in die Tasche gesteckt hatte, verließ den Parpaillot nicht mehr. Er fand in Herrn von Busigny, der ihnen übrigens ein vortreffliches Mittagsmahl gegeben hatte, einen würdigen Partner. Sie spielten wie gewöhnlich miteinander, als es sieben Uhr schlug: man hörte die Patrouillen vorüberziehen, welche die Posten verdoppelten. Um halb acht Uhr wurde Retraite geschlagen.

»Wir sind verloren,« sagte d'Artagnan Athos in das Ohr.

»Ihr wollt sagen: wir haben verloren,« erwiderte Athos ruhig und warf zehn Louisd'or auf den Tisch, die er aus seiner Tasche gezogen hatte. »Auf, meine Herren,« fuhr er fort; »man schlägt die Retraite, gehen wir schlafen.«

Athos verließ den Parpaillot, von d'Artagnan gefolgt. Aramis gab Porthos den Arm und kam hinter ihnen. Aramis kaute Verse und Porthos riß sich von Zeit zu Zeit ein Haar aus dem Schnurrbart als Zeichen der Verzweiflung.

Aber plötzlich zeigte sich in der Dunkelheit ein Schatten, dessen Form d'Artagnan bekannt war und eine Stimme sagte:

»Gnädiger Herr, ich bringe Euch Euern Mantel, denn es ist frisch heute Abend.«

»Planchet!« rief d'Artagnan trunken vor Freude.

»Planchet!« riefen Porthos und Aramis.

»Ja wohl, Planchet!« sagte Athos. »Was ist darüber zu staunen? Er hatte versprochen, um acht Uhr zurückzukommen, und eben schlägt es acht Uhr. Bravo, Planchet, Ihr seid ein Mann von Wort, und wenn Ihr je Euern Herrn verlaßt, so nehme ich Euch in meine Dienste.«

»Oh! nein, nie,« sagte Planchet, »nie verlasse ich Herrn d'Artagnan.«

Und in demselben Augenblick fühlte d'Artagnan, daß ihm Planchet ein kleines Billet in die Hand schob.

D'Artagnan hatte große Lust, seinen Planchet zu umarmen, aber er fürchtete, dieses Freundschaftszeichen gegen seinen Lakaien auf offener Straße könnte einem Vorübergehenden auffallend erscheinen, und er hielt sich zurück.

»Ich habe das Billet,« sagte er zu Athos und zu seinen Freunden.

»Das ist gut,« sprach Athos, »kehren wir nach Hause und lesen wir es.«

Das Billet brannte d'Artagnan in der Hand. Er wollte seinen Marsch beschleunigen; aber Athos nahm ihn beim Arme, faßte ihn fest, und der junge Mann war genöthigt, gleichen Schritt mit seinem Freunde zu halten.

Endlich trat man in das Zelt ein und zündete eine Lampe an. Während Planchet bei der Thüre blieb, damit die vier Freunde nicht überrascht würden, erbrach d'Artagnan mit zitternder Hand das Siegel und öffnete den so sehnsüchtig erwarteten Brief.

Er enthielt eine halbe Zeile von ächt brittischer Handschrift und lakonischer Gedrängtheit:

»Thank you! be easy.« Was sagen sollte: »Ich danke, seid ruhig.«

Athos nahm d'Artagnan den Brief aus den Händen, näherte ihn der Lampe, brannte ihn an und ließ ihn nicht aus dem Auge bis er in Asche verwandelt war.

Dann rief er Planchet und sagte:

»Nun, mein Junge, kannst Du die siebenhundert Livres fordern; aber Du wagtest nicht viel mit einem Billet wie dieses hier.«

»Das hielt mich nicht ab, alle möglichen Mittel zu ersinnen, um es zu bewahren,« sprach Planchet.

»Nun erzähle uns,« sagte d'Artagnan.

»Das wäre in der That sehr weitschweifig, gnädiger Herr.«

»Du hast Recht, Planchet; überdies hat man die Retraite geschlagen, und es könnte auffallen, wenn wir länger Licht behielten, als die Anderen.«

»Es sei,« sagte d'Artagnan, »legen wir uns nieder; schlaf wohl, Planchet.«

»Meiner Treu, gnädiger Herr, das ist das erste Mal seit vierzehn Tagen.«

»Bei mir auch!« sagte d'Artagnan.

»Bei mir auch!« sagte Porthos.

»Bei mir auch!« sagte Aramis.

»Nun, soll ich Euch die Wahrheit gestehen? Bei mir auch,« sagte Athos.

XVI.
Widerwärtigkeiten

Außer sich vor Zorn, auf dem Verdecke wie eine Löwin schnaubend, die man einschifft, war Mylady mittlerweile versucht gewesen, sich in das Meer zu stürzen, um die Küste wieder zu erreichen; denn sie konnte den Gedanken nicht fassen, daß sie von d'Artagnan beleidigt, von Athos bedroht worden war, und Frankreich verlassen sollte, ohne sich an ihnen zu rächen. Bald wurde dieser Gedanke ihr so unerträglich, daß sie auf die Gefahr, was auch Furchtbares daraus entstehen möchte, den Kapitän bat, sie an das Ufer zu setzen; aber zwischen die französischen und englischen Kreuzer, wie die Fledermaus zwischen die Ratten und Vögel gestellt, lag dem Kapitän Alles daran, so bald als möglich nach England zu gelangen. Er weigerte sich also hartnäckig, einem Ansinnen zu gehorchen, das er für eine Frauenlaune hielt, wobei er jedoch seiner Passagierin, die ihm von dem Cardinal besonders empfohlen war, versprach, daß er sie, wenn es das Meer und die Franzosen erlauben, in einem der Häfen der Bretagne, entweder in Lorient oder in Brest, an das Ufersetzen wolle. Aber das Meer war schlimm und der Wind conträr; man mußte laviren und verlor viel Zeit. Erst neun Tage nachdem man aus der Charente ausgelaufen war, sah Mylady, ganz bleich vor Aerger und Zorn, das bläuliche Gestade von Finisterre.

Sie berechnete, daß es wenigstens drei Tage bedürfe, um diese Ecke von Frankreich zu umschiffen und wieder in die Nähe des Cardinals zu gelangen. Hierzu einen Tag für das Ausschiffen gerechnet, machte vier Tage. Fügte sie zu diesen vier Tagen die neun anderen, so kamen dreizehn verlorene Tage heraus, dreizehn Tage, während welcher so viele wichtige Ereignisse in London vorfallen konnten. Sie bedachte, daß der Cardinal ohne Zweifel über ihre Rückkehr wüthend sein würde und folglich viel mehr geneigt wäre, den Klagen Gehör zu schenken, die man gegen sie führen, als den Anschuldigungen, welche sie gegen Andere vorbringen würde. Sie ließ also Lorient und Brest vorübergehen, ohne daß sie bei dem Kapitän auf ihrem Willen beharrte, und dieser hütete sich seinerseits wohl, sie darin zu bestärken. Mylady setzte also ihre Reise fort, und an demselben Tage, wo sich Planchet in Portsmouth nach Frankreich einschiffte, lief die Botin Seiner Eminenz triumphirend in dem Hafen ein.

Die ganze Stadt war in einer außerordentlichen Bewegung. Vier große, in den letzten Tagen erst fertig gewordene Schiffe hatte man vom Stapel laufen lassen. Buckingham stand, mit Gold verbrämt, seiner Gewohnheit gemäß von Diamanten und Edelsteinen funkelnd, den Hut mit einer Feder geschmückt, welche auf seine Schultern herabfiel, von seinem glänzenden Generalstab umgeben, auf dem Hafendamme.

Es war einer von den schönen, seltenen Sommertagen, wo England sich erinnert, daß es eine Sonne gibt. Das bleiche, aber immer noch schimmernde Gestirn ging am Horizont unter, übergoß den Himmel und die See mit Feuerstreifen und warf auf die Thürme und alten Gebäude der Stadt einen letzten goldenen Strahl, der die Scheiben wie der Reflex eines Brandes funkeln machte. Als Mylady diese, in der Nähe des Landes lebhaftere balsamischere Seeluft einathmete, und die ganze Macht dieser Vorbereitungen, welche sie zu zerstören beauftragt war, die ganze Kraft dieses Heeres betrachtete, das sie allein bekämpfen sollte, sie allein mit einigen Säcken Goldes, da verglich sie sich im Geiste mit Judith, der furchtbaren Jüdin, als sie in das Lager der Assyrer drang und die ungeheure Masse von Wagen, Pferden, Menschen und Waffen erblickte, welche eine Bewegung ihrer Hand wie eine Rauchwolke zerstreuen sollte.

Man lief in die Rhede ein; aber als man sich anschickte, daselbst Anker zu werfen, näherte sich ein kleiner, furchtbar bemannter Kutter dem Handelsschiffe und ließ ein Boot in das Meer setzen, das sich sogleich nach der Leiter wandte. Der Offizier allein stieg an Bord, wo er mit der Achtung aufgenommen wurde, welche die Uniform einflößt.

Der Offizier unterhielt sich einige Augenblicke mit dem Patron, ließ ihn einige Papiere lesen, die er bei sich trug, und alle aus dem Schiff befindliche Personen, Matrosen und Passagiere wurden aus das Verdeck gerufen. Als dieser Aufruf geschehen war, fragte der Offizier ganz laut nach dem Auslaufpunkte der Brigg, nach ihrer Route, nach ihren Landungen, und alle diese Fragen wurden von dem Kapitän ohne Zögern und ohne Schwierigkeit beantwortet. Dann ließ der Offizier alle Personen, eine nach der andern, Revue passiren, und als die Reihe an Mylady kam, betrachtete er sie äußerst aufmerksam, aber ohne ein einziges Wort an sie zu richten.«

Dann kehrte er zu dem Kapitän zurück, sagte ihm noch einige Worte und empfahl, als ob das Schiff ihm jetzt zu gehorchen hatte, ein Manöver, das die Mannschaft sogleich ausführte.

 

Während der Offizier Mylady prüfend anschaute, hatte ihn Mylady ihrerseits, wie sich leicht denken läßt, mit dem Blicke verschlungen. Aber wie sehr auch diese Frau mit den Flammenaugen daran gewöhnt war, in dem Herzen derjenigen zu lesen, deren Geheimnisse zu errathen sie für nothwendig erachtete, so fand sie doch diesmal ein Gesicht von solcher Unbeweglichkeit, daß ihre Forschung keine Entdeckung zur Folge hatte. Der Offizier, welcher vor ihr stehen geblieben war und stillschweigend ihr Aeußeres so sorgfältig studirte, mochte etwa fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahre alt sein, und hatte ein weißes Gesicht und blaue, etwas tief liegende Augen. Sein feiner, wohlgezeichneter Mund blieb unbeweglich in seinen untadelhaften Linien, sein kräftiges Kinn deutete jene Willenskraft an, welche in dem gewöhnlichen brittischen Typus nichts Anderes als Halsstarrigkeit ist; eine etwas zurückliegende Stirne, wie sie den Dichtern den Enthusiasten und den Soldaten geziemt, war kaum von einem kurzen Haare beschattet, das sich wie der Bart, welcher den unteren Theil seines Gesichtes bedeckte, durch eine schöne dunkel kastanienbraune Farbe auszeichnete.

Als man in den Hafen einlief, war es bereits Nacht. Der Nebel vermehrte noch die Dunkelheit und bildete um die Leuchten und Laternen des Hafendammes einen Kreis, demjenigen ähnlich, welcher den Mond umgibt, wenn das Wetter regnerisch zu werden droht. Die Luft, welche man einathmete, war trübe, feucht und kalt.

Mylady schauderte trotz all ihrer Stärke.

Der Offizier ließ sich die einzelnen Stücke von Mylady nennen, ihr Gepäck sodann in das Boot bringen, und ersuchte sie, nachdem dieses Geschäft abgemacht war, selbst hinabzusteigen, wobei er seine Hand bot. Mylady schaute diesen Mann an und zögerte.

»Wer seid Ihr, mein Herr,« fragte sie, »der Ihr die Güte habt, Euch so ganz besonders mit mir zu beschäftigen?«

»Ihr müßt es wohl an meiner Uniform sehen, Madame. Ich bin Offizier der englischen Marine,« antwortete der junge Mann.

»Aber sagt mir, ist es Gewohnheit, daß sich die englischen Marineoffiziere ihren Landsleuten zu Befehl stellen, wenn sie in einem Hafen Großbritanniens ankommen, und ihre Höflichkeit sogar soweit treiben, daß sie dieselben bis ans Land führen?«

»Ja, Mylady, es ist Gewohnheit, aber nicht aus Galanterie, sondern aus Klugheit, daß die Fremden in Kriegszeiten in ein bestimmtes Gasthaus geführt werden, damit sie, bis man vollständige Auskunft über sie erhalten hat, von der Regierung überwacht werden können.«

Diese Worte wurden mit der größten Artigkeit und der vollkommensten Ruhe ausgesprochen, aber sie waren nicht im Stande, Mylady zu überzeugen.

»Ich bin keine Fremde, mein Herr,« sagte sie mit dem reinsten Accente, der je zwischen Portsmouth und Manchester erklang. »Ich heiße Lady Winter, und diese Maßregel . . .«

»Diese Maßregel ist allgemein, Mylady, und Ihr würdet es vergeblich versuchen. Euch derselben zu entziehen.«

»Ich folge Euch also, mein Herr.«

Und die Hand des Offiziers ergreifend, fing sie, an die Treppe hinabzusteigen, unter der das Boot wartete. Der Offizier folgte ihr; ein großer Mantel war auf dem Hintertheil ausgebreitet; der Offizier ließ sie auf den Mantel sitzen und setzte sich neben sie.

»Fahrt zu,« sprach er zu den Matrosen.

Die acht Ruder fielen geräuschvoll in das Meer, ließen nur einen gleichzeitigen Schlag hören, und das Boot schien aus der Oberfläche des Wassers hinzufliegen.

Nach fünf Minuten hatte man das Land erreicht. Der Offizier sprang auf das Quai und bot Mylady seine Hand.

Es wartete ein Wagen.

»Ist dieser Wagen für uns?« fragte Mylady.

»Ja, Madame,« antwortete der Offizier.

»Das Gasthaus ist also sehr entfernt?«

»Am andern Ende der Stadt.«

»Vorwärts!« rief Mylady und stieg entschlossen in den Wagen.

Der Officier wachte darüber, daß das Gepäcke gut hinter dem Kasten befestigt wurde, nahm, als dies geschehen war, seinen Platz neben Mylady und schloß den Kutschenschlag.

Sogleich, ohne daß ein Befehl gegeben war und ohne daß man ihm die Bestimmung anzugeben hatte, setzte der Kutscher seine Pferde in Galopp und fuhr in die Straßen der Stadt.

Eine so seltsame Aufnahme mußte Mylady reichlichen Stoff zum Nachdenken bieten. Als sie sah, daß der junge Officier keineswegs geneigt schien, ein Gespräch anzuknüpfen, lehnte sie sich in eine Ecke des Wagens und ließ alle Vermuthungen, welche in ihrem Geist auftauchten, eine nach der andern Revue passiren.

Erstaunt über die Länge des Weges, neigte sie sich jedoch nach Verlauf einer Viertelstunde aus dem Kutschenschlage heraus, um zu sehen, wohin man sie führe. Man erblickte keine Häuser mehr; Bäume erschienen in der Finsterniß, wie große, schwarze, einander nachlaufende Gespenster.

Mylady bebte.

»Aber wir sind nicht mehr in der Stadt, mein Herr,« sagte sie.

Der Officier beobachtete dasselbe Stillschweigen.

»Ich gehe nicht weiter, wenn Ihr mir nicht sagt, wohin Ihr mich führt, das erkläre ich Euch, mein Herr.«

Diese Drohung erhielt keine Antwort.

»Ah, das ist zu stark!« rief Mylady. »Zu Hilfe! zu Hilfe!«

Keine Stimme antwortete der ihrigen. Der Wagen rollte mit derselben Geschwindigkeit fort. Der Officier schien eine Bildsäule.

Mylady schaute den Officier mit dem ihr eigenthümlichen furchtbaren Ausdruck, der nur selten seine Wirkung verfehlte. Der Zorn machte ihre Augen in der Finsterniß funkeln.

Der junge Mann blieb unbeweglich.

Mylady wollte den Kutschenschlag öffnen und hinausspringen.

»Nehmt Euch in Acht, Madame,« sagte der junge Mann kalt. »Ihr tötet Euch, wenn Ihr springt.«

Mylady setzte sich schäumend wieder zurück. Der Officier neigte sich vor, schaute sie ebenfalls an und schien erstaunt, als er dieses kurz zuvor noch so schöne Gesicht durch die Wuth ganz verstört und beinahe häßlich geworden sah. Die schlaue Person begriff, daß sie sich ins Verderben stürzte, wenn sie so in ihre Seele blicken ließ. Sie suchte ihre Züge wieder aufzuheitern und sprach mit seufzender Stimme:

»In des Himmels Namen, mein Herr, sagt mir, ob ich Euch, Eurer Regierung oder einem Feinde die Gewalt zuzuschreiben habe, die man mir anthut?«

»Man thut Euch keine Gewalt an, Madame, und was Euch widerfährt, ist die Folge einer ganz einfachen Maßregel, die wir bei Allen zu nehmen genöthigt sind, welche in England landen.«

»Also kennt Ihr mich nicht?«

»Es ist das erste Mal, daß ich die Ehre habe, Euch zu sehen.«

»Und auf Euer Wort, Ihr habt keinen Grund des Hasses gegen mich?«

»Keinen, ich schwöre Euch.«

Es lag so viel Offenheit, Kaltblütigkeit und sogar Sanftmuth in der Stimme des jungen Mannes, daß Mylady beruhigt wurde.

Nachdem man ungefähr eine Stunde gefahren war, hielt der Wagen vor einem eisernen Gitter stille, das einen Hohlweg verschloß, welcher nach einem massiven Schlosse von ernstem Aussehen führte. Als nun die Räder auf einem zarten Sande hinliefen, hörte Mylady ein dumpfes Geräusch, das sie als ein Brausen der See erkannte, welche sich an einem abschüssigen Gestade brach.

Der Wagen lief unter zwei Gewölben hin und hielt endlich in einem düstern viereckigen Hofe. Beinahe in demselben Augenblicke öffnete sich der Kutschenschlag, der junge Mann sprang leicht heraus und bot Mylady seine Hand. Sie stützte sich darauf und stieg mit ziemlich viel Ruhe aus.

»Es wird mir immer klarer,« sprach Mylady, indem sie um sich schaute und ihre Augen dann mit dem anmuthigsten Lächeln der Welt auf den jungen Officier richtete, es wird mir immer klarer, daß ich eine Gefangene bin. Aber ich werde es nicht lange bleiben, das weiß ich gewiß,« fügte sie bei. »Mein Gewissen und Eure Artigkeit, mein Herr, bürgen mir hierfür.«

So schmeichelhaft auch dieses Kompliment war, so antwortete doch der Officier nicht, sondern zog aus seinem Gürtel eine kleine silberne Pfeife hervor, derjenigen ähnlich, welcher sich die Hochbootsleute auf Kriegsschiffen bedienen, und pfiff dreimal auf drei verschiedene Modulationen; sogleich erschienen mehrere Männer, spannten die Pferde aus und führten den Wagen unter eine Remise.