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Das Brautkleid

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XIX.
Der Entschluß

Statt der ihnen nun mangelnden Zukunft musste eine andere geschaffen werden, man erschöpfte nach und nach alle Kombinationen, welche die Einbildungskraft der beiden jungen Leute und der Marquise zu Tag fördern konnten, und nachdem man Alles erörtert, Alles durchgegangen, Alles für unmöglich gefunden hatte, kam man auf die erste Idee zurück, welche sich ihrem Geiste dar« geboten, und die man im Anfange verworfen hatte, weil es vielleicht die einzige vernünftige war; man kam darauf zurück, die von dem Onkel in Guadeloupe gesetzten Bedingungen einzugehen und Heinrich entschloss sich, Kaufmann zu werden.

Es gibt in dieser Welt zweierlei Arten von Handel, den gewöhnlichen und erbärmlichen Handel des Krämers, welcher unter dem Schatten seines Schildes den Käufer erwartet, an welchem er bei einem Handel von einer Stunde einen Thaler gewinnen wird; und den poetischen und großartigen Seehandel, welcher einen Weltteil mit dem andern durch seine Schiffe verbindet, der, statt mit dem Käufer spitzfindig zu handeln, mit der Kraft des Ozeans handelt, indem jede neue Reise ein neues Gefecht ist, welches er mit dem Himmel und mit dem Meere besteht, und der in dem Hafen gleich einem Triumphator einläuft und, wie ein König sein Zelt, sein Schiff mit seiner Flagge schmückt. Dieser Handel, der der Bewohner von Tyrus in alter Zeit, der Pisaner, der Genuesen und Venezianer im Mittelalter und der aller großen Nationen des neunzehnten Jahrhunderts; dieser Handel ist vereinbar mit dem Adel; denn der Gewinn ist immer durch eine Wahl zwischen Leben und Tod bedingt, und jede Unternehmung, die eine große Gefahr mit sich bringt, erhebt den Menschen, statt ihn zu erniedrigen.

Aber was Heinrich sagte, um sich in seinem Entschluss zu ermutigen, das hatte die arme Cäcilie auch gesagt, aber sie hatte gezittert, indem sie sich es sagte. Die Gründe, welche zuerst veranlasst hatten, die Idee einer Reise nach den Antillen, auf welche man nun bei dem Mangel besserer Hilfsquellen zurückkehren mußte, als eine unglückliche zu verwerfen, waren diese: Heinrich, indem er eine kleine Beilast mit sich nahm, war, so mittelmäßig diese auch sein mochte, bei seiner Ankunft im Guadeloupe sicher, von seinem Onkel mit offenen Armen empfangen zu werden. Da dieser Onkel ein Millionär war, so war das geringste, was er für seinen Neffen tun konnte, ihm 150.000 bis bis 200.000 Franks anzubieten. Nachdem diese Wohltat angenommen worden, unternahm entweder Heinrich eine neue Reise, oder begnügte sich mit dieser vergoldeten Mittelmäßigkeit, heiratete Cäcilie und zog sich mit ihr und der Marquise in irgend einen kleinen Winkel der Welt zurück, wo er weiter nichts zu tun, als sich die Mühe zu nehmen hatte, glücklich zu sein, und die Ereignisse abzuwarten, welche vielleicht durch einen Wechsel in der höheren Region der Politik ihm erlauben würden, sich eine Zukunft voll Glanz und voll Ruhm zu erwerben.

Wenn aber diese Ereignisse nicht eintreten sollten, so fühlte Heinrich, indem er Cäcilie betrachtete und sein Herz prüfte, daß er genug Liebe empfinde, um ein ruhiger Leben im Verborgenen zu führen.

Nachdem dieser Entschluss einmal gesagt worden war, wurde festgesetzt, daß die Abreise im Monat November stattfinden solle. Drei Monate behielten sich also die jungen Leute bevor, ehe sie sich trennten, und im Alter Cäciliens und Heinrichs sind drei Monate gleich drei Jahrhunderten. Beide hatten bei diesem Entschluss viel gelitten, aber die vorgesetzte Frist hatte sie getröstet, wie wenn diese Frist niemals ablaufen würde, wie wenn diese drei Monate ein Menschenalter seien.

Indessen kam die Zeit der Abreise, welche im Anfange, während des ersten Monats, langsam heranrückte, entsetzlich schnell nach, seit man den zweiten Monat zurückgelegt hatte, und als man im dritten anlangte, schien sie Flügel zu haben.

Je mehr die jungen Leute den Moment ihrer Trennung nahen sahen, desto mehr verfielen sie in ihre frühere Traurigkeit; ihre ganze Zukunft, welche sie glänzend und gesichert gesehen hatten, wurde wieder wogend und düster wie die Stürme, von welchen sie abhing. Von Zeit zu Zeit schlich sich wohl in Mitte ihrer Seufzer und ihrer Tränen irgend ein freudiges Hoffen für die Zurückkunft; aber dies geschah fast nur schüchtern und wie wenn sie fürchteten, Gott möge sie wegen ihrer zu großen Zuversicht bestrafen.

Was die Marquise betraf, so verließ diese ihr sorgloser Sinn nie. Ihr Leben, geteilt zwischen ihrem Bette, ihrer Toilette und ihrer Lektüre, ging ebenso ruhig hin, wie wenn es auf den sichersten Grundfesten beruhte. Die Liebe der beiden jungen Leute ging an ihr so keusch und so rein vorüber, allein in Folge ihrer eignen Keuschheit, nicht der großmütterlichen Aufsicht. Glücklicher Weise liebte Heinrich Cäcilien, so sehr und glücklicherweise waren beide zu sehr von der Unwandelbarkeit ihrer Gesinnungen, und von ihrem festen Willen überzeugt, als daß sie eine andere Wiche als die ihres Schutzengels notwendig gehabt hätten.

Die letzten Tage des dritten Monats nahten.

Heinrich wollte sich in Plymouth einschiffen; er hatte in Paris das wenige Geld ausgegeben, über welches er verfügen konnte und nur in England hoffte er mit Hilfe seiner Familie und seiner Freunde die Summe zu bekommen, die er notwendig hatte, um seine kleine Beilast anzukaufen.

Für einsichtsvolle Geister und erhabene Seelen gibt es nichts Traurigeres auf der Welt, als das Gelingen ihrer Unternehmungen von etwas mehr oder weniger Glück abhängen zu sehen. Der zehnte Teil des Einkommens, dessen sich sonst die Familien der beiden Kinder erfreuten, würde heute hingereicht haben, sie beide vollkommen glücklich zu machen. Jeden Augenblick, wenn sie nur die Augen auf die Straße hefteten, sahen Sie irgend einen Dummkopf oder einen Ränke süchtigen, auf den Kissen eines kostbaren Wagens weichlich ausgestreckt, und sie sagten sich, daß sie, Leute von ausgezeichnetem Geiste, von überlegenen Kenntnissen und von bevorrechteter Abstammung glücklich sein würden, eine Revenue zu besitzen, welche dem gleich komme, was die Unterhaltung dieses Wagens koste, der Seine Nichtigkeit oder Ungezogenheit spazieren fuhr.

Diese erbärmliche Summe, welche sie nicht besaßen, die ihnen aus den Händen gefallen war, ohne daß sie daran gedacht hatten, sie zu bedauern, bedingte ihre ganze Zukunft. Um diese Summe zu erlangen, wollten sich jetzt die armen, liebenden und zerrissenen Herzen auf sechs Monate trennen, vielleicht für ein Jahr, sie, die seit vier Monaten nicht begriffen, daß sie nur einen Tag ohne einander leben könnten.

Da indessen, wie sie bemerkten, seit dem Ereignisse, welches alle ihre Entwürfe vernichtet hatte, die, Sachen ihren Gang wie vorher gingen, da sie sahen daß diesen Glücksmännern, welche die Welt an dem Gängelband ihres mächtigen Willens zu führen schienen, Alles gelinge, als sie dachten, daß mit Ausnahme einiger treuen und religiösen Herzen, wie der ihrigen, alle Herzen die Erinnerung an das königliche Opfer verloren zu haben schienen, welchem sie, wie einem Leichen-Brandopfer ihr Glück geopfert hatten, da fragten sie sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie die Augen geschlossen und das Haupt gesenkt Hätten, wie die ganze übrige Welt tat. Dann aber rief die Stimme ihres Gewissens viel lauter, als die Stimme ihrer Selbstsucht, und schwach gemacht durch ihr Unglück, wurden sie wieder durch die Gewissheit stark, eine Pflicht erfüllt zu haben.

Dennoch fragten sie sich von Zeit zu Zeit, ob der Weg, den sie eingeschlagen, der einzige sei, der ihnen offen stand, und ob ihnen nicht vermöge der Erziehung, welche sie erhalten hatten, die Hilfsquellen der Kunst offen gestanden sein würden; allein keine dieser beiden Erziehungen war in dieser Hinsicht auf einen solchen Grad gesteigert worden, daß man eine Hilfsquelle hieraus hätte machen können, und dann wollte Heinrich sich wohl Allem unterziehen, aber seine Weilte sollte für ihre Person geschützt gegen alle widerwärtigen Ereignisse sein.

Es gibt Augenblicke im menschlichen Leben, wo man sich von dem Verhängnisse, wie, von einem eisernen Netze umfangen sieht. Man sucht vergebens nach einem Auswege, man muß sich auf den verlassen, der sich uns öffnet und der uns ebensowohl zum Verderben, als zum Heile führen kann.

Die armen Kinder kamen daher immer wieder auf diese unglückliche Reise nach Guadeloupe zurück, sie versuchten ohne Unterlass sie hinauszuschieben, sie glichen dem Sisyphus mit seinen Felsen; die Reise fiel ohne Unterlass auf ihr Haupt stets wieder zurück.

Der Tag, welchen Heinrich zu seiner Abreist! festgesetzt hatte, nahte. Allein da ihn nichts dazu zwang als sein Wille, an diesem Tage abzureisen, und obgleich er schon am Morgen zu Cäcilien gekommen war und den ganzen Tag bei ihr zugebracht hatte, so standen jetzt die beiden jungen Leute am Abende dieses Tages, ohne daß ein einziges Wort über diese grausame Trennung über ihre Lippen gekommen wäre.

Endlich, in dem Augenblicke des Scheidens, betrachteten sie sich beide, indem sie traurig lächelten; beide erkannten ihre gegenseitigen Gefühle durch das Gefühl, welches jedes in sich selbst empfand.

»Wann werden Sie abreisen, Heinrich?«fragte Cäcilie.

»Niemals,« antwortete Heinrich. »Niemals, ich fühle es, wenn mich nicht eine stärkere Macht als die meines Willens dazu zwingt.«

»Sie werden also immer bleiben; denn wenn Sie voraussetzen, daß ich dieser stärkere Wille sei, so werde ich nie den Mut haben, Sie aufzufordern, mich zu verlassen.«

»Was soll ich denn tun?«fragte Heinrich.

Cäcilie ergriff seine Hand und führte ihn vor das kleine Kruzifix, welches sie aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter mitgenommen und mit hierher gebracht hatte. Heinrich begriff ihre Absicht.

»Ich schwöre,« sagte er, »bei der, die da starb, indem sie die Augen auf dieses Kreuz heftete; ich schwöre, in acht Tagen von heute an abzureisen, und während meiner ganzen Reise keinen andern Gedanken zu haben, als den, sobald als möglich zurückzukehren, um das Glück des Kindes derselben zu begründen.«

 

»Und ich,« sagte Cäcilie,« ich schwöre, Heinrich zu erwarten, ohne eine andere Hoffnung, als die seiner Zurückkunft, und wenn er nicht zurückkommen sollte. . .«

Heinrich legte seine Hand auf Cäciliens Mund und hielt den Schluss ihrer Rede zurück; dann begleiteten beide diesen Schwur im Angesicht des Kruzifixes mit einem reinen und keuschen Kusse, wie ihn Bruder und Schwester wechseln.

Am folgenden Tage traten Heinrich und Cäcilie in das Zimmer der Marquise; die jungen Leute verbargen sich nichts mehr über den Stand ihres Vermögens. Heinrich hatte zu wissen verlangt, was Cäcilien bleiben werde, damit die beiden Frauen, während seiner Abwesenheit die erforderlichen Anordnungen treffen könnten. Die Marquise, welche es verabscheute, sich mit Geschäften zu befassen, suchte sogleich die Frage Heinrichs und Cäciliens zu beseitigen; allein da beide sehr hartnäckig darauf bestanden, so ergriff sie ein Mittel, um sich aus dieser unangenehmen Lage zu ziehen, und dieses Mittel bestand darin, daß sie Cäcilien den Schlüssel zu dem Sekretär zustellte und ihr den Auftrag erteilte, selbst zu zählen.

In dem Sekretär lagen 8500 Francs, das war Alles, was von dem Vermögen der Marquise und der Baroness geblieben war.

Wenn man die Sachen etwas ökonomisch einrichtet, so konnte man ein und ein halb Jahr beiläufig davon leben, und Heinrichs Reise sollte ja nicht länger als sechs Monate währen. In dieser Hinsicht konnten also die jungen Leute ruhig sein.

Indessen erteilte Heinrich einen Rat, welchen sowohl die Klugheit, als feine Liebe vorschrieb, er riet Cäcilien und der Marquise statt in dem Gasthause zu bleiben, in welchem sie abgestiegen waren, ein kleines eingerichtetes Quartier zu mieten, welches sie viel weniger kosten würde. Indem er diese Maßregel, zu welcher es doch eines Tages kommen müsste, ausführte, so lange er in Paris war, lernte Heinrich doch wenigstens das Zimmer kennen, welches Cäcilie bewohnen würde, und er konnte während seiner langen Abwesenheit mit den Augen der Erinnerung ihr in dieses Zimmer zu jeder Stunde des Tags und der Nacht folgen. Dies war wohl ein minder wichtiger Grund, der in den Augen der Marquise geltend gemacht werden konnte, welche von einer solchen Zärtlichkeit des Herzens nichts wusste; man stützte sich hauptsächlich auf die durch die Ökonomie gebotene Notwendigkeit, und sie leistete endlich Folge.

Vom Morgen des folgenden Tages an war Heinrich in Bewegung, und er fand endlich ein passendes Quartier in der Rue du Coq-Saint-Honoré, 5.

Der Tag wurde zu dem Umzug verwendet. Man brachte die Rechnungen des Gasthofes in Ordnung, welchem man ein wenig mehr als 500 Franken schuldete, und so fand sich also Cäciliens Kapital auf etwas weniger als 8000 Franken beschränkt.

So sah also Heinrich Cäcilien in ihrem neuen Zimmer eingeführt; er stellte mit ihr jedes Möbel an den Platz, an welchem es bleiben sollte, er befestigte das Kruzifix in dem Alkoven, er legte die Albums auf die Tische und war überzeugt, daß Alles so bleiben würde.

Alle diese Unternehmungen schienen der Marquise sehr überflüssig; allein für die jungen Leute waren sie von der größten Wichtigkeit.

Die Tage enteilten. Oft hatte Heinrich Cäcilien gefragt, was ihre Lieblingsbeschäftigung während seiner Abwesenheit sein werde, und Cäcilie hatte ihm lächelnd geantwortet:

»Ich werde mein Hochzeitkleid sticken.«

Am Abende vor seiner Abreise brachte Heinrich Cäcilien ein Stück prachtvollen Musselins. Das war das Hochzeitkleid.

Sie begann die erste Blume in seiner Gegenwart. Die letzte sollte sie bei seiner Zurückkunft sticken.

Die jungen Leute trennten sich nicht vor Morgens drei Uhr. Es war die letzte Nacht, die sie mit einander verleben sollten, und sie konnten es nicht über sich gewinnen, sich zu trennen.

Um acht Uhr waren sie wieder vereinigt.

Dieser Tag hatte für Beide etwas Feierliches. Nachdem er den Eid geleistet, hatte Heinrich auch nicht einen Augenblick den Gedanken gehegt, länger zu bleiben. Er hatte daher seinen Platz auf der Malle-Post von Boulogne genommen, um fünf Uhr Abends musste er abreisen.

Wir wollen keinen Versuch machen, die Einzelheiten dieses letzten Tages zu beschreiben. Obgleich die Geschichte, welche wir. erzählen, mehr die Gefühle als die Ereignisse bezeichnen soll, obgleich wir vor Allem uns vorgenommen haben, einfach und wahr zu sein und obgleich wir dieses Vorhaben, erreicht zu haben glauben, so wollen wir es doch nicht wagen, in die Geheimnisse dieser zwei jungen reinen und von Schmerz zerrissenen Herzen einzudringen. Tränen, Versprechungen, lange und zärtliche Küsse, das ist die Geschichte dieses letzten Tages, des schmerzhaftesten im Leben Cäciliens nach dem, an welchem sie ihre Mutter verloren hatte.

Und unter dem Mein enteilten die Stunden reißend schnell, unaufhaltbar, unbarmherzig; die armen Kinder richteten jeden Augenblick ihre Augen auf die Uhr und von der Uhr auf sich. Sie würden Jahre ihres Lebens für einen Tag, ja, als der Augenblick der Abreise nahte, für eine Stunde gegeben haben.

Endlich bezeichnete die Uhr vier drei Viertel, endlich, noch zehn Minuten auf fünf Uhr. Sie gingen hin, um noch einmal vor dem Kruzifix niederzuknien. Als sie sich erhoben, hatten sie nicht mehr Zeit, als nur sich das letzte mal zu küssen.

Heinrich eilte aus dem Zimmer, allein jetzt stieg Cäcilie einen solchen Schmerzruf aus, daß er zurückkehrte. Ein letztes Wort, ein letzter Schwur, eine letzte Träne, ein letzter Kuss wurde gewechselt, bis sich Heinrich aus ihren Armen riss und enteilte.

Cäcilie beugte sich über das Treppengeländer hinab und folgte ihm mit den Augen; dann lies sie an ihr Fenster um ihn in sein Cabriolet steigen zu sehen; Heinrich erblickte sie am Fenster und grüßte zu ihr herauf, indem er seinen Hut schwenkte.

Das Cabriolet fuhr auf der Seite nach der Straße Saint-Honoré ab. Eine Masse von Fuhrwerken hielt es eine Sekunde auf; Heinrich stellte sich auf den Sitz und gab mit seinem Sacktuche Cäcilien ein Zeichen.

Er sah, denn es war Nacht, am Fenster einen Schatten, ein Sacktuch, welches ihm antwortete.

Das Cabriolet konnte endlich seinen Weg fortsetzen, aber Heinrich beugte sich so lange aus demselben heraus, und grüßte so lange bis es um die Ecke der Straße herum war. Dann warf er sich auf den Sitz und schluchzte.

Er war von Cäcilien schon so weit getrennt, als wenn der ganze atlantische Ozean zwischen ihnen läge.

XX.
Der Briefwechsel

Als Cäcilie das Cabriolet, welches Heinrich fort, führte, an der Straßenecke verschwinden sah, war sie fast ohnmächtig auf einen Stuhl zurückgesunken.

Zehn Minuten später klopfte es an ihre Türe, es war ein Kommissionär, welcher ein Billett brachte. Cäcilie warf einen Blick auf die Adresse und erkannte Heinrichs Schriftzüge. Sie stieß einen Freudenschrei aus, legte in die Hand des Auvergnaten alle Münze, welche sie in ihrer Börse hatte, und eilte in ihr Zimmer, zitternd vor unerwartetem Glücke.

Ja, Glück; denn wenn man mit dieser ersten Liebe liebt, die in das Innerste der Seele ihre Flammenwurzeln treibt, die keine andere Liebe herausreißen kann, dann ist Alles Glück, oder Verzweiflung.

Das junge Mädchen öffnete also zitternd das Billett und las, halb lächelnd, halb weinend, folgende Zeilen:

»Geliebte Cäcilie!

»Ich komme in dem Hofe der Post in dem Augenblicke an, in welchem der Wagen abfahren will. Indessen reiße ich ein Blatt aus meiner Brieftasche und schreibe Ihnen, den einen Fuß auf den Tritt des Wagens gesetzt, diese wenigen Worte.

»Ich liebe Sie, Cäcilie, wie noch nie das Herz eines Sterblichen geliebt bat. Sie sind mir Alles, mein Weib hienieden, mein Engel im Himmel, mein Entzücken und mein Glück überall. Ich liebe Sie! Ja, ich liebe Sie!

»Der Wagen fährt ab, noch ein Lebewohl!«

Dies war der erste Brief, welchen Cäcilie von Heinrich empfing; sie las ihn, sie las ihn zehnmal wieder, in einem fort, und dann sank sie, wie um Gott zu danken, so geliebt zu werden, vor dem Kruzifix auf ihre Knie nieder und betete.

Noch an demselben Abende begann Cäcilie die Zeichnung zu ihrem Kleide. Es kam ihr vor, daß je mehr sie ihre Arbeit beeile, desto schneller die Rückkehr Heinrichs erfolgen würde. Es war eine Zusammensetzung der schönsten Blumen, welche sie in ihrem Album aufbewahrt hatte; es waren ihre Freundinnen, ihre Gefährtinnen, welche sie ihrem zukünftigen Glücke weihte.

Von Zeit zu Zeit unterbrach sich Cäcilie, um den Brief noch einmal zu lesen.

Noch in derselben Nacht wurde die Zeichnung vollendet. Dann legte sich Cäcilie schlafen, Heinricks Billett in der Hand, die Hand auf ihrem Herzen.

Als sie erwachte, bedurfte sie einiger Zeit, um ihre Gedanken zu sammeln; sie glaubte, geträumt zu haben, daß Heinrich abgereist sei; endlich tagte die Wirklichkeit in ihrem Geiste auf, und sie wurde, wie am Abend, zu ihrem Billett, ihrem einzigen Trost, zurückgeführt. Der Tag ging traurig und langsam vorüber. Es war das erste mal seit fünf Monaten, daß Cäcilie einen Tag verlebte, ohne Heinrich zu sehen. Eine Karte Frankreichs in der Hand, folgte sie ihm auf seinem Wege und suchte zu erraten, wo er in dem Augenblicke sei, in welchem sie an ihn dachte.

Die Marquise war noch genau dieselbe, das heißt, sie war sorglos und egoistisch. Da sich Heinrich vielmehr mit Cäcilien als mit ihr beschäftigte, so vermißte sie ihn nicht; indessen ließ sie doch Heinrich Gerechtigkeit widerfahren und liebte ihn so sehr, als sie einen fremden Menschen zu lieben vermöchte.

Daher hatte die arme Cäcilie auch nicht einen Menschen auf der Welt, der ihr einen Teil der Last ihres Herzens hätte tragen helfen; nicht einen Mund, der ihr auf die Worte ihres Schmerzes durch ein Wort des Trosts geantwortet hätte; nicht ein Herz, in welches sie das ihrige hätte ergießen können. Sie verschloss daher, wie gewöhnlich, Alles in sich, und wenn sie zu sehr litt, dann dachte sie an ihre Mutter und vergoss Tränen, oder sie dachte an Gott und betete.

Am folgenden Tage um neun morgens klopfte der Briefträger an die Türe; er brachte einen zweiten Brief Heinrichs. Cäcilie erkannte die Schrift und nahm den Brief mit einer solchen Begierde aus den Händen des braven Mannes, daß dieser über die Eile des Mädchens lächelte. Der Inhalt dieses Briefs war folgender:

»Man hält einen Augenblick an, und ich schreibe Ihnen:

»Ich bin in Abbeville, in demselben Zimmer, in welchem wir zusammen gefrühstückt haben, als wir nach Paris gingen. Ich habe mich, teure Cäcilie, an den Platz gesetzt, an welchem Sie saßen, vielleicht auf den nämlichen Stuhl, und während die andern Reisenden, fortwährend essend, sich über ein schlechtes Mittagessen beklagen, schreibe ich an Sie.

»Seitdem ich Sie verlassen, habe ich nicht einen Augenblick aufgehört, an Sie zu denken. Da ich auf derselben Straße reise, auf welcher ich mit Ihnen gereist bin, so ist Alles voll Erinnerungen für mich. Ich erkenne jede Station wieder, an welcher der Wagen anhielt, wo ich zu Ihnen hintrat, um mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen. Ach, ich habe Niemand bei mir, der mich interessiert; ich habe zwei Reisegefährten, die ich noch nicht einmal recht betrachtet, mit denen ich noch kein einziges Wort gewechselt habe.

»Auf dem ganzen Wege habe ich nur mit Ihnen geplaudert, Cäcilie; Sie haben eine Stimme in meinem Herzen, zu dieser spreche ich, und sie antwortet mir; es scheint mir, daß ich ein Echo von Ihnen mit mir fortgenommen habe; habe ich Ihnen nicht etwas Aehnliches zurückgelassen, und lebe ich nicht ein wenig in Ihnen, wie Sie in mir sind?

»Morgen, um neun Uhr früh, werden Sie diesen Brief, haben, so versichert man mich. Cäcilie, um neun Uhr morgens gedenken Sie mein. Schließen Sie die Augen, rufen Sie sich die Küste von Boulogne in's Gedächtnis; ich werde am Fuße der Brandung auf dem Strandsteine sein. Ich werde dieses große und mächtige Meer hören, dessen Brausen einen so tiefen Eindruck auf uns gemacht hat, als wir es zusammen hörten. Ich sage Ihnen nicht, daß ich an Sie denken werde; ich wiederhole es Ihnen, Sie sind in mir, Sie machen einen Teil meines Lebens aus; ich liebe Sie, sowie ich lebe, man könnte sagen, daß jeder Schlag meines Herzens eine Silbe Ihres Namens ausspricht. Adieu, Cäcilie! Nur die Abwesenheit kann einen Maßstab für die Sehnsucht abgeben. Ich werde Ihnen von Boulogne schreiben, wo ich mich nur einige Stunden aufhalten werde; je mehr ich mich beeile, mich von Ihnen zu entfernen, desto mehr beschleunige ich meine Rückkunft.

Ihr

Heinrich.«

Dieser Brief verursachte Cäcilien eine unaussprechliche Freude. Anfangs glaubte sie es nicht; er enthielt jene ewigen Wahrheiten des Herzens, welche das Herz hören und unaufhörlich wiederholen muss. Endlich bewies er Cäcilien, daß Heinrich ohne Unterlaß an sie denke, wie sie unaufhörlich an ihn dachte.

 

Das arme Kind zählte die Stunden des Tages, und die Minuten des folgenden; man hätte glauben können, daß ihr ganzes Leben an diesem Briefe von Boulogne hänge.

Sie begann ihr schönes Kleid zu sticken; aber sie gewahrte mit Schrecken, daß die Stickerei, wie sie sie gezeichnet hatte, wenigstens sieben bis acht Monate erfordere; und da die strengsten Berechnungen, welche die jungen Leute unter sich angestellt hatten, die Rückkehr auf sieben Monate festgesetzt hatten, so befand sich Cäcilie im Rückstande.

Für die Marquise gab es, wie man glauben mußte, weder einen Zeitraum, noch einen Ozean, noch einen Sturm; sie sprach von der Zukunft mit jener Ruhe der Greise, welche auf Jahre hinaus berechnen, während sie selbst nur noch einige Tage haben.

Am folgenden Tage wachte Cäcilie um fünf Uhr Morgens auf, sie richtete ihre scharfen Augen auf die Pendule, sie bebte bei dem mindesten Geräusche; um neun Uhr empfing sie folgenden Brief.

»Ich bin in Boulogne, theure Cäcilie!

»Ich ließ mir das kleine Zimmer geben, welches Sie inne gehabt haben; ich bin also noch bei Ihnen.

»Ich ließ mir Madame d'Ambron rufen und sprach mit ihr von Ihnen.

»Wir sind also noch durch unsichtbare, aber dennoch wirkliche Bande verknüpft, und so oft ich die Plätze wieder sehen werde, an welchen ich Sie sah, so wird es mir scheinen, daß sie nahe bei mir sind, wie meine Gattin. Wenn ich England verlassen haben werde, um nach Amerika zu gehen, wie ich jetzt Frank«reich verlasse, um nach England zu reisen, dann werden Sie wie ein Engel um mich sein.

»Hier sind Sie meinen Augen noch sichtbar; dort werden Sie nur meinem Herzen noch sichtbar sein; aber überall, wo ich sein werde, werde ich den Himmel betrachten, fest überzeugt, daß der Himmel, der Ihr vergangenes Vaterland war, auch Ihr zukünftiges Vaterland sein werde.

»Man kommt und setzt mich davon in Kenntnis, daß ein kleines Fahrzeug nach England abgehen werde, ich habe also gerade noch Zeit, um nach jenem Ufer zu eilen, welches eine dreifache Erinnerung an mein Herz sein wird, an jenes Ufer, welches Sie ohne mich gesehen haben, welches wir gemeinschaftlich sahen, und welches ich ohne Sie wiedergesehen habe.

»Ich verlasse Sie also bloß mit der Hand, teure Cäcilie; bei meiner Zurückkehr werde ich diesen Brief fortsetzen.

»Dieses große und herrliche Ding, das Meer, habe ich mit einem tiefen Gefühle im Herzen gesehen, wie dieses allen früheren Gedanken entspricht, wie es zugleich tröstet und zuversichtlich macht, wie das von der Erde zum Himmel erhebt; wie das die Schwäche des Menschen und die Größe Gottes erkennen lässt. Ich glaube, ich würde ewig an diesem Ufer sitzen geblieben sein, an welchem wir zusammengingen und wo es mir schien, daß ich, wenn ich gehörig suchen würde, Ihre Fußstapfen wieder finden müsste. Mein Herz dehnte sich bei dem Anblicke, den ich vor Augen hatte, aus. Ich liebe Sie mit mehr als mit menschlicher Liebe, ich liebe Sie, wie die Blumen bei der Wiederkehr des Frühlings die Sonne lieben, wie während der schönen Sommernächte das Meer das Firmament liebt, wie zu jeder Zeit die Erde Gott liebt.

»O, in diesem Augenblicke, Cäcilie, und der Herr wird mir verzeihen, wenn ein gottloser Hochmut darin liegt, biete ich den Ereignissen, welche uns trennen, Trotz, wäre es auch der Tod. Wie sich Alles in der Natur vermischt und vermengt, die Düfte mit den Düften, die Wolken mit den Wolken, das Leben mit dem Leben; warum sollte sich nicht auch der Tod mit dem Tode vermischen, und da jede Sache, indem sie sich mischt, sich befruchtet, warum sollte der Tod sich nicht auch mit dem Tode mischen, welches eine von den Bedingungen der Natur ist, ein Hindernis der Ewigkeit, ein Wiederstrahlen des Unendlichen. Warum sollte also der Tod allein steril sein? Gott hätte es nicht getan, wenn es für ihn nur einer Vernichtungsmaschine bedurft hätte, und wenn er, indem er die Körper trennte, die Seelen nicht hätte vereinigen wollen.

»So hat also, Cäcilie, selbst der Tod nicht die Macht, uns zu trennen; denn die Schrift sagt: daß der Herr den Tod besiegt habe.

»Also auf Wiedersehen, Cäcilie, und kein Lebewohl; auf Wiedersehen, vielleicht in dieser Welt, gewiss in der zukünftigen.

»Warum kommen mir heute diese Gedanken? Ich weiß es nicht. Ist es eine Erinnerung? Ist es ein Vorgefühl?

»Auf Wiedersehen; man ruft mich; das Fahrzeug ist bereit. Ich vertraue diesen Brief der Madame d'Ambron, welche ihn selbst auf die Post bringen wird.

Ihr Heinrich.«

Acht Tage waren vergangen, als ein neuer Brief kam. Wir haben dieses Kapitel überschrieben: »Der Briefwechsel,« und unsere Leser werden uns also erlauben, den Titel zu rechtfertigen, indem wir ihnen den vierten Brief vor Augen legen:

»Sie wachen über mich, Cäcilie, Ihr Atem treibt mich, Ihr Stern leuchtet mir. »Hören Sie, und Sie werden sehen, wie uns Alles gelingt; mein Gott, es ist schrecklich, ich wollte lieber einige Schwierigkeiten haben; ich wünschte, einen Feind zu bekämpfen, ein Hindernis zu besiegen haben. Mein Gott, Du wirst von so vieler Güte müde werden, ehe ich noch an das Ziel meines Weges gelangt bin.

»Ich wußte, daß ich bei meiner Ankunft in London weder die Herzogin de Lorges, noch sonst Jemand von meiner Familie treffen würde. In der Tat war Alles verreist, allein da ich nicht auf meine Verwandten zählte, die selbst zu arm sind, um mir zu helfen, so verursachte mir ihre Abwesenheit keinen andern Summer, als den, sie nicht zu sehen. Ich hatte auf einen guten, vortrefflichen Mann gerechnet. Ich darf sagen, auf einen alten Diener, ich darf sagen, aus einen Freund unserer Familie, auf Jemand, den Sie kennen und lieben, Cäcilie, auf den guten Herrn Duval.

»Sie wissen, Cäcilie, daß ich gleich Ihnen kein Vermögen habe. Ich konnte daher nur auf ein Darlehen rechnen, für welches meine Rechtlichkeit bürgte; es gab aber nur einen Menschen, an den ich mich mit dieser Bitte wenden konnte, um von ihm einen solchen Dienst zu erbitten. Dieser Mann war Herr Duval.

»Ich habe übrigens nicht einen Augenblick gezögert, mich an ihn zu wenden, und ich war von Paris mit dieser Absicht abgereist. Ich zweifelte keinen Augenblick an seinem guten Willen, ich kannte ihn.

»Aber, Cäcilie, Sie wissen, oder viel mehr Sie wissen es nicht, aber Sie erraten es, es gibt tausend Wege, um Dienste zu erzeigen, und zwar von dem Dienste an, den man erzwingt, bis zu jenem, den man anbietet.

»Armer Herr Duval; kaum hatte ich ihm gesagt, denn ich verbarg ihm nichts, weder meine Liebe zu Ihnen, Cäcilie, noch unsere Stellung, noch unsere Hoffnungen, welche ganz auf ihm beruhten; kaum hatte ich es ihm gesagt, als sich seine Frau an ihn wendete und rief:

»Nun, habe ich es Dir nicht zwanzigmal wiederholt, daß sie sich lieben?«

»Also, Cäcilie, hatten die guten Leute an uns gedacht, sich mit uns beschäftigt, und wenn wir ihnen auch nicht unsere Gefühle anvertrauten, so war doch unsere Liebe für ihn kein Geheimnis mehr.

»Jetzt kam Herr Duval auf mich mit tränenden Augen zu; ja, Cäcilie, dieser vortreffliche Mann war dem Weinen nahe; dann sagte er mir:«

»Lieben Sie sie treu, Herr Heinrich, lieben Die sie innig; denn es ist ein edles junges Mädchen, und wenn Leute, wie wir, es je gewagt hätten, die Augen bis zu ihr zu erheben, so wäre sie allein die Frau gewesen, die ich für meinen Eduard gewünscht hätte.«

»Dann reichte er mir die Hand, was er noch nie gewagt hatte, seit ich ihn kenne, und die meinige kräftig drückend, fuhr er fort:

»Noch einmal, machen Sie sie glücklich, und nun lassen Sie uns von unsern Geschäften sprechen,« fügte er die Augen trocknend bei.