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Capitän Richard

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V.
Der Tugendbund

Durch dieses Gitterthor gelangte man, wie schon erwähnt, in einen unterirdischen Saal, der ganz schwarz ausgeschlagen und von einer einzigen, an der Decke hängenden Lampe erleuchtet war.

Unter der Lampe waren eine Menge Gewehre, Schwerter und Pistolen aufgethürmt, so daß Jeder im Falle einer Ueberraschung augenblicklich mehre Waffen ergreifen konnte. Die Gewehrläufe und Klingen funkelten drohend in dem trüben Lampenlichte.

Jenseits dieses Waffenhaufens, dem Eingange gegenüber, stand auf einer Erhöhung ein für den Vorsitzenden bestimmter Tisch von schwarzem Marmor, und über dem Präsidentenstuhl glänzte der aus Metall getriebene deutsche Adler.

Sechzehn mit Pulver gefüllte Fässer, die zu beiden Seiten des Tisches im Halbkreise aufgestellt waren, dienten den Affiliirten als Sessel. Diese Pulverfässer deuteten an, daß die Mitglieder des Bandes die Pflicht hatten, sich lieber in die Luft zu sprengen als zu ergeben.

In diesen Saal führte nur eine einzige Thür. Vielleicht waren hinter den erwähnten schwarzen Vorhängen noch andere Thüren, aber sie waren nicht sichtbar und wenn sie wirklich vorhanden, nur den »Wissenden« bekannt.

Eine unsichtbare Uhr schlug halb eins, als sich das Gitterthor hinter dem Spion Schlick schloß. Aus den Gruppen, welche die Affiliirten bildeten, trat ein verlarvter Mann hervor und stieg auf die Erhöhung

»Brüder,« sagte er, »höret mich an.«

Alle schwiegen und wendeten sich zu dem, der das Wort verlangte.

»Brüder,« wiederholte er, »die Nacht rückt vor, die Zeit vergeht . . . Wächter, wie viele Sehende sind hier?«

»Sechzehn, mich inbegriffen,« antwortete der Wächter.

»Dann ist der siebzehnte ein Verräther, gefangen oder todt,« sagte der Sprecher; »denn wer würde in der Versammlung fehlen, welche die Befreiung Deutschlands vom Joch der Franzosen zum Zweck hat!«

»Bruder, antwortete der Wächter, »der Siebzehnte ist weder ein Verräther, noch gefangen oder todt, er steht in der Uniform eines österreichischen Soldaten vor der Thür auf dem Posten.«

»Dann kann die Sitzung eröffnet werden.«

Alle Anwesenden nickten.

»Bruder,« fuhr der Sprecher fort, »wir dürfen nicht vergessen, daß, wie auf dem Congreß jeder Minister einen König vertritt, jeder von uns im Namen eines Volkes hier ist.Wächter, rufe die Namen auf!«

Der Wächter rief folgende Namen: Baden, Nassau, Hessen, Würtemberg, Westphalen, Oesterreich, Italien, Ungarn, Böhmen, Spanien, Tirol, Sachsen, Luxemburg, Hannover, Holstein, Mecklenburg, Baiern.

Bei jedem Namen, mit Ausnahme von Hannover, antwortete einer der Anwesenden: hier! Der Vertreter von Hannover bewachte die Thür.

»Ziehet einen dieser Namen aus der Urne,« fuhr der Sprecher fort, »und der durch diesen Namen Bezeichnete, wird den Vorsitz führen.«

Der Wächter griff in die Urne und nahm ein Hölzchen heraus.

»Hessen,« sagte er.

»Das bin ich,« sagte einer der Affiliirten.

Während der bisherige Sprecher die Stufen herabstieg, ging der eben ernannte Vorsitzer hinauf und setzte sich.

»Brüder, nehmet Platz,« sagte er.

Die fünfzehn Affiliirten setzten sich, ein Platz blieb leer; es war der Platz des Vertreters von Hannover.

»Brüder,« sagte der Wortführer, »es handelt sich um die Aufnahme eines neuen Affiliirten und um die Wahl des Rächers. Wir wollen zuerst unsern neuen Bruder wählen und sodann losen.«

»Wer ist der Pathe des neuen Bruders?« fragte eine Stimme.

»Ich,« sagte Schlick aufstehend.

»Wer bist Du?«

»Baden.«

»Gut; die beiden jüngsten Brüder mögen aufstehen und den Novizen holen.«

Jeder gab sein Alter an, die beiden jüngsten, die Vertreter von Baiern und von Tirol, von denen der eine zwanzig, der andere einundzwanzig Jahre zählte, standen auf und holten den Novizen, der gleich darauf am Gitterthor erschien,wo ihn sein Pathe erwartete. Die Augen waren ihm verbunden. Seine Führer nahmen ihre Plätze wieder ein und nur sein Pathe blieb bei ihm.

Tiefe Stille folgte, alle Augen waren auf den Novizen gerichtet. Endlich fragte der Vorsitzende laut und gebieterisch:

»Bruder, welche Stunde ist es?«

»Die Stunde, wo der Herr wacht und der Sclave schläft,« antwortete der Novize.

»Zähle sie.«

»Ich höre sie nicht mehr, seitdem sie für den Herrn schlägt.«

»Wann wirst Du sie hören?«

»Wenn sie den Sclaven geweckt hat.«

»Wo ist der Herr?«

»Bei Tische.«

»Wo ist der Sclave?«

»Auf der Erde.«

»Was trinkt der Herr?«

»Blut.«

»Was trinkt der Sclave?«

»Seine Thränen.«

»Was willst Du mit beiden machen?«

»Ich will den Sclaven an den Tisch setzen und den Herrn zu Boden werfen.«

»Bist Du Herr oder Sclave?«

»Keins von beiden.«

»Wer bist Du denn?«

»Ich bin noch nichts, aber ich gedenke etwas zu werden.«

»Was denn?«

»Ein Sehender.«

»Weißt Du was Du als solcher zu thun hast?«

»Ich lerne es.«

»Wer lehrt es Dich?«

»Gott.«

»Hast Du Waffen?«

»Ich habe diesen Strick und diesen Dolch.«

»Was ist dieser Strick?«

»Das Sinnbild unserer Kraft und Vereinigung.«

»Was bist Du nach diesem Sinnbild?«

»Ich bin einer dieser Hanffäden, den die Eintracht zusammengefügt, die Kraft gedreht hat.«

»Warum hast Du diesen Strick genommen?«

»Um zu binden und zusammenzuhalten.«

»Warum den Dolch?«

»Um zu zerschneiden und zu trennen.«

»Bist Du bereit zu schwören, dass Du Strick und Dolch gebrauchen willst gegen jeden Verurtheilten, dessen Name in das rothe Buch geschrieben wird?«

»Ja.«

»Schwöre es.«

»Ich schwöre.«

»Widmest Du Dich selbst dem Strick und dem Dolch, wenn Du den Schwur, den Du auf Schwert und Kreuz geleistet, brechen solltest?«

»Ja.«1

»Gut, Du bist unter die Freunde des Tugendbundes aufgenommen. Es steht Dir frei, je nachdem dein Herz vertrauensvoll oder argwöhnisch ist, verlarvt zu bleiben oder dein Gesicht zu zeigen; unsere Statuten geben Dir das Recht, zuthun was Du willst.«

Der Novize nahm ohne Zögern zugleich die Binde und die Maske ab, und ließ seinen Mantel fallen.

»Wer nichts fürchtet,« sagte er, »kann mit offenem Antlitz sehen und gesehen werden.«

Man sah nun einen schönen jungen Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren; seine Haltung war militärisch, er hatte blaue Augen, kastanienbraunes Haar und Schnurrbart und trug Studentenkleider, obgleich er aller Wahrscheinlichkeit nach schon seit einigen Jahren die Universität verlassen hatte.

Aber während alle Augen auf ihn gerichtet waren, that sich die metallene Thür an der Wendeltreppe plötzlich auf, und der siebzehnte Tugendbündler, der in der Uniform eines österreichischen Soldaten Wache stand, trat ganz bestürzt ein.

»Brüder,« sagte er, »wir sind Alle verloren!«

»Was gibt’s?« fragte der Vorsitzende.

»Mehr als hundert Personen sind in die Ruinen gekommen; sie gaben das Losungswort, und ich hielt sie folglich für Brüder, aber es sind wahrscheinlich Feinde, die uns umzingeln wollen.«

»Woraus schließest Du das?«

»Erstens weil Ihr hier nur Sechzehn seyd; dann ging ich, als ich abgelöst war, ebenfalls in die Ruinen, weil ich einen Verrath vermuthete. Ich versteckte mich hinter einer Mauer und belauschte meinen Nachfolger, der keineswegs einer der Unsrigen ist. Bald erschien eine Schaar von etwa fünfzig Bewaffneten; der Führer dieser Schaar gab das Losungswort, und die Schildwache ließ sie durch. Da eilte ich herunter, um Euch zu warnen, und ich hoffe zeitig genug gekommen zu seyn, wenn nicht um Euch zu retten, doch wenigstens um mit Euch zu sterben . . . Zu den Waffen, Brüder! Zu den Waffen!«

Alle Anwesenden stürzten nun auf den Waffenhaufen zu, und Jeder nahm sich ein Gewehr oder ein Schwert. Der Spion Schlick benutzte die Verwirrung, näherte sich rasch dem Novizen und flüsterte ihm zu:

»Nehmen Sie Ihre Maske vor und fliehen Sie mit mir . . Es sind mehre Ausgänge . . .«

»Ich nehme meine Maske vor, aber ich fliehe nicht,« erwiederte der junge Mann.

»Dann nehmen Sie Waffen und kämpfen Sie!«

Der junge Mann eilte auf den Waffenhaufen zu; aber während des kurzen Gesprächs mit Schlick hatten sich die Anderen aller Flinten und Pistolen bemächtigt, so daß ihm nur ein Schwert blieb.

Unterdessen hatte man oberhalb der Treppe Waffengeklirr gehört; plötzlich wurde die in der Eile schlecht geschlossene metallene Thür ausgerissen und mehre Bajonnete blitzten im Halbdunkel.

»Feuer!« rief der Vorsitzende

Zehn Studenten gehorchten, aber man hörte nur das Ratschen des Feuersteins auf dem Pfaundeckel und sah nur die Funken.

»Wir sind verrathen!« riefen die Studenten: »Die Ladung ist aus den Gewehren gezogen . . . Zu den geheimen Thüren!«

Die Tugendbündler zerstreuten sich in verschiedenen Richtungen; man sah, daß sie auf alle möglichen Gefahren vorbereitet waren. Aber die schwarzen Vorhänge zerrissen an fünf verschiedenen Stellen, und an jeder Oeffnung sah man Waffen blitzen.

Die Studenten blieben stehen und sahen sich nach allen Seiten um: sie waren von Bajonneten umgeben. Hundert-fünfzig Soldaten in bairischer Uniform umringten sie.

 

»Brüder,« sagte der Vorsitzende, »es bleibt uns nichts übrig, als zu sterben!« – Und leise setzte er hinzu: »Feuer an die Pulverfässer!«

Der Befehl machte in den Reihen die Runde; die Verschwörer schienen vor den Bajonneten zurückzuweichen und zogen sich mit tactischer Gewandtheit in die Mitte des Saales zurück. Die bairischen Soldaten rückten ihnen immer näher.

Mit Blitzesschnelle ergriff nun Jeder eine für diesen Fall bereitliegende Lunte, zündete den Brander an und stürzte auf das ihm als Sitz angewiesene Pulverfaß zu.

Aber statt der erwarteten Explosion hörte man ein lautes Wuthgeschrei; statt des mit Pulver bestreuten Schwefelfadens waren die Fässer mit einem gewöhnlichen dünnen Docht verbunden, der nicht brennen wollte.

»Verrathen! verkauft!« riefen die Studenten, die Waffen wegwerfend.

»Die Sache scheint bedenklich zu werden,« flüsterte Schlick seinem Begleiter ins Ohr; »wir haben freilich immer den Ausweg, daß wir uns nennen können, denn die Baiern sind ja die Verbündeten Ihres Kaisers.«

Der junge Mann durchlief den Kreis der Soldaten mit einem Blicke, dessen Blitze man sogar durch die Oeffnungen seiner Maske sehen konnte und sagte, seinen Degen zerbrechend:

»Ich hätte wahrlich lieber gekämpft, wär’s auch gegen Verbündete gewesen.«

Dann trat er unter die Studenten.

Der Kreis, den die bairischen Soldaten bildeten, war inzwischen so klein geworden, daß sie nur noch fünf bis sechs Schritte zu machen hatten, um die achtzehn Verschwörer mit ihren Bajonneten zu treffen.

»Meine Herren,« sagte der Hauptmann, der die Schaar führte, »im Namen des Königs Maximilian verhafte ich Sie. . . Sie sind meine Gefangenen!«

»Das ist möglichst erwiederte der Vorsitzende, »denn wir sind in Ihrer Gewalt, aber wir haben uns nicht ergeben, wir sind verrathen.«

»Das ist mir gleichgültig,« antwortete der Offizier; »ich bin nicht hierher gekommen, um mit Worten zu spielen, sondern um meine Pflicht zu thun und meine Befehle zu vollziehen.

»Freunde,« sagte der Vorsitzende, »wir sind in der Gewalt der Baiern und bereit unser Leben hinzugeben; welches Urtheil fället Ihr über die Abtrünnigen?«

»Sie sind nicht werth, ein deutsches Volk zu heißen.«

»Sie mögen sich künftig Franzosen nennen,« setzte ein Anderer hinzu.

»Sie sind Verräther am Vaterlande!«

»Jedes Mitglied des Tugendbundes soll das Recht haben . . .«

»Still!« rief der Offizier mit einer Donnerstimme.

»Es lebe Deutschland!« riefen die Studenten einstimmig. »Deutschland hoch!«

»Still,« wiederholte der Offizier. »Stellen Sie sich ohne Widerstand in einer Reihe auf.«

»Gut,« antwortete der Vorsitzende; »wir fürchten die französischen Kugeln nicht, wir werden zu sterben wissen. . . Ihr echten deutschen Streiter, stellt Euch auf.«

Alle Tugendbündler stellten sich mit trotziger Haltung und drohenden Blicken in einer Reihe auf. Der Offizier zog ein Papier aus der Tasche und las:

»Der Hauptmann Ernst von Mühldorf soll hundertfünfzig Mann nehmen und die Burgruinen von Abensberg, die einer Bande von Verschwörern als Versammlungsort dienen, umzingeln und durchsuchen. Alle, die in dem sogenannten Berathungssaale, dem dermaligen Sitzungssaale des Vehmgerichts, betreten werden, soll er verhaften und in einer Reihe aufstellen; sind es zehn, soll er einen von ihnen, sind es zwanzig, zwei erschießen lassen, und so fort; die Uebrigen sollen in Freiheit gesetzt werden.

»München, 16. April1809.
»Maximilian.«

»Es lebe Deutschland!« riefen die Gefangenen einstimmig.

»Herr Lieutenant,« flüsterte Schlick seinem Begleiter zu, »suchen Sie doch einen andern Platz, ich glaube, Sie sind der Zehnte.«

Der junge Mann gab keine Antwort und ging nicht von der Stelle.

»Meine Herren,« fuhr der Hauptmann fort, »ich weiß nicht was Sie sind; aber ich bin Soldat, und ein Soldat muß sich an seinen Befehl halten, die militärische Justiz ist schnell . . .«

»Nur zu,« antwortete eine Stimme.

»Nur zu,« antworteten Alle einstimmig.

Der Hauptmann zählte von der Rechten zur Linken bis zehn.

Schlick hatte Recht gehabt: der neue Sehende war der Zehnte.

»Treten Sie heraus,« sagte der Hauptmann.

Der junge Mann gehorchte.

»Sie haben den Blutzehnten zu entrichten,« sagte der Hauptmann.

»Gut,« antwortete der neue Tugendbündler gelassen.

»Sind Sie bereit?«

»Ja.«

»Haben Sie etwa noch Anordnungen zu treffen?«

»Nein«

»Haben Sie keine Freunde . . . keine Eltern oder Angehörige?«

»Ich habe einen Bruder; der Freund, der mein Pathe war und nach dem Buchstaben der uns vorgelesenen Verordnung frei ist, kennt meinen Bruder und wird ihm sagen, wie ich gestorben bin.«

»Sind Sie Katholik oder Protestant?«

»Ich bin Katholik.«

»Sie wünschen vielleicht einen Priester?«

»Ich bin täglich in Todesgefahr und Gott, der in meinem Herzen liest, weiß, daß ich mir nichts vorzuwerfen habe.«

»Sie bitten also weder um Gnade noch um Aufschub?«

»Ich bin mit den Waffen in der Hand, als Verschwörer ergriffen worden . . . machen Sie mit mir was Sie wollen.«

»Dann bereiten Sie sich zum Tode . . .«

»Ich habe Ihnen gesagt, daß ich bereit bin.«

»Es sieht Ihnen frei, Ihre Maske zu behalten oder abzunehmen; wenn Sie sie nicht abnehmen, werden Sie mit ihr begraben, und Niemand wird erfahren, wer Sie sind.«

»Aber wenn ich sie nicht abnehme, könnte man glauben, ich wolle meine Blässe verbergen . . . ich nehme sie ab.«

Der junge Mann nahm seine Maske ab und zeigte ein heiteres Gesicht

Ein Gemurmel der Verwunderung wurde unter den Studenten laut. Ein baierischer Soldat trat mit einem zusammengelegten Schnupftuch auf den Gefangenen zu: aber der Letztere wehrte ihn mit der Hand ab.

»Sie fragten mich, ob ich einen Wunsch habe,« setzte er mit derselben Ruhe und Festigkeit hinzu »Ich bin Soldat, ich bin Offizier wie Sie, Herr Hauptmann . . . ich wünsche die Augen nicht verbunden zu haben und Feuer zu commandiren.«

»Zugestanden.«

»Nun, dann thun Sie Ihre Pflicht.«

Ein Tugendbündler trat aus der Reihe heraus »Bruder,« sagte er, ihm die Hand reichend, »in Namen Baierns begrüße ich Dich als Märtyrer.«

Die siebzehn Anderen folgten seinem Beispiel, Jeder im Namen eines Volksstammes.

Der Hauptmann hinderte es nicht; er ehrte den Muth, der auf jedes Soldatenherz einen tiefen Eindruck macht.

Der Gefangene stellte sich an die Mauer.

»Stehe ich hier gut, Herr Hauptmann?« fragte er.

Der Hauptmann nickte bejahend.

»Acht Mann!« sagte er.

Acht Mann traten vor.

»Stellt Euch zehn Schritte von dem Verurtheilten in zwei Reihen auf und leistet dem Commando Folge.«

Die acht Mann stellten sich in einer Entfernung von zehn Schritten auf.

»Sind die Gen-ehre geladen?« fragte der Verurtheilte.

»Ja.« antwortete der Hauptmann.

»Dann geht’s geschwinder,« sagte der junge Offizier lächelnd. Dann commandirte er: »Achtung, Cameraden!«

Die Augen der acht Soldaten waren auf ihn gerichtet.

»Gewehr in Arm!«

Die Soldaten gehorchten dem Commando.

»Präsentirt das Gewehr!«

Die Bewegung folgte dem Commando mit militärischer Genauigkeit.

»Legt an!« sagte der Verurtheilte.

Die acht Gewehrläufe wurden auf ihn gerichtet.

»Mein Pathe,« sagte der Verurtheilte mit unerschütterlicher Ruhe, »halte ein Licht an mein Gesicht, damit Du bezeugen kannst, daß ich Dir Ehre mache.«

»Das ist nicht nöthig,« sagte der Hauptmann; »wir Alle erkennen, daß Sie ein muthiger Mann sind.«

»Gut . . . Feuer!«

Die acht Schüsse krachten, aber zu seinem größten Erstaunen fühlte sich der Verurtheilte nicht getroffen.

»Deutschland hoch!« riefen Studenten und Soldaten einstimmig.

»Was gibt’s denn?« fragte der Verurtheilte, der sich betastete und zu zweifeln schien, ob er noch lebe.

»Es war nur eine Probe,« sagte Schlick, »und Du hast sie rühmlich bestanden.«

»Deutschland hoch!« wiederholten alle Stimmen.

»Jetzt, Bruder,« sagte derselbe junge Mann, der ihm zuerst die Hand gereicht und ihn als Märtyrer begrüßt hatte, »jetzt steht es Dir frei, zu erblassen und zu zittern so viel es Dir beliebt.«

Der junge Offizier trat vor, nahm die Hand des Sprechers und drückte sie auf sein Herz.

»Ich beuge mich vor Dir,« setzte der letztere hinzu, »denn mein Herz pocht stärker als das deine.

»Mich dünkt, Bruder,« erwiederte der nun freie Gefangene, »mich dünkt, wir hatten ein Werk zu vollbringen.«

»Brüder,« sagte der Vorsitzende zu dem Hauptmann und seinen Soldaten, »entfernt Euch; lasset uns allein und bewachet uns.«

Der Hauptmann und die Soldaten gehorchten

Unterdessen trat Schlick aus den jungen Offizier zu und sagte leise: »Donner und Wetter, Sie haben sich tapfer gehalten; von heute an haben Sie das Recht, sich Richard Löwenherz zu nennen.«

Der Vorsitzende schaute den Affiliirten nach, welche die Rolle der baierischen Soldaten gespielt hatten, bis der letzte verschwunden war. Dann sagte er zu den Wissendem »Brüder, wir wollen unsere Plätze wieder einnehmen.«

Er setzte sich in den Armsessel, die Uebrigen setzten sich wieder auf die Pulverfässer.

»Still!« sagte der Vorsitzende.

Jedes Geräusch hörte auf, und alles Leben schien indem Kreise der Verschworenen plötzlich erstorben.

»Rächer,« sagte der Vorsitzende, »welche Stunde ist es?«

Einer der Anwesenden stand auf.

»Wer ist der Aufstehende?« fragte Richard Löwenherz seinen Pathen.

»Der Ankläger,« antwortete Schlick.

Der Ankläger antwortete ans die Frage des Vorsitzenden: »Es ist die Stunde der Erhebung gegen das fremde Joch.«

»Was für Wetter ists?«

»Der Donner grollt.«

»In wessen Hand ist der Blitzstrahl?«

»In Gottes Hand und in unseren Händen.«

»Wo ist die heilige Vehme?«

»in Westphalen gestorben, in Baiern wieder auferstanden.«

»Womit beweisest Du das?«

»Mit unserer Versammlung.«

»Bruder, Du hast das Wort um anzuklagen . . . wir werden das Urtheil sprechen«

»Ich klage den Kaiser Napoleon an, er beabsichtigt das größte Verbrechen, das nach dem Urtheil eines Deutschen begangen werden kann: die Vernichtung der deutschen Nationalität. Um diesen ruchlosen Zweck zu erreichen, hat er seinen Schwager Murat zum Großherzoge von Berg, seinen Bruder Hieronymus zum Könige von Westphalen ernannt. Um die deutsche Nationalität zu vernichten, will er den Kaiser Franz II. entthronen und seinen Bruder Joseph, den die Spanier nicht mögen, an dessen Stelle setzen. Um die deutsche Nationalität zu vernichten, führt er jetzt Baiern gegen Oesterreich, den Rheinbund gegen das deutsche Reich. Freunde gegen Freunde, Deutsche gegen Deutsche, Brüder gegen Brüder in den Kampf.«

»Brüder,« sagte der Vorsitzende, »seyd Ihr für den Ankläger oder gegen ihn?«

»Wir sind für ihn; wir stimmen ihm bei; wir klagenden Feind unserer Nationalität an . . . Deutschland hoch!«

»Der Kaiser Napoleon ist also in euren Augen schuldig?«

»Ja,« antworteten Alle einstimmig.

»Und welche Strafe hat er nach eurer Meinung verdient?«

»Den Tod!«

»Wer soll ihm den Tod geben?«

»Wir.«

»Wer unter Euch?«

»Der, den das Loos trifft.«

»Wächter, bringe die Urne her.«

Der Wächter gehorchte.

»Bruder,« sagte der Vorsitzende, »wir werfen in die Urne so viele weiße Kugeln, wie hier Völkerstämme vertreten sind, und außerdem eine schwarze Kugel. Wenn die schwarze Kugel heute in der Urne bleibt, so ist es ein Zeichen, daß Gott unser Vorhaben mißbilligt und selbst die Rache üben will; denn die letzte wird die Kugel Gottes seyn . . . Nehmt Ihr meinen Vorschlag an?«

»Ja,« antworteten alle Stimmen.

»Soll der, welcher die schwarze Kugel zieht, der Ausführung unseres patriotischen Vorhabens sein Leben widmen?«

»Ja,« antworteten alle Stimmen.

»Soll er schwören, zu sterben, ohne seine Brüder anzugeben? zu sterben, als ob seine That aus seinem eigenen Entschlusse hervorgegangen wäre? zu sterben, wie unser neuer Bruder soeben sterben wollte, ohne eine Klage laut werden zu lassen?«

»Ja,« antworteten alle Stimmen.

»Also die weißen Kugeln und die schwarze,« sagte der Vorsitzende und kehrte die Urne um. Achtzehn weiße Kugeln und eine schwarze rollten auf den Tisch. Er zählte alle Kugeln, warf sie nach einander in die Urne und schüttelte sie.

»Jetzt,« sagte er, »werden die Vertreter der Volksstämme in alphabetischer Ordnung ziehen . . . Welches Land vertritt unser neuer Bruder?«

 

»Alsatia!« antwortete der Novize.

»Alsatia!« riefen alle Tugendbündler; »Du bist ja ein Franzose!«

»Franzose oder Deutscher, wie Ihr wollt.«

»Du hast Recht,« sagten zwei oder drei Stimmen, »die Elsasser sind Deutsche. sie gehören zu der großen germanischen Völkerfamilie . . . Deutschland hoch!«

»Was beschließet Ihr über unsern neuen Bruder?«

»Er ist aufgenommen, er hat die Probe muthig bestanden. Holland, Spanien und Italien sind ja hier vertreten,warum sollten wir Frankreich zurückweisen?«

»Gut,« sagte der Vorsitzende; »wer Alsatia zulassen will, hebe die Hand auf!«

Alle Hände wurden aufgehoben Der Vorsitzende warf noch eine weiße Kugel in die Urne. – »Alsatia zieht zuerst.«

Der Novize trat an die Urne, und als er hineingriff, konnte man in seinen Gesichtszügen eine Unschlüssigkeit bemerken, von der er nicht die mindeste Spur gezeigt, als er Feuer commandirt hatte.

Er zog eine weiße Kugel.

»Weiß!« sagte er, ohne seine Freude verbergen zu können.

»Weiß!« wiederholten alle Stimmen.

»Baden!« fuhr der Vorsitzende fort.

Schlick trat vor, griff entschlossen in die Urne und zog eine weiße Kugel

»Weiß!« sagten alle Stimmen.

»Bavaria!« sagte der Vorsitzende.

Der Vertreter Baierns trat vor, griff entschlossen in die Urne und zog eine schwarze Kugel.

»Schwarz!« sagte er mit ruhiger und fast freudiger Stimme.

»Schwarz!« wiederholten Alle.

»Gut,« sagte der Vertreter Baierns, »in drei Monaten ist Napoleon todt, oder ich erschossen!«

»Deutschland hoch!« wiederholten alle Stimmen im Chor.

Der Zweck der Sitzung war erfüllt, und die Tugendbündler trennten sich.

1Diese Förmlichkeiten wurden bei jeder Ausnahme eines neuen Mitgliedes genau beobachtet. Ausführlicheres findet sich in dem Drama von Leo Burkard, das wir vor etwa sechzehn Jahren gemeinschaftlich gearbeitet und insbesondere in der von ihm allein geschriebenen vortrefflichen Vorrede. Anmerk. d. Verf.