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Akte

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XII

Als es dunkel geworden war, umgürtete auch Paulus seine Lenden, band seine Sandalen fester, griff zu seinem Wanderstab und wandte sich nach Akte um; sie war bereit und entschlossen zu fliehen. Wohin sie ging, galt ihr gleich; in jedem Falle entfernte sie sich von Nero. Der Schrecken und die Angst, die sie am Abend vorher durchgemacht, verliehen ihr jetzt noch die Kraft, diesen Plan auszuführen, aber sie fühlte wohl, daß wenn sie nur einen Tag zögerte, wenn sie den Mann wiedersähe, der einen so mächtigen Einfluß über ihr Herz gewonnen hatte, dann war alles vorbei. Sie würde dann nur noch den Mut und die Kraft finden, ihn zu lieben trotz allem, und ihr unbedeutendes Leben würde sich in seinem mächtigen und bewegten Leben verlieren, wie ein Bach im Ozean; denn für sie war ihr Geliebter seltsamerweise immer Lucius, niemals Nero. Der Sieger in den olympischen Spielen war ein anderer Mann als der Kaiser, und ihr ganzes Leben teilte sich in zwei Kreise, der eine umfaßte ihre Liebe zu Lucius, deren tiefe Wirklichkeit sie fühlte, der andere beschloß die Liebe, die Nero für sie empfand, und die schien ihr nur ein Traum zu sein.

Als sie die Hütte verließ, schaute sie nach dem Golf hin, der am Abend vorher Zeuge der schrecklichen Katastrophe gewesen war, die wir erzählt haben. Das Wasser war ruhig, die Luft war klar, der Mond beleuchtete den Himmel, und der Leuchtturm von Misenum die Erde, so daß man die andere Seite des Golfes deutlich erkennen konnte. Akte erblickte die dichte Baumgruppe, die den Palast von Bauli umgab, und wie sie daran dachte, daß Lucius dort weile, blieb sie stehen und seufzte. Paulus wartete einen Augenblick, dann ging er zu ihr hin und sagte mit mitleidiger Stimme:

Kommst du nicht, meine Tochter?

O mein Vater! entgegnete Akte, und wagte nicht dem Greis die Gefühle zu gestehen, die sie zurückhielten, gestern habe ich Nero verlassen mit Agrippina, seiner Mutter; das Fahrzeug, das wir bestiegen, hat Schiffbruch gelitten, wir haben uns beide schwimmend gerettet, und ich habe sie in dem Augenblick verlassen, wo eine Barke sie aufnahm. Ich möchte nicht von dieser Küste scheiden, ehe ich erfahren habe, was aus ihr geworden ist. Paulus streckte seine Hand aus in der Richtung nach Bajä und zeigte Akte einen großen Feuerschein nächst dem Wege nach Misenum.

Siehst du diese Flamme? sagte er zu ihr.

Ich sehe sie, antwortete Akte.

Nun wohl! fuhr der Greis fort, es ist die Flamme von ihrem Scheiterhaufen.

Wie wenn er verstanden hätte, daß diese wenigen Worte auf alle Gedanken Antwort geben, die das junge Weib bewegten, machte er sich auf den Weg. Akte folgte ihm sogleich, ohne ein Wort zu verlieren oder einen Seufzer auszustoßen.

Sie gingen am Meer entlang und durchschritten Puzzeoli; dann schlugen sie den Weg nach Neapel ein. Als sie eine halbe Meile vor der Stadt angekommen waren, ließen sie dieselbe zur Rechten liegen und erreichten durch einen Fußpfad die Straße nach Capua. Gegen ein Uhr morgens sahen sie Atella vor sich liegen, und bald darauf stand ein Mann am Wege, der sie zu erwarten schien; es war Silas, der Abgesandte des Paulus. Der Greis wechselte einige Worte mit ihm, dann wandte sich Silas feldeinwärts, Paulus und Akte folgten ihm; so gelangten sie zu einem kleinen, alleinstehenden Hause, wo sie erwartet wurden, denn bei dem ersten Schlag, mit dem Silas an die Türe pochte, öffnete sich diese.

Die ganze Familie samt den Dienstboten war in einem vornehmen Atrium versammelt und schien zu warten. Kaum war der Greis auf der Schwelle erschienen, so knieten alle nieder. Paulus breitete die Hände über sie aus und segnete sie. Darauf führte ihn die Herrin des Hauses in das Triklinium und wollte ihrem Gaste selbst die Füße waschen, bevor das Abendessen aufgetragen wurde, das schon bereit stand. Akte bat, sich zurückziehen zu dürfen, da sie dieser neuen Religion fremd war und tausend Gedanken ihr Herz bestürmten. Sogleich kam ein schönes, junges Mädchen von fünfzehn bis sechzehn Jahren, verschleiert wie eine Vestalin, auf sie zu und führte sie in ihr eigenes Zimmer, wohin sie ihr gleich darauf ihren Anteil von der Familienmahlzeit brachte.

Alles war für Akte ein Gegenstand der Verwunderung; sie hatte bei ihrem Vater nie anders von den Christen reden hören, als von Anhängern einer unsinnigen Lehre, die ein neues System aufstellten, ähnlich wie es Pythagoras, Sokrates, Epikur oder Plato getan. Am Hofe des Kaisers aber erklärte man sie für eine verruchte Sekte, die sich dem greulichsten Aberglauben und den schändlichsten Ausschweifungen hingebe, und die gut genug sei, dem Volke preisgegeben zu werden, wenn es eine Sühne forderte, oder den Löwen, wenn die Großen nach einem Feste verlangten. Es war erst ein Tag verflossen, seit sie von Paulus gerettet worden war, erst seit einem Tage kannte sie die Christen; doch hatten diese wenigen Stunden genügt, um die falsche Meinung zu zerstören, welche die griechische Philosophie und der kaiserliche Haß ihr eingeflößt hatten. Das, was ihr am meisten aufgefallen war an dieser Sekte, war die von ihren Anhängern bekundete Hingebung, denn die Hingebung ist die vorherrschende Tugend der liebenden Frau, ganz gleich welchen Glaubens sie sein möge. Sie fühlte sich von einer tiefen Sympathie für diese Religion ergriffen, welche den Mächtigen befiehlt, die Schwachen zu beschützen, den Reichen, Barmherzigkeit zu üben gegen die Bedürftigen, und den Märtyrern, Fürbitte zu tun für ihre Mörder.

Am Abend machten sie sich wieder zur selben Stunde auf den Weg, zu der sie am Tage vorher aufgebrochen waren. Dieses Mal dauerte der Marsch länger; die Reisenden ließen Capua zur Rechten, dann wandten sie sich zu den Ufern des Volturnus. Kaum waren sie dort angelangt, so verließ ein Nachen eine kleine Bucht, geführt von einem Ruderer, der sich ihnen näherte. Als er ans Ufer stieß, tauschte Paulus ein Erkennungszeichen mit dem Unbekannten, worauf er mit Akte in den Kahn stieg.

Nachdem sie über den Fluß gesetzt waren, reichte Paulus dem Schiffer ein Geldstück; aber dieser fiel auf seine Kniee nieder, küßte schweigend den Saum von des Apostels Mantel und verharrte noch lange demütig betend in dieser Stellung, nachdem derjenige, dem er solche Ehrfurcht bezeigte, sich schon von ihm entfernt hatte. Gegen drei Uhr morgens erhob sich ein Mann von einem jener Steine, welche die Römer an den Rand der Heerstraßen stellten, um den Reisenden das Besteigen ihrer Pferde zu erleichtern; er ging ihnen entgegen, als er sie herankommen sah. Es war ihr schweigender und wachsamer Kurier, der sie erwartet hatte, um sie in ihr Nachtquartier zu geleiten. Dieses Mal war es kein vornehmes Haus, das sie aufnahm, wie am Abend vorher, sondern es war eine elende Hütte; und keine üppige Mahlzeit wurde in einem marmornen Triklinium aufgetragen, sondern die Hälfte eines mit Tränen benetzten Brotes. Aber die Notdurft des Armen wurde mit derselben Ehrfurcht dargeboten, wie der Überfluß des Reichen.

Ein Mann empfing sie, der auf der Stirne den Stempel des Sklaven trug, ein eisernes Halsband und eiserne Ringe an den Füßen. Es war der Hirte einer reichen Villa; er führte Tausende von Schafen auf die Weide, die einem reichen, geizigen Herrn gehörten, und er hatte kein Schaffell, um seine Schultern damit zu bedecken. Er hatte ein Brot auf den Tisch gelegt und einen irdenen Krug daneben gestellt. In einer Ecke des Zimmers war ein Lager aufgeschüttet aus Farnkräutern und Schilf. Damit hatte er nach seinen Kräften ebensoviel getan, als der Reiche mit der glänzendsten Gastlichkeit hätte tun können.

In der folgenden Nacht setzten sie ihren Weg fort und kamen nach Fondi. So sah Akte bei dieser nächtlichen Wanderung alle die Orte wieder, die sie bei Neros Triumphzug berührt hatte. Bei einem Freigelassenen jenes Galba, der damals Nero so prächtig empfangen hatte, der aber inzwischen von diesem aus Furcht vor dem prophezeiten Kaisertum nach Spanien als Prokonsul geschickt war, hatte Silas das Nachtlager für den Greis und das Mädchen bereitet. Dieser zum Christentum bekehrte Sklave war Gärtner in den Obstgärten Galbas gewesen und hatte am Tage seiner Freilassung das kleine Haus zum Geschenk erhalten, das er in den Gärten seines Herrn bewohnte. Von den Fenstern dieser schlichten Hütte aus sah Akte im Mondschein die prächtige Villa vor sich liegen, in der sie mit Lucius gewohnt hatte.

Drei Tage oder vielmehr drei Nächte noch dauerte ihre Reise. Bei Tagesanbruch verbargen sie sich, und erst, wenn die Schatten der Nacht herabsanken, setzten sie ihren Weg fort. Immer zog Silas vor ihnen her, und jedesmal kehrten sie bei neuen Anhängern der christlichen Lehre ein, die unter den Sklaven und dem geringeren Volke schon weite Verbreitung gefunden hatte. Endlich, am dritten Abend erreichten sie, als der Mond aufging, die Höhe der Albaner Berge. Jetzt verließ sie Silas nicht mehr, er ging nur in einer Entfernung von drei- oder vierhundert Schritt vor ihnen her. Als er beim Grabmal des Askanius angekommen war, blieb er stehen und erwartete sie. Er streckte die Hand aus gegen den Horizont, an dem eine Menge Lichter erglänzten, und von wo das dumpfe Geräusch der Großstadt zu ihnen herüberdrang; er sprach nur das eine Wort, das dem Greis und dem Mädchen anzeigte, daß sie das Ziel ihrer Wanderung erreicht hatten:

Rom! …

Paulus warf sich auf die Kniee nieder und dankte dem Herrn, daß er ihn nach so vielen Gefahren an das verheißene Ziel seiner Reise geführt hatte. Akte lehnte sich an das Grabmal, um nicht umzusinken, so viele süßen und schmerzlichen Erinnerungen waren für sie in dem Namen der Stadt beschlossen, die sie von diesem Platze aus das erste Mal erblickt hatte.

O mein Vater! sagte das Mädchen, ich bin dir gefolgt, ohne zu fragen, wohin wir gingen; aber wenn ich gewußt hätte, daß Rom dein Ziel sei, glaube ich nicht, daß ich den Mut gefunden hätte, dir zu folgen.

Wir gehen auch nicht nach Rom, sagte der Greis, sich erhebend. Gleich darauf, als ein Trupp Reiter auf der Appischen Straße dahersprengte, verließ Silas die Straße und bog rechts ab in die Ebene; Paulus und Akte folgten ihm.

 

Sie schritten nun zwischen der Latinischen und der Appischen Straße hin, indem sie vermieden, einer dieser Straßen zu folgen, von welchen die erste nach Marina am Albaner See, die andere zu dem Neptunstempel bei Antium führte. Nach zweistündigem Wege gelangten sie in das Tal der Egeria, nachdem sie den Tempel der Fortuna rechts und den des Merkur links gelassen hatten, und folgten einige Zeit dem kleinen Flüßchen Almon, dann wandten sie sich rechts und näherten sich einer Felsengruppe, die wie durch ein Erdbeben von dem Gebirge losgerissen schien, bis sie plötzlich am Eingang einer Höhle standen.

Silas trat sogleich ein und forderte die Reisenden mit leiser Stimme auf, ihm zu folgen; aber Akte erzitterte unwillkürlich bei dem Anblick dieser Öffnung, die sie wie der Rachen eines Ungeheuers zu verschlingen drohte. Paulus spürte, wie sich ihre Hand auf seinen Arm legte, um ihn zurückzuhalten. Er verstand ihre Bangigkeit.

Fürchte nichts, meine Tochter, sagte er, der Herr ist mit uns.

Akte blickte seufzend zu dem prächtigen Sternenhimmel empor, den sie aus den Augen verlieren sollte, und stieg mit dem Greise hinab in das Gewölbe, das sich vor ihnen auftat.

Nachdem sie einige Schritte in vollständiger Finsternis gewagt hatten, wobei ihnen einzig die Stimme des Silas zum Führer diente, blieb dieser an einem der starken Pfeiler stehen, die das Gewölbe stützten, schlug zwei Steine gegeneinander, daß Funken daraus hervorsprangen, die einen Schwefelfaden entzündeten, und holte eine Fackel hervor, die in der Höhlung des Felsens verborgen war.

Um diese Stunde ist keine Gefahr mehr vorhanden, sagte er, und wenn alle Söldner Neros uns verfolgten, könnten sie uns hier nicht erreichen.

Akte ließ ihre Blicke umherschweifen, aber sie konnte nichts deutlich unterscheiden. Die Fackel flackerte, von den verschiedenen äußeren und inneren Luftströmungen bewegt, unruhig hin und her und warf nur flüchtige Lichter wie blasse Blitze, so daß die Gegenstände, die einen Augenblick beleuchtet waren, gleich darauf wieder in Dunkelheit versanken, ohne daß man Zeit gehabt hätte, ihre Umrisse und ihre Farbe zu erkennen. Nach und nach gewöhnten sich die Augen an den Lichtschimmer, die Flamme brannte ruhiger und erhellte einen größeren Umkreis mit ihrem Schein. Die Reisenden konnten jetzt bis zu der Decke des ungeheuren Gewölbes emporschauen, kein Luftzug drang bis hier herein. Zuweilen gingen sie gedrängt zwischen zwei Mauern hin, dann gelangten sie wieder zu ungeheuren Kreuzungen von Gängen, in deren dunklen Höhlungen das Licht der Fackel erstarb, das mit schwachem Wiederschein die Spitzen der weiß und unbeweglich wie Gespenster in die Höhe ragenden Pfeiler beleuchtete. Es lag in dieser nächtlichen Wanderung, in dem Geräusch der Schritte, das, so leicht sie auch auftraten, ein geheimnisvolles Echo hervorrief, in dem die Brust beengenden Mangel an frischer Luft, etwas Trauriges und Angreifendes, das Aktes Seele wie ein Schmerz bedrückte. Plötzlich blieb sie schaudernd stehen, stützte sich mit der Hand auf den Arm des Paulus und zeigte auf eine Reihe von Särgen, die an der Wand aufgestellt waren. Zu gleicher Zeit sahen sie am Ende der düsteren Gänge weißgekleidete Frauen mit Fackeln in den Händen wie Geister einherwandeln und einem gemeinsamen Mittelpunkte zustreben. Bald hörten sie, immer vorwärts schreitend, eine reine Harmonie wie einen Engelchor erklingen, der hell und melodisch unter den Gewölbebögen hinschwebte. Von Zeit zu Zeit waren Lampen an den Pfeilern befestigt und bezeichneten den Weg; sie trafen jetzt mehr Särge an, die Schatten wurden zahlreicher und der Gesang deutlicher, weil sie sich einer unterirdischen Stadt näherten, deren Umgebung sich mit Toten und Lebendigen zu bevölkern begann. Hier und da fanden sie Kornblumen und Rosen auf dem Boden zerstreut, die sich aus den Totenkränzen gelöst hatten, und die hier, fern von Himmelsluft und Sonnenschein, traurig hinwelkten. Akte sammelte diese Blumen, die armen Kinder des Lichts, und vereinigte sie zu einem blassen und duftlosen Strauße, wie man aus den Trümmern eines vergangenen Glückes die Hoffnung für ein zukünftiges rettet. Endlich traten sie bei der Wendung eines der tausend Gänge dieses unterirdischen Labyrinths in eine weite Halle, die nach dem Muster einer Basilika gebildet, mit Lampen und Fackeln erhellt und von Männern, Frauen und Kindern belebt war. Eine Gruppe von jungen Mädchen, die von langen, weißen Schleiern verhüllt waren, sang die feierlichen Chöre, die von dem Gewölbe wiederhallten, und die Akte zuvor gehört hatte. Ein Priester trat vor die Versammlung, den Gottesdienst zu leiten. Als er vor dem Altar stand, wandte er sich plötzlich um zu der erstaunten Gemeinde und rief:


Es ist einer unter uns, der würdiger ist als ich, euch das Wort Gottes zu verkündigen, denn er hat es aus dem Munde seines Sohnes selbst empfangen. Paulus, komm heran und segne deine Brüder! Die ganze Gemeinde, zu der Paulus schon lange zu kommen versprochen hatte, fiel auf die Kniee nieder. Akte, die Heidin, folgte ihrem Beispiel, und der künftige Märtyrer trat vor den Altar.

Sie waren in den römischen Katakomben.

XIII

Es war eine ganze Stadt, die sich unter dem Boden einer anderen Stadt befand.

Bekanntlich waren die Katakomben weite, verlassene Steinbrüche. Das ganze Rom mit seinen Häusern, Palästen, Theatern, Bädern, Zirkussen und Aquädukten war Stein für Stein daraus hervorgegangen. Sie waren sozusagen die Lenden, welche die Stadt des Romulus und des Scipio erzeugten; aber seit Augustus und der Zeit, wo der Marmor den Werkstein verdrängte, hatten die weiten Gänge aufgehört, vom Schritte der Arbeiter zu wiederhallen. Der Travertin war zu gemein geworden, die Kaiser ließen sich Porphyr aus Babylon, Granit von Theben und Erz von Korinth kommen. Die ungeheuren Höhlen, die sich unter Rom ausbreiteten, blieben verlassen, einsam und vergessen, bis das entstehende Christentum sie langsam und insgeheim wieder bevölkerte. Zuerst waren sie ein Tempel, dann ein Zufluchtsort, zuletzt eine Stadt.

Zu der Zeit, wo Akte und der Greis dort hinabstiegen, waren sie noch ein Zufluchtsort. Alle Sklaven, alle Unglücklichen, alle Geächteten waren sicher, dort eine Freistatt, einen Trost und ein Grab zu finden. Auch ganze Familien hatten in ihrem Dunkel Schutz gesucht, und die Anhänger des neuen Glaubens zählten schon nach Tausenden; aber bei der ungeheuren Menschenmenge, die sich auf dem Boden Roms ausbreitete, fiel es niemand ein, dieses Durchsickern unter die Erde zu beachten, da es die Höhen der Gesellschaft nicht berührte und die Zunahme der Bevölkerung nicht aufhörte.

Man darf jedoch nicht glauben, daß das Leben der ersten Christen nur damit ausgefüllt gewesen sei, sich den beginnenden Verfolgungen zu entziehen. Sie nahmen, durch Liebe, Frömmigkeit und Mut verbunden, Anteil an allen Ereignissen, welche die Brüder bedrohten, die durch irgendwelche Notwendigkeit in den Mauern der heidnischen Stadt zurückgehalten wurden. Trat eine Gefahr ein, so spürte der Neubekehrte der oberen Stadt oft plötzlich unerwartete Hilfe; eine unsichtbare Falltüre öffnete sich unter seinen Füßen und schloß sich über seinem Haupt; die Türe seines Gefängnisses drehte sich geheimnisvoll in ihren Angeln, und der Gefangene entfloh mit seinem Hüter; oder wenn der Zorn ihn so plötzlich ereilte, wie der Blitzstrahl, der zur selben Zeit aufleuchtet und einschlägt, wenn der Neubekehrte zum Märtyrer wurde, sei es, daß er im Gefängnis des Tullius erhängt, oder auf einem öffentlichen Platze enthauptet, daß er vom Tarpejischen Felsen herabgestürzt oder auf dem Esquilin ans Kreuz geschlagen wurde, so näherten sich in der Finsternis der Nacht vorsichtige Greise und unternehmende junge Männer, zuweilen auch schüchterne Frauen und erkletterten auf verborgenen Fußpfaden den verfluchten Berg, wo die Leichname den wilden Tieren oder den Vögeln zur Beute fielen, und trugen die verstümmelten Körper andächtig und pietätvoll in die Katakomben, wo diejenigen, die von ihren Verfolgern gehaßt und gelästert worden waren, mit Ehrfurcht und Anbetung von ihren Brüdern bestattet wurden, die sich untereinander ermahnten, auf Erden zu leben und zu sterben wie der Auserwählte, der ihnen in den Himmel vorangegangen war.

Oft kam es auch vor, daß der Tod selbst seine Opfer in den Katakomben suchte, dann waren es weniger die Erwachsenen, die er mit seiner kalten Hand berührte, sondern eher ein Kind, das er dem Familienkreise entriß. Man wickelte es in ein Leichentuch; wenn es ein Mädchen war, wurde es mit Rosen gekränzt, den Knaben gab man Palmen in die Hand, der Priester sprach die Totengebete, dann senkte man die kleine Leiche sanft in das steinerne Grab hinab, das zuvor ausgehauen war, und wo sie der ewigen Auferstehung entgegenschlummerte. Das waren die Särge, die Akte gesehen hatte, als sie die unbekannten Gewölbe zum ersten Male betrat. Damals hatten sie ihr einen tiefen Schrecken eingeflößt, der sich aber bald in sanfte Melancholie verwandelte. Das junge Mädchen, dessen Herz noch heidnisch, aber dessen Seele bereits christlich war, verweilte stundenlang vor den Gräbern, wo eine trauernde Gattin, Mutter oder Tochter mit der Spitze eines Messers den Namen der geliebten Person eingegraben hatte, dazu einige religiöse Symbole und einen heiligen Spruch, der Schmerz und Hoffnung ausdrückte. Beinahe auf allen befand sich ein Kreuz, das Zeichen der Ergebung für die Menschen, denen es die Leiden eines Gottes predigte, dann der siebenarmige Leuchter, der im Tempel zu Jerusalem brannte, oder die Taube aus der Arche Noahs, die sanfte Botin der göttlichen Barmherzigkeit, die den Olivenzweig auf die Erde niederbrachte, den sie in den himmlischen Gärten gepflückt hatte.

Zuweilen kehrten die freudigen Erinnerungen lebhafter und mächtiger in Aktes Seele zurück; dann spähte sie hinauf nach dem Sonnenlicht und horchte auf das Geräusch der Erde, zuweilen setzte sie sich einsam und regungslos am Fuße eines Pfeilers nieder, den Oberkörper so tief gebeugt, daß ihre Stirne die Kniee berührte. In dem langen Schleier, der ihre Gestalt umfloß, wäre sie den Vorübergehenden wie eine sitzende Statue auf einem Grabmal erschienen, wenn sich nicht zuweilen ein Seufzer von ihren Lippen gelöst und ein Schauer ihren Körper durchzittert hätte. Der Apostel Paulus allein wußte, was in solchen Schmerzensstunden in dieser Seele vorging, und er, der gesehen hatte, wie Christus einst der Magdalena vergab, hoffte von der Zeit und von Gott Heilung für ihre Wunden. Wenn er sie so stumm und unbeweglich in ihren Kummer versunken sah, sagte er zu den reinsten Jungfrauen: Betet für dieses Mädchen, damit der Herr ihr verzeihe und sie einst in eure Reihen aufgenommen werden und mit euch beten könne. Die jungen Mädchen gehorchten, und sei es, daß ihre Gebete zum Himmel stiegen, sei es, daß die Tränen die Bitterkeit des Schmerzes linderten, bald sah man die junge Griechin mit einem Lächeln auf den Lippen und Tränen in den Augen sich zu ihren Gefährtinnen gesellen.

Doch während die Christen in den Katakomben versteckt dieses Leben der Barmherzigkeit, der Bekehrung und der Erwartung führten, drängten sich die Ereignisse über ihren Häuptern. Die ganze heidnische Welt schwankte wie ein Betrunkener, und Nero, ihr Reigenführer, sättigte sich an Vergnügen, Wein und Blut. Seit Agrippinas Tod war der letzte Zügel zerrissen, der ihn noch zurückgehalten hatte; seit die Flamme von ihrem Scheiterhaufen aufgestiegen, war jede Spur von Scham und Gewissen in ihm erloschen. Er wollte vorerst in Bauli bleiben, denn, nachdem die edlen Gefühle verschwunden waren, hatten sie der Furcht Platz gemacht, und obwohl Nero die Menschen und die Götter verachtete, konnte er doch nicht denken, daß ein solches Verbrechen nicht den Haß der einen und den Zorn der anderen heraufbeschwören werde. Er blieb fern von Neapel und Rom und erwartete die Nachrichten, die ihm seine Boten zutrugen, aber er hatte mit Unrecht an der Niedrigkeit des Senats gezweifelt, denn bald kam eine Deputation von Rittern und Patriziern, um ihn zu beglückwünschen, daß er einer so unvorhergesehenen Gefahr entronnen sei, und ihm zu versichern, daß nicht allein Rom, sondern alle Städte des Reichs ihre Abgesandten in die Tempel schickten, wo sie durch Opfer ihre Freude über seine Rettung bezeugten. Die Götter dagegen nahmen die Sache weniger leicht, wenn wir dem Tacitus glauben wollen; statt der Gewissensbisse sandten sie dem Muttermörder Schlaflosigkeit. Und während dieser Schlaflosigkeit hörte er auf den Gipfeln der benachbarten Berge Trompeten erklingen; Jammergeschrei und Klagetöne drangen zu ihm, wie wenn sie vom Grabe seiner Mutter kämen. In Folge davon reiste er nun doch nach Neapel.

 

Dort fand er Poppäa wieder und mit ihr den Haß gegen Oktavia, die unglückliche Schwester des Britannikus, das arme Kind, das, dem mit jungfräulicher Reinheit geliebten Silanus entrissen, von Agrippina in Neros Arme geschleudert wurde. Zwanzig Jahre lang lebte sie bereits, aus Rom verbannt, auf einer fernen Insel. Dort war sie durch das Vorgefühl des Todes schon wie aus dem Leben geschieden. Als einzigen Hofstaat hatte sie Hauptleute und Söldner um sich, deren Blicke unaufhörlich nach Rom gerichtet waren, von wo aus ein Befehl, ein Wink, ein Zeichen genügt hätte, um aus jedem dieser Schmeichler einen Henker zu machen. Aber so einsam und unglücklich dieses Leben auch war, quälte es doch Poppäa mitten in dem ehebrecherischen Glanze und der schrankenlosen Macht, die sie umgab. Denn ihre Schönheit, ihre Jugend und ihr Unglück hatten Oktavia beliebt gemacht.

Auch Nero schien nicht gänzlich frei von dieser allgemeinen Teilnahme; trotz der inständigen Bitten der Poppäa zögerte er, einen Streich gegen Oktavia zu führen. Es gibt Verbrechen, die so unnütz sind, daß selbst der grausamste Mensch sie zu begehen scheut, denn was der gekrönte Schuldige fürchtet, sind nicht die Gewissensbisse, sondern der Mangel einer Entschuldigung. Die Kurtisane verstand, was den Kaiser zurückhielt. Eines Tages brach ein Aufstand los, der Name Oktavias wurde laut ausgerufen und ihre Rückkehr stürmisch verlangt. Die Statuen der Poppäa wurden umgestürzt und in den Schmutz gezogen; dann kam ein Trupp Männer, die mit Peitschenhieben die Rebellen auseinandertrieben und die Bildnisse der Poppäa wieder auf ihre Piedestale stellten. Diese Kundgebung hatte eine Stunde gedauert und eine Million gekostet; damit war der Kopf einer Rivalin nicht zu teuer bezahlt. Denn dieser kleine Aufstand war alles, was Poppäa brauchte. Sie war währenddessen in Rom und eilte nach Neapel, um vor den von Oktavia gedungenen Mördern zu fliehen, wie sie sagte. Sie sah reizend aus in ihrer Angst und warf sich Nero zu Füßen. Darauf erhielt Oktavia von Nero den Befehl, sich den Tod zu geben.

Vergebens bot die arme Verbannte an, daß sie sich mit dem Titel einer Witwe und Schwester begnügen wolle, vergebens flehte sie im Namen des Germanikus, ihres gemeinschaftlichen Großvaters, und im Namen der Agrippina, die zu ihren Lebzeiten über ihr gewacht hatte; alles war umsonst, und da sie zögerte und sich nicht selbst zu töten wagte, band man ihr die Arme zusammen und öffnete ihr die vier Hauptadern und hierauf alle andern Blutgefässe, denn das Blut, das vor Schrecken erstarrt war, wollte nicht ausströmen, und da es immer noch nicht floß, erstickte man sie mit den Dämpfen eines kochend heißen Bades. Damit kein Zweifel übrig bleibe, daß der Mord vollbracht sei, und man in Rom nicht denken könnte, ein gewöhnliches Weib sei für die kaiserliche Dulderin untergeschoben worden, wurde der Kopf vom Leibe getrennt und zu Poppäa gebracht, die ihn auf ihre Kniee setzte, die Augenlider öffnete und, da sie in dem starren, eisigen Blick vielleicht eine Drohung zu erkennen glaubte, ihre goldenen Haarnadeln in die Augen bohrte.

Endlich kehrte Nero nach Rom zurück, sein Wahnsinn und seine Ausschweifung erreichten ihren Höhepunkt. Er veranstaltete Spiele, bei denen die Senatoren statt der Gladiatoren kämpften, Wettgesänge, wobei man die mit dem Tode bestrafte, die nicht applaudierten; einen Brand, der das halbe Rom zerstörte, und dem er händeklatschend und zu seiner Leier singend, zusah. Endlich begriff Poppäa, daß es Zeit sei, den Zügellosen, den sie aufgestachelt hatte, zurückzuhalten, und daß so unerhörte und gräßliche Vergnügungen ihrem Einflusse schadeten. Unter dem Vorwand ihrer Schwangerschaft lehnte sie eines Tages ab, das Theater zu besuchen, wo Nero sang. Diese Weigerung verletzte den Künstler; er sprach als Kaiser zu ihr, Poppäa widerstand als verwöhnter Liebling, da wurde Nero ungeduldig und tötete sie mit einem Fußtritt.



Darauf hielt ihr Nero eine Lobrede von der Tribüne herab, und da er ihre Tugenden nicht Preisen konnte, verherrlichte er ihre Schönheit. Dann ordnete er ihre Leichenfeier an; er wollte nicht, daß der Körper verbrannt, sondern in der Weise wie die Leichen der orientalischen Könige einbalsamiert werde. Der Naturforscher Plinius versichert, daß Arabien in einem Jahr nicht so viel Weihrauch und Myrrhen hervorbringt, als der Kaiser für das göttliche Begräbnis derjenigen aufwandte, die ihre Maultiere mit Gold beschlagen ließ und jeden Tag die Milch von fünfhundert Eselinnen für ihre Bäder verbrauchte.

Die Tränen der schlechten Könige fallen auf die Völker als Blutregen. Nero klagte die Christen seiner eigenen Verbrechen an, und eine neue Verfolgung brach aus, die viel schrecklicher war als alle vorhergehenden.

Der Glaubenseifer der Christen wuchs mit der Gefahr; jeden Tag galt es, neue Witwen und Waisen zu trösten; jede Nacht mußten neue Leiber der Bekenner vor den wilden Tieren und Vögeln geborgen werden. Endlich merkte Nero, daß man ihm seine Leichen raubte, er legte eine Wache um den Esquilin, und als in einer Nacht einige Christen, geführt von Paulus, herankamen, um nach ihrer Gewohnheit ihr heiliges Amt zu erfüllen, stürzte ein Trupp Soldaten, der in einer Schlucht des Berges verborgen war, unversehens hervor und nahm sie gefangen; nur ein einziger entkam, das war Silas.

Er lief in die Katakomben und kam gerade an, wie die Gläubigen sich zum Gebet versammelten. Er verkündete ihnen die verhängnisvolle Botschaft, da fielen alle auf die Kniee nieder, um den Herrn anzuflehen. Akte allein blieb stehen, denn der Gott der Christen war noch nicht der ihrige.

Einige beschuldigten sie der Gottlosigkeit und Undankbarkeit; aber Akte breitete ihre Arme aus gegen die Menge und verlangte Stillschweigen; als es stille geworden war, sagte sie:

Morgen will ich nach Rom gehen und versuchen, ihn zu retten. –

Und ich, sagte Silas, kehre heute abend dahin zurück, um wenigstens mit ihm zu sterben, wenn es dir nicht gelingt.