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VII Der Fünfstrahl (Der Entscheidungsweg)
Fragestellung

 Wie soll ich mich entscheiden?

 Soll ich ein Auto kaufen, meinen Job aufgeben oder in Urlaub fahren?

 Was passiert dann, wenn ich es tue?

 Und was passiert, wenn ich es nicht tue?

 Welcher Weg ist der richtige?

Hintergrund

Diese Legemethode ist angebracht, wenn wir uns in der Wahl zwischen zwei Möglichkeiten weder für die eine noch für die andere entscheiden können. Die rechte Seite (vom Leser aus betrachtet die linke) beschreibt die aktive Möglichkeit („wenn wir es tun“). Die andere Seite beschreibt die passive Möglichkeit („wenn wir es nicht tun“). Der Signifikator (Karte 1) ermöglicht dabei eine psychologische Erhellung des Hintergrunds der Frage, denn er reflektiert den persönlichen Bewusstseinszustand, der sich in der Zeit dieser Entscheidung widerspiegelt.


Deutung
1. Die Situation als solche

Die Gegebenheiten der Umstände, die zur Entscheidungssituation führen.

2. Die körperliche Ebene des Tuns

Der physische Bereich des Erlebens, wenn du es tust.

3. Die körperliche Ebene des Nicht-Tuns

Der physische Bereich des Erlebens, wenn du es nicht tust.

4. Die seelische Ebene des Tuns

Der psychische Bereich des Empfindens, wenn du es tust.

5. Die seelische Ebene des Nicht-Tuns

Der psychische Bereich des Empfindens, wenn du es nicht tust.

VIII Der Neunstrahl (Das Beziehungsspiel)
Fragestellung

 Wie sehe ich den Partner, bzw. wie sieht er mich?

 Welchen Schatten reflektiere ich im anderen bzw. lebe ich im anderen gegen mich?

 Wie ist meine Beziehung insgesamt einzuschätzen?

 Wie sieht mein inneres Bild der Beziehung aus?

Hintergrund

Hier geht es um die Beziehung zum Partner. Präziser: um die Konfliktaufnahme mit dem im Partner reflektierten Teil meiner selbst. Kein Mensch kann sich mit sich selbst – oder mit dem, was er für sich selbst hält – zufrieden geben. Also ist es der andere bzw. das Bild des anderen, das uns wieder vollständig macht. Nach C. G. Jung erfährt der Mann in der Frau sich selbst durch seinen eigenen unbewussten weiblichen Aspekt (= Anima), die Frau erfährt im Mann sich selbst in ihrem unbewussten männlichen Aspekt (= Animus). Erst wenn wir bereit sind, zu akzeptieren, dass der andersgeschlechtliche Teil in uns selbst meist nur über das gespiegelte Bild eines Partners erkannt und zurückgenommen werden kann, können wir aus uns heraustreten. Damit trete ich in eine vollständigere Form der Beziehung ein, wobei mein jetziges Ich zu einem Teil dessen wird, der erst mit dem integrierten Bild meiner Erfahrung wirklich „ganz ich selbst“ ist.

Allegorie (Adams Rippe)

Die Suche nach sich selbst im Bild des Partners ist ein seelischer Vorgang, der bereits von der biblischen Allegorik behandelt wird, und zwar im Mythos von der Erschaffung Evas aus einer Rippe Adams. Er wird meist dahingehend interpretiert, dass der Urmensch erst dadurch die Vollständigkeit der menschlichen Existenz erreicht habe. Es ist aber auch möglich, ihn umgekehrt zu deuten: Adam wurde gleichsam „unvollständig“ gemacht, indem ein Teil von ihm in die Welt gesetzt wurde, den er außen suchen und wieder in sein Selbst integrieren muss. Hier liegt der Keim der Vertreibung aus dem Paradies verborgen – die Vertreibung aus dem eigenen Selbst. Damit wird dem Menschen durch göttlichen Willen das Ziel verordnet, die voneinander getrennten Teile seiner eigenen Natur wieder zu vereinigen. Die Motivation, die ursprüngliche Ganzheit wiederzuerlangen, ist der Hunger nach dem Verlorenen, der Hunger nach jenem Teil von sich selbst, der außerhalb des Ego liegt und der die Menschen zwingt, aus sich heraus- und in die Welt hineinzutreten.

Die Tür, durch die man aus sich heraus- und in die Welt hineintritt, ist man selbst. Ist das Karma gut, dann kann ich meinen inneren Spannungen bewusst entgegentreten, indem ich das, was mich beim anderen fasziniert, als den unerlösten Teil in mir selbst erkenne. Erst muss die Einsicht da sein, dass ich mich nur von Menschen angezogen fühle, denen gegenüber bei mir schon eine Bereitschaft da ist, mich anziehen zu lassen. Dann kommt die Erkenntnis, dass der Teil, den ich beim anderen suche, jener Teil von mir ist, der außen zurückgewonnen werden kann.

Die „Rippe“, die zu mir gehört, aber nun im außen existiert, ist die Gnade Gottes, die mir geschenkt wurde, als ich das Paradies verlassen und in die Dualität hinabsteigen musste. Indem ich sie „im anderen“ finde, werde ich wieder vollständig – werde ich wieder ein Teil von Gott. Wenn ich nicht erkenne, was in mir selbst unerlöst ist, bin ich zu keiner wirklichen Beziehung fähig, weil ich den anderen niemals getrennt von meinen eigenen Bildern und Vorstellungen wirklich sehen und erleben kann.

Auf dieser Stufe kann mir am anderen nur das missfallen, was mich an mir selbst quält. Denn das, was mich an mir selbst nicht quält, kann mir durch einen anderen auch nicht ins Bewusstsein gerufen werden. Wenn ich andererseits erkenne, dass mir nichts von außerhalb entgegentreten kann, was nicht schon in mir selbst liegt, dann kann ich endlich erfahren, dass jede Begegnung nur einem einzigen Ziel dient: der Begegnung mit sich selbst!


Deutung
1. Der Beziehungshintergrund

Das Thema der Beziehung.

2. Die Beziehungsebene

Die bewusste Ebene, auf der du deinem Partner begegnest, wie du über ihn denkst und wie du die ganze Beziehung einschätzt.

3. Die Beziehungsebene des anderen

Die bewusste Ebene des Partners, auf der er dir begegnet, wie er über dich denkt und wie er eure Beziehung einschätzt.

4. Der Animus oder die Anima

Die Anima des Mannes oder der Animus der Frau4, also die seelische Gegengeschlechtlichkeit im Bild des anderen. Die Karte zeigt, was du im anderen suchst bzw. was du an eigenem Suchen im anderen findest.

5. Der Animus oder die Anima des anderen

Die Anima des Partners oder der Animus der Partnerin, die sich in dir reflektieren: Der Mann erfährt in der Frau sich selbst in seinem weiblichen Aspekt, und die Frau erfährt im Mann sich selbst in ihrem männlichen Aspekt.

6. Die unbewusste Beziehungsebene

Die Essenz aus den Karten 2 und 4 oder die vierfache Vereinigung von Mann und Frau, Mann und Anima, Frau und Animus, Anima und Animus.

7. Die unbewusste Beziehungsebene des anderen

Die Essenz aus den Karten 3 und 5 oder die vierfache Berührung (siehe Karte 6).

8. Der Schatten

Der auf den anderen projizierte Schatten, den du bei dir selbst nicht erträgst und den du deshalb auch im anderen ablehnst; sozusagen das Gegengewicht zu Karte 4.

9. Der Schatten des anderen

Der vom anderen auf dich projizierte Schatten, den er stellvertretend in dir bekämpft: also das Gegengewicht zu Karte 5.

IX Der Zehnstrahl (Das keltische Kreuz)
Fragestellung

Der Zehnzack bezieht sich inhaltlich auf das Keltische Kreuz, den Klassiker unter den Legesystemen. Im Grunde universell verwendbar, eignet er sich jedoch besonders zur Frage nach dem Trendverlauf:

 Wohin führt mich mein Weg?

 Was ist der innere Sinn meines Tuns?

 Wohin entwickeln sich meine äußeren Ziele?

 Und wie begegne ich den Früchten meines Handelns in der Außenwelt?

Hintergrund

Um bei zehn gezogenen Karten die Aussage nicht zu kompliziert zu gestalten, empfiehlt es sich, dass wir uns zuerst auf das Gerüst – die beiden Achsen 1/7 und 4/10 – konzentrieren und die Nebenkarten erst einmal weglassen.

Karte 1 zeigt dann an, wer wir vor dem Hintergrund der von uns gestellten Frage sind. Karte 7 beschreibt die psychische Datenbank („Inneres Selbst“), die uns aus dem reichen Erfahrungsschatz individueller Erfahrungen zur Verfügung steht. Gleichzeitig gibt sie uns einen Hinweis auf das Endergebnis der Befragung, auf Karte 10, die wie eine Krone über den Grundlagen der Seele „thront“ (= Karte 4). Unsere seelische Kraft bzw. das höhere Selbst, in dem wir „vor dem Höchsten“ erscheinen, beschreibt Karte 7: Denn wenn Karte 4 die „unbewusste Prägung“ ist, die auf den Ratschluss des Schicksals (Karte 10) verweist, dann ist Karte 7 die „höhere Absicht des Ichs“ (1) oder der „Weg zum Thron“.

In einer erweiterten Betrachtungsweise können wir in Karte 2 das Hindernis sehen, das uns blockiert: den Schatten, der uns, sofern wir ihn erlösen, zu dem führt, was Karte 7 zeigt. In den Karten 5 und 6 liegt der Hintergrund, vor dem sich das Problem unserer gegenwärtigen Situation konstelliert (3). Die Karten auf den Plätzen 8 und 9 zeigen die inneren Gespenster (Hoffnungen und Ängste), die wir außen anziehen, weil sie sich zu unseren seelischen Dispositionen komplementär verhalten.

 

Deutung
1. Der Signifikator

Er zeigt die Position, in der du dich befindest, und reflektiert damit das Thema, um das es geht.

2. Die Blockade

Sie beschreibt den inneren oder äußeren Widerstand, der dich lähmt. Sie zeigt aber auch deine verdrängte Seite, die dich irgendwann vollständig machen wird, wenn es dir gelingt, sie bewusst zu leben.

3. Vordergründiges Erleben

Diese Karte illustriert das vordergründige Ziel, das du anstrebst, all das, was du siehst und vor Augen hast. Deshalb steht sie für alles, was an der Oberfläche treibt und offen eingesehen werden kann.

4. Die Grundlage

Die Grundlage ist die Urwurzel oder das Fundament der Angelegenheit. Sie zeigt die tieferen Voraussetzungen, die dahin geführt haben, wo du jetzt stehst. „Darauf ruht es“ heißt die magische Formel. Sie deutet auf den unbewussten Urquell hin. Nicht selten wirst du von dieser Karte sehr überrascht sein, weil du die Beweggründe verdrängst, die ins Bewusstsein gehoben werden wollen.

5. Jüngere Vergangenheit

Auf der fünften Position werden die unmittelbar zurückliegenden Ereignisse („Das war zuvor“) reflektiert. Sie zeigt die sichtbaren, in den materiellen Alltag eingewobenen Auswirkungen der unbewussten Grundlagen von Karte 4.

6. Nähere Zukunft

Die unmittelbare Zukunft gibt dir einen Ausblick auf die in die Welt hineinschwingenden, sich bald offen manifestierenden Auswirkungen („Das kommt danach“). Damit repräsentiert sie eine direkte Folge der Positionen 4 und 5.

7. Das höhere Selbst

Die siebte Karte steht zur ersten wie das „Selbst“ zum „Ich“. Sie zeigt dir das Wachstumspotential, das vom Ich durch die Entwicklungsaufgabe der Situation, in der du dich befindest, integriert werden will.

8. Das Umfeld

Die nächste Karte beschreibt deine Position aus der Sicht der anderen: das Bild, das deine Umwelt von dir hat und auf das du nur so reagieren kannst, wie du glaubst, dass es die anderen erwarten.

9. Hoffnungen und Ängste

Die vorletzte Karte offenbart die Welt im Spiegel deiner Erwartungen und Befürchtungen. Sie macht dir die Maske bewusst, die du trägst, wenn du mit deinen inneren Welten konfrontiert wirst. Sie zeigt dir, wie du auf das reagierst, von dem du annimmst, dass es der Situation deines Erlebens entspricht – ganz egal, ob es passiert oder nicht.

10. Krönung und Ziel

Hier vollendet sich, was in dir als Ende und neuer Anfang verwirklicht werden will. Diese letzte Karte fasst in ihrem Brennpunkt die neun übrigen zusammen und ist gleichermaßen das Ziel der Entwicklung und der Samen, aus dem eine neue Zielsetzung geboren werden kann.

Die Tarot-Meditation

Die wohl intuitivste, tief greifendste und seriöseste Art, mit dem Tarot umzugehen, ist die Karten-Meditation. Eine erste Annäherung an das Mysterium des Orakels können wir erreichen, wenn wir uns zur Aktivierung unserer seelischen Wahrnehmung in ein ruhiges Zimmer begeben, eine entspannte Sitzposition einnehmen und die Augen schließen. Mit etwas Geduld taucht vor unserem inneren Auge irgendwann spontan eine bestimmte Karte auf. Allmählich schwingt sie auf der Wellenlänge eines Gefühls oder einer Empfindung, auf die unsere seelischen Emanationen ansprechen. Einen Augenblick lang machen wir die Erfahrung, selbst ein Teil der Schwingung der Karte zu sein. Wir lassen uns von ihrem Ausdruck berühren und nehmen wahr, welche Sehnsüchte oder Ängste das in uns auslöst. Die Schwingungen, die unser Bewusstsein dabei aus allen gefühlsmäßigen, gedanklichen und körperlichen Assoziationen herausfiltert, sind der Fokus, auf den unsere Psyche ausgerichtet ist. Unser Unterbewusstsein versucht, selbst auf der Frequenz der betreffenden Karte zu schwingen, um sich mit ihrem Geist zu verbinden und dessen Botschaft zu empfangen.

Wir sehen an dieser Form der Meditation sehr deutlich, dass die individuellen Voraussetzungen in den Persönlichkeitsstrukturen zuerst da sind, bevor es in irgendeiner Form zur Interaktion mit der Umwelt kommt. Es ist unsere eigene seelische Disposition, die uns intuitiv zu jenen Karten führt, die unserem gegenwärtigen inneren Zustand am nächsten sind oder die mit den aktuellen Entwicklungsthemen unserer Psyche am besten korrespondieren. Die vor dem inneren Auge aufsteigenden Bilder sind ein Spiegel, in dem sich unsere innere Entwicklung reflektiert.

Manchmal ergibt sich die Meditation auch als Folge einer Befragung. Ich lege die Karten aus, und eine davon scheint für mich eine ganz besondere Bedeutung zu haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich sie mag oder nicht, entscheidend ist, was mich zwingt, sie zu mögen oder abzulehnen. Kann sie doch in mir nur etwas auslösen, was an Unerkanntem tief im Unterbewusstsein schlummert. Ob ich nun an die Wiedergeburt der Seele glaube, an die Seelenschuld, die in früheren Inkarnationen durch eigenes Handeln gebildet wurde, ist egal. Die Karte, die ich mag, verkörpert meine bewussten Ziele, und die Karte, die ich nicht mag, steht für den Schatten, der mich zurzeit begleitet. Also wende ich mich der Art und Weise zu, wie ich sie erlebe: welche Erlebnisse mich mit ihr verbinden und was ich gewinnen kann, wenn ich das, was sie in mir auslöst, erkenne und integriere.

Diese Art der Meditation verlangt eine gewisse Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf die inneren Bilder einzulassen. Ist das eigene Empfinden weniger an Bildern orientiert, sondern eher auf verstandesmäßiges Erfassen ausgerichtet, gibt es auch andere Möglichkeiten. Man kann z. B. die Beschreibungen der Trümpfe lesen und dabei darauf achten, auf welche Interpretationen bei welcher Karte man mit einem spontanen und tiefen Gefühl reagiert. So kann man sich darüber klar werden, welche Licht- und Schattenbereiche in der eigenen Seele erlöst werden wollen, nämlich alle, deren Schilderungen auf die eine oder andere Weise betroffen machen.

Der Weg zum Licht führt durch die Hölle, die nur mit Selbsterkenntnis zu überwinden ist!

Advocatus diaboli

1 Frauen lesen bei der gezogenen Karte unter „Mann“ nach, Männer unter „Frau“.

2 Frauen lesen bei der gezogenen Karte unter „Mann“ nach, Männer unter „Frau“.

3 Frauen lesen bei „Mann“ nach, Männer bei „Frau“.

4 vgl. Der gehörnte Gott



0 DER NARR

Im Alleinsein finde ich All-Eins-Sein.

Ich bin in allem – alles ist in mir!

Das Raunen der Ewigkeit

Die Karte

Das Ende des einen ist immer der Anfang des anderen. Während uns die letzte Karte der Giger-Arkana ein Raumschiff zeigt, das im Begriff ist, dem Schreckensplaneten Erde zu entkommen, sehen wir auf der ersten die Wiederankunft: Es ist ein in Windeln gewickelter Greis. So beginnt dieser Zyklus dort, wo er geendet hat, denn wir können im Untergang auch das ungeborene Potential des Anfangs erspüren, der zur Geburt eines neuen Narren führt.

Er hat noch die Nabelschnur um den Hals, und sein beinloser Rumpf steckt in einem Urinal. Dabei blickt er direkt auf die Nahtstelle des Lebens, denn das Bild zeigt eine vor ihm kniende Frau, die ihm ihre Geschlechtsöffnung entgegenstreckt. In seiner hilflosen Lage einem Embryo gleich, offenbart der Narr die Unschuld des werdenden Lebens. Dies ist der gesunde Urzustand der Psyche vor der Infizierung durch die Viren gesellschaftlicher Konditionierung. Seine Seele ist wie ein unbeschriebenes Blatt, und seine innere Leere bedeutet innere Stärke. In ihm können sich die Gegensätze noch harmonisch ergänzen, anstatt sich zu bekämpfen oder sich wechselseitig auszuschließen. Deshalb kennt der Narr den Konflikt zwischen rationalem Verstand und Triebnatur noch nicht, und deshalb auch sieht er zwischen den Beinen der Frau mehr als nur ihr Geschlecht. Vor seinem geistigen Auge öffnet sich der Blick auf die Stufen zum Leben, auf die Umformung des Ewigen in die Körperlichkeit der Materie. Er sieht sich im Moment seines Vergehens auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, am Ziel seiner Wünsche, wo der Abgrund der Äonen aufbricht und ihn einen Schimmer des schwindelerregenden Ursprungs erahnen lässt, in dessen Sphären das Gesicht der Mutter aufgeht. Er küsst es auf den Mund, wird neu geboren und kehrt als Embryo zurück.1 Spirituell ist dies mit der Aufnahme in den Tempel des Lichtes gleichbedeutend.

In den Gefühlen des Narren mischt sich die Sehnsucht nach dem Leben mit der Sehnsucht nach dem Tod, denn das Streben des Ungeborenen zum Dasein bringt unweigerlich die innere Tendenz des Geborenen hervor, sich selbst in den Zielen des Lebens wieder zu zerstören, auf dass sich die Schöpfung bewege! Am Ende jeden Weges trifft er wieder auf die Wurzel der Anfänge, weil er ahnt, dass er schon immer war, was er ist, und immer sein wird, was er je werden kann, weil er sich nach den Zielen sehnt, die schon von allem Anfang in ihm waren. Diese Janusköpfigkeit des ewig-jungen, alterslos-betagten Narren kommt durch die Tatsache zum Ausdruck, dass sich die „Flöte“ bei genauerem Hinsehen als Schrotflinte entpuppt. Damit erschießt sich der Narr bereits vor der Geburt, sozusagen exemplarisch für alles, was dem Leben – und damit dem Tode – zustrebt.

Die traditionelle Auslegung

Der Narr symbolisiert die Drehscheibe im göttlichen Schöpfungsplan: Einerseits verkörpert er das Nichts an der Schwelle zum Sein, was durch die embryonale Haltung in dem Urinal zum Ausdruck gebracht wird. Andererseits strebt er aber gerade durch sein Zu-Etwas-Werden dem eigenen Ende entgegen, was der in den Mund gehaltene Gewehrlauf drastisch verdeutlicht. Wir erkennen auch, dass sich die Ursachen der Vergangenheit in ihren gegenwärtigen und zukünftigen Wirkungen widerspiegeln. In ihren karmischen Ausschwingungen trägt die Vergangenheit die Muster einer werdenden Zukunft schon in sich. Ebenso enthält das Erbgut der Eltern Informationen für das ungeborene Leben, wie es sich zu entwickeln und wonach es sich im Dasein auszurichten habe.

Damit begegnen wir dem Ende, das doch nur am Anfang eines neuen Endes steht. Da das Ende den Anfang gebären und der Anfang die Voraussetzungen für das Ende bereitstellen muss, ist das Universum das Ziel, das im Narren als geistige Anlage vorhanden ist. Mit anderen Worten: Vergangenheit und Gegenwart sind beide gleich wirklich, denn das Ende ist der Anfang. Und ebenso kann man den Anfang als das Ende bezeichnen, denn das Ende ist immer wieder ein neuer Anfang eines weiteren Endes, das auf einer anderen Ebene ein immer weiteres Ende eines neuen Anfangs voraussetzt.

Im philosophischen Sinne können wir in dem Anfang, der sein Ende keimhaft in sich trägt, das Wirken des Gleichgewichtsprinzips in allen Wegen der Natur erkennen. Im Grunde können wir niemals von unserem eigentlichen Weg abweichen, wie falsch wir auch immer von einem begrenzten Gesichtspunkt aus gesehen handeln mögen. Der Narr beseitigt die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Ego und Umwelt, denn er ist die innere Mitte, gleichsam der Nabel der Schöpfung. Aus diesem Grunde birgt schon er allein das gesamte Potential und das endgültige Ziel aller zweiundzwanzig Großen Arkana des Tarots in sich. Er zeigt uns die Daseinsebene an, von der aus wir uns von allen überkommenen Bildern und Verstrickungen befreien können, um uns ganz leer und empfänglich für das Unbekannte zu machen. Mit dieser Karte schlagen wir eine neue Seite im Buche des Lebens auf!