Umwandlungsgesetz

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2. Widerspruch zur Niederschrift (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS)

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Die Verpflichtung zur Abgabe eines Barabfindungsangebots beschränkt sich auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, die gegen den Verschmelzungsbeschluss gestimmt haben und Widerspruch zur Niederschrift in das Protokoll über die beschließende Versammlung der Anteilsinhaber erklärt haben. Das bloße Stimmen gegen den Verschmelzungsbeschluss reicht nicht aus (BGH NJW 1989, 2693; Grunewald in Lutter, § 29 Rn 11). Der Anteilsinhaber muss zudem zur Niederschrift im Versammlungsprotokoll angegeben haben, dass er nicht Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers werden will. Obwohl der Wortlaut des § 29 Abs 1 S 1 nicht ausdrücklich voraussetzt, dass der Anteilsinhaber gegen die Verschmelzung stimmt, ist die Barabfindung grds an die Voraussetzung geknüpft, dass der Anteilsinhaber gegen die Verschmelzung stimmt (hM Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 22; aA Marsch-Barner in Kallmeyer, § 29 Rn 15 mit Verweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut). Der Anteilsinhaber fällt nur in den Schutzbereich des § 29, wenn die Verschmelzung gegen seinen Willen beschlossen wird; dulden der Verschmelzung und liquidieren der Barabfindung sind nicht zulässig. Ausnahmen gelten, wenn der Anteilsinhaber aufgrund gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht oder einer Vereinbarung (Stimmenpool) an einer Stimmenabgabe gegen die Verschmelzung gehindert ist (differenzierend Grunewald in Lutter, § 29 Rn 10).

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Erforderlich ist, dass der Widerspruch unmittelbar in der Versammlung erklärt wird, in der der Beschl zur Verschmelzung gefasst worden ist. Dies berücksichtigt das Bedürfnis des übernehmenden Rechtsträgers, möglichst schnell den maximalen Umfang einer von ihm zu leistenden Barabfindung zu kennen. Zusätzliche Barabfindungen sind nur noch an Anteilsinhaber zu zahlen, die gem § 29 Abs 2 auch ohne Widerspruch berechtigt sind, gegen Barabfindung aus dem übernehmenden Rechtsträger auszutreten (vgl Rn 53 ff). Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich; der Widerspruch wahrt nur die Rechtsstellung des überstimmten Anteilsinhabers.

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Ist str, ob der Anteilsinhaber Widerspruch eingelegt hat, beschränkt sich die Darlegungs- und Beweislast auf den Widerspruch. Eine nicht ordnungsgemäße Niederschrift hindert dagegen nicht den Anspruch auf ein Barabfindungsangebot. Die Niederschrift als Formvorschrift dient dem Informationsinteresse des übernehmenden Rechtsträgers (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 16). Auf eine fehlende Niederschrift kann er sich nicht berufen, wenn der Anteilsinhaber den Widerspruch anderweitig beweist (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 29 Rn 12; Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 12).

3. Verfügungsbeschränkungen (§ 29 Abs 1 S 2)

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§ 29 Abs 1 S 2 stellt der Mischverschmelzung die Verschmelzungsvorgänge gleich, bei denen Rechtsträger gleicher Rechtsform beteiligt sind, und die Anteile am übernehmenden Rechtsträger Verfügungsbeschränkungen unterliegen. Die Verfügungsbeschränkung führt zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsposition der Anteilsinhaber.

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Inwieweit bereits beim übertragenden Rechtsträger die Verfügbarkeit der Anteile beschränkt ist, spielt aufgrund des eindeutigen Wortlauts grds keine Rolle (hM Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 13; Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 5). Etwas anderes soll nach dem Zweck der Vorschrift allerdings gelten, wenn die Verhältnisse bei beiden Rechtsträgern identisch sind, so dass sich die Stellung des Anteilsinhaber weder rechtlich noch tatsächlich durch die Verschmelzung verschlechtert; zB die Verschmelzung auf eine Schwestergesellschaft gleicher Rechtsform mit denselben Anteilsinhabern (hM; Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 29 Rn 10; Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 12 (teleologische Reduktion); Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 13 (gesellschaftsrechtliche Treuepflicht); einschränkend Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 5). Abgesehen von diesem Sonderfall erscheint es aber zweifelhaft, wie bzw woran eine rechtliche und tatsächlich identische Rechtsposition eines Anteilsinhabers festgestellt werden soll, so dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Verhältnisse beim übertragenden Rechtsträger vollständig ausgeklammert bleiben sollten. Wird die Anteilsverfügbarkeit dagegen eindeutig erweitert, ist der Anwendungsbereich des § 29 Abs 1 S 2 aufgrund teleologischer Reduktion nicht eröffnet. (hM Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 12; Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 5).

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Verfügungsbeschränkungen sind alle gesetzlichen, vertraglichen, satzungsrechtlichen oder sonstigen Regelungen, die die freie Verfügbarkeit der Anteile des übernehmenden Rechtsträgers (auch nur vorübergehend) einschränken wie zB § 15 Abs 5 GmbHG, § 68 Abs 2 S 1 AktG oder eine kraft Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Gesetz erforderliche Zustimmung des Rechtsträgers, seiner Anteilsinhabern, Organe oder Dritter für eine wirksame Übertragung oder dingliche Belastung der Anteile (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 3). Die Verfügungsbeschränkung kann auf einzelne Anteilsinhaber, Anteile oder Übertragungen begrenzt sein – ausgenommen sind dagegen Beschränkungen für Verfügungen von Todes wegen oder Ausschlussklauseln; sie fallen nicht unter § 29 Abs 1 S 2 (Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 9). Erforderlich ist eine dingliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis.

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Schuldrechtlich begründete Einschränkungen der Verfügungsbefugnis fallen dagegen nicht unter § 29 Abs 1 S 2 (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 10; Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 15). Vorkaufsrechte, Erwerbsoptionen oder aufschiebend bedingte Übertragungsgeschäfte zugunsten der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers verpflichten daher nicht zu einem Barabfindungsangebot (hM Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 15; einschränkend für Stimmen-Poolvertrag mit satzungsgleicher Wirkung und Vorkaufsrechte etc Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 8 f; abl Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 3, da der Poolvertrag die neuen Anteilsinhaber ohne Beitritt zur Vereinbarung nicht bindet).

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Eine analoge Anwendung des § 29 Abs 1 S 2 auf andere Beschränkungen des Anteilsinhabers wie zB Wettbewerbsverbote oder Nachschusspflichten lehnt die hM zu recht ab (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 31). Der Wortlaut des § 29 Abs 1 S 2 ist eindeutig auf Beschränkungen der Verfügungsbefugnis gerichtet und insoweit eng auszulegen. IÜ fehlt es an einer die analoge Anwendung rechtfertigenden Vergleichbarkeit mit dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkungen und der Schutzbedürftigkeit der Anteilsinhaber. Diese können idR auch außerhalb des eigentlichen Verschmelzungsverfahrens aus einem der beteiligten Rechtsträger austreten und verfügen insoweit über hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 32).

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Keine Verfügungsbeschränkung sind einschränkende Vorschriften zur Form der Übertragung wie zB § 15 Abs 3 GmbHG, § 68 Abs 1 AktG (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn9). Die gesetzliche Beschränkung der Teilbarkeit von Aktien oder GmbH-Anteilen (vgl § 8 Abs 5 AktG, § 17 Abs 1, 6 GmbHG) fällt ebenfalls nicht unter § 29 Abs 1 S 2 (hM; Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 16; Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 9).

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Die gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen für Anteile an PersGes (§§ 717, 719 Abs 1 BGB, §§ 105 Abs 3, 161 Abs 2 HGB, § 1 Abs 4 PartGG) bewirken, dass grds bei jeder Verschmelzung mit einer PersGes als übernehmendem Rechtsträger ein Barabfindungsangebot gemacht werden muss. Etwas anderes gilt nur, sofern der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält. Wird die freie Verfügbarkeit dagegen nur schuldrechtlich beschränkt, handelt es sich nicht um einen Fall des § 29 Abs 1 S 2 (vgl Rn 25).

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Gleiches gilt für die Verschmelzung von zwei Vereinen einschl der unter die Vereinsvorschriften fallenden Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, soweit nicht die gesetzlichen Verfügungsbeschränkung gem §§ 38, 40 BGB durch eine Regelung in der Satzung aufgehoben sind. Bei gemeinnützigen Vereinen sind die §§ 29–34 ausgeschlossen (vgl § 104a). Zur Verschmelzung von Genossenschaften vgl Vorb zu §§ 29–34 Rn 9.

 

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Wie im Fall der Mischverschmelzung ist bei Verfügungsbeschränkungen Voraussetzung für einen Anspruch auf Barabfindung, dass die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gegen die Verschmelzung stimmen und Widerspruch zur Niederschrift erklären (vgl Rn 19 ff).

VI. Rechtsfolge

1. Barabfindungsangebot für Anteilserwerb (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS)

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Rechtsfolge des § 29 Abs 1 S 1 ist die Verpflichtung des übernehmenden Rechtsträgers, den widersprechenden Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers ein Angebot zum Erwerb deren Anteile gegen eine angemessen Barabfindung zu machen. § 29 verschafft den widersprechenden Anteilsinhabern mittelbar einen Geldleistungsanspruch, dessen Höhe mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (§ 30) umschrieben wird. Die Angemessenheit ist im Spruchverfahren gerichtlich voll überprüfbar (vgl § 34).

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§ 29 Abs 1 S 1 spricht rechtstechnisch nur die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots auf angemessene Barabfindung Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile aus. Adressaten des Angebots sind die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, die in der Versammlung, in der über die Verschmelzung beschlossen wird, gegen die Verschmelzung stimmen und widersprechen (sowie die Anteilsinhaber, bei denen gem § 29 Abs 2 der Widerspruch überflüssig ist, vgl Rn 53 ff).

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Durch das Angebot entsteht bereits ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis (§ 311 BGB). Der schuldrechtliche Vertrag über den Erwerb der Anteile gegen Abfindung kommt jedoch erst mit der Annahme des Angebots durch den Anteilsinhaber zustande (§ 31 Rn 8).

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Das Angebot muss im Verschmelzungsvertrag oder seinem Entwurf enthalten sein (§ 29 Abs 1 S 1). Ist eine Bekanntmachung des Verschmelzungsvertrags oder seines Entwurfs erforderlich, so ist gem § 29 Abs 1 S 4 das Barabfindungsangebot im Wortlaut in die Bekanntmachung aufzunehmen (vgl Rn 48 ff).

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Überflüssig ist ein Angebot, wenn alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers bereits in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers sind (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 19; Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 23; Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 29 Rn 16).

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Die Verpflichtung fällt weg, wenn alle Anteilsinhaber zuvor den Verzicht auf ein Barabfindungsangebot erklärt haben (vgl Vorb zu §§ 29–34 Rn 5). Der Wille zum Verzicht muss sich in Anlehnung an vergleichbare Regelungen im UmwG (§§ 8 Abs 3, 12 Abs 3, 30 Abs 2) ausdrücklich aus der Erklärung des Anteilsinhabers ergeben (Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 38; Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 11). Str ist, inwieweit aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutz der Anteilsinhaber wie im Fall der Verzichtserklärung gem § 32 Abs 2 bes Anforderungen an die Form einer Verzichtserklärung zu stellen sind, wie zB eine notarielle Beurkundung oder Aufnahme in den Verschmelzungsbeschluss (differenzierend Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 UmwG Rn 38; abl Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 18). Beruft sich der Anteilsinhaber darauf, dass er keinen Verzicht erklärt hat, muss er nur den Widerspruch gegen den Verschmelzungsbeschluss nachweisen. Die aufgenommene Verzichtserklärung hat insoweit lediglich Indizwirkung. Für die Wirksamkeit und die (nachträgliche) Beseitigung einer Verzichtserklärung gelten die allg zivilrechtlichen Vorschriften über die Beseitigung einer Willenserklärung durch Anfechtung oder Widerruf.

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Verstößt der übernehmende Rechtsträger gegen die Verpflichtung, weil er kein Barabfindungsangebot in den Verschmelzungsvertrag aufnimmt, hindert dies nicht den Vollzug der Verschmelzung. Aus §§ 32, 34 folgt, dass sich der Rechtsschutz der widersprechenden Anteilsinhaber insoweit auf das Spruchverfahren beschränkt.

2. Vorrang vor Kapitalschutzvorschriften (§ 29 Abs 1 S 1 2. HS)

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Ist der übernehmende Rechtsträger eine GmbH oder eine AG, kann die Verpflichtung zum Erwerb der eigenen Anteile mit den gesetzlichen Kapitalschutzvorschriften kollidieren. Das UmwG löst diesen Konflikt in § 29 Abs 1 S 1 2. HS zugunsten der widersprechenden Anteilsinhaber, da es § 71 Abs 4 S 2 AktG und § 33 Abs 2 S 3 2. HS 1. Alt GmbHG für nicht anwendbar erklärt. Folge der Nichtanwendbarkeit beider Vorschriften ist, dass trotz eines Verstoßes gegen die Kapitalschutzvorschriften nicht nur der dingliche, sondern auch der schuldrechtliche Teil des Erwerbsgeschäft wirksam ist. Eine Rückabwicklung wegen rechtsgrundlosen Erwerbs gegen den Willen der Anteilsinhaber ist nicht möglich.

a) Erwerb eigener Anteile durch AG (§ 71 Abs 4 S 2 AktG)

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Gem § 71 Abs 1 Nr 3 AktG ist der Erwerb eigener Anteile im Rahmen einer Umw zur Abfindung von Anteilsinhabern ausdrücklich zulässig. Gem § 71 Abs 2 S 1 AktG ist der Erwerb jedoch auf 10 % des Grundkapitals beschränkt. Außerdem muss die AG gem § 71 Abs 2 S 2 AktG im Erwerbszeitpunkt für die eigenen Aktien eine Rücklage bilden können (§ 272 Abs 4 HGB), ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht für Zahlungen an die Aktionäre verwendet werden darf. Ein Verstoß gegen diese Voraussetzungen beseitigt nicht die dingliche Wirksamkeit des Erwerbs (§ 71 Abs 4 S 1 AktG). Der Verstoß führt aber aber grds zur Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts (§ 71 Abs 4 S 2 AktG), so dass das rechtsgrundlose Erwerbsgeschäft eigentlich rückabgewickelt werden könnte.

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Aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 29 Abs 1 S 1 2. HS bleibt zugunsten der widersprechenden Anteilsinhaber auch das Verpflichtungsgeschäft wirksam, da § 71 Abs 4 S 2 AktG hiernach keine Anwendung findet. Eine Rückabwicklung gegen den Willen der ehemaligen Anteilsinhaber ist nicht möglich. Auch vor der Annahme des Angebots durch den widersprechenden Anteilsinhaber kann der übernehmende Rechtsträger sein Angebot nicht durch Widerruf beseitigen oder nach Annahme die Erfüllung des Erwerbsgeschäfts unter Berufung auf ein Leistungsverweigerungsrecht verhindern (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 26; aA Schmitt/Hörtnagel/Stratz § 29 Rn 13; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 29 Rn 27). Das UmwG wertet die Interessen des widersprechenden Anteilsinhabers höher als die Verpflichtung des übernehmenden Rechtsträgers zum Erhalt des eigenen Kapitals.

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IÜ bleiben die gesetzlichen Vorschriften zum Schutz des Kapitals der AG anwendbar. Verstößt der Erwerb der eigenen Anteile gegen Barabfindung gegen die Voraussetzungen in § 71 Abs 2 AktG, muss die AG die erworbenen Anteile fristgerecht wieder veräußern oder einziehen (vgl § 71c AktG). Kann zum Bilanzstichtag die Rücklage iSd § 272 Abs 4 HGB nicht gebildet werden, ist der Jahresabschluss nichtig (§ 256 Abs 1 Nr 1 AktG). Nicht anwendbar ist dagegen die Haftung der Aktionäre für unzulässige Rückgewähr der Einlagen gem §§ 57 Abs 1, 62 AktG, weil die Anordnung in § 29 Abs 1 S 1 2. HS gerade bezweckt, dass die Anteilsinhaber den Vermögenswert ihrer Anteile dauerhaft realisieren (Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 27; Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 29).

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War bereits vor bzw im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers absehbar, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs 2 AktG, § 272 Abs 4 HGB nicht zu erfüllen sind, führt dies zur Rechtswidrigkeit und Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses der Anteilsinhaber beim übernehmenden Rechtsträger (hM Winter/Grunewald in Lutter, § 29 Rn 24; Kalss in Semler/Stengel, § 29 Rn 33; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 29 Rn 27; aA für die 10 %-Grenze Schmitt/Hörtnagel/Stratz § 29 Rn 12, der darauf hinweist, dass dem übernehmenden Rechtsträger Möglichkeiten für eine Korrektur bleiben). Anfechtungsberechtigt sind nur die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers. Prüfungsmaßstab ist aus ex-ante-Sicht, ob die Geschäftstätigkeit des übernehmenden Rechtsträgers es erlaubte, bis zum Bilanzstichtag genügend freies Vermögen iSd § 71 Abs 2 S 2 AktG zur Bildung der Rücklage iSd § 272 Abs 4 HGB zu erwirtschaften (vgl Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 31.2).

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Der Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften führt nicht zur Rechtswidrigkeit und Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses durch die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, weil die Kapitalerhaltungsvorschriften nur den übernehmenden Rechtsträger betreffen. Eine diesbezügliche Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses durch die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers würde daher im Grunde ausscheiden. Da sich die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers aber nicht auf eine Anfechtung durch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers wegen eines Verstoßes gegen Kapitalerhaltungsvorschriften verlassen müssen, steht auch Ihnen ein entspr Recht zur Anfechtung zu, um der ggf bestehenden Unwirksamkeit ihres Erwerbs von Aktien an der übernehmenden Gesellschaft Rechnung zu tragen, wenn aus ex-ante-Sicht bereits vor Fassung des Verschmelzungsbeschlusses klar war, das gegen § 71 Abs 2 AktG verstoßen wird. (vgl Winter/Grunewald in Lutter, § 29 UmwG Rn 24).

b) Erwerb eigener Anteile durch GmbH (§ 33 Abs 2 S 3 2. HS 1. Alt GmbHG)

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Sofern die GmbH die Rücklage gem § 272 Abs 4 HGB bilden kann, darf sie aus freiem Vermögen vollständig eingezahlte eigene Anteile erwerben (§ 33 Abs 2 S 1 GmbHG). Innerhalb von sechs Monaten nach der Verschmelzung (Umw) oder der rechtskräftigen Durchführung des Spruchverfahrens gem § 34 ist ein Anteilserwerb darüber hinaus bereits zulässig, soweit die GmbH die Rücklage iSd § 272 Abs 4 HGB bilden kann (vgl § 33 Abs 3 GmbHG). Da die Rücklage beim Jahresabschluss zum Bilanzstichtag gebildet wird, kann die Erfüllung der Voraussetzungen regelmäßig erst nachträglich festgestellt werden. Trotz Verstoßes bleibt das dingliche Geschäft bereits nach den Vorschriften des GmbHG wirksam (§ 33 Abs 2 S 3 1. HS GmbHG). Wie bei der AG sieht das GmbHG lediglich vor, dass das Verpflichtungsgeschäft gem § 33 Abs 2 S 3 2. HS 1. Alt GmbHG unwirksam wäre.

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Aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 29 Abs 1 S 1 2. HS bleibt trotz eines Verstoßes gegen die Kapitalschutzvorschriften beim Erwerb der eigenen Anteile gegen Barabfindung auch das Verpflichtungsgeschäft wirksam. Eine Rückabwicklung gegen den Willen der widersprechenden Anteilsinhaber ist nicht möglich. Ausgeschlossen ist auch der Widerruf des Barabfindungsangebots oder die Verweigerung der Erfüllung des Abfindungsanspruchs nach Annahme durch die widersprechenden Anteilsinhaber (vgl Rn 33).

 

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IÜ, insbes zur Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses, ist auf die Ausführungen zur AG zu verweisen (vgl Rn 42).

c) Nicht voll eingezahlte Stammeinlagen

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Die Verpflichtung zu Barabfindung gilt auch gegenüber den Anteilsinhabern, die ihre Einlagen noch nicht voll eingezahlt haben. Innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 33 Abs 3 GmbHG ergibt sich dies bereits aus der gesetzlichen Systematik der § 33 Abs 2, 3 GmbHG, wonach in Umwandlungsfällen keine Beschränkung des Erwerbs auf vollständig eingezahlte Einlagen gilt (§ 33 Abs 3 GmbHG). Die noch ausstehende Einlagenforderung des übertragenden Rechtsträgers kann iRd Bestimmung des angemessenen Barabfindungsangebots berücksichtigt werden. Offene Einlagenforderungen sind mit der Barabfindung zu verrechnen. Ein verbleibender Differenzbetrag ist an den Anteilsinhaber auszuzahlen (vgl Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 30).