Umwandlungsgesetz

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b) Vor Eintragung der Verschmelzung

5

Vor der Eintragung der Verschmelzung in das Register des übernehmenden Rechtsträgers ist eine Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses des übertragenden Rechtsträgers gegen den – noch nicht gem § 20 Abs 1 Nr 2 erloschenen – übertragenden Rechtsträger zu richten. Eine solche Klage verhindert idR die Eintragung der Verschmelzung (§ 16 Abs 2 S 2). Wird die Verschmelzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gem § 16 Abs 3 S 1 oder aufgrund einer unzutreffenden Negativerklärung iSd § 16 Abs 2 S 1 oder aufgrund eines Fehlers beim Register eingetragen, so ist die Klage gegen den übernehmenden Rechtsträger fortzuführen, da der übertragende Rechtsträger gem § 20 Abs 1 Nr 2 erloschen ist. Hierfür muss jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen (vgl Rn 4).

2. Sonstige Klagen gegen den übertragenden Rechtsträger

6

Der Sinn und Zweck des § 28, die Überleitung der Passivlegitimation vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger, gebietet es, die Vorschrift des § 28 entspr auf sonstige Klagen gegen den übertragenden Rechtsträger anzuwenden. Hierunter fallen insbes Klagen gegen sonstige Beschl der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, zB Kapitalmaßnahmen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung bereits anhängig sind, oder danach anhängig gemacht werden (Grunewald in Lutter, § 28 Rn 4; Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 28 Rn 5, Vossius in Widmann/Mayer, § 28 Rn 16). Entspr gilt auch für ein anhängiges Auskunftserzwingungsverfahren gem § 132 AktG, wenn der übertragende Rechtsträger AG ist (Grunewald in Lutter, § 28 Rn 5).

3. Klagen gegen den übernehmenden Rechtsträger

7

§ 28 gilt nicht für Klagen gegen den übernehmenden Rechtsträger, auch nicht für Klagen der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses. Da der übernehmende Rechtsträger infolge der Verschmelzung nicht erlischt, bleibt er passiv legitimiert. Solche Anfechtungsklagen vor Wirksamwerden der Verschmelzung hindern idR die Eintragung. Erfolgt die Eintragung – gleich aus welchen Gründen – trotzdem, so kann ein Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise in der Vorbereitung von Schadensersatzklagen gegeben sein (Grunewald in Lutter, § 28 Rn 8; Kübler in Semler/Stengel, § 28 Rn 9).

Vorbemerkung zu §§ 29–34
I. Regelungsgegenstand

1

Regelungsgegenstand der §§ 29–34 ist, den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, gegen deren Willen eine Verschmelzung erfolgt, unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu eröffnen, gegen eine angemessene Barabfindung aus dem übernehmenden Rechtsträger auszuscheiden. Das Gesetz trägt so dem verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz Rechnung. Die angemessene Barabfindung rechtfertigt, als gesetzlich garantierte Entschädigung die vom UmwG eröffnete Möglichkeit, dass die überstimmten Anteilsinhaber gegen ihren Willen eigene Rechts- bzw. Vermögenspositionen verlieren.

2

Rechtstechnisch legt § 29 dem übernehmenden Rechtsträger die Verpflichtung auf, ein Barabfindungsangebot in den Verschmelzungsvertrag oder seinen Entwurf aufzunehmen. Das Angebot richtet sich an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, die dem Verschmelzungsbeschluss widersprechen und muss eine der Höhe nach angemessene Barabfindung enthalten (§ 30). Die widersprechenden Anteilsinhaber können das Angebot gem § 31 innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eintragung der Verschmelzung oder Rechtskraft der Entscheidung über die Höhe der Barabfindung im Spruchverfahren (§ 34) annehmen. Nimmt ein Anteilsinhaber das Angebot an, ist der übernehmende Rechtsträger zum Erwerb seiner eigenen Anteile gegen Zahlung der Barabfindung verpflichtet. Die dem Kapitalschutz dienenden gesellschaftsrechtlichen Einschränkungen in § 71 Abs 4 S 2 AktG und § 33 Abs 2 S 3 2. HS 1. Alt GmbHG für den Erwerb eigener Anteile bei der AG und GmbH finden insoweit keine Anwendung (keine Nichtigkeit des schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfts). Sofern die Rechtsform einen Erwerb der eigenen Anteile nicht gestattet, scheidet der Anteilsinhaber gegen Barabfindung aus dem übernehmenden Rechtsträger aus.

3

Die Möglichkeit, nach der Verschmelzung die Anteile am übernehmenden Rechtsträger gegen eine Barabfindung aufzugeben, eröffnet das Gesetz für drei Arten von Verschmelzungsvorgängen:


die sog Mischverschmelzung, bei der ein Rechtsträger auf einen Rechtsträger anderer Rechtsform verschmolzen wird (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS);
die Verschmelzung einer börsennotierten AG auf eine nicht börsennotierte AG (§ 29 Abs 1 S 1 2. HS);
Verschmelzungen, bei denen die Anteile des übernehmenden Rechtsträgers Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind (§ 29 Abs 1 S 2).

II. Aufbau der §§ 29–34

4

§ 29 enthält die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der übernehmende Rechtsträger zur Abgabe eines Angebots auf Barabfindung verpflichtet ist. § 31 regelt die Bedingungen für die Annahme durch den Anteilsinhaber, insbes die gesetzliche Annahmefrist von zwei Monaten. § 30 bestimmt, wie der Inhalt des Angebots, dh die angemessene Höhe der Barabfindung zu ermitteln ist. Die §§ 32, 34 beschränken den Rechtsschutz des Anteilsinhabers hinsichtlich der Barabfindung auf das Spruchverfahren, in dem nur überprüft wird, ob der übernehmende Rechtsträger eine angemessene Barabfindung angeboten hat; eine Klage gegen den Verschmelzungsbeschluss ist insoweit ausgeschlossen. § 33 erleichtert dem Anteilsinhaber die Möglichkeit, in der Zeit zwischen Fassung des Verschmelzungsbeschlusses und Ablauf der zweimonatigen Annahmefrist seine Anteile anderweitig zu veräußern.

III. Funktion

5

Die §§ 29–34 dienen dem Minderheitenschutz sowie dem Interessenausgleich zwischen der Mehrheit der Anteilsinhaber, die für die Verschmelzung gestimmt haben, und der überstimmten Minderheit, deren Rechts- und Vermögensposition gegen ihren Willen untergeht. Dazu sichert das Gesetz den Anteilsinhabern, die der Verschmelzung in den Fällen des § 29 Abs 1 S 1 oder 2 widersprechen, die Möglichkeit, den Vermögenswert ihrer Anteile in Form einer angemessenen Barabfindung zu realisieren. Diese Schutzfunktion gibt den §§ 29–34 zwingenden Charakter. Ein Abweichen ist grds unzulässig (vgl § 1 Abs 3; OLG Karlsruhe ZIP 2003, 78), außer die betroffenen Anteilsinhaber haben wirksam auf ein Barabfindungsangebot verzichtet.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften
1. Allgemeine Vorschriften zur Verschmelzung

6

Die §§ 29–34 sind Teil der allg Vorschriften zur Verschmelzung (§§ 2–38). Die Barabfindung ist bei den Vorschriften zur Verschmelzung durch Aufnahme geregelt. Für die Verschmelzung durch Neugründung finden die §§ 19–34 ebenfalls Anwendung (§ 36 Abs 1 S 1). Keine entspr Anwendung finden die §§ 29–34 bei der übertragenden Auflösung, dh der Übertragung des Vermögens auf den Mehrheitsgesellschafter und Auflösung der Gesellschaft aufgrund eines entspr Gesellschafterbeschluss (BayObLG ZIP 1998, 2002). In solchen Fällen ist der Gesellschafterbeschluss an sich anzugreifen.

 

2. Besondere Vorschriften zur Verschmelzung

7

Bei der Verschmelzung unter Beteiligung einer PersHandelsGes können persönlich haftende Gesellschafter statt der Barabfindung gem § 43 Abs 2 S 3 in die Stellung eines beschränkt haftenden Gesellschafters wechseln.

8

Gem § 78 S 4 liegt kein Fall einer Mischverschmelzung iSd § 29 Abs 1 S 1 1. HS vor, sofern an der Verschmelzung eine AG und eine KGaA beteiligt sind.

9

Ist der übertragende Rechtsträger eine Genossenschaft, verdrängen die Regelungen zur Ausschlagung und Auseinandersetzung in den §§ 90 ff das Recht auf Barabfindung (vgl § 90 Abs 1).

10

Bei der Übertragung eines gemeinnützigen Vereins ist die Barabfindung gem § 104a ausgeschlossen.

3. Andere Umwandlungsvorgänge

11

Für die Spaltung ordnet § 125 die Anwendung der §§ 29 ff an.

12

In den Vorschriften zur Umw durch Vermögensübertragung wird vielfach auf die Regelungen zur Verschmelzung oder auf einzelne Vorschriften der §§ 29–34 Bezug genommen.

13

Die allg Vorschriften zur Umw durch Formwechsel enthalten ebenfalls eine Regelung der Barabfindung in §§ 207–212, die teilw auf die §§ 29 ff verweist.

§ 29 Abfindungsangebot im Verschmelzungsvertrag

(1) 1Bei der Verschmelzung eines Rechtsträgers im Wege der Aufnahme durch einen Rechtsträger anderer Rechtsform oder bei der Verschmelzung einer börsennotierten Aktiengesellschaft auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft hat der übernehmende Rechtsträger im Verschmelzungsvertrag oder in seinem Entwurf jedem Anteilsinhaber, der gegen den Verschmelzungsbeschluss des übertragenden Rechtsträgers Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner Anteile oder Mitgliedschaften gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten; § 71 Abs. 4 Satz 2 des Aktiengesetzes und § 33 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz erste Alternative des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind insoweit nicht anzuwenden. 2Das Gleiche gilt, wenn bei einer Verschmelzung von Rechtsträgern derselben Rechtsform die Anteile oder Mitgliedschaften an dem übernehmenden Rechtsträger Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind. 3Kann der übernehmende Rechtsträger auf Grund seiner Rechtsform eigene Anteile oder Mitgliedschaften nicht erwerben, so ist die Barabfindung für den Fall anzubieten, dass der Anteilsinhaber sein Ausscheiden aus dem Rechtsträger erklärt. 4Eine erforderliche Bekanntmachung des Verschmelzungsvertrags oder seines Entwurfs als Gegenstand der Beschlussfassung muss den Wortlaut dieses Angebots enthalten. 5Der übernehmende Rechtsträger hat die Kosten für eine Übertragung zu tragen.

(2) Dem Widerspruch zur Niederschrift im Sinne des Absatzes 1 steht es gleich, wenn ein nicht erschienener Anteilsinhaber zu der Versammlung der Anteilsinhaber zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen oder der Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist.

Kommentierung

I.Inhalt der Vorschrift1 – 7

II.Zweck der Vorschrift8, 9

III.Verhältnis zu anderen Regelungen10

IV.Rechtsentwicklung11, 12

V.Voraussetzungen der Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots13 – 30

1.Mischverschmelzung (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS)13 – 18

2.Widerspruch zur Niederschrift (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS)19 – 21

3.Verfügungsbeschränkungen (§ 29 Abs 1 S 2)22 – 30

VI.Rechtsfolge31 – 52

1.Barabfindungsangebot für Anteilserwerb (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS)31 – 37

2.Vorrang vor Kapitalschutzvorschriften (§ 29 Abs 1 S 1 2. HS)38 – 47

a)Erwerb eigener Anteile durch AG (§ 71 Abs 4 S 2 AktG)39 – 43

b)Erwerb eigener Anteile durch GmbH (§ 33 Abs 2 S 3 2. HS 1. Alt GmbHG)44 – 46

c)Nicht voll eingezahlte Stammeinlagen47

3.Barabfindungsangebot für den Fall des Ausscheidens (§ 29 Abs 1 S 3)48

4.Form des Barabfindungsangebots (§ 29 Abs 1 S 4)49 – 51

5.Kosten der Übertragung (§ 29 Abs 1 S 5)52

VII.Einberufungsmängel gem § 29 Abs 253 – 57

Ausgewählte Entscheidungen:

BGHZ 146, 179; BGH ZIP 2003, 387; NJW 1989, 2693; OLG Düsseldorf AG 2005, 480, OLG München NZG 2008, 755.

Literatur:

Grunewald Die Auswirkungen der Macrotron-Entscheidung auf das kalte Delisting, ZIP 2004, 542; Simon/Burg Zum Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG beim „kalten Delisting“, Der Konzern 2009, 214.

I. Inhalt der Vorschrift

1

§ 29 enthält die Voraussetzungen, nach denen der übernehmende Rechtsträger zur Abgabe eines Barabfindungsangebots an Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers verpflichtet ist.

2

Gem § 29 Abs 1 S 1 1. HS muss im Falle einer Mischverschmelzung oder der Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nicht börsennotierte AG der übernehmende Rechtsträger denjenigen Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, die der Verschmelzung widersprechen, ein Angebot zum Erwerb der eigenen Anteile gegen Barabfindung machen (Rn 13 ff). § 29 Abs 1 S 1 2. HS flankiert diese Verpflichtung dadurch, dass er die Rechtsfolge der Nichtigkeit des schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfts gem §§ 71 Abs 4 S 2 AktG, 33 Abs 2 S 3 2. HS 1. Alt GmbHG für den Fall ausschließt, dass der Erwerb eigener Anteile durch eine GmbH oder AG gegen gesellschaftsrechtliche Kapitalschutzvorschriften verstößt (Rn 38 ff).

3

§ 29 Abs 1 S 2 stellt der Mischverschmelzung die Fälle gleich, in denen die Anteile am übernehmenden Rechtsträger Verfügungsbeschränkungen unterliegen (Rn 22 ff).

4

Sofern der übernehmende Rechtsträger aufgrund seiner Rechtsform die eigenen Anteile nicht erwerben kann, verpflichtet ihn § 29 Abs 1 S 3 stattdessen zur Abgabe eines Barabfindungsangebots für den Fall des Ausscheidens eines Anteilsinhabers aus dem übernehmenden Rechtsträger (Rn 48).

5

§ 29 Abs 1 S 4 bestimmt, dass der Wortlaut des Barabfindungsangebots in der Bekanntmachung des Verschmelzungsvertrags oder seines Entwurfs enthalten sein muss (Rn 49).

6

§ 29 Abs 1 S 5 verpflichtet den übernehmenden Rechtsträger, die Kosten für den Erwerb der eigenen Anteile zu übernehmen (Rn 52).

7

Das Barangebot richtet sich gem § 29 Abs 1 S 1 1. HS grds nur an die Anteilsinhaber, die gegen den Verschmelzungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben. § 29 Abs 2 stellt dem Widerspruch zur Niederschrift bestimmte Fälle gleich, in denen ein Anteilsinhaber sein Widerspruchsrecht nicht ausüben konnte (Rn 53 ff).

II. Zweck der Vorschrift

8

§ 29 schützt die Minderheit der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, die bei der Beschlussfassung über die Verschmelzung überstimmt worden sind und nicht bereit sind, dauerhaft Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers zu sein. Die durch das UmwG eröffnete Möglichkeit, dass durch die Verschmelzung die überstimmten Anteilsinhaber ihre Rechtsposition am übertragenden Rechtsträger gegen ihren Willen verlieren, wird durch die gesetzlich garantierte Entschädigung zum Verkehrswert (§ 30 Abs 1) gerechtfertigt.

9

In den in § 29 Abs 1 S 1 und 2 aufgezählten Fällen führt die Verschmelzung zu einer Veränderung der Rechtsstellung der Anteilsinhaber bzw der wirtschaftlichen Substanz ihrer Anteile. Um die Interessen der im Verschmelzungsbeschluss überstimmten bzw der widersprechenden Anteilsinhaber zu schützen, verpflichtet § 29 den übernehmenden Rechtsträger, nach der Verschmelzung von den überstimmten bzw widersprechenden Anteilsinhabern die Anteile gegen eine Barabfindung zu erwerben bzw im Falle des Ausscheidens dieser Anteilsinhaber eine Barabfindung zu zahlen. Rechtstechnisch enthält § 29 nur die Verpflichtung zur Abgabe des Barabfindungsangebots. Die widersprechenden Anteilsinhaber haben ein nach § 31 befristetes Recht zu der Annahme der Barabfindung. Das Barabfindungsangebot schließt eine anderweitige Veräußerung der Anteile nicht aus; diese wird sogar durch § 33 erleichtert.

 

III. Verhältnis zu anderen Regelungen

10

Vgl Vorb zu §§ 29–34 Rn 6 ff.

IV. Rechtsentwicklung

11

Das erste ÄndG UmwG 1995 dehnte den Anwendungsbereich des § 29 Abs 1 S 2 auf alle gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkungen aus.

12

Das zweite ÄndG UmwG 2007 stellt dem Fall der Mischverschmelzung in § 29 Abs 1 S 1 1. HS die Verschmelzung einer börsennotierten AG auf eine nicht börsennotierte AG gleich. § 29 Abs 1 S 1 2. HS stellt nunmehr klar, dass wie bei der AG das Verpflichtungsgeschäft beim Erwerb der eigenen Anteile durch eine GmbH auch dann wirksam ist, wenn gegen die beim Erwerb eigener Anteile geltenden gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzvorschriften verstoßen wird.

V. Voraussetzungen der Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots

1. Mischverschmelzung (§ 29 Abs 1 S 1 1. HS)

13

Unter den Begriff Mischverschmelzung fallen Verschmelzungsvorgänge, bei denen der übertragende Rechtsträger eine andere Rechtsform als der übernehmende Rechtsträger hat (vgl § 3 Abs 1, 4). Ausnahmen sind die Verschmelzung einer börsennotierten auf eine nicht börsennotierte AG (s Rn 17) und die Verschmelzungen zwischen AG und KGaA (s Rn 16). Sind mehrere übertragende Rechtsträger an der Verschmelzung beteiligt, beschränkt sich die Verpflichtung zur Abgabe eines Barabfindungsangebots auf die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger, bei denen die Voraussetzungen für eine Mischverschmelzung vorliegen (Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 12).

14

Ob verschiedene Rechtsträger beteiligt sind, ist rein formal anhand der beteiligten Rechtsformen iSd § 3 Abs 1 zu beurteilen (hM Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 29 Rn 3; Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 11). Der Zweck der Vorschrift (Rn 8 f) rechtfertigt keine teleologische Reduktion auf Verschmelzungen, in denen die Interessen der Anteilsinhaber materiell beeinträchtigt werden. Jeder Wechsel der Rechtsform kann die gesellschaftsrechtliche, haftungsrechtliche oder steuerrechtliche Rechtsposition des Anteilsinhabers sowie die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Anteile verändern. Das Gesetz geht typisierend von einer Beeinträchtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen des Anteilsinhabers aus und überlässt ihm die Bewertung, ob die Vor- oder Nachteile überwiegen (Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 29 Rn 3). Keine Mischverschmelzung liegt bei der Beteiligung einer GmbH und einer UG (haftungsbeschränkt) vor, da es sich bereits nicht um unterschiedliche Rechtsformen handelt (Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 29 Rn 4 mwN).

15

Mischverschmelzung können auch Verschmelzungen zwischen PersGes sein (zB OHG auf KG; hM Vollrath in Widmann/Mayer, § 29 Rn 11; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 29 Rn 4; Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 29 Rn 3). Das Barabfindungsangebot gilt unabhängig von der Möglichkeit, dass dem widersprechenden persönlich haftenden Gesellschafter die Stellung eines Kommanditisten gewährt wird (vgl § 43 Abs 2 S 1 1. HS). Bei der Verschmelzung einer KG auf eine OHG spielt die Barabfindung keine Rolle, weil die Verschmelzung nur mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgen kann (vgl § 40 Abs 2 S 2).

16

Soweit an Verschmelzungen AG und KGaA beteiligt sind, handelt es sich gem § 78 S 4 nicht um einen Fall der Mischverschmelzung iSd § 29. Ebenfalls keine Mischverschmelzung liegt im Fall des bloßen Wechsels des Börsensegments oder bei Verschmelzung auf eine in einem anderen Börsensegment gehandelte AG vor (vgl OLG München NZG 2008, 755).

17

Zur Mischverschmelzung gehört trotz identischer gesellschaftsrechtlicher Rechtsform als Sonderfall die Verschmelzung einer börsennotierten AG auf eine nicht börsennotierte AG. Aus wirtschaftlicher Sicht führt die Verschmelzung für die Anteilsinhaber des übertragenden börsennotierten Rechtsträgers zu einer Beschränkung der Veräußerungsmöglichkeit ihrer Anteile, was insbes dem der Mischverschmelzung in § 29 Abs 1 S 2 gleichgestellten Fall der rechtlichen Verfügungsbeschränkung vergleichbar ist. Soll eine börsennotierte AG zunächst auf eine nicht börsennotierte Gesellschaft, inbes eine AG, verschmolzen werden und im unmittelbaren Anschluss an das Wirksamwerden der Verschmelzung einer Börsennotierung der aufnehmenden Gesellschaft stattfinden, ohne dass eine zeitliche Lücke in der Börsennotierung des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers entsteht, so ist eine Ausnahme von der Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots denkbar (vgl Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 29 Rn 7). Für die Börsennotierung ist die Legaldefinition in § 3 Abs 2 AktG heranzuziehen. Entsprechend der Legaldefinition in § 3 Abs 2 AktG liegt auch keine Börsennotierung bei Aktien vor, die im Freiverkehr gehandelt werden. Daher ist § 29 Abs1 S 2 nach zutr Auffassung auch auf Fälle der Verschmelzung anwendbar, in den eine börsennotierte AG auf eine AG verschmolzen wird, deren Aktien lediglich im Freiverkehr gehandelt werden (Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 29 Rn 6; aA Simon/Burg Der Konzern 2009, 214, 218).

18

Beim sog kalten Delisting findet § 29 analog Anwendung (OLG Düsseldorf AG 2005, 480; LG Köln ZIP 2004, 220; vgl Grunewald ZIP 2004, 542). Zur Überprüfung des aktienrechtlichen Pflichtangebots beim Delisting im Spruchverfahren (BGH ZIP 2003, 387).