Umwandlungsgesetz

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o) Vergabeverfahren

51

Die Verschmelzung eines Bieterunternehmens in der Phase zwischen Ablauf der Angebotsabgabefrist und Zuschlag führt im Rechtssinn zu einer inhaltlichen Änderung des Angebots, die zum Ausschluss von der Wertung führt (OLG Düsseldorf VergabeR 2007, 92 = NZBau 2007, 254; Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 297.1).

p) Wettbewerbsverstoß

52

Wird eine Gesellschaft, die wegen eines in ihrem Unternehmen begangenen Wettbewerbsverstoßes (zB aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot) auf Unterlassung in Anspruch genommen wird, während des Rechtsstreites auf eine andere Gesellschaft verschmolzen, haftet die übernehmende Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin gem § 20 Abs 1 nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch. Hierbei handelt es sich um einen tatsächlichen Umstand, der nicht auf den Rechtsnachfolger übergeht. Gegen die übernehmende Gesellschaft kann der Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr begründet sein, wobei hierbei die personelle und sachliche Fortführung des Unternehmens zu berücksichtigen ist (OLG Hamburg AG 2007, 868; Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 60; Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 320; Grunewald in Lutter, § 20 Rn 41). Rechtspositionen zugunsten des übertragenden Rechtsträgers aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot gehen auf den übernehmenden Rechtsträger über (Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 319).

III. Erlöschen der übertragenden Rechtsträger (§ 20 Abs 1 Nr 2)

53

Die übertragenden Rechtsträger erlöschen ohne Abwicklung mit Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers. Einer bes Löschung bedarf es nicht.

54

Gem § 25 Abs 2 UmwG wird das Fortbestehen der übertragenden Rechtsträger unter bestimmten Voraussetzungen fingiert, iÜ sind die übertragenden Rechtsträger als Rechtssubjekt nicht mehr existent. Mit den übertragenden Rechtsträgern gehen auch die an ihnen bestehenden Anteile und ihre Organe unter (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 28).

IV. Folgen für die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers

55

Die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger werden ipso iure Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 29).

56

Dingliche Rechte Dritter an den ursprünglichen Anteilen (zB Pfandrecht § 1287 BGB und Nießbrauch § 1075 BGB) bestehen kraft dinglicher Surrogation an den neuen Anteilen fort (Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 19; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 31; Grunewald in Lutter, § 20 Rn 71).

57

Findet ein Anteilstausch nicht statt, zB gem § 54 Abs 1 S 1, kommt die dingliche Surrogation nicht in Betracht. In diesem Fall gehen Rechte Dritter unter.

58

Hinsichtlich schuldrechtlicher Vereinbarungen wie bspw Vorkaufsrechten, Unterbeteiligungen, Optionsrechten, Stimmbindungen, Treuhandverhältnissen etc ist durch ergänzende Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln, ob auch die Anteile am übernehmenden Rechtsträger erfasst sein sollen (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 31; Grunewald in Lutter, § 20 Rn 72; Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 20; Kübler in Semler/Stengel, § 20 Rn 81). Testamentsvollstreckung kann sich grds an den Anteilen am übernehmenden Rechtsträger fortsetzen (Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 21; Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 363 ff).

V. Heilung von Beurkundungsmängeln (§ 20 Abs 1 Nr 4)

59

Gem § 20 Abs 1 Nr 4 werden Mängel der notariellen Beurkundung des Verschmelzungsvertrags und ggf erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen geheilt.

60

Praktisch bedeutsam ist die Heilung nicht beurkundeter Nebenabreden mit der Eintragung der Verschmelzung, soweit diese den Anteilsinhabern bei der Fassung des Verschmelzungsbeschlusses vorlagen (Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 369; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 32).

61

§ 20 Abs 1 Nr 4 erfasst allein Mängel der Beurkundung des Verschmelzungsvertrages, nicht erfasst werden Beurkundungsmängel des Verschmelzungsbeschlusses oder etwaiger Kapitalerhöhungsbeschlüsse (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 32). Soweit das AktG einschlägig ist, kann durch die Eintragung der Verschmelzung im Einzelfall außerdem eine Heilung nach § 242 AktG eintreten (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 32).

VI. Wirkungen der Eintragung (§ 20 Abs 2 )

62

Gem § 20 Abs 2 soll Bestandskraft eintreten und die Wirksamkeit der Umw nach der Eintragung außer Streit gestellt werden (BGH ZIP 1993, 422). Dies gilt unabhängig von der Schwere eines Fehlers bei der Umwandlung, nur in krassen Ausnahmefällen soll Nichtigkeit in Betracht kommen (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 33; Nichtigkeit etwa, wenn kein Umwandlungsfall nach § 1 UmwG vorliegt oder nicht zur Umwandlung zugelassene Rechtsträger beteiligt sind).

63

Der Wortlaut des § 20 Abs 2 ist missverständlich. Eine Heilung fehlerhafter Rechtshandlungen wird gerade nicht geregelt. § 20 Abs 2 sieht lediglich vor, dass Rechtsfolge eines Mangels nicht die Unwirksamkeit der ab Eintragung geltenden Verschmelzungswirkungen iSd § 20 Abs 1 sein kann (Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 374). Schadensersatzansprüche gem den §§ 25 ff können hingegen auch nach der Eintragung geltend gemacht werden. Eine Rückgängigmachung der Verschmelzung („Entschmelzung“), oder Ansprüche darauf, scheiden dagegen aus (Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 6, 109; Grunewald in Lutter, § 20 Rn 77 ff; nur Schadensersatzansprüche: Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 34; Vossius in Widmann/Mayer, § 20 Rn 376 hält dagegen einen schuldrechtlichen Anspruch auf „Entschmelzung“ für denkbar).

64

Ist der Verschmelzungsvertrag mangelhaft so sind die Bedingungen der Verschmelzung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln (Grunewald in Lutter, § 20 Rn 89; Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 118; nach Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 40 soll auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und dem zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen ein „angemessener Vertragsinhalt“ gelten).

65

Mängel des Kapitalerhöhungsbeschlusses sind für die Wirksamkeit der Verschmelzung unbeachtlich (Grunewald in Lutter, § 20 Rn 91; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 44). Ist der Kapitalerhöhungsbeschluss mangelhaft, fehlt er gänzlich, oder wurde die Kapitalerhöhung nicht in ausreichendem Maße durchgeführt, sind die fehlenden Anteile grds bspw durch eine weitere Kapitalerhöhung zu schaffen (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 44; Grunewald in Lutter, § 20 Rn 91). Dieser Anspruch ist nach hM jedoch nicht erzwingbar, so dass in der Regel nur Schadensersatzansprüche bleiben (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 Rn 44; Grunewald in Lutter, § 20 Rn 91; Kübler in Semler/Stengel, § 21 Rn 96; aA Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 20 Rn 121, Anspruch auf Schaffung von Anteilen sei erzwingbar).

§ 21 Wirkung auf gegenseitige Verträge

Treffen bei einer Verschmelzung aus gegenseitigen Verträgen, die zur Zeit der Verschmelzung von keiner Seite vollständig erfüllt sind, Abnahme-, Lieferungs- oder ähnliche Verpflichtungen zusammen, die miteinander unvereinbar sind oder die beide zu erfüllen eine schwere Unbilligkeit für den übernehmenden Rechtsträger bedeuten würde, so bestimmt sich der Umfang der Verpflichtungen nach Billigkeit unter Würdigung der vertraglichen Rechte aller Beteiligten.

Kommentierung

I.Überblick1

II.Tatbestand2 – 12

1.Nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge2 – 8

2.Unvereinbarkeit9, 10

 

3.Schwere Unbilligkeit11, 12

III.Rechtsfolge13, 14

I. Überblick

1

§ 21 regelt die Anpassung gegenseitiger Verträge, obwohl der Verschmelzungsvorgang der Risikosphäre der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zuzuordnen ist. § 21 erweitert daher die allg Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage gem § 313 BGB.

II. Tatbestand

1. Nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge

2

Tatbestandsvoraussetzung ist zunächst ein gegenseitiger Vertrag zwischen einem an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und Dritten, der von keiner Seite vollständig erfüllt ist (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 2; Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 21 Rn 2). § 21 ist nicht anwendbar, wenn eine Partei den Vertrag bereits erfüllt hat oder wenn nur noch vertragliche Nebenpflichten erfüllt werden müssen (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 3).

3

Gegenseitige Verträge zwischen den am Verschmelzungsvorgang beteiligten Rechtsträgern betrifft die Regelung nicht, diese erlöschen durch Konfusion (vgl Kübler in Semler/Stengel, § 21 Rn 1; Ausnahme: Ansprüche gem § 25 Abs 2).

4

Umstr ist die Anwendbarkeit des § 21 in Fallgestaltungen, in denen Verträge zwischen Dritten und einem Tochterunternehmen eines am Verschmelzungsvorgang beteiligten Rechtsträgers bestehen.

5

Die Anwendbarkeit wird teilweise bejaht (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 2).

6

Es handelt sich jedoch um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist. Eine Einbeziehung von Verträgen zwischen Dritten und Tochterunternehmen eines beteiligten Rechtsträgers scheidet daher aus (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 6).

7

Die gegenseitigen Verträge müssen nach dem Wortlaut Abnahme-, Lieferungs- und ähnliche Verpflichtungen regeln. An die Ähnlichkeit der Verpflichtungen sind keine hohen Anforderungen zu stellen (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 4; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 4).

8

Von § 21 erfasst können daher Kauf- und Tauschverträge, Werk- und Werklieferungsverträge, Mietverträge, vertragliche Wettbewerbsverbote sowie bspw Exklusiv-Vertriebsrechte sein (vgl Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 21 Rn 3). Zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung gem § 20 Abs 1 dürfen die gegenseitigen Verpflichtungen beiderseits noch nicht vollständig erfüllt sein. Für die Frage der vollständigen Erfüllung ist die ordnungsgemäße Erbringung des Leistungserfolges maßgebend, wobei es unschädlich sein soll, wenn lediglich unbedeutende Nebenpflichten nicht erfüllt wurden (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 3).

2. Unvereinbarkeit

9

Unvereinbarkeit liegt vor, wenn die Verpflichtungen einander widersprechen. Denkbar sind bspw sich widersprechende Ausschließlichkeitsklauseln (vgl Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 5).

10

Die Unvereinbarkeit setzt stets voraus, dass eine Lösung durch ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich ist. Denkbar ist bspw, dass sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Beschränkung der Verpflichtung auf den Betrieb des übertragenden Rechtsträgers ermitteln lässt (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 5).

3. Schwere Unbilligkeit

11

Eine schwere Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Aufrechterhaltung der Verpflichtung den übernehmenden Rechtsträger weit mehr als bei Vertragsschluss absehbar und auch unter Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners hinnehmbar belasten würde (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 5).

12

Eine erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage des übernehmenden Rechtsträgers ist nicht erforderlich (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 5; aA Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 21 Rn 9). Eine schwere Unbilligkeit kann selbst dann vorliegen, wenn bereits bei Abschluss des Verschmelzungsvertrags bekannt war oder bekannt sein musste, dass eine Kollision eintritt (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 5).

III. Rechtsfolge

13

Die miteinander nicht zu vereinbarenden Verpflichtungen sind nach den zur Störung bzw zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelten Grundsätzen anzupassen (Vossius in Widmann/Mayer, § 21 Rn 19 f; Grunewald in Lutter, § 21 Rn 10; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 6). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Störung des Vertragsverhältnisses aus der Risikosphäre der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger stammt. Die Interessen des übernehmenden Rechtsträgers sind folglich weniger stark zu berücksichtigen (Grunewald in Lutter, § 21 Rn 10).

14

Die Anpassung der vertraglichen Verpflichtungen erfolgt nach § 315 Abs 2, 3 BGB durch Erklärung des übernehmenden Rechtsträgers gegenüber der anderen Partei (Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 21 Rn 10; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 21 Rn 7; aA Vossius in Widmann/Mayer, § 21 Rn 20).

§ 22 Gläubigerschutz

(1) 1Den Gläubigern der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger ist, wenn sie binnen sechs Monaten nach dem Tag, an dem die Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes desjenigen Rechtsträgers, dessen Gläubiger sie sind, nach § 19 Abs. 3 bekannt gemacht worden ist, ihren Anspruch nach Grund und Höhe schriftlich anmelden, Sicherheit zu leisten, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. 2Dieses Recht steht den Gläubigern jedoch nur zu, wenn sie glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird. 3Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der jeweiligen Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen.

(2) Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht Gläubigern nicht zu, die im Falle der Insolvenz ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist.

Kommentierung

I.Allgemeines1 – 4

II.Berechtigte Anspruchsinhaber5 – 9

III.Gefährdung des Anspruchs10 – 15

IV.Glaubhaftmachung des Anspruchs16, 17

V.Geltendmachung des Anspruchs18 – 24

VI.Anspruchsgegner und Anspruchsinhalt25 – 35

VII.Ausschluss des Anspruchs36 – 41

Literatur:

Ihrig Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung bei Verschmelzung und Spaltung nach neuem Umwandlungsrecht, GmbHR 1995, 622; Jaeger Sicherheitsleistung für Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen bei Kapitalherabsetzung, Verschmelzung und Beendigung eines Unternehmensvertrages, DB 1996, 1069; Kalss Gläubigerschutz bei Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, ZGR 2009, 74; Knott Gläubigerschutz bei horizontaler und vertikaler Konzernverschmelzung, DB 1996, 2423; Naraschewski Gläubigerschutz bei der Verschmelzung von GmbH, GmbHR 1998, 356; Petersen Vereinfachte Kapitalherabsetzung durch Verschmelzung, GmbHR 2004, 728; ders Der Gläubigerschutz im System des Umwandlungsrechts, Der Konzern 2004, 185; ders Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001; Schröer Sicherheitsleistung für Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen bei Unternehmensumwandlungen, DB 1999, 317; Simon Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, Der Konzern 2004, 191; Soldierer Die Höhe der Sicherheitsleistung im Umwandlungsgesetz, Diss. Köln 2004.

I. Allgemeines

1

Die Vorschrift des § 22 regelt das Recht auf Sicherheitsleistung für Gläubiger eines an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgers. Sie ist Teil der Gläubigerschutzbestimmungen des UmwG. Neben das Recht auf Sicherheitsleistung treten insbes Schadensersatzansprüche nach §§ 25 ff. Außerdem finden die Kapitalaufbringungsvorschriften zugunsten der Gläubiger auch iRd Verschmelzung Anwendung (vgl dazu auch Ihrig GmbHR 1995, 622).

2

Die Bestimmung des § 22 gilt für alle Verschmelzungsfälle, auch für die Verschmelzung durch Neugründung. Über die Verweisungen in den §§ 125, 204 und 176 gilt sie auch für Spaltung, Formwechsel und Vermögensübertragung.

3

Der Vorschrift des § 22 liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verschmelzung für die Gläubiger aller beteiligten Rechtsträger mit erheblichen Risiken verbunden sein kann. Die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers erhalten einen neuen Schuldner; ihr bisheriger Schuldner geht unter. Für die Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers besteht das Risiko, dass sich die Vermögensverhältnisse ihres Schuldners aufgrund der Übernahme des möglicherweise negativen Vermögens des übertragenden Rechtsträgers verschlechtern. Das UmwG gewährt aufgrund der sowohl für die Gläubiger des übertragenden als auch für die Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers bestehenden Risiken beiden Personenkreisen das Recht auf Sicherheitsleistung. Nach der bis zum UmwG geltenden Rechtslage nach § 347 AktG aF konnten Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers Sicherheit nur verlangen, wenn sie den Nachweis erbrachten, dass ihre Forderungen gefährdet sind. Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers konnten hingegen nach alter Rechtslage stets Sicherheitsleistung verlangen. Die Gleichbehandlung beider Gläubigergruppen durch § 22 ist auch deshalb sinnvoll und notwendig, weil in aller Regel nicht die Vermögensverhältnisse der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger dafür maßgebend sind, welcher Rechtsträger der übertragende und welcher der übernehmende Rechtsträger ist. Hierfür sind vielmehr ganz unterschiedliche und für die Gläubiger nicht vorhersehbare oder beherrschbare Gründe ausschlaggebend (zB die Höhe einer etwa anfallenden Grunderwerbsteuer oder der entstehenden Kosten, die Reduzierung von Anfechtungsrisiken oder „optische“ Gründe, wonach die eine beteiligte Gesellschaft unter keinen Umständen untergehender Rechtsträger sein darf).

 

4

Die Vorschrift des § 22 ist kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs 2 BGB (ebenso Grunewald in Lutter, § 22 Rn 31; Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 22 Rn 67; Schröer DB 1999, 317, 323; aA Vossius in Widmann/Mayer, § 22 Rn 4; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 22 Rn 22; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 22 Rn 13). Normadressat des § 22 ist der übernehmende Rechtsträger. Die Organe des übernehmenden Rechtsträgers sind nicht unmittelbar verpflichtet. Bei Verstößen gegen § 22 können die Organe deshalb nicht unmittelbar über § 823 Abs 2 BGB in Anspruch genommen werden. Vielmehr kommt eine Haftung des übernehmenden Rechtsträgers für Fehlverhalten ihrer Organe über § 31 BGB in Betracht (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 22 Rn 13).

II. Berechtigte Anspruchsinhaber

5

Die Gläubiger der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger können Sicherheitsleistung verlangen. Berechtigt sind danach die Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers und die Gläubiger der übertragenden Rechtsträger. Es spielt im Grundsatz keine Rolle worauf die Gläubigereigenschaft beruht. Erfasst sind alle obligatorischen Ansprüche, gleichgültig ob sie auf Gesetz oder auf Vertrag beruhen (Grunewald in Lutter, § 22 Rn 5; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 22 Rn 2), auch öffentlich-rechtliche Ansprüche (Vossius in Widmann/Mayer, § 22 Rn 21). Der Rechtsgrund des Anspruchs ist ohne Bedeutung. Der Anspruch muss inhaltlich einen Vermögenswert haben. IÜ kommt es iRd § 22 auf den Inhalt des Anspruchs nicht an. Es ist also nicht notwendige Voraussetzung, dass der Anspruch auf eine Geldforderung gerichtet ist.

6

Nicht sicherungsfähig sind dingliche Ansprüche, da sie entweder sofort fällig oder durch das entspr dingliche Recht gesichert sind (Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 22 Rn 7; Vossius in Widmann/Mayer, § 22 Rn 17; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 22 Rn 5). Nicht unter § 22 fallen außerdem alle Ansprüche, die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhen (Grunewald in Lutter, § 22 Rn 5). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich diese Ansprüche bereits zu normalen Gläubigerrechten gewandelt haben (also zB Dividendenansprüche oder Gewinnauszahlungsansprüche nach Fassung des Ausschüttungsbeschlusses; Ansprüche auf Abfindungszahlungen bereits ausgeschiedener Gesellschafter. Vgl Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 22 Rn 6; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 22 Rn 2). Ebenfalls nicht unter § 22 fallen alle die Ansprüche, die auf der Verschmelzung selbst beruhen oder durch die Verschmelzung erst begründet werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 22. Sonderrechtsinhaber nach § 23 können mit ihren unter § 23 fallenden Rechten sowie den ihnen hierfür gewährten (gleichwertigen) Rechten ebenfalls keine Sicherheit verlangen (Grunewald in Lutter, § 22 Rn 6; Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 22 Rn 6).

7

§ 22 will die Gläubiger schützen, deren Forderung durch die Verschmelzung gefährdet ist. Dies setzt die Gläubigereigenschaft bei Wirksamwerden der Verschmelzung voraus, da andernfalls der Anspruch durch die Verschmelzung nicht gefährdet werden könnte. Daraus folgt, dass die Gläubigereigenschaft im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung und damit bei Eintragung der Verschmelzung im Register des übernehmenden Rechtsträgers vorhanden sein muss. Neugläubiger ab Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers sind nach § 15 Abs 1 und Abs 2 HGB bis zur Bekanntmachung der Eintragung geschützt. Gläubiger, denen die Verschmelzung bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt ist, können somit ebenfalls noch Sicherheitsleistung verlangen. IE bedeutet dies, dass im Grundsatz die Gläubiger, die im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister Gläubiger des übernehmenden oder eines übertragenden Rechtsträgers sind, sowie Gläubiger, die die Gläubigereigenschaft im Zeitraum zwischen der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister und der Bekanntmachung der Eintragung erlangen und denen die Verschmelzung nicht bekannt ist, Sicherheitsleistung nach § 22 verlangen können (ebenfalls auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung als maßgebenden Zeitpunkt abstellend Schulte in Böttcher/Habighorst/Schulte, § 22 Rn 7; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 22 Rn 3; Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 22 Rn 12; für die Eintragung als maßgebenden Zeitpunkt Grunewald in Lutter, § 22 Rn 7; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 22 Rn 6).

8

Weitere Voraussetzung ist, dass der Anspruch bis zu dem vorgenannten Zeitpunkt entweder entstanden oder wenigstens begründet ist. Der Anspruch ist dann begründet, wenn der Rechtsgrund für den Anspruch im maßgebenden Zeitraum gelegt ist (Grunewald in Lutter, § 22 Rn 7; Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 22 Rn 10). Diese Grundsätze gelten sowohl für auf einmalige Leistung gerichtete Schuldverhältnisse als auch für Dauerschuldverhältnisse. Bei Dauerschuldverhältnissen fallen damit auch die erst künftig entstehenden Ansprüche unter § 22 (Schröer DB 1999, 317). Eine zeitliche Grenze für künftige Ansprüche, deren Rechtsgrund im maßgebenden Zeitraum gelegt ist, gibt es nach dem Wortlaut des § 22 nicht. Damit wäre ein weit in die Zukunft reichendes, uU „endloses“ Sicherheitsverlangen denkbar. Ein solcher umfassender Anspruch begegnet im Hinblick auf den Zweck der Sicherheitsleistung Bedenken. Je weiter die zu sichernden Ansprüche in der Zukunft liegen desto weniger lässt sich eine Sicherheitsleistung mit Risiken aus der Verschmelzung begründen. Die Sicherheitsleistung ist deshalb entsprechend §§ 26, 160 HGB auf die Ansprüche, die innerhalb von fünf Jahren ab Bekanntmachung der Eintragung der Verschmelzung in das Register des betroffenen Rechtsträgers fällig werden, zu begrenzen (BGH DB 2014, 2760 für die Sicherheitsleistung bei Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags – die dort angeführten Gründe sind auch für die Sicherheitsleistung bei Verschmelzung zutreffend; Jäger DB 1996, 1069, 1071; aA die hM, vgl etwa Grunewald in Lutter, § 22 Rn 7, Vossius in Widmann/Mayer, § 22 Rn 20, Marsch-Barner in Kallmayer, § 22 Rn 3 sowie die Vorauflage).

9

Sicherungsfähig sind weiter befristete und auflösend bedingte Ansprüche (so auch Knott DB 1996, 2423, 2425). Gleiches gilt für Ansprüche, die noch von einer Gegenleistung oder sonstigen Leistung des Gläubigers abhängen (Grunewald in Lutter, § 22 Rn 8). Die Gläubiger sind auch in diesen Fällen schutzwürdig, da sie andernfalls nur die Möglichkeit hätten, vom Vertrag Abstand zu nehmen. Aufschiebend bedingte Ansprüche fallen ebenfalls unter § 22 (ebenso Grunewald in Lutter, § 22 Rn 7). Bei aufschiebend bedingten Ansprüchen ist der Rechtsgrund für ihre Entstehung bereits gelegt. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung entfällt in derartigen Fällen bzw eine etwa gewährte Sicherheit ist zurück zu geben wenn feststeht, dass die aufschiebende Bedingung nicht mehr eintreten kann.