Umwandlungsgesetz

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8. Sondervorteile, Abs 1 Nr 8

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Bes Vorteile, die einem Mitglied eines Vertretungsorgans oder eines Aufsichtsorgans der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger, einem geschäftsführenden Gesellschafter, einem Partner, einem Abschlussprüfer oder einem Verschmelzungsprüfer gewährt werden, sind nach Abs 1 Nr 8 in den Verschmelzungsvertrag aufzunehmen. Welcher der beteiligten Rechtsträger (übertragende oder übernehmender Rechtsträger) die Zusage macht, spielt keine Rolle, Durch die Aufnahme sollen die Anteilsinhaber beurteilen können, ob der in Abs 1 Nr 8 genannte Personenkreis Vorteile aus der Verschmelzung zieht und damit möglicherweise nicht unvoreingenommen handelt (Drygala in Lutter, § 5 Rn 79; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 71).

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Vertretungsorgan ist das jeweilige Geschäftsführungsorgan des Rechtsträgers. Erg hierzu werden die geschäftsführenden Gesellschafter sowie die Partner einer PartGes aufgeführt. Sie sind gleichfalls geschäftsführend tätig. Für die Partner einer PartGes ergibt sich dies aus § 6 Abs 2 PartG; danach kann einem Partner für seine freiberuflich ausgeübte Tätigkeit die Geschäftsführungsbefugnis nicht entzogen werden.

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Aufsichtsorgan iSd Vorschrift ist zum einen jeder obligatorisch gebildete Aufsichtsrat, also die Aufsichtsräte der AG oder der KGaA sowie die nach DrittelbG bzw MitbestG gebildeten Aufsichtsräte bei der GmbH. Weiter fallen unter die Vorschrift sämtliche freiwillig und damit insbes auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage gebildeten Aufsichtsorgane, also Beiräte, Verwaltungsräte, Gesellschafterausschüsse und Ähnliches. Entscheidend für die Anwendbarkeit von Abs 1 Nr 8 ist, dass diese Gremien überwachende und damit einem obligatorischen Aufsichtsrat vergleichbare Tätigkeiten ausüben (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 171; Drygala in Lutter, § 5 Rn 79; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 5 Rn 45). Lediglich beratende Gremien fallen nicht unter die Vorschrift (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 5 Rn 45; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 71).

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Abschlussprüfer und Verschmelzungsprüfer sind durch das UmwG neu in den Kreis der Personen aufgenommen worden, für die bes Vorteile im Verschmelzungsvertrag offen gelegt werden müssen. Nach ursprünglicher Rechtslage waren für Prüfer keine entspr Angaben zu machen.

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Für andere als in Abs 1 Nr 8 genannte Personen sind etwa gewährte bes Vorteile nicht nach Abs 1 Nr 8 im Verschmelzungsvertrag anzugeben (Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 70). Für den in Abs 1 Nr 7 genannten Personenkreis kann sich allerdings eine Verpflichtung zur Angabe im Verschmelzungsvertrag aus Abs 1 Nr 7 ergeben.

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Bes Vorteil iSv Abs 1 Nr 8 ist jeder Vorteil bzw jede Vergünstigung, also sowohl Vorteile finanzieller als auch nicht finanzieller Art (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 172; Drygala in Lutter, § 5 Rn 80; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 72). Keine Angabepflicht besteht allerdings, sofern es sich bei der gewährten Leistung um angemessene Gegenleistungen für erbrachte Dienstleistungen oder um Leistungen handelt, auf die ungeachtet der Verschmelzung ohnehin ein Anspruch bestand.

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Finanzielle Vorteile sind zB Zahlungen an Mitglieder von Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen für die vorzeitige Beendigung ihres Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnisses, Zahlungen für den Verzicht auf Optionsrechte (OLG Hamburg DB 2004, 1143, 1145), generell alle finanziellen Vorteile, die ohne die Verschmelzung nicht gewährt worden wären, also alle Zahlungen und finanziellen Leistungen, die dazu dienen, die Verschmelzung zu fördern oder nach Abschluss des Verschmelzungsprozesses vertragliche Stellungen aufzugeben. Einem Abschlussprüfer gewährte finanzielle Vorteile sind Zahlungen, die das ihm zustehende Honorar übersteigen. Denkbar sind zB Abfindungen wegen des Wegfalls der Prüfertätigkeit bei einem beteiligten Rechtsträger (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 5 Rn 46).

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Besondere Vorteile nicht finanzieller Art sind insbes Zusagen auf Organstellungen beim übernehmenden Rechtsträger für die Zeit nach Wirksamwerden der Verschmelzung. Von Bedeutung sind solche Zusagen insbes für Geschäftsführungs- oder Vorstandsmitglieder, aber auch für Aufsichtsratsmitglieder übertragender Rechtsträger. Deren Organstellung endet mit Wirksamwerden der Verschmelzung. Sie haben deshalb häufig ein bes Interesse, beim übernehmenden Rechtsträger in vergleichbare Positionen berufen zu werden.

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Werden hierüber lediglich unverbindliche Abreden getroffen, die noch der bes Umsetzung bedürfen und bei denen rechtlich nicht gesichert ist, ob sie umgesetzt werden, ist eine Aufnahme in den Verschmelzungsvertrag nicht zwingend geboten (Drygala in Lutter, § 5 Rn 81; für eine Aufnahme auch unverbindlicher Abreden Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 73; Widmann/Mayer § 5 Rn 172). Zwar sind entspr Abreden häufig im Verschmelzungsvertrag enthalten. Dies beruht idR jedoch nicht auf Abs 1 Nr 8. Vielmehr soll den Anteilsinhabern der beteiligten Rechtsträger damit signalisiert werden, dass „ihre“ Organmitglieder in den Organen des fusionierten Rechtsträgers präsent sein werden. Eine Angabe nach Abs 1 Nr 8 ist im Verschmelzungsvertrag zwingend nur dann vorzunehmen, wenn der Sondervorteil rechtsverbindlich ist. Werden Organmitglieder des übertragenden Rechtsträgers bereits vor Wirksamwerden der Verschmelzung durch die zuständigen Gremien des übernehmenden Rechtsträgers in die dortigen Organe berufen, ist deshalb eine Angabe im Verschmelzungsvertrag nach Abs 1 Nr 8 erforderlich.

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IÜ ist zu berücksichtigen, dass Zusagen auf bestimmte Funktionen im Verschmelzungsvertrag in aller Regel nicht verbindlich getroffen werden können. Die Rechtsverbindlichkeit kann sich somit lediglich aus außerhalb des Verschmelzungsvertrags getroffenen Abreden ergeben. Die den Verschmelzungsvertrag abschließenden Geschäftsführungsorgane der beteiligten Rechtsträger sind gesellschaftsrechtlich nicht befugt, Mitglieder des Geschäftsleistungsorgans oder des Aufsichtsorgans zu bestellen. Soweit bei den beteiligten Rechtsträgern die Zuständigkeit hierfür bei den Anteilseignerversammlungen liegt, kann im Zustimmungsbeschluss zum Verschmelzungsvertrag ebenfalls keine Bestellung gesehen werden (Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 73; Drygala in Lutter, § 5 Rn 81). Hierfür würde es vielmehr einer ausdrücklichen Ankündigung zur Beschlussfassung bedürfen. Etwas anderes gilt lediglich für die Verschmelzung zur Neugründung. Soweit hier Organe zur Bestellung in den Verschmelzungsvertrag aufgenommen sind und die Anteilseignerversammlungen für die Bestellung dieser Organe zuständig sind (also zB die Hauptversammlung der AG für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder, die Gesellschafterversammlung der GmbH für die Bestellung etwaiger Aufsichtsratsmitglieder und der Geschäftsführer) liegt im Beschl über die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag zugleich auch die Bestellung der Organmitglieder.

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Der bes Vorteil sowie die begünstigte Person bzw der begünstigte Personenkreis sind im Verschmelzungsvertrag konkret nach Art und Umfang und Name bzw Firmierung zu bezeichnen.

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Sondervorteile, die bei Verschmelzung durch Neugründung einer AG gewährt werden, sind überdies nach § 26 AktG in die Satzung der AG aufzunehmen.

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Werden bes Vorteile unter Verstoß gegen Abs 1 Nr 8 nicht in den Verschmelzungsvertrag aufgenommen, macht dies den entspr Verschmelzungsbeschluss anfechtbar (OLG Hamburg DB 2004, 2143, 2145; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 74; Graef GmbHR 2005, 908). Zudem ist das Registergericht berechtigt, die Eintragung der Verschmelzung zurückzuweisen, da der Verschmelzungsvertrag nicht den gesetzlich notwendigen Mindestinhalt hat (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 175). Wird trotz fehlender Regelung die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen, ist die Verschmelzung nach § 20 Abs 2 dennoch wirksam. Eine Aussage im Verschmelzungsvertrag, dass bes Vorteile nach Abs 1 Nr 8 nicht gewährt werden, ist gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben (OLG Frankfurt AG 2011, 793). In der Praxis wird ein solcher Hinweis jedoch in aller Regel in den Verschmelzungsvertrag aufgenommen (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 175; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 75).

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Auch wenn zugesagte bes Vorteile unter Verstoß gegen Abs 1 Nr 8 nicht im Verschmelzungsvertrag genannt werden, ist die Zusage wirksam. Die Aufnahme in den Verschmelzungsvertrag ist nach dem insoweit klaren Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift weder Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zusage noch Grundlage für eine entspr Vertretungsbefugnis der die Zusage erteilenden Personen bzw Organe (ebenso Graef GmbHR 2005, 908; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 5 Rn 46a; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 74; aA – Unwirksamkeit der Zusage – Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 175).

 

9. Folgen für Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Abs 1 Nr 9

Literatur:

Bachner Individualarbeits- und kollektivrechtliche Auswirkungen des neuen Umwandlungsgesetzes, NJW 1995, 2881; Blechmann Die Zuleitung des Umwandlungsvertrags an den Betriebsrat, NZA 2005, 1143; Bungert Darstellungsweise und Überprüfbarkeit der Angaben über Arbeitnehmerfolgen im Umwandlungsvertrag, DB 1997, 2209; Däubler Das Arbeitsrecht im neuen Umwandlungsgesetz, RdA 1995, 136; Drygala Die Reichweite der arbeitsrechtlichen Angaben im Verschmelzungsvertrag, ZIP 1996, 1365; Düwell Umwandlung von Unternehmen und arbeitsrechtliche Folgen, NZA 1996, 393; Engelmeyer Die Informationsrechte des Betriebsrats und der Arbeitnehmer bei Strukturänderungen, DB 1996, 2542; Hjort Der notwendige Inhalt eines Verschmelzungsvertrags aus arbeitsrechtlicher Sicht, NJW 1999, 750; Hohenstatt/Schramm Arbeitsrechtliche Angaben im Umwandlungsvertrag – eine Bestandsaufnahme, FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2005; Joost Arbeitsrechtliche Angaben im Umwandlungsvertrag, ZIP 1995, 976; Kreßel Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsbereinigungsgesetzes, BB 1995, 925; Lobinger Zum Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderungen, FS Richardi, 2007, S 658; Melchior Die Beteiligung von Betriebsräten an Umwandlungsvorgängen aus Sicht des Handelsregisters, GmbHR 1996, 833; Mengel Umwandlungen im Arbeitsrecht, 1997; Müller Die Zuleitung des Verschmelzungsvertrages an den Betriebsrat nach § 5 Abs 3 Umwandlungsgesetz, DB 1997, 713; Pfaff Angaben zu den arbeitsrechtlichen Folgen einer Umwandlung sind auch bei fehlendem Betriebsrat erforderlich, BB 2002, 1604; Willemsen Arbeitsrecht im Umwandlungsgesetz – Zehn Fragen aus der Sicht der Praxis, NZA 1996, 791; Wlotzke Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsrechts, DB 1995, 40.

a) Grundlagen

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§ 5 Abs 1 Nr 9 steht im unmittelbaren, systematischen Zusammenhang mit der Zuleitungspflicht nach § 5 Abs 3. Entspr Vorschriften für die Spaltung und den Formwechsel finden sich in § 126 Abs 1 Nr 11 und § 194 Abs 1 Nr 7; als spezielle Bestimmungen für den Verschmelzungsbericht bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften sind § 122 Abs 1 Nr 4 und § 122e S 1 zu berücksichtigen. Die Vorschriften waren weder im Diskussions- noch im Referentenentwurf enthalten und wurden – auf Betreiben des Bundesarbeitsministeriums – erstmals im RegE aufgeführt (Wlotzke DB 1995, 40, 41). Ihre Besonderheit liegt darin, dass das gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäft des Verschmelzungsvertrags mit rein informativen Wissenserklärungen (Willemsen NZA 1996, 791, 796) über Folgen der Umw auf der arbeitsrechtlichen Ebene verknüpft wird (krit zu diesem „Fremdkörper“ im Verschmelzungsvertrag insbes Drygala in Lutter, § 5 Rn 85; Willemsen in Kallmeyer § 5 Rn 47; Simon in Semler/Stengel § 5 Rn 76). Adressat der Informationen sind die betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen der beteiligten Rechtsträger. Ausweislich der Begr zum RegE (BT-Drucks 12/6699, 83; BR-Drucks 75/94) sollen die Arbeitnehmervertretungen frühzeitig über die individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Folgen der Verschmelzung informiert werden. Dadurch soll ihnen eine sachgerechte Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte ermöglicht und eine sozialverträgliche Durchführung der Verschmelzung erleichtert werden. Die Pflichtangaben im Verschmelzungsvertrag haben hiernach die Funktion eines „Frühwarnsystems“ für die Arbeitnehmervertretungen. Ausweislich der Gesetzesbegründung werden auch die Individualinteressen der Arbeitnehmer geschützt (Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 136) Die Pflichtangaben tragen zudem dazu bei, dass die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger mit den Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer vertraut gemacht werden und sich hiermit bei ihren Beschlussfassungen auseinandersetzen können (Oetker in ErfK § 5 UmwG Rn 1; Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 135; Joost ZIP 1995, 976, 979, hält das Informationsinteresse der Anteilseigner für irrelevant).

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Durch die Pflichtangaben im Verschmelzungsvertrag werden die allg arbeitsrechtlichen Unterrichtungs- und Beratungspflichten der Arbeitgeber gegenüber Betriebsräten/Gesamtbetriebsräten/Konzernbetriebsräten (§§ 80 Abs 2, 99, 111 S 1 BetrVG), Wirtschaftsausschüssen (§ 106 Abs 3 Nr 8 BetrVG) und Arbeitnehmern (§ 613a Abs 5 BGB) anlässlich von personellen Maßnahmen, Betriebsänderungen und Betriebsübergängen ergänzt (ausführlich zu den Informationsrechten der betriebsverfassungsrechtlichen Organe Mengel S 320). Die arbeitsrechtlichen Unterrichtungs- und Beratungspflichten werden durch die Angaben im Verschmelzungsvertrag weder verdrängt noch verbraucht (Willemsen in Kallmeyer § 5 Rn 48; Simon in Semler/Stengel, § 5 Rn 80). Ebenso wenig werden durch § 5 Abs 1 Nr 9 zusätzliche Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertretungen begründet (Düwell NZA 1996, 393, 397; Langner in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, § 5 Rn 91) oder betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsverfahren zeitlich vorverlagert (aA Bachner NJW 1995, 2881, 2886). Der auf Unternehmensebene stattfindende gesellschaftsrechtliche Vorgang der Verschmelzung mehrerer Rechtsträger ist von den betriebsverfassungsrechtlich relevanten Tatbeständen der Betriebsänderung, insbesondere einer Zusammenführung von Betrieben, die den Rechtsträgern/Unternehmen zugeordnet sind (§ 111 S 3 Nr 3 Alt 1 BetrVG), streng zu unterscheiden (Kreßel BB 1995, 925, 926). Verschmelzung und Betriebsänderung können zwar zeitlich zusammenfallen, sind aber nicht notwendig miteinander verknüpft. So können Betriebe des übertragenden Rechtsträgers nach der Verschmelzung vom übernehmenden Rechtsträger unverändert als eigenständige Betriebe fortgeführt werden. Deshalb können sich auch etwaige Unterlassungsansprüche eines Betriebsrats zum Schutz seiner Beteiligungsrechte aus dem BetrVG (ausführlich zum Meinungsstand Lobinger S 656) nur gegen die faktische Durchführung einer geplanten Betriebsänderung, nicht aber gegen den gesellschaftsrechtlichen Vollzug der Verschmelzung (also gegen die Beschlussfassung der Gesellschafter/Anteilseigner und/oder die Eintragung im Handelsregister) richten (Willemsen NZA 1996, 791, 798; Drygala in Lutter § 5 Rn 110 ff; Hohenstatt/Schramm S 629, 632; aA Bachner NJW 1995, 2881, 2886). Der Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 9 weist Parallelen zu § 613a Abs 5 Nr 3 und 4 BGB auf. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass an die Pflichtangaben im Verschmelzungsvertrag die gleichen, äußerst strengen Anforderungen zu stellen wären, wie sie in der Rspr des BAG zu § 613a Abs 5 BGB entwickelt worden sind (so aber Oetker in ErfK § 5 UmwG Rn 2; Joost in Lutter, § 324 Rn 59). Während ein Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs 5 BGB den von einem Betriebs(teil)übergang betroffenen Arbeitnehmern eine ausreichende Wissensgrundlage für deren individuelle Entscheidung über die Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs 6 BGB verschaffen muss (BAG NZA 2006, 1268), dienen die Angaben im Verschmelzungsvertrag den zuständigen Betriebsräten als „Frühwarnsystem“ im Hinblick auf betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte. Letzteres erfordert nicht den gleichen Detaillierungsgrad wie die Unterrichtung nach § 613a Abs 5 BGB (Drygala in Lutter, § 5 Rn 113).

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Bezugspunkte der Pflichtangaben sind Arbeitnehmer und ihre Vertretungen. Wer Arbeitnehmer ist, bestimmt sich zunächst nach den allg arbeitsrechtlichen Begriffsmerkmalen (§ 611a Abs 1 BGB). Im Hinblick auf den Zweck eines „Frühwarnsystems“ für die betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen kann der Arbeitnehmerbegriff nach § 5 Abs 1 BetrVG zugrunde gelegt werden, der auch Auszubildende, Telearbeiter und in Heimarbeit Beschäftigte einschließt. Indessen sind leitende Angestellte einzubeziehen. Keine Arbeitnehmer sind insbes Organvertreter, freie Mitarbeiter, mitarbeitende Gesellschafter. Ausgeschiedene Arbeitnehmer sind zu berücksichtigen, soweit noch nachvertragliche Beziehungen (insbes Ansprüche oder Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, nachvertragliche Wettbewerbsverbote) bestehen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit der Zuleitungspflicht nach § 5 Abs 3 sowie aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/6699, 82) folgt, dass sich die Pflichtangaben auf die Folgen für die Arbeitnehmer der Rechtsträger beschränken, die an der Verschmelzung beteiligt sind. Arbeitnehmer konzernverbundener Unternehmen müssen nicht berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn eine Verschmelzung auf Holdingebene überwiegend Betriebsänderungen in abhängigen, operativen Unternehmen nach sich zieht (Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 147; aA Hjort NJW 1999, 750, 754, der unter Hinweis auf § 5 Abs 1 MitbestG Arbeitnehmer abhängiger Konzernunternehmen einbeziehen will).

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Arbeitnehmervertretungen sind zunächst die betriebsverfassungsrechtlichen Gremien: Betriebsräte, Gesamtbetriebsräte, Konzernbetriebsräte, Wirtschaftsausschüsse sowie die (Gesamt-/Konzern-)Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Erfasst werden nach dem Wortlaut darüber hinaus Vertretungen, die aufgrund anderer gesetzlicher Grundlage gebildet sind: (Gesamt-/Unternehmens-/Konzern-)Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und Europäische Betriebsräte (Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 193; Simon in Semler/Stengel, § 5 Rn 87) und wohl auch Schwerbehindertenvertretungen.

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Unstr sind alle unmittelbaren Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und deren Vertretungen anzugeben. Da der Verschmelzungsvertrag nach seinem rechtsgeschäftlichen Inhalt auf die Herbeiführung gesellschaftsrechtlicher Folgen auf Unternehmensebene beschränkt ist, handelt es sich bei den unmittelbaren Folgen für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen um solche, die kraft individual- und kollektivarbeitsrechtlicher Gesetze – ohne weitere Zwischenschritte – als Folge der durch die Verschmelzung veränderten Unternehmensstruktur eintreten. Bsp: Übergang der Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB; Pflicht zur Bildung eines Gesamtbetriebsrats nach § 47 Abs 1 BetrVG, wenn durch Verschmelzung ein Unternehmen mit mehreren Betrieben und Betriebsräten entsteht; Wegfall einer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs 1 TVG, wenn der übernehmende Rechtsträger nicht demselben Arbeitgeberverband angehört wie der übertragende Rechtsträger (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 181).

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Umstr ist, ob und inwieweit darüber hinaus mittelbare Folgen der Verschmelzung darzustellen sind. Dabei handelt es sich um arbeitsrechtlich relevante Veränderungen, die sich nicht bereits als direkte rechtliche Folge der gesellschaftsrechtlichen Umw ergeben, sondern erst im Zuge der Umsetzung eines über die bloße Umw hinaus gehenden unternehmerischen Konzepts, das im sachlichen und/oder zeitlichen Zusammenhang mit der Umw steht (zB Zusammenführung von Verwaltungsbereichen, Schließung einzelner Produktionsstandorte, Anpassung der Vertriebsstrukturen an die veränderte Produktpalette).

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Nach weiter Auffassung – sog „große Lösung“ – (Bachner NJW 1995, 2881, 2886; Engelmeyer DB 1996, 2542 f; Hjort NJW 1999, 750; Joost ZIP 1995, 976, 979) sind alle tatsächlichen Auswirkungen darzustellen. Dies ergebe aus dem Wortlaut des Gesetzes („insoweit vorgesehene Maßnahmen“) und dem Zweck der Pflichtangaben; es entspreche zudem einer Auslegung, die den Vorgaben in Art 6 Abs 1 und 2 der europäischen RL 77/187/EWG v 14.2.1977 am nächsten komme. Beispielhaft werden genannt: Personalreduzierung, Versetzungen, Umschulungen, verlängerte Anfahrtswege, Wegfall zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Ausgleichsleistungen (zB Abfindungen, Vorruhestandsregelungen).

 

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Nach enger Auffassung – sog „kleine Lösung“ – (Drygala in Lutter, § 5 Rn 105 ff; Stoye-Benk S 85; Mayer in Widmann/Mayer § 5 Rn 182 f, 200; Müller DB 1997, 713, 714) erstreckt sich die Darstellungspflicht nicht auf mittelbare Folgen. Die Pflichtangaben nach § 5 Abs 1 Nr 1–8 enthielten neben den essentialia negotii lediglich bestimmte Grundinformationen. Ein weit verstandener Folgenbegriff würde den Vertragstext überfrachten und ihn in eine Art Verschmelzungsbericht für Arbeitnehmer umwandeln. Die Informationsbedürfnisse der Arbeitnehmer und Betriebsräte seien durch die in arbeitsrechtlichen Gesetzen geregelten Unterrichtungspflichten hinreichend gewahrt. Eine (sinnlose) Doppelinformation werde vom Gesetz nicht verlangt. Auch Vorgaben des europäischen Rechts zwängen nicht dazu, mittelbare Folgen in die Pflichtangaben einzubeziehen. Nach Art 6 Abs 3 der RL v 14.2.1977 (77/187/EWG) könnten die Mitgliedstaaten die Information auf Betriebsänderungen mit wesentlichen Nachteilen für einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer beschränken, wenn als Ausgleich ein Schiedsverfahren hinsichtlich der beabsichtigten Änderungen vorgesehen sei. Von dieser Option habe die Bundesrepublik mit den Regelungen in §§ 111 ff BetrVG Gebrauch gemacht.

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Der Gesetzeswortlaut gibt ausdrücklich vor, dass sich die Pflichtangaben nicht nur auf die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und deren Vertretungen, sondern darüber hinaus auf die „insoweit vorgesehenen Maßnahmen“ erstrecken. Es wird also eine über die bloße Verschmelzung hinausgehende unternehmerische Planung angesprochen. Die „kleine Lösung“ ist mit dem Gesetzeswortlaut daher kaum zu vereinbaren. Zudem werden in den §§ 322 ff ausdrücklich arbeitsrechtliche Aspekte behandelt, die sich nicht unmittelbar als Folge des gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsvorgangs, sondern erst mittelbar aus der im Zuge der Umw beibehaltenen oder geänderten Betriebsstruktur ergeben. Indessen können die Pflichtangaben im Verschmelzungsvertrag nicht die Qualität eines Interessenausgleichs und/oder Sozialplans nach §§ 111 ff BetrVG haben (Willemsen NZA 1996, 791, 797; Willemsen in Kallmeyer, § 5 Rn 51). Die Pflichten aus § 5 Abs 1 Nr 9 stehen neben den betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechten der Betriebsräte. Das Gesetz verlangt weder eine doppelspurige noch eine in den Umwandlungsvorgang vorverlagerte Beteiligung der Betriebsräte. Gesetzeskonform und sachgerecht ist daher eine „vermittelnde Lösung“ (Willemsen in Kallmeyer § 5 Rn. 51; Langner in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, § 5 Rn 89 ff; Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 144; Mengel S 339 ff; Blechmann NZA 2005, 1143, 1146). Der Funktion der Pflichtangaben als „Frühwarnsystem“ für die Betriebsverfassungsorgane wird hinreichend Rechnung getragen, wenn im Verschmelzungsvertrag die wesentlichen individual- und kollektivarbeits- sowie mitbestimmungsrechtlichen Weichenstellungen skizziert werden, die sich aus einer konkreten, mit der Umw im direkten zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden unternehmerischen Planung ergeben (insbes im Hinblick auf Betriebsänderungen wie zB Betriebszusammenführungen, -verlagerungen, -schließungen und Personalabbau). Der Umfang der Pflichtangaben wird somit durch den im Zeitpunkt der Zuleitung nach § 5 Abs 3 erreichten Stand der unternehmerischen Planung begrenzt. Die „Abwicklung im Detail“ erfolgt im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsverfahren. Haben die Betriebspartner anlässlich einer konkret geplanten Betriebsänderung bereits einen Interessensausgleich vereinbart, kann im Verschmelzungsvertrag oder dessen Entwurf auf den Interessenausgleich verwiesen werden. Hinsichtlich noch nicht konkret geplanter Maßnahmen kann – überobligatorisch – im Verschmelzungsvertrag auf mögliche Veränderungen (zB Synergieeffekte durch Zusammenführung von Verwaltungsabteilungen) hingewiesen werden (Willemsen in Kallmeyer § 5 Rn. 51).

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Sind sowohl die übertragenden als auch der übernehmende Rechtsträger arbeitnehmerlos, entfallen im Regelfall die Pflichtangaben. Es empfiehlt sich, auf das Fehlen von Arbeitnehmern im Vertrag ausdrücklich hinzuweisen. Etwas anderes kann sich ausnahmsweise ergeben, wenn sich auf der Ebene arbeitnehmerloser Holdinggesellschaften Änderungen bzgl eines Konzernbetriebsrats oder mitbestimmten Aufsichtsrats ergeben (Simon in Semler/Stengel, § 5 Rn 93; Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 209). Die Pflichtangaben entfallen nicht, wenn bei einzelnen oder allen beteiligten Rechtsträgern keine Betriebsräte bestehen. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Pflichtangaben und der Zuleitungspflicht nach § 5 Abs 3. Es enthält keinen Hinweis darauf, dass eine Zuleitungspflicht Bedingung für die Pflicht zur Darstellung der arbeitsrechtlichen Folgen ist (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 202; Simon in Semler/Stengel § 5 Rn 93; Müller DB 1997, 713, 716; Pfaff BB 2002, 1604; Hohenstatt/Schramm in KölnKomm, § 5 Rn 209; aA Joost ZIP 1995, 976, 985; LG Stuttgart WiB 1996, 994 für den Fall, dass die Gesellschafter des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers identisch sind und beide Rechtsträger keinen Betriebsrat haben; LG Stuttgart DNotZ 1996, 701 für den Fall, dass der übertragende Rechtsträger keine Arbeitnehmer beschäftigt und bei keinem beteiligten Rechtsträger ein Betriebsrat besteht).