Religionsbegründung ohne Erkenntnis Gottes

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1.3.1 Die Analogie als eine Methode der Erkenntnis

Der Anhang zur transzendentalen Dialektik der KrV ist in zwei Teile gegliedert, nämlich Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft und Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft. In diesem Anhang behandelt Kant ausführlich die Theorie der Analogie. Er weist in Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft darauf hin, dass es insgesamt zwei unterschiedliche Gegenstände gibt: „Es ist ein großer Unterschied, ob etwas meiner Vernunft als ein Gegenstand schlechthin, oder nur als ein Gegenstand in der Idee gegeben wird.“1 Deswegen haben wir entsprechend zwei Methoden, den Gegenstand zu bestimmen:

„In dem ersteren Falle gehen meine Begriffe dahin, den Gegenstand zu bestimmen; im zweiten ist es wirklich nur ein Schema, dem direct kein Gegenstand, auch nicht einmal hypothetisch zugegeben wird, sondern welches nur dazu dient, um andere Gegenstände vermittelst der Beziehung auf diese Idee nach ihrer systematischen Einheit, mithin indirect uns vorzustellen.“2

Einen Gegenstand schlechthin, bzw. einen realen Gegenstand, kann man direkt mit den Kategorien des Verstandes bestimmen. Allerdings ist der in der Idee gegebene Gegenstand nur ein Schema, der daher nicht direkt bestimmt wird, sondern nur indirekt „vermittelst der Beziehung auf diese Idee nach ihrer systematischen Einheit“. Es ist bekannt, dass in der Analytik der Grundsätze der KrV das Schema eng mit dem Verstandesbegriff verbunden ist, was also bedeutet „Schema“ an dieser Stelle?

Hier wende ich mich der anderen Deduktion der Vernunftidee zu, von der in Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft gesprochen worden ist. Genau wie sich Kant in Von der Deduction der reinen Verstandesbegriffe mit der objektiven Gültigkeit der Kategorien beschäftigt hat, möchte er auch hier die objektive Gültigkeit der Idee beweisen. Für eine Deduktion der Verstandesbegriffe oder der Kategorien hat man ein Schema in der Anschauung gefunden, doch für eine Deduktion der Vernunftidee ist der Fall ganz anders:

„Allein obgleich für die durchgängige systematische Einheit aller Verstandesbegriffe kein Schema in der Anschauung ausfindig gemacht werden kann, so kann und muß doch ein Analogon eines solchen Schema gegeben werden, welches die Idee des Maximums der Abtheilung und der Vereinigung der Verstandeserkenntniß in einem Princip ist […] Also ist die Idee der Vernunft ein Analogon von einem Schema der Sinnlichkeit, aber mit dem Unterschiede, daß die Anwendung der Verstandesbegriffe auf das Schema der Vernunft nicht eben so eine Erkenntniß des Gegenstandes selbst ist (wie bei der Anwendung der Kategorien auf ihre sinnliche Schemate), sondern nur eine Regel oder Princip der systematischen Einheit alles Verstandesgebrauchs.“3

In diesem Paragraphen sagt Kant sehr klar, dass „die Idee der Vernunft ein Analogon von einem Schema der Sinnlichkeit“ ist. Daraus folgt, dass der in der Idee gegebene Gegenstand für Kant nur ein Schema ist, doch kein sinnliches Schema, das „in der Anschauung ausfindig gemacht werden kann“, sondern nur ein Analogon des sinnlichen Schemas.4 Kant drückt hier aus, dass der Gegenstand der Idee nicht direkt durch Kategorien vorgestellt werden kann, doch dass dieser Gegenstand ein Analogon zu einem sinnlichen Gegenstand in Hinsicht auf eine systematische Einheit ist, die die Idee bedeutet. Daraus kann abgeleitet werden, dass der Gegenstand der Idee nur durch eine Analogie erklärt werden kann.

In der „Analogie der Erfahrung“ der Analytik der Grundsätze der KrV findet sich ein sehr wichtiger Absatz, der von der Analogie handelt:

„In der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr Verschiedenes von demjenigen, was sie in der Mathematik vorstellen. In dieser sind es Formeln, welche die Gleichheit zweier Größenverhältnisse aussagen, und jederzeit constitutiv, so daß, wenn drei Glieder der Proportion gegeben sind, auch das vierte dadurch gegeben wird, d.i. construirt werden kann. In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweier quantitativen, sondern qualitativen Verhältnisse, wo ich aus drei gegebenen Gliedern nur das Verhältniß zu einem vierten, nicht aber dieses vierte Glied selbst erkennen und a priori geben kann, wohl aber eine Regel habe, es in der Erfahrung zu suchen, und ein Merkmal, es in derselben aufzufinden.“5

Ich möchte zuerst darauf hinweisen, dass der regulative Gebrauch eine enge Beziehung zur Analogie hat. Diese Tatsache wird eine hilfreiche Perspektive für das Thema dieser Untersuchung sein. Nun kann Kants Meinung wieder in zwei Teile gegliedert und analysiert werden: (1) Die Analogie bezieht sich nicht auf „die Gleichheit zweier quantitativen, sondern qualitativen Verhältnisse“. (2) Aus drei gegebenen Gliedern wird das vierte Glied nicht gegeben, sondern nur das Verhältnis zu diesem vierten Glied. Im Folgenden werde ich diese Punkte weiter veranschaulichen.

(1) Wenn in der Mathematik a : b = c : x gegeben ist, können wir unzweifelhaft schließen, dass x = b ^ c / a ist. Solange a nicht gleich Null ist, erhalten wir definitiv den Wert von x. Die Analogie der Philosophie ist jedoch keineswegs quantitativ gemeint. Diese Auffassung drückt Kant auch in den Prolegomena aus: „Eine solche Erkenntniß ist die nach der Analogie, welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene Ähnlichkeit zweier Dinge, sondern eine vollkommne Ähnlichkeit zweier Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen bedeutet.“6 Denn was hier im Zentrum steht, ist die Ähnlichkeit zweier Verhältnisse, genauer gesagt: Das Verhältnis von a zu b ist dem von c zu x ähnlich. Um dies besser zu verstehen, wird die Anmerkung Kants zu diesem Absatz analysiert. Hier nennt Kant zwei Beispiele: Erstens gibt es eine Analogie zwischen den rechtlichen Verhältnissen menschlicher Handlungen und den mechanischen Verhältnissen der bewegenden Kräfte, weil alle wissen, dass das Recht eines Menschen gegenüber einem anderen dasselbe ist wie die Wirkung und Gegenwirkung. D.h. das Verhältnis hat eine Ähnlichkeit. So behauptet Kant: „Vermittelst einer solchen Analogie kann ich daher einen Verhältnißbegriff von Dingen, die mir absolut unbekannt sind, geben.“7 Zudem wird noch ein anderes Beispiel beschrieben, das direkt mit unserem Thema verbunden ist: „wie sich verhält die Beförderung des Glücks der Kinder = a zu der Liebe der Eltern = b, so die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts = c zu dem Unbekannten in Gott = x, welches wir Liebe nennen.“8 Kant betont hier, dass, obwohl Gott uns unbekannt ist, das Verhältnis seiner Liebe zur Wohlfahrt dem Verhältnis der Liebe der Eltern zur Beförderung des Glückes der Kinder ähnlich ist.

(2) Jetzt kann festgestellt werden, dass es bei a : b = c : x eine Ähnlichkeit des Verhältnisses gibt. Somit werden, wenn auch das unbekannte x nicht direkt bestimmt oder erkannt werden kann, doch seine Eigenschaften durch die Analogie festgehalten. Jetzt stellt sich die Frage, um welch ein Verhältnis es hier geht. In den Prolegomena sagt Kant deutlich: „Der Verhältnißbegriff aber ist hier eine bloße Kategorie, nämlich der Begriff der Ursache.“9 D.h. die Gleichung a : b = c : x wird aufgestellt, weil die Kausalität zwischen a und b und die Kausalität zwischen c und x analog sind. Die Behauptung wird in der KU von Kant noch weiter ausgeführt:

„Analogie (in qualitativer Bedeutung) ist die Identität des Verhältnisses zwischen Gründen und Folgen (Ursachen und Wirkungen) […] So denken wir uns zu den Kunsthandlungen der Thiere in Vergleichung mit denen des Menschen den Grund dieser Wirkungen in den ersteren, den wir nicht kennen, mit dem Grunde ähnlicher Wirkungen des Menschen (der Vernunft), den wir kennen, als Analogon der Vernunft; und wollen damit zugleich anzeigen: daß der Grund des thierischen Kunstvermögens unter der Benennung eines Instincts von der Vernunft in der That specifisch unterschieden, doch auf die Wirkung (der Bau der Biber mit dem der Menschen verglichen) ein ähnliches Verhältniß habe. Deswegen aber kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem Bauen Vernunft braucht, nicht schließen, daß der Biber auch dergleichen haben müsse, und es einen Schluß nach der Analogie nennen.“10

Hier weist Kant deutlich darauf hin: „Analogie (in qualitativer Bedeutung) ist die Identität des Verhältnisses zwischen Gründen und Folgen (Ursachen und Wirkungen).“ Dementsprechend änderte Sebastian Maly die obige Formel in U1 : W1 = U2 : W2. Dabei steht „U“ für Ursache, „W“ für Wirkungen, und diese Analogie wird „Proportionalitätsanalogie“ genannt.11 In Abschnitt 1.4 wird deutlich werden, dass Kant dazu neigt, das Verhältnis zwischen Gott und Welt als das zwischen Grund und Folge zu bestimmen. Aus diesem Grund bevorzuge ich hier die Formel G1 : F1 = G2 : F2. Im obigen Beispiel wies Kant darauf hin, dass sich die Kunsthandlungen des Bibers auch auf ein „Analogon der Vernunft“ stützen, da menschliche Kunsthandlungen als Konsequenz auf der menschlichen Vernunft beruhen. Wir können aber nicht daraus schließen, dass der Biber eine solche Vernunft besitzt. In dieser Formel können G1, F1, F2 durch Erfahrung erlernt sein, aber wir haben für G2 keine sinnliche Anschauung und Intuition, so dass wir nicht wissen können, ob es wirklich existiert, und was wir hervorgebracht haben, sind nicht die Eigenschaften der Sache selbst. Aber analog können wir uns G2 als Analogon von G1 vorstellen.

An dieser Stelle fasse ich die Punkte (1) und (2) wie folgt zusammen: Analogie ist für Kant eine wichtige Methode, ein unbekanntes Ding x zu erkennen. Doch kann x nicht direkt bestimmt werden, folglich soll man x in ein Verhältnis setzen. X wird als Grund von c bestimmt, das kausale Verhältnis ist dem zwischen Grund b und Folge a ähnlich. Damit können wir eine indirekte Erkenntnis von x erhalten. Damit kann eine indirekte Erkenntnis von x erzielt werden. Natürlich wird Kant nicht müde zu betonen, dass diese Erkenntnis nicht gewiss und diskursiv ist.

 

1.3.2 Die Intelligenz Gottes durch die Analogie erkennen

Im Folgenden wird veranschaulicht, wie der analogische Ansatz verwendet wird, um Gott zu verstehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Kants Ansatz darin besteht, aus der Erfahrung ein Prädikat zu wählen, das zu Gott passt. So behauptet Kant in den Prolegomena: „denken wir es uns durch Eigenschaften, die von der Sinnenwelt entlehnt sind, so ist es nicht mehr Verstandeswesen, es wird als eines von den Phänomenen gedacht und gehört zur Sinnenwelt.“1 Diese Methode unterscheidet sich grundsätzlich von der transzendentalen Vorgehensweise. An dieser Stelle komme ich auf den Anhang zur transscendentalen Dialektik zurück:

„Ich werde mir also nach der Analogie der Realitäten in der Welt, der Substanzen, der Causalität und der Nothwendigkeit, ein Wesen denken, das alles dieses in der höchsten Vollkommenheit besitzt, und, indem diese Idee bloß auf meiner Vernunft beruht, dieses Wesen als selbstständige Vernunft, was durch Ideen der größten Harmonie und Einheit Ursache vom Weltganzen ist, denken können, so daß ich alle die Idee einschränkende Bedingungen weglasse, lediglich um unter dem Schutze eines solchen Urgrundes systematische Einheit des Mannigfaltigen im Weltganzen und vermittelst derselben den größtmöglichen empirischen Vernunftgebrauch möglich zu machen, indem ich alle Verbindungen so ansehe, als ob sie Anordnungen einer höchsten Vernunft wären, von der die unsrige ein schwaches Nachbild ist.“2

Diese Passage umfasst den gesamten Prozess der Analogie. Dadurch wird die Intelligenz Gottes erkannt: (1) Um die systematische Einheit der Welt als möglich zu denken, muss ich diese so betrachten, als ob sie aus der Anordnung einer höchsten Vernunft stamme. (2) Dies liegt daran, dass ich mir durch meine Vernunft vorstellen kann, dass Gott eine selbstständige Vernunft hat. (3) Aber die Vernunft Gottes ist meiner Vernunft nicht direkt gleichwertig, weil ich alle Bedingungen beseitigen muss, die diese Vorstellung einschränken, so dass unsere Vernunft nur das Abbild der höchsten Vernunft ist. Diese drei Punkte müssen aber im Folgenden noch geklärt werden.

(1) Der Begriff der systematischen Einheit der Welt findet sich überall in den kantischen Schriften. Kant nennt sie auch die Ordnung und Zweckmäßigkeit der Welteinrichtung, eine zweckmäßige Einheit, die eine enge Beziehung mit dem regulativen Gebrauch hat. Das ist eine umfangreiche und sehr schwierige Frage, die hier nicht ausführlich interpretiert werden kann.

Doch möchte ich hinzufügen, dass Kant schon in seiner vorkritischen Periode versucht hat, von der systematischen Einheit der Welt aus die Existenz Gott zu beweisen, vorwiegend in der Naturgeschichte und im Beweisgrund. In Abschnitt 1.1 haben wir eine Passage aus der Naturgeschichte zitiert, die eine kantische Physikotheologie darstellt. Kant denkt zu dieser Zeit die systematische Einheit der Welt als das Ergebnis der Mechanik. Im Gegensatz dazu stellt Kant außerdem im Beweisgrund auch das organische Gesetz vor Augen, weil er meint, dass bloße Mechanik für die Interpretation der Entstehung des Organismus nicht ausreichend ist. Außerdem teilt Kant die Abhängigkeit aller Dinge von Gott in „moralische“ und „unmoralische“ Abhängigkeit auf: „Ich nenne diejenige Abhängigkeit eines Dinges von Gott, da er ein Grund desselben durch seinen Willen ist, moralisch, alle übrige aber ist unmoralisch.“3 Diese bezieht sich auf anorganische Materie, die sich einer notwendigen Naturordnung unterwirft, jene auf einen Organismus, der sich einer künstlichen Naturordnung unterwirft. Doch im Beweisgrund fungieren notwendige und künstliche Naturordnung nicht, wie es in der Naturgeschichte geschieht, als Grund für das Dasein Gottes, sondern nur als Bezeichnung der systematischen Welt.

Obwohl Kant den physikotheologischen Beweis aufgibt, bleibt die Betrachtung der Welt als systematischer Einheit, bleibt auch die physikotheologische Methode, um Gott zu erkennen. Im Anhang zur transscendentalen Dialektik der KrV formuliert Kant die Beziehung zwischen der systematischen Einheit der Welt und der Anordnung Gottes: „Die höchste formale Einheit, welche allein auf Vernunftbegriffen beruht, ist die zweckmäßige Einheit der Dinge, und das speculative Interesse der Vernunft macht es nothwendig, alle Anordnung in der Welt so anzusehen, als ob sie aus der Absicht einer allerhöchsten Vernunft entsprossen wäre.“4 Daraus können wir nicht schließen, dass Kant die Physikotheologie wieder aufgegriffen hat. Ich möchte nur betonen, dass die analogische Methode eng mit dem regulativen Gebrauch und der Physikotheologie verbunden ist.

(2) Ausgehend von der systematischen Einheit der Welt betrachtet Kant Gott jetzt als die höchste Vernunft oder Intelligenz. Unzweifelhaft wird hier die Analogie benutzt. Gottes Intelligenz ist ein Analogon unserer Intelligenz. In den Prolegomena schreibt Kant das Folgende:

Wenn ich sage: wir sind genöthigt, die Welt so anzusehen, als ob sie das Werk eines höchsten Verstandes und Willens sei, so sage ich wirklich nichts mehr als: wie sich verhält eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment zum Künstler, Baumeister, Befehlshaber, so die Sinnenwelt (oder alles das, was die Grundlage dieses Inbegriffs von Erscheinungen ausmacht) zu dem Unbekannten, das ich also hiedurch zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es für mich ist, nämlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Theil bin, erkenne.5

Diese Passage ist eine typische Erklärung für die Anwendung der Analogie. Nach der oben genannten Formel G1 : F1 = G2 : F2 repräsentiert G1 hier die Intelligenz des Künstlers, Baumeisters, Befehlshabers, F1 deren Werke, etwa eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment. G1 verhält sich zu F1 genau wie G2 (die Intelligenz Gottes: Verstand und Willen) zu F2 (dem Werk Gottes bzw. der systematischen Einheit der Welt). Daraus folgt, dass Gott die höchste Intelligenz ist. Genau wie in der KU weist Kant darauf hin, dass wir den Biber als ein vernünftiges Tier durch die Analogie mit dem Menschen denken können und er fügt noch hinzu: „Eben so kann ich die Causalität der obersten Weltursache in der Vergleichung der zweckmäßigen Producte derselben in der Welt mit den Kunstwerken des Menschen nach der Analogie eines Verstandes denken.“6

Interessanterweise verwendet Kant in den Prolegomena die gleichen Beispiele wie im sechsten Abschnitt des Theologie-​Hauptstückes, wo er eine Rekonstruktion des physikotheologischen Beweises durchführt.7 Dies ist auch eine weitere Quelle, die als Beweis dafür gilt, dass Kant die analogische und physikotheologische Methode zur Erkenntnis Gottes nicht aufgibt.

(3) Durch die Analogie können wir jetzt feststellen, dass die Intelligenz eine Eigenschaft von Gott ist, oder dass es eine höchste Vernunft und Intelligenz gibt. Allerdings wollen wir die höchste Intelligenz ausführlicher diskutieren. Ähnlich wie die Intelligenz der Biber, die nur ein Analogon der Intelligenz der Menschen ist, so ist die menschliche Intelligenz niemals identisch mit der Intelligenz Gottes. In kantischer Terminologie wird die höchste Intelligenz Gottes als intellectus archetypus betrachtet: „Eben dieselbe Idee ist also für uns gesetzgebend, und so ist es sehr natürlich, eine ihr correspondirende gesetzgebende Vernunft (intellectus archetypus) anzunehmen, von der alle systematische Einheit der Natur als dem Gegenstande unserer Vernunft abzuleiten sei.“8 Die Differenz des intellecti archetypi zu unserer Intelligenz wird in der Vorlesung über Rationaltheologie deutlich veranschaulicht:

„Nun giebt es aber in der ganzen Welt kein Ding, was reine Realität hätte, sondern alle Dinge, die uns durch die Erfahrung können gegeben werden, sind partim realia, partim negativa […] Gott aber können solche Negationen nicht beigeleget werden, daher muß ich zuerst via negationis verfahren, d.h. ich muß alles Sinnliche, was meinen Vorstellungen von dieser oder jener Realität inhäriert, sorgfältig absondern, alles Unvollkommene, alles Negative weglassen, und das reine Reale, was übrig bleibt, Gott beilegen […] Auf solche Art werde ich zwar via negationis die Qualität der göttlichen Prädikate bestimmen können, d.h. welche Prädikate ich aus der Erfahrung, nach Absonderung aller Negation, auf meinen Begriff von Gott anwenden kann, aber dadurch würde ich noch gar nicht die Quantität dieser Realität in Gott erkennen lernen […] Daher muß ich nun, wenn ich in einer von den Eigenschaften der Dinge, die mir durch die Erfahrung gegeben sind, irgend eine Realität angetroffen habe, dieses Reale Gott im höchsten Grade, in unendlicher Bedeutung, beilegen. Das nennet man per viam eminentiae verfahren.“9

Da diese Eigenschaft, nämlich die Intelligenz, aus der Erfahrung und der Sinnenwelt stammt, ist sie nicht völlige Realität, weil die sinnlichen Dinge partim realia, partim negativa sind. Deswegen ist es nötig, alles Unvollkommene und alles Negative wegzulassen. Hier geht Kant zwei verschiedene Wege: die via negationis und die via eminentiae. Die via eminentiae bezeichnet den quantitativ höchsten Grad von den Eigenschaften Gottes, die via negationis sondert die negativen Elemente der aus der Erfahrung erhaltenen Prädikate ab. Danach kann bestimmt werden, dass Gott als intellectus archetypus sich qualitativ und quantitativ von unserer endlichen und abgeleiteten Intelligenz unterscheidet. Dazu ist zu bemerken, dass dies eine entscheidende Maßnahme ist, die Kant ergriffen hat, um zu vermeiden, in einen groben Anthropomorphismus zu geraten.

Zu Abschnitt 1.3 kann zusammenfassend gesagt werden: Obwohl Kant seinen physikotheologischen Beweis aufgegeben hat, bedeutet dies nur, dass Physikotheologie nicht imstande ist, die Existenz Gottes zu beweisen, doch wird die Gottesidee dennoch regulativ gebraucht. Durch eine aposteriorische Methode bzw. die Analogie wird Gott als die höchste Intelligenz bestimmt, d.h. die Eigenschaft der Intelligenz kommt Gott zu.