Besteuerung von Unternehmen III

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Zweiter Abschnitt Begründung für den Einbezug der Steuern

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Für den Einbezug der steuerlichen Effekte in den Entscheidungsprozess gibt es sowohl eine materielle als auch eine formelle Begründung.[3]

(1) Materielle Begründung: Die materielle Begründung für den Einbezug von Steuern liegt darin, dass die vom Entscheidungsträger zu zahlenden Steuern Einfluss auf das Gewinnziel haben. Der Begriff „Gewinn“ ist in der Betriebswirtschaftslehre allerdings nicht eindeutig definiert. Ausgangspunkt bilden die Bedürfnisse des Entscheidungsträgers. Er kann entweder vorgeben,


seine Entnahmen für Konsumausgaben (Einkommensstreben),
sein Vermögen (Vermögensstreben) oder
die Kombination von Entnahmen für Konsumausgaben und Besitz von Vermögensgegenständen (Wohlstandsstreben)

zu maximieren.[4] Steuern sind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, da die für die Zahlung von Steuern benötigten Zahlungsmittel die Entnahmen und/oder das Vermögen mindern.

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(2) Formelle Begründung: Die formelle Begründung für den Einbezug von Steuern resultiert daraus, dass für betriebswirtschaftliche Entscheidungen nicht nur auf die absolute Höhe der zu zahlenden Steuern abzustellen ist, sondern auch darauf, ob sich die Steuerzahlungen bei den zu beurteilenden Investitionen unterscheiden. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen:


Indifferenzbedingung: Ändert sich durch die Besteuerung die Reihenfolge der Alternativen, maW fällt die Entscheidung bei Einbezug der Besteuerung anders aus als ohne Betrachtung der steuerlichen Effekte?
Realisierungsbedingung: Kann eine Alternative auch unter Beachtung der steuerlichen Effekte durchgeführt werden?

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(a) zur Indifferenzbedingung: Bei der Prüfung, ob es durch die Besteuerung zu einer Änderung der Vorteilhaftigkeitsreihenfolge kommt, sind zwei Grundformen zu unterscheiden:


Ist die Höhe der Steuerschuld unabhängig davon, welche der Alternativen umgesetzt wird, sind Steuern zwar eine wichtige Zielgröße, aber wie fixe Kosten für die Entscheidung irrelevant. Die Unabhängigkeit der Steuern von unternehmerischen Entscheidungen ist im strengen Sinn nur bei Kopfsteuern (und unter Vernachlässigung der Ungewissheit) gegeben. Obwohl nahezu jede unternehmerische Entscheidung die zu zahlenden Steuern beeinflusst, bleiben sie aufgrund von Informationsproblemen (Welche steuerlichen Effekte treten auf?) bzw von Zurechnungsproblemen (Welcher Teil der von einem Unternehmen insgesamt zu zahlenden Steuern ist durch die zu treffende Entscheidung verursacht?) unberücksichtigt. In diesen Fällen handelt es sich um eine faktische Irrelevanz der Besteuerung. Derartige Vereinfachungen sind allerdings nur bei Entscheidungen mit kurzfristigem Charakter oder von geringer Bedeutung zu empfehlen.
Besteht eine Abhängigkeit der Steuerzahlungen vom Zielerreichungsgrad, sind Steuern dann entscheidungsneutral, wenn sie direkt an die Zielgröße des Unternehmers (Entnahmen oder Vermögen) anknüpfen. Die steuerlichen Bemessungsgrundlagen weichen allerdings regelmäßig von den betriebswirtschaftlichen Zielgrößen ab. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Entscheidungen auf zu erwartenden Größen beruhen (ex-ante Betrachtung), während die Besteuerung an die tatsächlich realisierten Ergebnisse anknüpft (ex-post Betrachtung).

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(b) zur Realisierungsbedingung: Die Durchführung einer Alternative kann


zum einen an Liquiditätsengpässen (die Steuerzahlungen werden vor dem Eintreten der Einzahlungsüberschüsse fällig und es besteht keine Möglichkeit, die Steuerschuld zu finanzieren), oder
zum anderen daran scheitern, dass die Summe der zu zahlenden Steuern die Summe der Einzahlungsüberschüsse übersteigt (so zB bei geringen Gewinnen, aber relativ hohen Substanzsteuern).

Da die Realisierungsbedingung vorab nicht generell beantwortet werden kann und die Indifferenzbedingung im Regelfall nicht erfüllt ist, sollten Steuern in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

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(3) Einteilung der Bedeutung der Besteuerung für betriebliche Entscheidungen: In einer groben Vereinfachung lässt sich der Einfluss der Besteuerung auf betriebliche Entscheidungen wie folgt charakterisieren:

Abb. 1.2: Bedeutung der Besteuerung für betriebliche Entscheidungen


eher hoher Einfluss der Besteuerung eher geringer Einfluss der Besteuerung
• Rechtsform • Investition • Finanzierung • Steuerbilanzpolitik • internationale Standortwahl • nationale Standortwahl • Beschaffung, Produktion, Absatz • Personal (Grundsatz) Ausnahmen: Entgeltpolitik bei Sozialleistungen, betrieblicher Altersversorgung, Entsendung der Mitarbeiter ins Ausland

Diese Einteilung bildet die Grundlage für die Stoffauswahl in diesem Buch. Vor der Erläuterung des steuerlichen Einflusses auf die ausgewählten betrieblichen Entscheidungen werden die Verfahren vorgestellt, mit deren Hilfe die Höhe der zu zahlenden Steuern quantifiziert werden kann.

Anmerkungen

[1]

Siehe hierzu Sieben/Schildbach, Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, 4. Aufl., Düsseldorf 1994, S. 15–31.

[2]

Siehe hierzu grundlegend Wagner/Dirrigl, Die Steuerplanung der Unternehmung, Stuttgart/New York 1980, S. 12–13.

[3]

Siehe hierzu grundlegend Wagner/Dirrigl, Die Steuerplanung der Unternehmung, Stuttgart/New York 1980, S. 5–21 sowie Heinhold, Unternehmensbesteuerung, Band 3: Investition und Finanzierung, Stuttgart 1996, S. 26–29.

[4]

Diese Begriffe werden im Vierten Teil, Erster Abschnitt ausführlich erläutert.

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Erster Abschnitt Beziehungen zwischen den Steuerarten

Erster Abschnitt Beziehungen zwischen den Steuerarten

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Zwischen den von Unternehmen periodisch zu zahlenden Ertrag- und Substanzsteuern bestehen folgende Zusammenhänge:


Die Grundsteuer mindert als Betriebsausgabe die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer.
Die Grundsteuer mindert als Betriebsausgabe zusätzlich die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer bzw der Körperschaftsteuer.
Die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag bildet die (festzusetzende) Einkommen- bzw Körperschaftsteuer.
Zwischen der Einkommensteuer und der Kirchensteuer besteht eine wechselseitige Abhängigkeit: Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer bildet die (festzusetzende) Einkommensteuer. Die gezahlte Kirchensteuer mindert als Sonderausgabe nicht nur die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, sondern mittelbar zusätzlich ihre eigene Bemessungsgrundlage. Abb. 2.1: Beziehungen zwischen den Ertrag- und Substanzsteuern [Bild vergrößern]
Bei einkommensteuerpflichtigen Gewerbetreibenden wird die Gewerbesteuer in pauschalierender Form durch eine Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer (weitgehend) kompensiert.
Bei Kapitalgesellschaften mindern die auf Unternehmensebene gezahlten Steuern (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer) die an die Anteilseigner maximal zahlbare Dividende. Durch den Rückgang der Gewinnausschüttungen reduziert sich die Einkommensteuer des Anteilseigners.

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Zweiter Abschnitt Kasuistische Veranlagungssimulation

 

Zweiter Abschnitt Kasuistische Veranlagungssimulation

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Die Zielsetzung der (kasuistischen) Veranlagungssimulation besteht darin, die Steuerschuld zu ermitteln, die bei Realisierung des betrachteten Sachverhalts entstehen würde. Zu diesem Zweck wird das Veranlagungsverfahren der Finanzbehörden modellmäßig nachvollzogen, dh für den konkreten Fall rechnerisch simuliert. Die getrennt für jede Steuerart ermittelten Steuerzahlungen können zur Gesamtsteuerbelastung addiert werden.[1]

Bei der (kasuistischen) Veranlagungssimulation sind zunächst die steuerlichen Effekte auf Ebene der Gesellschaft zu analysieren, da die Steuerbelastung der Anteilseigner von den Gewinnanteilen abhängt, die ihnen zugerechnet werden.

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Der weitere Aufbau des Berechnungsschemas wird von den Dependenzen und Interdependenzen zwischen den Steuerarten bestimmt. Es ist mit den Steuerarten zu beginnen, die unabhängig von den anderen ermittelt werden können und die für die Berechnung von anderen Steuerarten benötigt werden. Dies sind einerseits die Verkehr- und Verbrauchsteuern, bei denen zu prüfen ist, ob sie als Betriebsausgaben aufwandswirksam oder als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren sind, und andererseits die Grundsteuer, ohne deren Kenntnis die Ertragsteuern nicht berechnet werden können. Damit ergibt sich folgende allgemeine Reihenfolge:


Verbrauch- und Verkehrsteuern
Grundsteuer
Gewerbesteuer
Körperschaftsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag (nur bei Kapitalgesellschaften)
Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf Kirchensteuer.

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Dritter Abschnitt Teilsteuerrechnung

Dritter Abschnitt Teilsteuerrechnung

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Aufgabe der Teilsteuerrechnung ist weniger die Berechnung der einzelnen Steuerzahlungen, als vielmehr in erster Linie die Kenntnis über die Be- oder Entlastung, die durch eine betriebswirtschaftliche Größe verursacht wird.[2] Diese Zielsetzung bedingt ein mehrstufiges Verfahren:


1. Schritt:
2. Schritt: Für jede Steuerart ist eine Grundgleichung aufzustellen, in der die juristischen Bemessungsgrundlagen durch die im ersten Schritt gewonnenen betriebswirtschaftlichen Bemessungsgrundlagenteile ausgedrückt werden.
3. Schritt: Die Zusammenfassung der Grundgleichungen ergibt die Gleichung für die Gesamtsteuerbelastung.
4. Schritt: Die Gesamtsteuergleichung ist nach den im ersten Schritt gewonnenen betriebswirtschaftlichen Bemessungsgrundlagenteilen zu ordnen. Aus den Summen, Differenzen und Produkten der einzelnen Steuersätze sind die Teilsteuersätze (Multifaktoren) zu berechnen, die die effektive Be- oder Entlastung einer betriebswirtschaftlichen Größe repräsentieren.
5. Schritt: Durch Multiplikation des Bemessungsgrundlagenteils mit dem Teilsteuersatz erhält man den Teil der Gesamtsteuerbelastung, der auf die betrachtete betriebswirtschaftliche Größe entfällt. Diese „Teilsteuern“ lassen sich zur Gesamtsteuerbelastung addieren.

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Vierter Abschnitt Beispiel zur Demonstration der Vorgehensweise

Vierter Abschnitt Beispiel zur Demonstration der Vorgehensweise

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Vierter Abschnitt Beispiel zur Demonstration der Vorgehensweise › A. Daten

A. Daten

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Die rechnerische Erfassung der Beziehungen zwischen den Steuerarten durch die Veranlagungssimulation und die Teilsteuerrechnung werden anhand eines einfachen Beispiels demonstriert, bei dem die effektive Belastung von Ertrag und Substanz einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der laufenden Besteuerung quantifiziert wird.

Eine Kapitalgesellschaft erzielt vor Berücksichtigung der als Betriebsausgaben abziehbaren Steuerarten steuerpflichtige Einkünfte von 100 000 €. Der Grundsteuerwert beläuft sich auf 2 000 000 €. Die Gemeinde setzt den Hebesatz der Grundsteuer auf 420% und den der Gewerbesteuer auf 400% fest. Der Körperschaftsteuersatz beträgt 15%, der Steuersatz des Solidaritätszuschlags 5,5%. Freibeträge und -grenzen sowie die Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters bleiben unberücksichtigt.

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Vierter Abschnitt Beispiel zur Demonstration der Vorgehensweise › B. Berechnung der Gesamtsteuerbelastung durch Simulation der Veranlagung

B. Berechnung der Gesamtsteuerbelastung durch Simulation der Veranlagung

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Im Beispiel sind für die einzelnen Steuerarten folgende Berechnungen vorzunehmen:

(1) Grundsteuer (GrSt)


Grundsteuerwert (§ 13 Abs. 1 GrStG) 2 000 000 €
× Steuermesszahl (§ 15 Abs. 1 Nr 2 GrStG) 0,34‰
= Steuermessbetrag (§ 13 Abs. 1 iVm § 16 GrStG) 680 €
× Hebesatz der Grundsteuer (§ 25 GrStG) 420%
= Grundsteuer 2 856 €

(2) Gewerbesteuer (GewSt)


Gewinn vor Steuern 100 000 €
Grundsteuer (§ 4 Abs. 4 EStG) 2 856 €
= Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 7 S. 1 GewStG iVm § 15 EStG) 97 144 €
pauschale Kürzung für Grundstückserträge (§ 9 Nr 1 S. 1 GewStG) 0,11% × 2 000 000 € 2 200 €
= Gewerbeertrag (§ 6 GewStG) 94 944 €
× Steuermesszahl (§ 11 Abs. 2 GewStG) 3,5%
= Steuermessbetrag (§ 11 Abs. 1 iVm § 14 GewStG) 3 323 €
× Hebesatz der Gewerbesteuer (§ 16 GewStG) 400%
= Gewerbesteuer 13 292 €

(3) Körperschaftsteuer (KSt)


Gewinn vor Steuern 100 000 €
Grundsteuer (§ 4 Abs. 4 EStG) 2 856 €
= Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 8 Abs. 1 KStG iVm § 15 EStG) 97 144 €
× Steuersatz der Körperschaftsteuer (§ 23 Abs. 1 KStG) 15%
= Körperschaftsteuer 14 572 €

(4) Solidaritätszuschlag (SolZ)

 

festzusetzende Körperschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 SolZG) 14 572 €
× Steuersatz des Solidaritätszuschlags (§ 4 SolZG) 5,5%
= Solidaritätszuschlag 801 €

(5) Gesamtsteuerbelastung (Summe der zu zahlenden Steuern)


Grundsteuer 2 856 €
+ Gewerbesteuer 13 292 €
+ Körperschaftsteuer 14 572 €
+ Solidaritätszuschlag 801 €
= Summe der zu zahlenden Steuern 31 521 €

Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Vierter Abschnitt Beispiel zur Demonstration der Vorgehensweise › C. Berechnung der Gesamtsteuerbelastung mit Hilfe der Teilsteuerrechnung