Besteuerung von Unternehmen II

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Anmerkungen

[1]

Zum Realisationsprinzip siehe ausführlich Kapitel V.2., Rn. 101–118.

[2]

Zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit siehe Kapitel III.5., Rn. 87–88.

[3]

Zum Imparitätsprinzip siehe ausführlich Kapitel VI.2., Rn. 123–135.

[4]

Vgl EuGH vom 7.1.2003 (BIAO), ECLI:EU:C:2003:3; BFH vom 16.12.2014, BStBl. 2015 II, S. 759.

4. Grundsatz der Vergleichbarkeit (Bilanzidentität, formelle und materielle Bilanzstetigkeit)

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Der Grundsatz der Vergleichbarkeit lässt sich in drei Unterprinzipien einteilen: Bilanzidentität, formelle Bilanzstetigkeit und materielle Bilanzstetigkeit. Der Grundsatz der Vergleichbarkeit dient dazu, einen Zeitvergleich von Jahresabschlüssen desselben Unternehmens zu erleichtern. Er leitet sich also in erster Linie aus der Informationsfunktion ab. Die folgenden Erläuterungen zeigen, dass durch den Grundsatz der Vergleichbarkeit gleichzeitig die Zahlungsbemessungsfunktion erfüllt wird. Zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung besteht kein Zielkonflikt.

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(1) Grundsatz der Bilanzidentität: Nach dem Grundsatz der Bilanzidentität (Grundsatz des Bilanzzusammenhangs) muss die Eröffnungsbilanz eines Wirtschaftsjahres in allen Positionen dem Grunde und der Höhe nach mit der Schlussbilanz des unmittelbar vorangehenden Wirtschaftsjahres übereinstimmen (§ 252 Abs. 1 Nr 1 HGB). Der Grundsatz der Bilanzidentität gewährleistet, dass die Summe der ausgewiesenen Periodengewinne mit dem tatsächlich erzielten Totalgewinn des Unternehmens übereinstimmt. Die Periodisierung von Ein- und Auszahlungen in Erträge und Aufwendungen beeinflusst lediglich den Zeitpunkt, zu dem ein Geschäftsvorgang erfolgswirksam wird. Die Art und Weise der Periodisierung entscheidet nicht darüber, ob der Erfolg dem Grunde nach ausgewiesen wird, sondern nur wann.

Der Grundsatz der Bilanzidentität stellt sicher, dass über den Zeitraum, in dem ein Unternehmen besteht, für die externe Rechnungslegung folgende Grundaussagen gelten:


Summe der Aufwendungen = Summe der Auszahlungen
und
Summe der Erträge = Summe der Einzahlungen

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Da sich in einer Gesamtbetrachtung die Abweichungen zwischen dem Zahlungszeitpunkt und dem Zeitpunkt der Erfolgswirksamkeit ausgleichen, entspricht beispielsweise die Summe der als Aufwand verrechneten Abschreibungen eines Wirtschaftsguts den beim Erwerb angefallenen Auszahlungen. Rohstoffe gehen mit dem beim Erwerb bezahlten Preis in die Gewinn- und Verlustrechnung ein. Die Art und Weise der Bilanzierung und Bewertung in der Handels- oder Steuerbilanz beeinflusst den Gesamterfolg des Unternehmens nicht. Aufgrund des Grundsatzes der Bilanzidentität beschränkt sich der Effekt von Bilanzierungs- oder Bewertungsentscheidungen auf die Verteilung der Gewinne auf die einzelnen Perioden. Die im Rahmen der handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung vorgenommene Periodisierung löst also lediglich einen Zeiteffekt aus, jedoch keinen Bemessungsgrundlageneffekt.

Unterbewertungen von Aktiva bewirken, dass der Gewinnausweis in die Zukunft verlagert wird. Im Zeitpunkt des Verbrauchs oder Verkaufs eines Wirtschaftsguts werden die durch die Unterbewertung gebildeten stillen Reserven (= Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem Buchwert eines Wirtschaftsguts) gewinnerhöhend aufgelöst. Überhöhte Aufwandsverrechnungen (zB Sonderabschreibungen) und verzögerte Erfassungen von Erträgen (zB durch Bildung von steuerfreien Rücklagen) führen ertragsteuerlich grundsätzlich nur zu einer Steuerstundung. Bei konstanten Steuersätzen können bei den Ertragsteuern keine (endgültigen) Steuerersparnisse, sondern lediglich Liquiditäts- und Zinsvorteile erzielt werden (positiver Zeiteffekt). Bei progressiven Steuersätzen oder Veränderungen von Steuersätzen im Zeitablauf wird der positive Zeiteffekt durch positive oder negative Steuersatzeffekte verstärkt bzw abgeschwächt.[1]

In den letzten Jahren wurden Änderungen der steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften häufig mit dem Schlagwort „Senkung der Steuersätze – Verbreiterung der Bemessungsgrundlage“ begründet. Da sich der bilanzielle Wertansatz nicht auf die Höhe der insgesamt zu versteuernden Gewinne auswirkt, ist diese Bezeichnung inhaltlich ungenau. Der Gesetzgeber beabsichtigt, dass Erträge früher erfasst und Aufwendungen später verrechnet werden. Materiell geht es um die Vorverlagerung des Zeitpunkts, zu dem eine Vermögensmehrung zu versteuern ist, bzw um eine Nachverlagerung des Zeitpunkts, zu dem eine Vermögensminderung steuerlich berücksichtigt werden kann. Im Hinblick auf den durch die Bilanzierung und Bewertung ausgelösten Zeiteffekt wäre deshalb der Begriff „Vorverlagerung der Bemessungsgrundlage“ inhaltlich zutreffend.

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(2) Grundsatz der formellen Bilanzstetigkeit: Nach dem Prinzip der formellen Bilanzstetigkeit (Darstellungsstetigkeit) sind die Form und Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung im Zeitablauf in gleicher Weise zu gestalten. Dieser Grundsatz ist zwar lediglich für Kapitalgesellschaften im Gesetz formuliert (§ 265 Abs. 1 HGB). Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften gilt er jedoch als ungeschriebener Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung. Der Grundsatz der formellen Bilanzstetigkeit bezieht sich sowohl auf die Bezeichnung der Posten und den Aufbau der Bilanz als auch auf die Zuordnung von Geschäftsvorgängen zu den einzelnen Bilanzpositionen bzw Ertrags- und Aufwandskonten.

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(3) Grundsatz der materiellen Bilanzstetigkeit (Grundsatz der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit):[2] Der Grundsatz der materiellen Bilanzstetigkeit besagt, dass die auf den vorangehenden Jahresabschluss angewandten Ansatz- und Bewertungsmethoden beizubehalten sind (§ 246 Abs. 3, § 252 Abs. 1 Nr 6 HGB). Er beinhaltet die Forderung nach einer übereinstimmenden Anwendung der Ansatz- und Bewertungsmethoden in den einzelnen Wirtschaftsjahren (Methodenkontinuität) sowie nach einer Fortführung der Wertansätze (Wertstetigkeit). Sowohl der Grundsatz der Ansatzstetigkeit als auch der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit entsprechen dem Objektivierungsgedanken. Diese beiden Unterformen der materiellen Bilanzstetigkeit erhöhen insoweit die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse im Zeitablauf, als gleiche Tatbestände in aufeinander folgenden Jahresabschlüssen gleich zu behandeln sind.

Die Ansatz- und Bewertungsmethoden sind immer dann beizubehalten, wenn gleichartige Sachverhalte zu beurteilen sind, dh wenn die anzusetzenden und zu bewertenden Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten vergleichbaren Nutzungs- und Risikobedingungen unterliegen. Art- und funktionsgleiche Bilanzierungs- und Bewertungsobjekte dürfen nicht ohne sachliche Begründung nach unterschiedlichen Methoden angesetzt oder bewertet werden. Dies gilt nicht nur für Sachverhalte, die bereits im vorangehenden Jahresabschluss erfasst wurden (zeitliche Stetigkeit), sondern auch für im laufenden Jahr zugegangene oder entstandene Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten, sofern gleichartige Positionen unter vergleichbaren Umständen im Vorjahresabschluss anzusetzen und zu bewerten waren (sachliche Stetigkeit, Grundsatz der einheitlichen Bewertung).

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Die Ansatzstetigkeit bezieht sich auf das planmäßige Vorgehen bei Entscheidungen über den Ansatz dem Grunde nach. Einbezogen werden sowohl die Ausübung von im Gesetz genannten Bilanzierungswahlrechten als auch die Konkretisierung von Ermessensspielräumen im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Ansatz eines bestimmten Bilanzpostens, sofern dem Vorgehen des Bilanzierenden ein bestimmtes Verfahren bzw eine Systematik zugrunde liegt. Ermessensspielräume bestehen insbesondere dann, wenn bei der Aufstellung des Jahresabschlusses ein Interpretationsspielraum besteht, weil im Gesetz ein unbestimmter Rechtsbegriff verwendet wird oder weil über die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Bewertungsmethoden sind definiert als in ihrem Ablauf konkretisierte Verfahren der Wertfindung, durch die ein Wert nachvollziehbar aus den bewertungsrelevanten Faktoren abgeleitet wird. Bei der Ausübung von ausdrücklich formulierten Bewertungswahlrechten ist die Bewertungsstetigkeit grundsätzlich zu beachten. Im Zusammenhang mit der Bewertung entstehen Ermessensspielräume insbesondere dann, wenn zwar der Bewertungsmaßstab als solcher festgelegt ist, aber die einzelnen Faktoren unbestimmt sind und Schätzungen oder Auslegungen im Rahmen bestehender Beurteilungsspielräume erfordern. Hierzu gehören beispielsweise die Art und Weise der Schätzung der Wahrscheinlichkeit über die Inanspruchnahme aus bestehenden Verpflichtungen, die Anwendung der Methoden zur Ermittlung der Herstellungskosten, der Regeln zur Ermittlung der Anschaffungsnebenkosten und der Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung des Werts von Rückstellungen.

 

Vom Grundsatz der Stetigkeit darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (§ 252 Abs. 2, § 246 Abs. 3 S. 2 HGB). Eine sachliche Rechtfertigung liegt grundsätzlich nur in folgenden Situationen vor: (1) Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert, insbesondere bei Änderungen des Gesetzes, der Satzung oder der Rechtsprechung. (2) Unter Beachtung der GoB kann die Informationsfunktion der Bilanz gesteigert werden, indem ein den tatsächlichen Verhältnissen besser entsprechendes Bild vermittelt wird. (3) Durch die Durchbrechung des Stetigkeitsgebots sollen Ansatz- oder Bewertungsvereinfachungsverfahren in Anspruch genommen werden. (4) Die Abweichungen dienen der Anpassung an konzerneinheitliche Bilanzierungsrichtlinien. (5) Abweichungen vom Stetigkeitsgrundsatz sind erforderlich, um steuerliche Ziele zu verfolgen (zB Nutzung von Verlustvorträgen oder Anpassungen an die Ergebnisse einer Betriebsprüfung).[3]

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Durch das Maßgeblichkeitsprinzip werden sowohl die Ansatzstetigkeit als auch die Bewertungsstetigkeit Bestandteil der steuerlichen Gewinnermittlung. Soweit für die Handelsbilanz aufgrund von Wahlrechten oder Ermessensspielräumen die Ansatz- und Bewertungsstetigkeit zu beachten ist, wirkt sich damit der Stetigkeitsgrundsatz grundsätzlich auch auf die steuerliche Gewinnermittlung aus. Ausnahmen gelten für die Geschäftsvorgänge, bei denen die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz eingeschränkt oder durchbrochen wird. Soweit im Steuerrecht durch eine verbindliche Vorschrift, ein fehlendes oder engeres Wahlrecht oder einen eingeschränkten Ermessensspielraum die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz zurückgedrängt wird, sind für die Steuerbilanz die steuerlichen Regelungen heranzuziehen.

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 EStG können steuerliche Wahlrechte unabhängig davon ausgeübt werden, wie der entsprechende Sachverhalt in der Handelsbilanz behandelt wird. Die Entscheidung, wie der Steuerpflichtige steuerliche Wahlrechte in Anspruch nehmen möchte, kann im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung eigenständig getroffen werden. Dies gilt sowohl in dem Fall, in dem das Handelsrecht gleichfalls ein Wahlrecht gewährt, als auch für die Situation, in der handelsrechtlich eine verbindliche Norm (Ansatzverbot, -gebot, eindeutige Bewertungsvorschrift) existiert. Die Maßgeblichkeit gilt unabhängig davon nicht, ob das steuerliche Wahlrecht mit den GoB vereinbar ist oder ob es sich um ein Wahlrecht handelt, mit dem der Gesetzgeber lenkungspolitische Zwecke verfolgt. Weder im HGB noch im EStG sind Anhaltspunkte erkennbar, aus denen abgeleitet werden kann, dass steuerliche Wahlrechte unter Beachtung der handelsrechtlichen GoB auszuüben sind. Dies bedeutet, dass steuerliche Wahlrechte grundsätzlich ohne Beachtung des Stetigkeitsgrundsatzes in Anspruch genommen werden können.

Bei einigen steuerlichen Wahlrechten wird der Gestaltungsspielraum des Bilanzierenden allerdings durch spezielle steuerliche Regelungen reduziert. Beispielsweise finden sich folgende Vorgaben, die als Ausprägung eines speziellen steuerlichen Stetigkeitsgrundsatzes interpretiert werden können:


Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ist ein Wechsel der Abschreibungsmethoden nur in bestimmten Fällen zulässig (§ 7 Abs. 3 EStG).
Vom lifo-Verfahren kann in den folgenden Jahren nur dann zur Durchschnittsbewertung oder Einzelbewertung zurückgewechselt werden, wenn die Zustimmung des Finanzamts vorliegt (§ 6 Abs. 1 Nr 2a S. 3 EStG).
Die Sammelabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten zwischen 251 und 1000 € kann nur einheitlich für alle im laufenden Wirtschaftsjahr zugegangenen Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden (§ 6 Abs. 2a S. 5 EStG).
Pensionsrückstellungen dürfen nur insoweit erhöht werden, als sich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr der Teilwert erhöht hat. Unterlassene Zuführungen dürfen erst im Jahr der Beendigung des Dienstverhältnisses unter Aufrechterhaltung des Pensionsanspruchs oder im Jahr des Eintritts eines Versorgungsfalls berücksichtigt werden (Nachholverbot, § 6a Abs. 4 S. 1, 5 EStG).
Die Umstellung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres ist steuerlich nur wirksam, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen wird (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr 2 S. 2 EStG).

Anmerkungen

[1]

Zu den Auswirkungen auf die Steuerbilanzpolitik siehe Band III: Steuerplanung, Sechster Teil.

[2]

Siehe hierzu IDW RS HFA 38, FN-IDW 2011, S. 560 sowie Küting/Tesche, DStR 2009, S. 1491; Löffler/Roß, WPg 2012, S. 363; Scheffler/Binder, StuB 2012, S. 771; Scheffler/Binder, StuB 2012, S. 891; Velte, StuW 2014, S. 240; Wiechers, BBK 2012, S. 653; Zwirner/Künkele, Stbg 2013, S. 163.

[3]

Vgl IDW RS HFA 38, FN-IDW 2011, S. 560, Tz. 15.

5. Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (Wesentlichkeit, Relevanz)

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Nach dem gesetzlich nicht explizit formulierten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit sollen die mit der Rechnungslegung verbundenen Arbeitsbelastungen und Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der vermittelten Informationen stehen. Diese Anforderung lässt sich nur sehr schwer operationalisieren. Eine Möglichkeit der Überprüfung besteht darin, einen Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und dem Grundsatz der Vollständigkeit sowie dem Grundsatz der Klarheit herzustellen: Je mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden, umso höher ist die Aussagekraft der Rechnungslegung und umso besser wird der Grundsatz der Vollständigkeit erfüllt. Diesem Vorteil steht gegenüber, dass mit einer Zunahme der Anzahl der Informationen die Rechnungslegung an Übersichtlichkeit verliert. Die fehlende Transparenz führt zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Klarheit.

Über die Abgrenzung zwischen der Forderung nach Vollständigkeit und Klarheit einerseits und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit andererseits lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen, da sich der Nutzen von Jahresabschlussinformationen nicht nur schwer quantifizieren lässt, sondern zusätzlich von den einzelnen Adressaten unterschiedlich beurteilt wird.

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Die Schwierigkeiten der inhaltlichen Konkretisierung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit lassen sich nur handhaben, wenn man das Problem von der quantitativen Ebene auf eine qualitative Ebene verlagert, m.a.W. wenn man das Wirtschaftlichkeitsprinzip durch den Grundsatz der Wesentlichkeit bzw Relevanz (Materiality) von Jahresabschlussinformationen ersetzt. Eine Information ist dann wesentlich (relevant), wenn sie die Beurteilungen durch die Jahresabschlussadressaten verändert und damit die auf Jahresabschlussdaten aufbauenden Entscheidungen beeinflusst. Auf die Steuerbilanz übertragen bedeutet dies, dass auf eine Auswertung von Informationen, die sich auf die Höhe des Gewinns auswirken, nur dann verzichtet werden kann, wenn durch die damit verbundene Vereinfachung der Gewinn nur unwesentlich von dem Gewinn abweicht, der sich bei einer exakten Berechnung ergibt. Wie diese Leitlinien konkretisiert werden, kann dennoch nicht eindeutig angegeben werden.

Die praktische Bedeutung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit liegt insbesondere in den Inventurvereinfachungen (§ 240 Abs. 3, 4, § 241 HGB) und den Bewertungsvereinfachungen (§ 256 HGB). Diese Regelungen gelten sowohl für den handelsrechtlichen Jahresabschluss als auch für die steuerliche Gewinnermittlung.

IV. Systemgrundsätze (Konzeptionsgrundsätze)

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Die Systemgrundsätze repräsentieren die Basisannahmen, auf denen die Konzeption des Jahresabschlusses als spezielles Rechnungslegungsinstrument beruht. Die Systemgrundsätze verbinden die Ziele des Jahresabschlusses mit den Dokumentations–, Rahmen- und Periodisierungsgrundsätzen sowie den Konventionen zur Beschränkung von gewinnabhängigen Zahlungen. Zu den Systemgrundsätzen gehören drei Prinzipien:


Grundsatz der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Principle)
Grundsatz der Pagatorik (Grundsatz der Zahlungsverrechnung, Nominalwertprinzip)
Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung.

1. Grundsatz der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Principle)

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Der Grundsatz der Unternehmensfortführung, der auch als Going-Concern-Principle bezeichnet wird, beinhaltet die Aussage, dass bei der Aufstellung des Jahresabschlusses von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist. Für die Bewertung der Aktiva und Passiva ist der Grundsatz der Unternehmensfortführung in § 252 Abs. 1 Nr 2 HGB festgehalten. Für die Bilanzierung gilt er als nicht kodifizierter Grundsatz. Im Steuerrecht ergibt sich das Going-Concern-Principle aus der in § 6 Abs. 1 Nr 1 S. 3 EStG enthaltenen Definition des Wertmaßstabs „Teilwert“, wonach bei der Ableitung des Werts eines Wirtschaftsguts von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist.

Der Grundsatz der Unternehmensfortführung bedingt, dass in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz keine Liquidationswerte bzw (Einzel-)Veräußerungspreise anzusetzen sind, sondern die Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit ihren (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten sind. Für den Ansatz dem Grunde nach besagt das Going-Concern-Principle, dass keine Verpflichtungen passiviert werden dürfen, die nur bei Auflösung des Unternehmens entstehen (wie beispielsweise Verpflichtungen aus einem Sozialplan), und dass der Umfang der Aktiva nicht auf im Zerschlagungsfall (einzeln) veräußerbare Vermögenswerte beschränkt ist.

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Die Annahme der Unternehmensfortführung ist so lange aufrechtzuerhalten, so lange dieser Annahme nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr 2 HGB). Die Fortführungsprämisse ist jedoch nicht bereits dann aufzugeben, wenn Zweifel auftreten, ob bzw wie lange das Unternehmen bestehen wird. Vielmehr ist vom Grundsatz der Unternehmensfortführung erst dann abzuweichen, wenn konkrete rechtliche oder wirtschaftliche Gegebenheiten eine Beendigung der Unternehmenstätigkeit erwarten lassen. Beispiele hierfür sind die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, ein Beschluss der Gesellschafter, das Unternehmen aufzulösen, oder die Erteilung eines behördlichen Produktionsverbots.