Besteuerung von Unternehmen II

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Anmerkungen

[1]

Die folgende Unterteilung lehnt sich weitgehend an Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 14. Aufl., Düsseldorf 2017, S. 116–144 (aufbauend auf Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl., Düsseldorf 1987) sowie an Pittroff/Schmidt/Siegel, Allgemeine Bewertungsgrundsätze, in: Böcking/Castan/Heymann ua (Hrsg.), Beckʼsches Handbuch der Rechnungslegung, München (Loseblattausgabe), B 161, an.

II. Dokumentationsgrundsätze

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Die Dokumentationsgrundsätze enthalten die grundlegenden Anforderungen an die dem Jahresabschluss zugrunde liegende Buchführung. Der Hauptzweck der Dokumentationsgrundsätze besteht darin, zu gewährleisten, dass die Aufzeichnungen der Geschäftsvorfälle zuverlässig, vollständig und systematisch sind und dass eine geeignete Darstellungsform gewählt wird:


Grundsatz des systematischen Aufbaus der Buchführung. Die Dokumentation der im Verlauf des Jahres anfallenden Geschäftsvorfälle erfolgt auf der Grundlage eines nach den Prinzipien der doppelten Buchführung aufgebauten Rechnungslegungswerks (Nebeneinander von Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) sowie unter Verwendung eines Kontenplans, in dem die Abgrenzung der verschiedenen Unterkonten festgelegt wird (§ 242 Abs. 3 HGB, H 5.2 EStH).
Grundsatz der Sicherung der Vollständigkeit der Konten. Der Inhalt der Konten ist gegen Verlust oder Manipulation zu schützen. Eintragungen in die Konten dürfen nicht in der Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Nachträgliche Eintragungen sind unzulässig (§ 239 Abs. 3 HGB, § 146 Abs. 4 AO).
Grundsatz der vollständigen und verständlichen Aufzeichnung. Die Geschäftsvorgänge sind vollständig, zeitnah und geordnet nach ihrem zeitlichen Anfall aufzuzeichnen (§ 239 Abs. 2 HGB, § 146 Abs. 1 AO). Die Aufzeichnungen müssen leserlich sein und in einer lebenden Sprache vorgenommen werden (§ 239 Abs. 1 HGB, § 146 Abs. 3 AO). Der Jahresabschluss ist in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen (§ 244 HGB).
Beleggrundsatz und Grundsatz der Einzelerfassung. Keine Buchung darf ohne Beleg erfolgen. Umgekehrt gilt auch: Jeder Beleg muss eine entsprechende Buchung nach sich ziehen. Jede Buchung darf nur einen Geschäftsvorfall erfassen, sodass sich die Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs. 1 S. 3 HGB, § 145 Abs. 1 S. 2 AO).
Aufbewahrungsgrundsatz. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz und Buchungsbelege sind einschließlich der dafür erstellten Arbeitsanweisungen und der sonstigen Organisationsunterlagen zehn Jahre aufzubewahren. Für Handelsbriefe und sonstige für die Besteuerung relevante Unterlagen beträgt die Aufbewahrungsfrist sechs Jahre (§ 257 HGB, § 147 AO).
Grundsatz der internen Kontrolle. Die Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit der externen Rechnungslegung müssen durch ein der Art und der Größe des Unternehmens angemessenes internes Kontrollsystem gesichert werden. Damit sollen Unterschlagungen und Manipulationen des Rechnungswesens verhindert oder zumindest erschwert werden. Der Aufbau des internen Kontrollsystems und dessen Umsetzung sind zu dokumentieren.

Die Dokumentationsgrundsätze gelten in gleicher Weise sowohl für die Handelsbilanz als auch für die steuerliche Gewinnermittlung.

III. Rahmengrundsätze

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Bei den Rahmengrundsätzen (Rechenschaftsgrundsätze, Grundsätze der Informationsvermittlung) handelt es sich um Prinzipien, die aufbauend auf den Dokumentationsgrundsätzen für jede Form betriebswirtschaftlich sinnvoller Informationsvermittlung gelten. Sie befassen sich in allgemeiner Form mit den Anforderungen an die Bilanzierung und Bewertung, die erfüllt sein müssen, damit der Jahresabschluss eine aussagekräftige Abbildung des wirtschaftlichen Geschehens darstellen kann:


Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit,
Grundsatz der Richtigkeit (Bilanzwahrheit),
Grundsatz der Vollständigkeit (ergänzt um den Grundsatz der Nichterfassung von schwebenden Geschäften, das Stichtagsprinzip und die Abgrenzung zwischen wertbegründenden und werterhellenden Informationen),
Grundsatz der Vergleichbarkeit (Bilanzidentität, formelle und materielle Bilanzstetigkeit),
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (Wesentlichkeit, Relevanz).

1. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit

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Aus dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit werden mehrere Anforderungen abgeleitet, die jedoch weitgehend als selbstverständlich angesehen werden können bzw aufgrund ihrer Unbestimmtheit für den konkreten Einzelfall den Ermessensspielraum des Bilanzierenden nur wenig einschränken:


Der Jahresabschluss ist klar und übersichtlich aufzustellen (§ 243 Abs. 2 HGB).
Ein sachverständiger Dritter muss innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens gewinnen können. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs. 1 S. 2, 3 HGB, § 145 Abs. 1 AO).
Es sind eine sachgerechte Postenbezeichnung und eine aussagefähige Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung vorzunehmen. Die Bezeichnungen sollen eindeutig sein und Auskunft über den Posteninhalt geben (§ 239 Abs. 1 S. 2, § 247 Abs. 1 HGB).

Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gilt sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz.

Anmerkungen

[1]

Zu den Ausnahmen bei Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen siehe § 246 Abs. 2 S. 2, 3 HGB sowie die Erläuterungen in Kapitel IV.3., Rn. 96.

2. Grundsatz der Richtigkeit (Bilanzwahrheit)

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Der Grundsatz der Richtigkeit (Bilanzwahrheit) erscheint auf den ersten Blick als so selbstverständlich, dass er nicht explizit als ein Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung formuliert werden muss. Aufgrund gesetzlich formulierter Wahlrechte und aufgrund der in vielen Fällen unvermeidlichen Ermessensspielräume sind aber der Ansatz und die Bewertung in der Bilanz niemals absolut richtig oder wahr. Um die hinter dem Grundsatz der Richtigkeit bzw Bilanzwahrheit stehenden Ziele besser verdeutlichen zu können, bietet sich an, von einem Grundsatz der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit oder der Forderung nach Willkürfreiheit zu sprechen:

 

Jede Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidung muss entsprechend den gesetzlichen Vorschriften getroffen werden. Beinhaltet das Handelsgesetzbuch oder ein anderes für die Rechnungslegung zu beachtendes Gesetz oder die Satzung für die Behandlung eines bestimmten wirtschaftlichen Sachverhalts eine eindeutige Handlungsanweisung, so ist diese zu befolgen.
Legen die relevanten Rechnungslegungsvorschriften die Behandlung eines Geschäftsvorgangs nicht eindeutig fest, ist die Verbuchung so vorzunehmen, dass die vom Bilanzersteller vorgenommene Bilanzierung und Bewertung intersubjektiv nachvollziehbar ist. Dazu gehört auch eine Dokumentation der bei Ausübung von Wahlrechten und Ermessensspielräumen für zutreffend gehaltenen Annahmen.
Ist eine Nachprüfbarkeit durch Dritte nicht möglich, ist auf den Grundsatz der Willkürfreiheit zurückzugreifen, der ein Verbot von nicht begründbaren oder wissentlich falschen Bilanzansätzen vorsieht. Ansatz, Bewertung und Ausweis dürfen weder ohne Begründung noch mit Täuschungsabsicht erfolgen. Der Bilanzierende muss selbst davon überzeugt sein, dass der gewählte Bilanzansatz den tatsächlichen Gegebenheiten am besten entspricht.

Hinsichtlich des Grundsatzes der Richtigkeit besteht zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung grundsätzlich Übereinstimmung. Abweichungen können sich aber insoweit ergeben, als bei der Aufstellung der Steuerbilanz der Objektivierungsgedanke stärker gewichtet wird. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und Tatbestandsbestimmtheit kann im Einzelfall dazu führen, dass im Steuerrecht an den Nachweis für den gewählten Wert vom Gesetzgeber oder der Finanzverwaltung höhere Anforderungen gestellt werden.

3. Grundsatz der Vollständigkeit

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Der Grundsatz der Vollständigkeit ist in § 239 Abs. 2 HGB und § 146 Abs. 1 AO für die Buchführung und in § 246 Abs. 1 HGB für den Jahresabschluss kodifiziert. Er setzt sich aus drei Teilen zusammen:


formelle Vollständigkeit,
materielle Vollständigkeit in sachlicher Hinsicht, modifiziert um das Ansatzverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und den Grundsatz der Nichterfassung von schwebenden Geschäften,
materielle Vollständigkeit in zeitlicher Hinsicht, ergänzt um das Stichtagsprinzip sowie um die Abgrenzung zwischen wertbegründenden und werterhellenden Informationen.

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(1) Formelle Vollständigkeit: Bezogen auf die formale Gestaltung leitet sich aus dem Grundsatz der Vollständigkeit die Forderung nach einem vollständigen Ausweis in der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung ab. Zur Einhaltung der gesetzlichen Gliederungsvorschriften gehört beispielsweise auch die Angabe von Merkposten für zwar noch im Unternehmen vorhandene, aber bereits vollständig abgeschriebene Wirtschaftsgüter (Ausweis mit dem Erinnerungswert von einem Euro). Der Grundsatz der formellen Vollständigkeit gilt sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz.

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(2) Materielle Vollständigkeit in sachlicher Hinsicht: In sachlicher Hinsicht beinhaltet das Gebot der materiellen Vollständigkeit, dass sämtliche bilanzierungs- und bewertungsrelevanten Vorgänge berücksichtigt werden müssen (§ 246 Abs. 1 HGB). Aus diesem Gebot folgt, dass in der Buchführung alle relevanten Geschäftsvorfälle zu erfassen sind, dass in der Bilanz die aktiven und passiven Bilanzposten ohne Ausnahme anzusetzen sind, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung alle Aufwendungen und Erträge enthalten sein müssen sowie dass der unter bestimmten Voraussetzungen aufzustellende Anhang und Lagebericht die geforderten Angaben vollständig zu umfassen haben.

Abb. 7:

Bestandteile des Grundsatzes der Vollständigkeit


[Bild vergrößern]

Eine Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot gilt für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Aufgrund der stärkeren Betonung des Vorsichtsprinzips und des Objektivierungsgedankens gilt für diese Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG). In der Handelsbilanz wird demgegenüber der Informationsfunktion stärkeres Gewicht eingeräumt. Der Zielkonflikt zwischen Zahlungsbemessungsfunktion und Informationsfunktion wird dadurch berücksichtigt, dass handelsrechtlich für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivierungswahlrecht eingeräumt wird (§ 248 Abs. 2 HGB), die Höhe der maximal möglichen Gewinnausschüttungen sich aber so bestimmt, als ob diese Wirtschaftsgüter nicht aktiviert worden wären (Ausschüttungssperre, § 268 Abs. 8 S. 1 HGB).

Das Vollständigkeitsgebot wird darüber hinaus durch den Grundsatz der Nichterfassung von schwebenden Geschäften eingeschränkt. Ein schwebendes Geschäft liegt vor, wenn bei einem zweiseitig verpflichtenden Vertrag noch keiner der Vertragspartner die vereinbarte Lieferung oder Leistung erbracht hat. Für die Zeitspanne zwischen Vertragsabschluss und Vertragserfüllung durch mindestens einen der Vertragspartner dürfen die aus dem Geschäft resultierenden Ansprüche und Verpflichtungen nicht in die Bilanz aufgenommen werden. Der Grundsatz der Nichterfassung von schwebenden Geschäften lässt sich auch aus drei anderen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ableiten: (1) Aus dem Realisationsprinzip[1] folgt, dass der Gewinn aus einem Geschäft erst ausgewiesen werden darf, wenn das bilanzierende Unternehmen seine eigene Leistung in dem Umfang erbracht hat, dass die Preisgefahr übergegangen ist. Würden Ansprüche und Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften bilanziell erfasst, müsste deren Bewertung in der Bilanz mit dem gleichen Wert erfolgen. Eine höhere Bewertung der Ansprüche gegenüber dem Vertragspartner als die Bewertung der eigenen Verpflichtung würde gegen das aus dem Realisationsprinzip abzuleitende Ertragsantizipationsverbot verstoßen. (2) Eine übereinstimmende Bewertung von Anspruch und Verpflichtung würde zu einer Verlängerung der Bilanz führen, ohne dass sich deren Aussagekraft erhöhen würde. Die Nichterfassung von schwebenden Geschäften lässt sich deshalb auch mit dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit begründen. (3) Die erfolgsneutrale Erfassung von schwebenden Geschäften aufgrund des Realisationsprinzips wäre mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden. Für das Gebot der Nichterfassung von schwebenden Geschäften spricht also auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit.[2]

Der Grundsatz der Nichterfassung von schwebenden Geschäften gilt nicht, wenn erkennbar ist, dass die eigene Leistung höher ist als die zu erwartende Gegenleistung. Das Imparitätsprinzip fordert in diesem Fall, dass der aus einem schwebenden Geschäft zu erwartende Verpflichtungsüberhang (Verlust) bereits in der Periode zu erfassen ist, in der der negative Erfolgsbeitrag entstanden ist.[3]

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(3) Materielle Vollständigkeit in zeitlicher Hinsicht: Der Kerngedanke der Forderung nach materieller Vollständigkeit in zeitlicher Hinsicht besteht darin, dass der Zeitraum, über den zu berichten ist, mit dem Zeitraum übereinstimmen muss, über den Informationen ausgewertet werden. Dies bedeutet, dass sämtliche im abgelaufenen Wirtschaftsjahr angefallenen bilanzierungs- und bewertungsrelevanten Vorgänge zu berücksichtigen sind. Informationen, die sich auf Vorgänge beziehen, die außerhalb des abgelaufenen Wirtschaftsjahres liegen, sind in dem betreffenden Jahresabschluss auszuwerten.

Da im Regelfall der Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss aufgestellt wird, nicht mit dem Ende des Wirtschaftsjahres (Abschlussstichtag) übereinstimmt, geht der Zeitraum, in dem bilanzierungs- und bewertungsrelevante Informationen gesammelt werden, über den Berichtszeitraum (das abgelaufene Wirtschaftsjahr) hinaus. Des Weiteren verfügt der Ersteller des Jahresabschlusses auch über Informationen, die sich nicht auf das vergangene Wirtschaftsjahr beziehen, sondern auf die Zukunft. Damit ergeben sich zwei Abgrenzungsprobleme:


In welchem Umfang werden Informationen über zukünftige, erst nach dem Abschlussstichtag eintretende Entwicklungen im Jahresabschluss berücksichtigt? Die Antwort ist aus dem Stichtagsprinzip abzuleiten.
Wie werden Informationen behandelt, die dem Bilanzierenden zwischen dem Abschlussstichtag und dem Zeitpunkt der Bilanzerstellung bekannt werden? In diesem Zusammenhang sind wertbegründende Informationen von werterhellenden Informationen abzugrenzen.

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(a) Nach dem Stichtagsprinzip sind zum einen das in einer Bilanz erfasste Vermögen und die darin enthaltenen Schulden zum Abschlussstichtag zu bewerten und zum anderen die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr entstandenen Erträge und Aufwendungen zu erfassen (§ 252 Abs. 1 Nr 3, 4 HGB). Hieraus leitet sich ab, dass Informationen, die am Abschlussstichtag vorhanden sind, insoweit nicht auszuwerten sind, als sie ein in zukünftigen Perioden zu erwartendes Ereignis betreffen.

Der Jahresabschluss soll über die Veränderung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im abgelaufenen Wirtschaftsjahr berichten. Der Grundgedanke einer Übereinstimmung von Berichtszeitraum und Zeitraum der Informationsauswertung bleibt nur dann gewahrt, wenn von den am Abschlussstichtag bestehenden Verhältnissen ausgegangen wird und Informationen, die in nachfolgenden Wirtschaftsjahren zu erwartende Ereignisse betreffen, erst in zukünftigen Perioden ausgewertet werden. In der für das abgelaufene Wirtschaftsjahr aufgestellten Bilanz sind die zukunftsbezogenen Informationen auch dann nicht zu verarbeiten, wenn sie sich auf ein Ereignis beziehen, das in der Zukunft mit Sicherheit eintreten wird.

Das Stichtagsprinzip leitet sich aus der Zahlungsbemessungsfunktion ab, wonach der im abgelaufenen Jahr entstandene Gewinn zu ermitteln ist. Bezieht man die Informationsfunktion darauf, dass über die in der abgelaufenen Periode eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Lage zu berichten ist, besteht zwischen der Zahlungsbemessungsfunktion und der Informationsfunktion kein Zielkonflikt.

Im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird allerdings bei der Bewertung von Rückstellungen das Stichtagsprinzip in einer anderen Weise interpretiert. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind in der Handelsbilanz mit dem Erfüllungsbetrag zu bewerten (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Dies bedeutet, dass zukünftige Preis- und Kostensteigerungen werterhöhend einzubeziehen sind. Diese Vorgehensweise begründet sich damit, dass im Jahresabschluss die Höhe der voraussichtlich anfallenden Zahlungsverpflichtung offen zu legen ist. Die Informationsfunktion wird insoweit zukunftsbezogen interpretiert. Demgegenüber wird das Stichtagsprinzip in der Steuerbilanz in der Weise ausgelegt, dass eine Bewertung auf der Grundlage der am Bilanzstichtag geltenden Verhältnisse vorzunehmen ist. Damit bleiben im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung zukünftige Preis- und Kostensteigerungen unberücksichtigt (§ 6 Abs. 1 Nr 3a Buchst. f EStG). Die unterschiedliche Auslegung des Stichtagsprinzips ist wiederum auf den Objektivierungsgedanken zurückzuführen: Die am Bilanzstichtag geltenden Wertverhältnisse lassen sich leichter bestimmen als die im Zeitpunkt der Erfüllung voraussichtlich geltenden Wertverhältnisse. Zwischen der Zahlungsbemessungsfunktion und einer zukunftsbezogenen Auslegung des Stichtagsprinzips kommt es zu einem Zielkonflikt. Dieser führt dazu, dass insoweit das Maßgeblichkeitsprinzip durchbrochen wird. Handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung fallen im Zusammenhang mit der Bewertung von Rückstellungen auseinander, weil das Stichtagsprinzip in abweichender Weise ausgelegt wird (Fall 2b des Maßgeblichkeitsprinzips).

 

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(b) Da bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses auf die am Abschlussstichtag bestehenden Verhältnisse abzustellen ist und nicht auf die Verhältnisse am Tag der Bilanzerstellung, muss bei Erkenntnissen, die zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzerstellung gewonnen werden, danach unterschieden werden, ob es sich um werterhellende oder um wertbegründende Informationen handelt:[4]


Eine werterhellende Information liegt vor, wenn ein buchführungspflichtiger Vorgang, der im abgelaufenen Wirtschaftsjahr eingetreten ist, dem Rechnungslegenden am Abschlussstichtag noch nicht bekannt war, er die erforderlichen Informationen aber noch vor Aufstellung seines Jahresabschlusses erhält. Das Gebot der materiellen Vollständigkeit in zeitlicher Hinsicht schreibt im Zusammenwirken mit dem Stichtagsprinzip vor, dass dieser dem vergangenen Wirtschaftsjahr zuzuordnende Vorgang bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen ist.
Wertbegründende Informationen betreffen Geschäftsvorfälle, die erst nach dem Abschlussstichtag eintreten, die also am Bilanzstichtag objektiv noch nicht vorlagen. Bei der Aufstellung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr dürfen sie nicht berücksichtigt werden, da ihre wirtschaftliche Ursache nach dem Bilanzstichtag liegt. Sie sind in der für das nächste Wirtschaftsjahr aufzustellenden Bilanz zu erfassen.

Beispiele:

Am 30.12.01 platzt in einer ungeheizten Lagerhalle ein Wasserrohr. Der Betriebsinhaber entdeckt den Wasserschaden erst am Morgen des 2.1.02. Bei der Entdeckung des Wasserschadens handelt es sich um eine werterhellende Information. Der Wertverlust an den gelagerten Rohstoffen und der Gebäudeschaden sind bereits in der Bilanz zum 31.12.01 zu berücksichtigen.

Am 3.1.02 brennt ein Produktionsgebäude aus. Der Brandschaden stellt ein wertbegründendes Ereignis dar, das in der Bilanz des Jahres 01 noch keinen Einfluss auf die Bewertung des Gebäudes hat. Allerdings liegt ein Tatbestand vor, über den Kapitalgesellschaften im Anhang bzw Lagebericht zu berichten haben.

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Die Abgrenzung zwischen (zu berücksichtigenden) werterhellenden und (noch nicht auszuwertenden) wertbegründenden Informationen beruht auf Objektivierungsüberlegungen. Das Abstellen auf die am Abschlussstichtag geltenden Verhältnisse erleichtert die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Geschäftsvorfälle. Würde auf die Verhältnisse am Tag der Bilanzerstellung abgestellt, würde dem Ersteller des Jahresabschlusses ein Ermessensspielraum eingeräumt, welcher Tag für die Bilanzierung und Bewertung relevant ist. Aufgrund des Fehlens eines konkreten zeitlichen Bezugspunkts würde eine Überprüfung durch Außenstehende erschwert.

Die Abgrenzung zwischen werterhellenden und wertbegründenden Tatsachen fällt nicht immer leicht. Ist nicht sicher, ob es sich um eine werterhellende oder um eine wertbegründende Information handelt, wird häufig ergänzend der Grundsatz der Bewertungsvorsicht herangezogen. Nach diesem zu den Kapitalerhaltungsgrundsätzen gehörenden Prinzip sind Informationen über negative Entwicklungen eher als werterhellend anzusehen, während Informationen über positive Entwicklungen eher als wertbegründend zu beurteilen sind.

Beispiel:

Am 15.2.02 wird über das Vermögen eines Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Bilanz des Gläubigers wird im März 02 aufgestellt. Offen ist, durch welches Ereignis sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners so verschlechtert hat, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Nach dem Grundsatz der Bewertungsvorsicht ist anzunehmen, dass die Ursache für die Insolvenz schon im Jahr 01 eingetreten ist. Damit ist die Nachricht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als werterhellendes Ereignis zu beurteilen. Dies bedeutet, dass der Forderungsausfall bereits im Jahresabschluss für das Jahr 01 aufwandswirksam zu erfassen ist.

Ein seit längerer Zeit laufender Schadensersatzprozess wird am 5.1.02 durch die Rücknahme der Klage durch den Prozessgegner beendet. Bei der Klagerücknahme durch den Prozessgegner handelt es sich um ein wertbegründendes Ereignis, das erst im Jahr 02 berücksichtigt werden darf. Die für den möglicherweise zu leistenden Schadensersatz gebildete Rückstellung darf im Jahr 01 noch nicht ausgebucht werden.

Im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung ist zusätzlich der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und Tatbestandsbestimmtheit zu beachten. Dies bedeutet, dass bei der Abgrenzung zwischen werterhellenden und wertbegründenden Informationen dem Objektivierungsgedanken gegenüber dem Grundsatz der Bewertungsvorsicht Vorrang einzuräumen ist: Bei einer Betonung des Objektivierungsgedankens werden Geschäftsvorfälle nach dem Grad der Bestimmtheit der vorliegenden Informationen eingeordnet. Ist nicht eindeutig zu begründen, ob es sich um eine werterhellende oder eine wertbegründende Information handelt, sollte die Information im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung (noch) nicht berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass in den Fällen, in denen keine nachprüfbaren Argumente vorliegen, zu welchem Zeitpunkt das betreffende Ereignis eingetreten ist, eher von einer wertbegründenden Information auszugehen ist. Der betrachtete Vorgang ist nur dann bereits in der für das vergangene Wirtschaftsjahr aufzustellenden Steuerbilanz zu erfassen, wenn plausibel begründet werden kann, dass es sich um einen Vorgang handelt, der der abgelaufenen Periode zuzurechnen ist. Diese Handhabung sollte unabhängig davon gelten, ob es sich um einen ertrags- oder aufwandswirksamen Vorgang handelt. Folgt man dieser Auffassung, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Abgrenzung zwischen wertbegründenden und werterhellenden Informationen in der Handelsbilanz anders vorgenommen wird als im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung.

Informationen, die erst nach Aufstellung der Bilanz zugehen, können auch dann nicht mehr in dem für das abgelaufene Wirtschaftsjahr aufzustellenden Jahresabschluss ausgewertet werden, wenn es sich um werterhellende Tatsachen handelt.