Besteuerung von Unternehmen II

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Anmerkungen

[1]

Zum Begriff des passiven Wirtschaftsguts siehe Dritter Abschnitt, Kapitel A.I., Rn. 455–473. Wird im Folgenden der Begriff „Wirtschaftsgut“ ohne Zusatz verwendet, sind aktive Wirtschaftsgüter gemeint.

[2]

Vgl zB RFH vom 27.3.1928, RStBl. 1928, S. 260; BFH vom 29.4.1965, BStBl. 1965 III, S. 414; BFH vom 6.12.1990, BStBl. 1991 II, S. 346; BFH vom 19.6.1997, BStBl. 1997 II, S. 808. In der Literatur finden sich zahlreiche unterschiedliche Erläuterungen des Begriffs „Wirtschaftsgut“. Die folgenden Erläuterungen lehnen sich an Blümich, EStG, KStG, GewStG, München (Loseblattausgabe), § 5 EStG, Rz. 303–314; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Köln (Loseblattausgabe), § 5 EStG, Anm 550–555; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Heidelberg (Loseblattausgabe), § 5 EStG, Rdnr. B 169–175, an.

2. Abgrenzung zwischen Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand

153

Die steuerrechtliche Gewinnermittlung ist zwar über das Maßgeblichkeitsprinzip mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung verbunden. Dennoch bestimmt sich die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit auf der Aktivseite für die Steuerbilanz anhand des Begriffs „Wirtschaftsgut“ und nicht anhand des im Handelsgesetzbuch verwendeten Begriffs „Vermögensgegenstand“. Im Folgenden wird im ersten Schritt die Definition des handelsrechtlichen Begriffs des Vermögensgegenstands vorgestellt. Im zweiten Schritt werden die zwischen den beiden Begriffen bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet.

a) Begriff des Vermögensgegenstands

154

Das Handelsgesetzbuch enthält keine allgemeine Definition des Begriffs des Vermögensgegenstands, sondern lediglich eine Untergliederung in Grundstücke, Forderungen, bares Geld und sonstige Vermögensgegenstände (§ 240 Abs. 1 HGB) sowie in Anlagevermögen und Umlaufvermögen (§ 247 Abs. 1, 2 HGB). Die Kriterien, anhand derer die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit zu beurteilen ist, müssen deshalb aus dem Zweck des handelsrechtlichen Einzelabschlusses abgeleitet werden. Nach traditionellem Verständnis wird in diesem Zusammenhang in erster Linie auf den Gläubigerschutz abgestellt. Die Handelsbilanz soll Aussagen darüber erlauben, ob das Vermögen ausreicht, um die Schulden des Unternehmens zu decken. Bei der Definition des Begriffs „Vermögensgegenstand“ wird deshalb darauf abgestellt, ob ein wirtschaftlicher Vorteil geeignet ist, einen Beitrag zur Deckung der Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu leisten.

Über die Kriterien, anhand derer sich für die Handelsbilanz die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit bestimmt, besteht zwar keine einheitliche Auffassung. Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass ein Vermögensgegenstand dann vorliegt, wenn ein wirtschaftlicher Vorteil selbständig verwertbar ist.[1] Entscheidend ist, ob es möglich ist, durch den wirtschaftlichen Vorteil einen Zufluss an finanziellen Mitteln zu generieren.

Die selbständige Verwertbarkeit unterteilt sich in:


Verwertung durch Veräußerung,
Verwertung durch Nutzungsüberlassung,
Verwertung durch bedingten Verzicht und
Verwertung durch Zwangsvollstreckung.

Eine Verwertung durch Veräußerung liegt vor, wenn die Sache, das Recht oder der sonstige wirtschaftliche Vorteil als solcher an einen Außenstehenden veräußert werden kann, dh im Rechtsverkehr allein übertragen werden kann. Die selbständige Verwertbarkeit ist auch erfüllt, wenn der wirtschaftliche Vorteil dadurch zu Geld gemacht werden kann, dass er an Außenstehende zur Nutzung überlassen wird (Verwertung durch Nutzungsüberlassung). Ein Beitrag zur Deckung der Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens kann des Weiteren dadurch geleistet werden, dass der Inhaber eines Rechts unter der Bedingung auf dieses Recht verzichtet, dass das Recht einer anderen Person eingeräumt wird. Die Verwertung durch bedingten Verzicht ist insbesondere für Konzessionen bedeutsam. Wirtschaftliche Vorteile, die zwar ihrer Natur nach einzeln veräußerbar sind oder zur Nutzung überlassen werden können, aber aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Beschränkungen nicht übertragen oder überlassen werden dürfen, können möglicherweise im Rahmen einer Zwangsvollstreckung verwertet werden (Verwertung durch Zwangsvollstreckung).

Anmerkungen

[1]

Vgl Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., Stuttgart 1998, § 246 HGB, Tz. 9–33; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 14. Aufl., Düsseldorf 2017, S. 158–166; Ballwieser, Grundsätze der Aktivierung und Passivierung, in: Böcking/Castan/Heymann ua (Hrsg.), Beckʼsches Handbuch der Rechnungslegung, München (Loseblattausgabe), B 131, Rz. 10–15.

b) Vergleich von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand

155

(1) Grundsätzliche Analyse: Ausgangspunkt des Vergleichs zwischen den beiden Begriffen (aktives) Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand bildet § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG, wonach in der Steuerbilanz das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Der Ansatz dem Grunde nach richtet sich ausschließlich nach § 5 EStG, denn aus dem Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 EStG geht ausdrücklich hervor, dass sich diese Vorschrift nur auf die Bewertung des Betriebsvermögens bezieht.

Wird das Maßgeblichkeitsprinzip wörtlich interpretiert, ist der Inhalt des steuerrechtlich für die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit geltenden Begriffs Wirtschaftsgut aus dem handelsrechtlichen Aktivierungskriterium Vermögensgegenstand abzuleiten, m.a.W. die beiden Begriffe Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand sind gleichzusetzen. Da aber der Gesetzgeber bei der Umsetzung der europäischen Bilanzrichtlinien in nationales Recht im Handelsgesetzbuch ausdrücklich am Begriff Vermögensgegenstand festgehalten hat und die Definitionen der Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut unterschiedlich formuliert sind, ist eine genauere Analyse erforderlich, ob es sich nur um eine begriffliche oder auch um eine inhaltliche Unterscheidung handelt.

Unproblematisch sind Sachen und Rechte iSd bürgerlichen Rechts sowie finanzielle Vermögenswerte. Bei diesen Werten handelt es sich zweifellos sowohl um Vermögensgegenstände als auch um Wirtschaftsgüter. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist handelsrechtlich und steuerrechtlich unstrittig.

Schwieriger zu beurteilen sind die sonstigen wirtschaftlichen Vorteile. Der Vergleich zwischen einem Wirtschaftsgut und einem Vermögensgegenstand konzentriert sich auf die Gegenüberstellung der Kriterien „selbständige Bewertbarkeit“ sowie „selbständige Verwertbarkeit“ bei sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen. Aus dieser Formulierung wird unmittelbar deutlich, dass das steuerrechtliche Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit den Kreis der abstrakt bilanzierungsfähigen wirtschaftlichen Vorteile weiter abgrenzt als das handelsbilanzielle Merkmal der selbständigen Verwertbarkeit. Ein wirtschaftlicher Vorteil gilt bereits dann als Wirtschaftsgut, wenn er bei einer Veräußerung des gesamten Unternehmens als Einzelheit ins Gewicht fällt, dh der gedachte Erwerber des ganzen Betriebs würde für den betrachteten Vorteil ein gesondertes Entgelt ansetzen, m.a.W. der Gesamtkaufpreis würde sich verringern, wenn der betrachtete wirtschaftliche Vorteil nicht vorhanden wäre. Da handelsrechtlich auf das Merkmal der selbständigen Verwertbarkeit abgestellt wird, ist für das Vorliegen eines Vermögensgegenstands die Übertragbarkeit mit dem gesamten Unternehmen nicht ausreichend, vielmehr muss der wirtschaftliche Vorteil als solcher, dh einzeln, verwertbar sein.

Damit besteht offensichtlich ein Widerspruch: Einerseits wird mit Hinweis auf das Maßgeblichkeitsprinzip von einer Identität von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand ausgegangen, andererseits geht das Merkmal „selbständige Bewertbarkeit“, anhand dessen die Aktivierungsfähigkeit für die steuerliche Gewinnermittlung beurteilt wird, weiter als das handelsrechtliche Aktivierungskriterium „selbständige Verwertbarkeit“. Selbständige Bewertbarkeit beinhaltet als Untermenge selbständig verwertbare Vorteile. Aber nicht jeder selbständig bewertbare wirtschaftliche Vorteil kann für sich (eigenständig) Gegenstand des Rechtsverkehrs sein.

Um diesen Widerspruch aufzuheben, hat der Bundesfinanzhof im Zeitablauf seine Rechtsprechung in zweifacher Weise geändert:

 

1. Modifikation. Der Begriff des Wirtschaftsguts wurde dadurch enger gefasst, dass an das Vorliegen des Kriteriums „Einzelbewertbarkeit“ höhere Anforderungen gestellt werden, m.a.W. dem Gedanken einer objektivierten Vermögensermittlung wird eine größere Bedeutung beigemessen.
2. Modifikation. Das handelsrechtliche Kriterium der selbständigen Verwertbarkeit wird vom Bundesfinanzhof im Sinne einer „bilanziellen Greifbarkeit“ interpretiert. Dies führt dazu, dass der Begriff Vermögensgegenstand von der Finanzrechtsprechung weit ausgelegt wird. Die Aktivierungsfähigkeit eines wirtschaftlichen Vorteils ist bei dieser Interpretation handelsrechtlich bereits dann erfüllt, wenn dieser Vorteil bei einer Veräußerung des ganzen Unternehmens als Einzelheit ins Gewicht fällt und sich nicht ins Allgemeine verflüchtigt.

Die stärkere Betonung des Objektivierungsgedankens bei der Interpretation des steuerrechtlichen Merkmals „selbständige Bewertbarkeit“ (1. Modifikation) führt lediglich zu einer Annäherung der Begriffe Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand. Eine vollständige Identität der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsfähigkeit lässt sich nur dann erreichen, wenn zusätzlich der Begriff des Vermögensgegenstands weiter ausgelegt wird (2. Modifikation). Diese von der Finanzrechtsprechung vertretene weite Interpretation des Merkmals „selbständige Verwertbarkeit“ wird jedoch von der handelsrechtlichen Literatur weitgehend abgelehnt. Damit ist – entgegen der vom Bundesfinanzhof formulierten Deckungsgleichheit der beiden Begriffe[1] – davon auszugehen, dass der Kreis der in der Steuerbilanz aktivierten wirtschaftlichen Vorteile über den Kreis der handelsrechtlichen Vermögensgegenstände hinausgeht. Aufgrund der in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weiterhin feststellbaren Tendenz, dem Objektivierungsgedanken ein hohes Gewicht beizumessen, erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es zu einer noch stärkeren Eingrenzung des Begriffs „Wirtschaftsgut“ kommen wird. Trifft diese Erwartung zu, werden sich die Unterschiede zwischen den Begriffen Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand (weiter) reduzieren. Folgt man dieser Auffassung, liegen mit dem Aktivierungsgrundsatz „Vermögensgegenstand“ bzw „Wirtschaftsgut“ für beide Bilanzen verbindliche Regelungen vor, die in der praktischen Handhabung regelmäßig zum gleichen Ergebnis führen. Dies entspricht dem Fall 2a der für die Auswirkungen des Maßgeblichkeitsprinzips vorgenommenen Einteilung.

156

(2) Besonderheiten beim Geschäfts- oder Firmenwert: Dass der Begriff des Wirtschaftsguts in der praktischen Handhabung aber dennoch weiter gehen kann als der Begriff des Vermögensgegenstands, wird insbesondere beim Geschäfts- oder Firmenwert deutlich. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist definiert als die Differenz zwischen dem Gesamtunternehmenswert und der Summe der Zeitwerte der einzelnen Aktiva und Passiva. Der Geschäfts- oder Firmenwert repräsentiert die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit diese nicht aus einzelnen (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgütern oder der Person des Unternehmers hervorgehen, sondern aus dem Betrieb des Unternehmens in seiner Gesamtheit.[2] Seine Höhe wird entscheidend durch nicht oder nur schwer greifbare Faktoren bestimmt, wie Ruf der Firma, Kundenstamm, Organisationsstruktur, Produktionsverfahren, Absatzmärkte, Standortbedingungen, Kreditwürdigkeit, technische und kaufmännische Erfahrungen sowie Fähigkeiten der Belegschaft. Der Geschäfts- oder Firmenwert besteht im Wesentlichen aus dem Kapitalisierungsmehrwert, der daraus resultiert, dass die aus der Kombination der eingesetzten Wirtschaftsgüter resultierende Ertragsfähigkeit des Unternehmens den Reproduktionswert der einzelnen (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgüter übersteigt (Synergieeffekte).

Der Geschäfts- oder Firmenwert stellt aus steuerrechtlicher Sicht ein Wirtschaftsgut dar, weil es bei der Prüfung des Kriteriums der selbständigen Bewertbarkeit als ausreichend angesehen wird, wenn sich für den Geschäfts- oder Firmenwert im Rahmen der Gesamtunternehmensbewertung ein Wert ermitteln lässt. Da im Handelsrecht auf das Kriterium „selbständige Verwertbarkeit“ abgestellt wird, dürfte es sich bei dem Geschäfts- oder Firmenwert nicht um einen Vermögensgegenstand handeln, da er nicht losgelöst vom Unternehmen verkauft oder zur Nutzung überlassen werden kann. In § 246 Abs. 1 S. 4 HGB wird allerdings fingiert, dass es sich beim Geschäfts- oder Firmenwert um einen Vermögensgegenstand handelt. Damit ist der Geschäfts- oder Firmenwert nicht nur ein Wirtschaftsgut, gleichzeitig wird er aufgrund einer gesetzlichen Fiktion als Vermögensgegenstand angesehen. Im Ergebnis bestehen damit zwei inhaltlich übereinstimmende verbindliche Regelungen. Aus Sicht des Maßgeblichkeitsprinzips liegt der Fall 2a vor.

157

(3) Besonderheiten bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft: Zu einer Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz hinsichtlich der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit kommt es bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr 2 EStG hat der Gesellschafter die Gewinnanteile, die ihm von der Personengesellschaft zugerechnet werden, als eigene Einkünfte zu versteuern (Transparenzprinzip, Mitunternehmerkonzeption). Dieser Gewinnanteil wird auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt. Der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft kommt in der Steuerbilanz des Gesellschafters keine eigenständige Bedeutung zu. Demgegenüber wird die Beteiligung an einer Personengesellschaft in der Handelsbilanz wie die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft beim Gesellschafter als Vermögensgegenstand aktiviert und nach den üblichen Bewertungsvorschriften bewertet.[3] Die speziellen Grundsätze zur Besteuerung von Personengesellschaften führen zu einer konzeptionellen Abweichung zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung. Bei der Einteilung der Auswirkungen des Maßgeblichkeitsprinzips wurde diese Situation dem Fall 9 zugeordnet.

Anmerkungen

[1]

Vgl zB BFH vom 26.10.1987, BStBl. 1988 II, S. 348; BFH vom 26.8.1992, BStBl. 1992 II, S. 977; BFH vom 7.8.2000, BStBl. 2000 II, S. 632.

[2]

Vgl BFH vom 26.11.2009, BStBl. 2010 II, S. 609.

[3]

Siehe hierzu IDW RS HFA 18, FN-IDW 2012, S. 24, FN-IDW 2014, S. 417.

3. Abgrenzung zwischen selbständigen Wirtschaftsgütern

158

(1) Selbständige Bewertbarkeit und selbständige Nutzungsfähigkeit: Aus dem Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung folgt, dass bei der Prüfung der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit auf jedes einzelne Wirtschaftsgut abzustellen ist (§ 252 Abs. 1 Nr 3 HGB, § 6 Abs. 1 Einleitungssatz EStG). Im Rahmen dieser Prüfung ist das für den Begriff des Wirtschaftsguts charakteristische Merkmal „selbständige Bewertbarkeit“ von besonderer Bedeutung.

Bei immateriellen Wirtschaftsgütern wirkt sich das Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit bei der Abgrenzung von einzelnen wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber dem (allgemeinen) Geschäfts- oder Firmenwert aus.[1]

Bei materiellen Gegenständen (Sachen iSd BGB), die wirtschaftlich miteinander verbunden sind, ist zu untersuchen, ob sie ihre Eigenständigkeit als einzelnes Wirtschaftsgut behalten oder ob sie nur zusammen mit weiteren Teilen einer Gesamtheit als Wirtschaftsgut angesehen werden können.

159

Entsprechend den allgemeinen Kriterien der selbständigen Bewertbarkeit ist bei der Prüfung, ob es sich um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handelt, darauf abzustellen, ob der betrachtete Gegenstand als Einzelheit von Bedeutung ist und bei einer Veräußerung greifbar ist. Ein einheitliches Wirtschaftsgut entsteht nicht schon dann, wenn mehrere Gegenstände einem gemeinsamen Zweck dienen. Der einheitliche Zweck dient zwar als Indiz, die Würdigung muss aber anhand weiterer Kriterien beurteilt werden. Maßstab, ob bilanzrechtlich ein Wirtschaftsgut vorliegt oder ob von mehreren Wirtschaftsgütern auszugehen ist, sind (a) der Grad der Festigkeit der Verbindung (§ 93 BGB), (b) der Zeitraum, auf den eine eventuelle Verbindung bzw gemeinsame Nutzung der Sachen angelegt ist, und (c) das äußere Erscheinungsbild.[2] Sind Gegenstände für sich allein unvollständig oder erhält ein Gegenstand ohne den anderen ein negatives Gepräge, ist von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen.

Beispiele:

Eine Schreibtischkombination besteht aus einem Haupttisch, einem Ecktisch und einem Besprechungstisch. Jedes Teil ist selbständig bewertbar. Dies gilt auch dann, wenn die drei Teile miteinander verschraubt sind. Ein gedachter Erwerber wäre in der Lage, die Einzelteile in einer anderen Zusammenstellung zu nutzen. Die Festigkeit der Verbindung ist gering, da Schrauben einfach zu lösen sind.

Die Fenster eines Fahrzeugs sind keine selbständigen Wirtschaftsgüter. Das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs wäre ohne die Fenster unvollständig und das Fahrzeug wäre negativ geprägt. Bei den Fenstern handelt es sich um unselbständige Teile eines anderen Wirtschaftsguts, dem Fahrzeug. Handelt es sich bei dem Autofenster allerdings um ein Ersatzteil, das sich im Lager eines Kfz-Händlers befindet, liegt ein eigenständiges Wirtschaftsgut vor. Wird das Fenster im Rahmen einer Reparatur in ein Fahrzeug eingebaut, verliert es die Eigenschaft als eigenständiges Wirtschaftsgut. Es handelt sich wieder um einen unselbständigen Teil des Fahrzeugs.

Bei ERP-Software (Softwaresysteme, die zur Optimierung von Geschäftsprozessen eingesetzt werden, zB Programme der SAP SE) bilden alle Module zusammen ein einheitliches Wirtschaftsgut, da sie in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen.[3]

Die baurechtliche Erlaubnis, auf einem Grundstück einen Windpark zu errichten, stellt einen wertbildenden Faktor dar, der untrennbar mit dem Grund und Boden verbunden ist. Die durch die Erteilung der Genehmigung bei dem Grund und Boden eingetretene Werterhöhung führt nicht zur Entstehung eines (neuen) eigenständigen Wirtschaftsguts.[4]

Vom Grund und Boden zu trennen ist der Windpark. Darüber hinaus ist in einem Windpark jede Windkraftanlage für sich zu betrachten. Bei jeder einzelnen Windkraftanlage ist zusätzlich eine Aufteilung in (mindestens) drei selbständige Wirtschaftsgüter vorzunehmen, die sich wiederum aus mehreren Komponenten zusammensetzen: (1) Fundament und Transformatoren mit der dazu gehörenden internen Verkabelung, (2) externe Verkabelung zwischen den Transformatoren und dem Stromnetz des Energieversorgers einschließlich Übergabestation und (3) Zuwegung.[5]

160

Während das Merkmal „selbständige Bewertbarkeit“ im Zusammenhang mit dem Begriff des Wirtschaftsguts steht, bestimmt sich das Kriterium „selbständige Nutzungsfähigkeit“ danach, ob Wirtschaftsgüter isoliert für den Zweck eingesetzt werden können, dem sie zu dienen bestimmt sind. Über das Kriterium der selbständigen Nutzungsfähigkeit wird nicht darüber entschieden, was als einzelnes oder als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehen ist, sondern darüber, ob die Sonderregelungen für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2, 2a EStG (sofortiger Abzug als Betriebsausgabe bzw Bildung eines Sammelpostens) zur Anwendung kommen. Da für geringwertige Wirtschaftsgüter keine Investitionszulage gewährt wird (§ 2 Abs. 1 S. 2 InvZulG 2010, für Investitionen vor dem 1.1.2014), ist das Merkmal „selbständige Nutzungsfähigkeit“ auch für die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Investitionsförderungsmaßnahmen von Bedeutung. Im Rahmen der Prüfung der selbständigen Bewertbarkeit – also für die Entscheidung, ob ein oder mehrere Wirtschaftsgüter vorliegen – hat das Merkmal der selbständigen Nutzungsfähigkeit jedoch keine Bedeutung (H 6.13 EStH).

 

Hinsichtlich der Abgrenzung der einzelnen Wirtschaftsgüter bzw Vermögensgegenstände untereinander besteht zwischen handels- und steuerrechtlicher Vorgehensweise grundsätzlich Übereinstimmung. Die von der Finanzrechtsprechung aufgestellten Regeln können als mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vereinbar angesehen werden (Fall 2a der Auswirkungen des Maßgeblichkeitsprinzips).

161

(2) Besonderheiten bei bebauten Grundstücken: Grundsätzlich stellt jede Sache im Sinne des bürgerlichen Rechts bilanzrechtlich ein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Diese Aussage wird bei bebauten Grundstücken durchbrochen:


Bürgerlich-rechtlich bilden der Grund und Boden und das darauf errichtete Gebäude eine einheitliche Sache, während sie für die Steuerbilanz jeweils als eigenständige Wirtschaftsgüter gelten.
Bei Gebäudeteilen ist zu prüfen, ob diese selbständig sind und deshalb als eigenständiges Wirtschaftsgut gelten oder ob der Gebäudeteil in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude steht und nur zusammen mit diesem aktiviert werden kann.

Abb. 14: Aufteilung eines bebauten Grundstücks in eigenständige Wirtschaftsgüter


Grund und Boden nicht abnutzbares unbewegliches Wirtschaftsgut Gebäudeabnutzbares unbewegliches Wirtschaftsgut
Betriebsvorrichtung Scheinbestandteil Ladeneinbauten sonstige Mietereinbauten (unmittelbarer Bezug zum Betrieb des Mieters, Mieter ist wirtschaftlicher Eigentümer) sonstige selbständige Gebäudeteile (eigene betriebliche Zwecke, eigene Wohnzwecke, fremde betriebliche Zwecke, fremde Wohnzwecke)
abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut abnutzbares unbewegliches Wirtschaftsgut

162

Die Aufteilung von Gebäuden ist sehr differenziert geregelt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung gelten folgende Gebäudeteile als selbständige Wirtschaftsgüter, die steuerrechtlich nicht mit dem Gebäude zusammengefasst werden, sondern als selbständige Gebäudeteile getrennt vom Gebäude bilanziert werden:

163


Betriebsvorrichtungen sind Gebäudeteile, die nicht mit der Nutzung des Gebäudes selbst zusammenhängen, sondern Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die unmittelbar dem in dem Gebäude ausgeübten Betrieb dienen (§ 68 Abs. 2 S. 1 Nr 2 BewG, R 4.2 Abs. 3 S. 3 Nr 1, R 7.1 Abs. 3 EStR). Typische Beispiele für Betriebsvorrichtungen sind Lastenaufzüge und Förderbänder. Lüftungs- und Kühlanlagen zählen dann zu den Betriebsvorrichtungen, wenn sie einen betriebsspezifischen Bezug aufweisen, dh wenn sie erforderlich sind, um einen störungsfreien Betriebsablauf zu gewährleisten. Betriebsvorrichtungen gelten bilanzrechtlich auch dann als bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie mit dem Gebäude fest verbunden sind, wie Maschinen, die auf einem betonierten Fundament stehen. Zur Abgrenzung zwischen Betriebsvorrichtungen und dem Gebäude siehe ausführlich den nachfolgenden Unterabschnitt (3).

164



165


Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen, Schalterhallen von Kreditinstituten und ähnliche Einbauten, die einem schnellen modischen Wandel unterliegen, gelten als selbständige Gebäudeteile, sofern sie statisch für das Gebäude unwesentlich sind (R 4.2 Abs. 3 S. 3 Nr 3, R 7.1 Abs. 6 EStR). Sie werden als unbewegliche Wirtschaftsgüter eingeordnet.

166



167


Sonstige selbständige Gebäudeteile sind Gebäudeteile, die einem anderen Zweck dienen als das übrige Gebäude. In diesem Zusammenhang wird danach unterschieden, ob der jeweilige Gebäudeteil für eigene betriebliche Zwecke, für eigene Wohnzwecke, für fremde betriebliche Zwecke oder für fremde Wohnzwecke genutzt wird. Die unterschiedlich genutzten Gebäudeteile stellen jeweils ein eigenes, unbewegliches Wirtschaftsgut dar (R 4.2 Abs. 3 S. 3 Nr 5, Abs. 4, R 7.1 Abs. 6 EStR). Beispiel: Der Einzelunternehmer E besitzt ein Grundstück mit einem Wohn- und Geschäftshaus. Im Erdgeschoss befindet sich sein eigener Betrieb. Den ersten Stock hat er an einen Meister aus seinem Unternehmen vermietet. Die zweite und dritte Etage sind an Personen vermietet, die nicht in seinem Betrieb angestellt sind. Im Dachgeschoss wohnt E selbst. Den Keller des Hauses hat er an die N-GmbH vermietet, die dort ihre Waren lagert. Zum eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteil gehören das Erdgeschoss sowie der erste Stock, sofern für die Vermietung an den Arbeitnehmer betriebliche Gründe ausschlaggebend sind. Zu dem Gebäudeteil, der für fremde Wohnzwecke genutzt wird, zählen die zweite und dritte Etage. Der Keller wird zu fremden betrieblichen Zwecken genutzt. Das Dachgeschoss bildet einen selbständigen Gebäudeteil, der für eigene Wohnzwecke genutzt wird.
Ein Gebäudeteil ist unselbständig, wenn er der eigentlichen Nutzung des Gebäudes dient und sich sein Fehlen für die Nutzung des Gebäudes negativ bemerkbar machen würde. Beispielsweise stehen Fahrstuhl-, Heizungs-, sanitäre Anlagen, Be- und Entlüftungsanlagen (Regelfall) oder die Umzäunung und Garage eines Wohngebäudes in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude (H 4.2 Abs. 5 EStH).

168

(3) Abgrenzung zwischen Gebäude und Betriebsvorrichtung: Die Abgrenzung zwischen dem Gebäude und den Betriebsvorrichtungen ist nicht nur für die Ertragsteuern sehr wichtig, sondern auch für zahlreiche weitere Steuerarten bedeutsam. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Wirtschaftsgütern erfolgt für die einzelnen Steuerarten nach den gleichen Grundsätzen. Die Einzelheiten sind in den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 5.6.2013, BStBl. 2013 I, S. 734 (kurz: Abgrenzungsrichtlinie) geregelt.

169

Ertragsteuerlich wirkt sich die Abgrenzung auf die Art und Weise der Berechnung der Absetzung für Abnutzung aus: Zu unterscheiden sind die lineare Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG (Gebäude) bzw die lineare Abschreibung und die Leistungsabschreibung nach § 7 Abs. 1 EStG (Betriebsvorrichtungen).[9] Bei Gebäuden ist die Abschreibungsdauer gesetzlich normiert. In Abhängigkeit von der Art der Nutzung und dem Erwerbszeitpunkt beläuft sie sich auf 33 1/3, 40 oder 50 Jahre. Bei beweglichen Wirtschaftsgütern wird die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für jedes Wirtschaftsgut individuell festgelegt. Im Regelfall liegt die Abschreibungsdauer bei beweglichen Wirtschaftsgütern deutlich unter der von Gebäuden. Bei Grundstücken kommt es im Bereich der Gewerbesteuer zu einer (pauschalen) Kürzung der darauf entfallenden Erträge (§ 9 Nr 1 GewStG). Die Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer beträgt bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern ein Viertel von 50% der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) und bei beweglichen Wirtschaftsgütern ein Viertel von 20% der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten, § 8 Nr 1 Buchst. d, e GewStG). Damit mindern bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern nur 87,50% und bei beweglichen Wirtschaftsgütern 95% der Mieten und Pachten den Gewerbeertrag des Mieters bzw Pächters.