Besteuerung von Unternehmen I

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I. Alterseinkünfte

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Im geltenden Recht ist die Besteuerung von Alterseinkünften sehr unübersichtlich geregelt. Dies gilt sowohl für den Zeitraum, in dem die Mittel zur Finanzierung der Alterseinkünfte aufgebracht werden (Ansparphase), als auch für den Zeitraum, in dem die Versorgungsbezüge gezahlt werden (Versorgungsphase).[179]

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Für die Aufwendungen, die zur Finanzierung der Alterseinkünfte geleistet werden, kennt das Einkommensteuerrecht in Abhängigkeit von der Art der Alterssicherung folgende Möglichkeiten:


keine Besteuerung, da kein Zufluss von Einnahmen (§ 11 Abs. 1 EStG)
keine Besteuerung, da nach § 3 Nr 62, 63 EStG steuerfrei
keine Besteuerung, da nach § 10 Abs. 1 Nr 2–3a, Abs. 3 EStG oder nach § 10a EStG als Sonderausgaben abziehbar
im Ergebnis keine Besteuerung, da eine Altersvorsorgezulage gewährt wird (alternativ zum Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG)
eingeschränkte Besteuerung, soweit Beiträge nicht nach § 10 Abs. 1 Nr 3 Buchst. b, Abs. 4 EStG als Sonderausgaben abziehbar sind
pauschale Besteuerung der Beiträge mit 20% (§ 40b iVm § 52 Abs. 40 EStG)
volle Besteuerung, da die Aufwendungen nicht abgezogen werden können.

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Für die Besteuerung der Alterseinkünfte in der Versorgungsphase bestehen gleichfalls mehrere Alternativen:


Besteuerung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Abzug eines Versorgungsfreibetrags (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr 2, Abs. 2 EStG)
Besteuerung des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der entrichteten Beiträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem Sondersteuersatz von 25% (Abgeltungsteuer, § 20 Abs. 1 Nr 6 S. 1 iVm § 32d EStG)
hälftige Besteuerung des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der entrichteten Beiträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach dem Normaltarif (§ 20 Abs. 1 Nr 6 S. 2 iVm § 32d Abs. 2 Nr 2 EStG)
Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem Sondersteuersatz von 25% (Abgeltungsteuer, § 20 Abs. 1 Nr 7 iVm § 32d EStG)
volle Besteuerung als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1 S. 3 Buchst. a aa EStG (mit einer Übergangsfrist von mehreren Jahrzehnten)
in Höhe des Ertragsanteils Besteuerung als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1 S. 3 Buchst. a bb EStG
volle Besteuerung als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 5 EStG
keine Besteuerung, da nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr 6 iVm § 52 Abs. 28 S. 5 EStG).

Der Überblick wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Besteuerung der Alterseinkünfte aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[180] mit Wirkung ab dem Jahr 2005 in Teilbereichen konzeptionell neu geregelt wurde und dass diese Änderungen mit einem sehr langen Übergangszeitraum verbunden sind. Der Übergangszeitraum ist auch deshalb so lang, weil bei der Anwendung der Neuregelung nicht auf das Jahr abgestellt wird, in dem die Alterseinkünfte ausbezahlt werden, sondern auf das Jahr, in dem zum ersten Mal Versorgungsbezüge zufließen. Die Neuregelungen kommen deshalb erst dann uneingeschränkt zur Anwendung, wenn alle Steuerpflichtigen verstorben sind, bei denen die Versorgungsphase im Jahr 2039 oder früher begonnen hat.

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Aus methodischer Sicht bestehen für die Besteuerung von Alterseinkünften zwei Alternativen:


Bei einer vorgelagerten Besteuerung mindern die Aufwendungen, die zur Finanzierung der Alterseinkünfte aufgewendet werden, die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage nicht. Sie werden also aus versteuertem Einkommen bezahlt. Steuerpflichtig ist nur die Verzinsung des angesparten Kapitals. Die Minderung des Versorgungskapitals stellt einen nicht steuerbaren Vorgang dar. Durch die Nichtbesteuerung des Rückzahlungsanteils (Tilgungsanteils) wird eine doppelte Besteuerung vermieden.
Nach dem Konzept einer nachgelagerten Besteuerung sind die Zahlungen, die zur Finanzierung der Alterseinkünfte geleistet werden, von der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage abziehbar. Alternativ kann eine nachgelagerte Besteuerung auch dadurch umgesetzt werden, dass die Zahlungen, die zur Finanzierung von Alterseinkünften verwendet werden, nicht als steuerpflichtige Einnahmen erfasst werden. Da die Einkünfte, die für die Altersversorgung angespart werden, nicht der Besteuerung unterliegen, sind die Alterseinkünfte in dem Zeitpunkt, in dem sie ausbezahlt werden, vom Empfänger in vollem Umfang zu versteuern.

Dem Konzept einer einkommensorientierten Besteuerung entspricht eine vorgelagerte Besteuerung.[181] Diese Leitlinie wird bei Anlagen auf Sparkonten und beim Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren in idealtypischer Weise umgesetzt. Die Einzahlung auf die Sparkonten oder der Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren stellen Einkommensverwendung dar, sie mindern die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage nicht. Der Zufluss von Zinsen ist eine besondere Form des am Markt erzielten Vermögenszuwachses, der als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern ist (§ 20 Abs. 1 Nr 7 EStG). Abhebungen von Sparkonten oder die Einlösung bzw der Verkauf von festverzinslichen Wertpapieren bilden keine steuerbaren Vorgänge. Die Minderung der steuerpflichtigen Einkünfte durch den Abzug des Sparer-Pauschbetrags von 801 € (Ledige) bzw 1 602 € (Verheiratete) nach § 20 Abs. 9 EStG sowie die Besteuerung mit dem Sondersteuersatz von 25%, der deutlich unter dem Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 45% liegt (Abgeltungsteuer nach § 32d EStG), stellt innerhalb dieses Konzepts eine steuerliche Begünstigung dar.

Wie die tabellarische Übersicht (Abb. 2.20) auf den folgenden Seiten zeigt, wird das Konzept einer vorgelagerten Besteuerung ansonsten nur noch bei einigen wenigen Formen der Alterseinkünfte verfolgt:


Kapitallebensversicherungen (Vertragsabschluss nach dem 31.12.2004)Besonderheit: Die Differenz zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der entrichteten Beiträge ist grundsätzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die Besteuerung erfolgt mit dem Sondersteuersatz von 25% (Abgeltungsteuer nach § 32d EStG). Die Erträge sind unter den Voraussetzungen nur zur Hälfte steuerpflichtig, dass die Laufzeit des Vertrags mindestens zwölf Jahre beträgt und die Auszahlung erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres erfolgt. In diesem Fall erfolgt eine Besteuerung nach dem Normaltarif (§ 20 Abs. 1 Nr 6 S. 2 iVm § 52 Abs. 28 S. 7, § 32d Abs. 2 Nr 2 EStG).
private Rentenlebensversicherungen, die nicht als „Rürup-Versicherung“ anerkannt werden (Vertragsabschluss nach dem 31.12.2004).Besonderheit: Der in den Rentenleistungen enthaltene Zinsanteil wird durch den Ertragsanteil in pauschalierender Form erfasst (sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1 S. 3 Buchst. a bb EStG). Die Höhe des Ertragsanteils hängt von dem Alter ab, das der Steuerpflichtige bei Beginn der Rente hat (zB bei 65 Jahren 18%), er bleibt über die gesamte Rentenbezugszeit unverändert.

Eine Sonderstellung nehmen Lebensversicherungen ein, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden. Die Erträge aus diesen Kapitallebensversicherungen sind unter bestimmten Voraussetzungen (zB Mindestlaufzeit von zwölf Jahren) nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr 6 iVm § 52 Abs. 28 S. 5 EStG). Kapitallebensversicherungen, die vor dem Jahr 2005 abgeschlossen wurden, sind damit einkommensteuerlich grundsätzlich irrelevant, m.a.W. es kommt zu einer Nichtbesteuerung: Beiträge sind nichtabziehbar, Erträge werden keiner Einkunftsart zugerechnet. Bei Rentenversicherungen, die vor dem Jahr 2005 abgeschlossen wurden, erfolgt demgegenüber eine vorgelagerte Besteuerung: Beiträge sind im Regelfall nichtabziehbar, die Rentenleistungen sind in Höhe des Ertragsanteils steuerpflichtig (§ 22 Nr 1 S. 3 Buchst. a bb EStG).

 

Abb. 2.20: Besteuerung von Alterseinkünften in der Anwartschafts- und Versorgungsphase (Vertragsschluss nach dem 31.12.2004)


Anwartschaftsphase Versorgungsphase
I. Formen mit (tendenziell) nachgelagerter Besteuerung
gesetzliche Rentenversicherung private, kapitalgedeckte Rentenversicherung („Rürup-Versicherung“) (Voraussetzung: lebenslange Auszahlungen als monatliche Rente mit Beginn nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres) Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge sind steuerfrei (§ 3 Nr 62 EStG) Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und Beiträge zur privaten, kapitalgedeckten Rentenversicherung Beiträge sind bis zum Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung als Sonderausgabe abziehbar; vom Gesamtbetrag aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil sind im Jahr 2020 nur 90% abziehbar, dieser Prozentsatz Einnahmen sind sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1 S. 3 Buchst. a aa EStG; Besteuerungsanteil erhöht sich von 50% (Rentenbeginn 2005) schrittweise auf bis zu 100% (ab dem Jahr 2040)
erhöht sich schrittweise auf bis zu 100% (ab dem Jahr 2025); bei der Berechnung des Höchstbeitrags ist der steuerfrei bleibende Arbeitgeberanteil abzuziehen; bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich der Höchstbeitrag (§ 10 Abs. 1 Nr 2, Abs. 3 EStG)
Beamtenversorgung betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktzusage oder über eine Unterstützungskasse keine Besteuerung, da kein Zufluss von Einnahmen (§ 11 Abs. 1 EStG) Einnahmen sind in voller Höhe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr 2 EStG) Abzug eines Versorgungsfreibetrags und eines Zuschlags zum Versorgungsfreibetrag von bis zu 3 900 € (Jahr des Versorgungsbeginns 2005), schrittweiser Abbau auf null (ab dem Jahr 2040, § 19 Abs. 2 EStG)
betriebliche, kapitalgedeckte Altersversorgung in der Form einer Direktversicherung, über eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds (Voraussetzung: Versorgungsleistung muss grundsätzlich als Rente oder in Form eines Auszahlungsplans ausgezahlt werden) Beiträge sind bis zu 8% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei (§ 3 Nr 63 EStG), darüber hinaus steuerpflichtig (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr 3 EStG) Einnahmen sind in voller Höhe sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 5 EStG Abzug eines Werbungskosten-Pauschbetrags von 102 € (§ 9a S. 1 Nr 3 EStG)
Altersvorsorgevertrag („Riester-Rente“) (Voraussetzung: Versorgungsleistung muss grundsätzlich als Rente oder in Form eines Auszahlungsplans ausgezahlt werden) Altersvorsorgezulage von grundsätzlich 175 € zuzüglich 185 € bzw 300 €/Kind (§ 79 – § 99 EStG) oder Abzug als Sonderausgabe bis zu 2 100 € (§ 10a EStG) Einnahmen sind in voller Höhe sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 5 EStG Abzug eines Werbungskosten-Pauschbetrages von 102 € (§ 9a S. 1 Nr 3 EStG)
II. Formen mit (tendenziell) vorgelagerter Besteuerung
Kapitallebensversicherung Beiträge sind nichtabziehbar Differenz zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der entrichteten Beiträge ist in voller Höhe steuerpflichtig (Grundfall), Besteuerung mit Sondersteuersatz von 25% (Abgeltungsteuer, § 20 Abs. 1 Nr 6 S. 1 iVm § 32d EStG) bzw zu 50% (Laufzeit mindestens 12 Jahre und Auszahlung erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres) steuerpflichtig, Besteuerung nach dem Normaltarif (§ 20 Abs. 1 Nr 6 S. 2 iVm § 32d Abs. 2 Nr 2 EStG)
Rentenlebensversicherung, die nicht als „Rürup-Versicherung“ anerkannt wird Beiträge sind nichtabziehbar Einnahmen sind sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1 S. 3 Buchst. a bb EStG; Besteuerung in Höhe des Ertragsanteils, der von dem Alter abhängt, das der Steuerpflichtige bei Beginn der Rente hat (zB bei 65 Jahren 18%)
Sparkonto, festverzinsliche Wertpapiere Anlagebetrag nichtabziehbar Zinsen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr 7 EStG), Besteuerung mit Sondersteuersatz von 25% (Abgeltungsteuer, § 32d EStG)

Die überwiegende Anzahl an Alterseinkünften unterliegt dem Konzept einer nachgelagerten Besteuerung. Der Vorteil einer nachgelagerten Besteuerung gegenüber einer vorgelagerten Besteuerung besteht darin, dass Zinserträge erst in dem Zeitpunkt besteuert werden, in dem die Alterseinkünfte ausbezahlt werden. Aufgrund des langen Betrachtungszeitraums kommt diesem positiven Zeiteffekt der nachgelagerten Besteuerung eine sehr große Bedeutung zu.

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Beispiel:

Ein Steuerpflichtiger wendet zu Beginn des Betrachtungszeitraums zur Finanzierung seiner Alterseinkünfte einmalig einen Betrag von 1 000 € auf. Nach 30 Jahren soll daraus eine einmalige Versorgungsleistung finanziert werden. Die Rendite dieser Versorgungsform beträgt vor Steuern 5%. Der Einkommensteuersatz beläuft sich auf durchschnittlich 30%.

Bei einer vorgelagerten Besteuerung können aus dem Versorgungsaufwand Zahlungen von 2 807 € = 1 000 € × (1 + 0,05 × (1 – 0,30))30 finanziert werden. Der einbezahlte Betrag verzinst sich zu 5%. Nach Abzug der Einkommensteuer von 30% verbleibt eine Nettoverzinsung von 3,5%. Unter Berücksichtigung von Zinseszinsen ergibt sich nach 30 Jahren ein Endvermögen von 2 807 €.

Bei einer nachgelagerten Besteuerung verfügt der Steuerpflichtige über Mittel in Höhe von 4 322 € = (1 000 €/(1 – 0,30)) × (1 + 0,05)30 × (1 – 0,30). Da die Versorgungsaufwendungen von der Bemessungsgrundlage abziehbar sind, beläuft sich die Nettobelastung des Steuerpflichtigen bei einer Einzahlung von 1 429 € = 1 000 €/(1 – 0,30) auf 1 000 € = 1 429 € × (1 – 0,30). Der Einzahlungsbetrag von 1 429 € wird mit dem Vor-Steuer-Zinssatz von 5% aufgezinst, da zwischenzeitliche Zinserträge während der Ansparphase noch nicht besteuert werden. Der Auszahlungsbetrag beläuft sich damit auf 6 174 € = 1 429 € × (1 + 0,05)30. Von dieser Versorgungszahlung ist Einkommensteuer von 1 852 € = 6 174 € × 0,30 zu bezahlen, sodass nach Steuern 4 322 € (= 6 174 € – 1 852 €) verbleiben.

Da sich bei einer nachgelagerten Besteuerung der Abzug der Versorgungsaufwendungen von der Bemessungsgrundlage und deren Besteuerung in der Versorgungsphase ausgleichen, vereinfacht sich die Berechnungsformel (1 000 €/(1 – 0,30)) × (1 + 0,05)30 × (1 – 0,30) durch Kürzung des Faktors „(1 – 0,30)“ auf 1 000 € × (1 + 0,05)30.

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In allgemeiner Form errechnen sich die Versorgungsbezüge bei einer vorgelagerten Besteuerung wie folgt:


Versorgungsaufwendungen / (1 – Steuersatz) einbezahlter Betrag unter Berücksichtigung der Abziehbarkeit der Versorgungsaufwendungen
× (1 + Nach-Steuer-Zinssatz)Dauer der Ansparphase Verzinsung des einbezahlten Betrags
× (1 – Steuersatz) Auszahlungsbetrag vermindert um die Besteuerung

nach Kürzung um den Faktor „(1 – Steuersatz)“

 

Versorgungsaufwendungen × (1 + Nach-Steuer-Zinssatz)Dauer der Ansparphase

Bei einer nachgelagerten Besteuerung gilt:

Versorgungsaufwendungen × (1 + Vor-Steuer-Zinssatz)Dauer der Ansparphase

Eine Analyse der beiden Berechnungsformeln zeigt unmittelbar, dass sich der Vorteil der nachgelagerten Besteuerung ausschließlich aus der Verlagerung der Besteuerung der zwischenzeitlich erzielten Zinserträge in den Versorgungszeitraum ergibt. Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist also die nachgelagerte Besteuerung als vorteilhaft zu werten. Da es sich bei dem Steuervorteil einer nachgelagerten Besteuerung im Wesentlichen um einen positiven Zeiteffekt handelt, fällt der Vorteil der nachgelagerten Besteuerung umso höher aus,


je länger die Dauer der Ansparphase,
je höher die Rendite des Versorgungsinstruments und
je höher die Ertragsteuerbelastung ist.

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In einem einkommensorientierten Besteuerungssystem – wie das geltende Einkommensteuergesetz – stellt die nachgelagerte Besteuerung einen Fremdkörper dar. Die nachgelagerte Besteuerung folgt dem Leitbild einer konsumorientierten Besteuerung, wonach gesparte bzw investierte Beträge von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden und konsumierte Beträge besteuert werden. Es muss lediglich von der nicht unrealistischen Annahme ausgegangen werden, dass die Alterseinkünfte in der Versorgungsphase nicht gespart werden, sondern zur Finanzierung der privaten Lebensführung eingesetzt werden. Durch die nachgelagerte Besteuerung werden Anlageformen, die nachgelagert besteuert werden (zB „Riester-Rente“, „Rürup-Versicherung“) gegenüber Anlageformen begünstigt, die entsprechend dem Konzept der Einkommensteuer vorgelagert besteuert werden (zB Sparbuch, Festgeld, festverzinsliche Wertpapiere).

Versorgungsformen, die nachgelagert besteuert werden, können damit aus Sicht des Steuerpflichtigen auch dann vorteilhaft sein, wenn sie vor Steuern eine Rendite erbringen, die unter denen von Versorgungsformen liegt, die – entsprechend dem Konzept der Einkommensteuer – vorgelagert besteuert werden. Da bei einer nachgelagerten Besteuerung die Vor-Steuer-Rendite einer Versorgungsalternative mit ihrer Nach-Steuer-Rendite übereinstimmt, reduzieren sich bei ihr die Renditeanforderungen auf die Vor-Steuer-Rendite eines vorgelagert besteuerten Versorgungsinstruments multipliziert mit dem Faktor „(1 – Steuersatz)“. Im Beispiel sind nachgelagert besteuerte Versorgungsformen ab einer Vor-Steuer-Rendite von 3,50% = 5% × (1 – 30%) vorgelagert besteuerten Versorgungsformen, die vor Steuern eine Rendite von 5% erbringen, vorzuziehen.

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Die für eine einmalige Einzahlung und eine einmalige Auszahlung abgeleiteten Effekte gelten hinsichtlich ihrer Wirkungsrichtung auch dann, wenn jährlich oder monatlich wiederkehrende Beitragszahlungen und regelmäßige Rentenzahlungen in die Betrachtung einbezogen werden. Die Berechnungen werden zwar durch die Anwendung des Annuitätenfaktors sowie von versicherungsmathematischen Regeln umfangreicher. Es verändert sich aber lediglich der absolute Betrag. Der konzeptionelle Vorteil einer nachgelagerten Besteuerung wird davon nicht beeinflusst.

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Der Einbezug von Steuersatzeffekten führt dazu, dass Entscheidungen über die Auswahl des Versorgungsinstruments komplexer werden:


Der negative Zeiteffekt der vorgelagerten Besteuerung wird dann abgeschwächt, wenn die Erträge, wie bei der Anlage auf einem Sparbuch oder beim Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren, der Abgeltungsteuer unterliegen. Damit unterliegen die Erträge nicht dem Normaltarif, sondern einem 25%igen Sondersteuersatz. Der negative Zeiteffekt der vorgelagerten Besteuerung wird umso stärker abgeschwächt, je höher in der Ansparphase (Zeitraum, in dem das Kapital für die Alterseinkünfte angespart wird) der persönliche Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen ist, dh je größer die Differenz zwischen dem persönlichen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen und dem Sondersteuersatz für private Kapitalanlagen ist. Versorgungsaufwand × (1 + Zinssatz × (1 – sAbgSt))Dauer der Ansparphase
Der positive Zeiteffekt der nachgelagerten Besteuerung wird durch einen positiven Steuersatzeffekt verstärkt, wenn im Versorgungszeitraum (Zeitraum, in dem die Alterseinkünfte ausbezahlt werden) für den Steuerpflichtigen ein niedrigerer Steuersatz maßgebend ist als in der Ansparphase. Versorgungsaufwand/(1 – sAnspar) × (1 + Zinssatz)Dauer der Ansparphase × (1 – sVersorgung) mit sAnspar > sVersorgung

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Im Folgenden wird für die wichtigsten Formen von Alterseinkünften skizziert, auf welche Weise das Konzept einer nachgelagerten Besteuerung verwirklicht wird und durch welche Detailregelungen der grundsätzlich bestehende positive Zeiteffekt verstärkt bzw abgeschwächt wird:


Bei der Beamtenversorgung sowie bei der betrieblichen Altersversorgung in der Form einer Direktzusage oder über eine Unterstützungskasse liegen während der Beschäftigungszeit mangels Zufluss keine steuerbaren Einnahmen vor. Die Beamtenpensionen und Betriebsrenten unterliegen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich in vollem Umfang der Besteuerung. Entlastungen ergeben sich durch den Abzug eines Versorgungsfreibetrags und eines Zuschlags zum Versorgungsfreibetrag von bis zu 3 900 € (Jahr des Versorgungsbeginns 2005 oder früher), der jedoch schrittweise bis auf null (Versorgungsbeginn ab 2040) abgebaut wird (§ 19 Abs. 2 EStG). Darüber hinaus kann für Versorgungsbezüge ein Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 € abgezogen werden (§ 9a S. 1 Nr 1 Buchst. b EStG).
Bei einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung in der Form einer Direktversicherung, über eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds ergibt sich das Konzept der nachgelagerten Besteuerung dadurch, dass die vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge auf Ebene des Arbeitnehmers steuerfrei sind (§ 3 Nr 63 EStG). Im Versorgungszeitraum liegen sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 5 EStG vor, die in vollem Umfang steuerpflichtig sind. Einschränkungen des Konzepts einer nachgelagerten Besteuerung ergeben sich aus den in § 3 Nr 63 EStG formulierten Begrenzungen (8% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) sowie aus dem Abzug einer Werbungskostenpauschale von 102 € (§ 9a S. 1 Nr 3 EStG). Bei Verträgen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden, kommt es unter bestimmten Voraussetzungen zwar vom Ansatz zu einer vorgelagerten Besteuerung. Die daraus resultierende Belastung wird allerdings durch die Pauschalierung der Einkommensteuer mit 20% deutlich abgeschwächt (§ 40b iVm § 52 Abs. 40 EStG). Bei Kapitallebensversicherungen ist darüber hinaus bei „Altverträgen“ die Auszahlung der Versicherungsleistung nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr 6 iVm § 52 Abs. 28 S. 5 EStG).
Einzahlungen in einen Altersvorsorgevertrag („Riester-Rente“) mindern als Sonderausgaben das steuerpflichtige Einkommen (§ 10a EStG). Die Auszahlungen sind als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 5 EStG in vollem Umfang steuerpflichtig. Abweichungen gegenüber der Grundidee einer nachgelagerten Besteuerung ergeben sich insoweit, als der Sonderausgabenabzug auf einen Höchstbetrag begrenzt ist. Die Vorteile einer nachgelagerten Besteuerung werden dadurch verstärkt, dass alternativ zum Abzug der Beiträge als Sonderausgaben eine Altersvorsorgezulage gewährt wird, deren finanzielle Entlastung insbesondere bei Steuerpflichtigen mit niedrigen Einkünften stärker wirkt als der Sonderausgabenabzug (§ 79 – § 99 EStG). Des Weiteren wird die Belastung durch den Abzug einer Werbungskostenpauschale von 102 € gemindert (§ 9a S. 1 Nr 3 EStG).

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Der Überblick über die Formen, die nachgelagert besteuert werden, zeigt, dass die zur Finanzierung der Alterseinkünfte geleisteten Zahlungen in keinem Fall als Werbungskosten abgezogen werden dürfen, sondern die Nichtbesteuerung in der Ansparphase andere Ursachen hat: Abzug als Sonderausgaben, Steuerbefreiung oder keine steuerbaren Einnahmen. Unterliegen die Alterseinkünfte der Besteuerung, handelt es sich bei den Aufwendungen zur Finanzierung dieser Alterseinkünfte aus steuersystematischer Sicht um Werbungskosten: Die Aufwendungen werden geleistet, um in der Zukunft Einnahmen zu erzielen. Es handelt sich nicht um Kosten der privaten Lebensführung (so bei der Einordnung als Sonderausgaben) oder um Beträge, die dem steuerfreien oder nicht steuerbaren Bereich zugeordnet werden (so bei Einordnung der Aufwendungen, die vom Arbeitgeber geleistet werden, als steuerfreie bzw nichtsteuerbare Einnahmen des Arbeitnehmers).

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