Besteuerung von Unternehmen I

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I. Normaltarif

301

Der Steuersatz, der auf die Bemessungsgrundlage „zu versteuerndes Einkommen“ anzuwenden ist, ergibt sich aus dem Einkommensteuertarif. Der Normaltarif sieht fünf Tarifzonen vor (§ 32a Abs. 1 EStG):


1. Nullzone bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 9 408 €: Es fällt keine Einkommensteuer an (Grundfreibetrag).
2. erste linear-progressive Tarifzone für zu versteuernde Einkommen zwischen 9 409 und 14 532 €: Einkommensteuer = (972,87 × y + 1 400) × y.
3. zweite linear-progressive Tarifzone für zu versteuernde Einkommen zwischen 14 532 und 57 051 €: Einkommensteuer = (212,02 × z + 2 397) × z + 972,79.
4. erste Proportionalzone für zu versteuernde Einkommen zwischen 57 051 und 270 500 €: Einkommensteuer = 0,42 × x – 8 963,74.
5. zweite Proportionalzone ab einem zu versteuernden Einkommen von 270 501 € („Reichensteuer“): Einkommensteuer = 0,45 × x – 17 078,74.


mit
x = das auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete zu versteuernde Einkommen
y = ein Zehntausendstel des den Grundfreibetrag von 9 408 € übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens
z = ein Zehntausendstel des 14 532 € übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens.

302

Die Nullzone ist auf den aus der persönlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips abgeleiteten Grundgedanken zurückzuführen, dass nur das disponible Einkommen der Besteuerung unterworfen werden darf. Dies bedingt, dass der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts benötigte Betrag (das Existenzminimum) nicht mit Einkommensteuer belastet werden darf. Der Grundfreibetrag wird aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Anlehnung an das Sozialhilferecht festgesetzt.[148]

Der Grundfreibetrag ist im gesamten Bundesgebiet gleich hoch. Demgegenüber werden die Leistungen im Sozialversicherungsrecht am örtlichen Bedarf ausgerichtet. Die bundeseinheitliche Festsetzung des Grundfreibetrags ist insbesondere für Steuerpflichtige von Nachteil, die in Regionen mit hohen Kosten für die Unterkunft wohnen.[149]

303

In der ersten Progressionszone steigt der Grenzsteuersatz gleichmäßig von 14 auf bis zu 23,90% an (linear-progressiver Tarif). Es kommt zu einem relativ steilen Anstieg des Grenzsteuersatzes (1,95 Prozentpunkte je 1 000 €). Der Durchschnittssteuersatz erhöht sich in der ersten Progressionszone von 0 auf 6,69%. In der zweiten Progressionszone („Tarifknick“) nimmt der Grenzsteuersatz kontinuierlich von 23,90 auf bis zu 42% zu. Die zweite Progressionszone weist gleichfalls einen linear-progressiven Verlauf auf. Der Anstieg fällt aber mit 0,424 Prozentpunkten je 1 000 € erheblich flacher aus als in der ersten Progressionsstufe. In der zweiten Progressionszone nimmt der Durchschnittssteuersatz von 6,69 auf bis zu 26,29% zu.

304

In der ersten Proportionalzone beträgt der Grenzsteuersatz konstant 42%. Der Durchschnittssteuersatz steigt in der ersten Proportionalzone von 26,29 auf bis zu 38,69%. In der zweiten Proportionalzone erhöht sich der (konstante) Grenzsteuersatz um drei Prozentpunkte auf 45% („Reichensteuer“). Der Durchschnittssteuersatz von zunächst 38,69% nähert sich in der zweiten Proportionalzone mit jeder Erhöhung des zu versteuernden Einkommens immer mehr dem Grenzsteuersatz von 45%, ohne ihn (mathematisch) vollständig zu erreichen.[150]

305

Beispiele:

Bei einem zu versteuernden Einkommen von 14 543 € ist im ersten Schritt die Tarifformel des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr 2 EStG anzuwenden. Bei diesem Einkommen beträgt „z“ 0,0011 (= (14 543 € – 14 532 €)/10 000 €). Damit ergibt sich eine tarifliche Einkommensteuer von 975 € (= (212,02 € × 0,0011 + 2 397 €) × 0,0011 + 972,79 €). Den Durchschnittssteuersatz erhält man im zweiten Schritt, indem man die tarifliche Einkommensteuer zum zu versteuernden Einkommen ins Verhältnis setzt: 975 €/14 543 € = 6,70%.

Steigt das zu versteuernde Einkommen von 300 000 um 1 € auf 300 001 €, ergibt sich der Grenzsteuersatz durch Division der Veränderung der Steuerschuld durch die Veränderung des zu versteuernden Einkommens. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 300 001 € bzw 300 000 € (= „x“) errechnet sich aus der Tarifformel des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr 5 EStG eine – ungerundete – tarifliche Einkommensteuer von 117 921,71 € (= 0,45 × 300 001 € – 17 078,74 €) bzw 117 921,26 € (= 0,45 × 300 000 € – 17 078,74 €). Der Anstieg der steuerlichen Bemessungsgrundlage um 1 € löst eine Veränderung der Steuerschuld von 0,45 € (= 117 921,71 € – 117 921,26 €) aus. Der Grenzsteuersatz beträgt damit 45% (= 0,45 €/1 €).

306

Abb. 2.16: Einkommensteuer, Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz für ausgewählte zu versteuernde Einkommen (tabellarische Darstellung)


zu versteuerndes Einkommen Einkommensteuer Durchschnittssteuersatz Grenzsteuersatz
5 000 € 0 € 0,00% 0,00%
7 500 € 0 € 0,00% 0,00%
10 000 € 86 € 0,86% 15,15%
12 500 € 526 € 4,21% 20,02%
15 000 € 1 085 € 7,24% 24,17%
20 000 € 2 347 € 11,73% 26,29%
25 000 € 3 714 € 14,86% 28,41%
30 000 € 5 188 € 17,29% 30,53%
35 000 € 6 767 € 19,33% 32,65%
40 000 € 8 453 € 21,13% 34,77%
45 000 € 10 244 € 22,76% 36,89%
50 000 € 12 142 € 24,28% 39,01%
55 000 € 14 145 € 25,72% 41,13%
60 000 € 16 236 € 27,06% 42,00%
65 000 € 18 336 € 28,21% 42,00%
70 000 € 20 436 € 29,19% 42,00%
75 000 € 22 536 € 30,05% 42,00%
100 000 € 33 036 € 33,04% 42,00%
150 000 € 54 036 € 36,02% 42,00%
200 000 € 75 036 € 37,52% 42,00%
250 000 € 96 036 € 38,41% 42,00%
300 000 € 117 921 € 39,31% 45,00%
375 000 € 151 671 € 40,45% 45,00%
500 000 € 207 921 € 41,58% 45,00%
1 000 000 € 432 921 € 43,29% 45,00%
2 500 000 € 1 107 921 € 44,32% 45,00%

Die Abb. 2.16 enthält die für ausgewählte zu versteuernde Einkommen ermittelten Durchschnitts- und Grenzsteuersätze. Der Verlauf dieser beiden Kennzahlen wird zusätzlich in der Abb. 2.17 grafisch verdeutlicht.

 

Abb. 2.17:

Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz für ausgewählte zu versteuernde Einkommen (grafische Darstellung)


[Bild vergrößern]

307

Der progressive Verlauf der Einkommensteuer beruht auf einem Umverteilungsgedanken, also nicht auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Diejenigen Steuerpflichtigen, die ein höheres Einkommen erzielen, sollen nicht nur absolut mehr Einkommensteuer bezahlen (dieser Effekt tritt auch bei einem proportionalen Tarif auf), sondern auch eine relativ höhere Einkommensteuerlast tragen. Wie sich die Einkommensteuer auf die Steuerpflichtigen verteilt, wird aus der folgenden Aufstellung deutlich:[151]


Die untere Hälfte der Steuerpflichtigen (Einkünfte bis 31 723 €) leistet zum Einkommensteueraufkommen einen Anteil von 6,4%. Die obere Hälfte zahlt die verbleibenden 93,6%. Die Progressionswirkung des Einkommensteuertarifs wird daran deutlich, dass sich das zu versteuernde Einkommen im Verhältnis 17 : 83 verteilt.
Das unterste Viertel der Steuerpflichtigen (Einkünfte bis 15 304 €) hat einen Anteil von 0,5% zu tragen, das oberste Viertel (Einkünfte ab 53 670 €) einen Anteil von 76,5%.
Die 5% Steuerpflichtigen mit dem höchsten Einkommen (Einkünfte ab 115 729 €) finanzieren 41,8% des Einkommensteueraufkommens. Ihr Anteil am zu versteuernden Einkommen liegt mit 26,4% deutlich darunter.
Bei ca. 0,23% der Steuerpflichtigen wurden die Einkünfte mit dem Spitzensteuersatz von 45% („Reichensteuer“) besteuert. Diese Steuerpflichtigen tragen zu 11,8% zum Aufkommen der Einkommensteuer bei.

308

Der Einkommensteuertarif verläuft nicht gleichmäßig linear. Vielmehr ist die Progressionszone in zwei Bereiche eingeteilt. Der Nachteil dieser Aufteilung besteht darin, dass der Grenzsteuersatz in der ersten Progressionszone relativ stark ansteigt. Diese Vorgehensweise wurde aus fiskalpolitischen Gründen gewählt. Gegenüber einem durchgehend linearen Tarif ergeben sich deutliche Mehreinnahmen. Wie aus der nachfolgenden Abb. 2.18 erkennbar wird, liegt der Grenzsteuersatz des geltenden Einkommensteuertarifs deutlich über dem, der sich bei einem durchgehend linearen Tarif ergeben würde. Will man, wie oft behauptet, die unteren Einkommensgruppen stärker entlasten, ist an diesem „Mittelstandsbauch“ anzusetzen.[152]

Abb. 2.18:

„Mittelstandsbauch“


[Bild vergrößern]

309

Allgemeine Preissteigerungen führen dazu, dass sich nominell die Einkünfte der Steuerpflichtigen erhöhen, ohne dass die reale Kaufkraft entsprechend ansteigt. Bei einem unveränderten Einkommensteuertarif erhöht sich die Einkommensteuer bei nominal steigenden Einkünften. Um diese „kalte Progression“ zu vermeiden, werden seit ein paar Jahren die für die Abgrenzung der einzelnen Tarifzonen geltenden Werte regelmäßig erhöht. Diese Anpassung des Einkommensteuertarifs wird als „Rechtsverschiebung“ bezeichnet. Die Erhöhung der Werte für die Abgrenzung der einzelnen Tarifzonen ergänzt die Anpassung des Grundfreibetrags an das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum.[153]

Den Steuersatz der ersten Proportionalzone von 42% erreichen Arbeitnehmer mit etwa dem Doppelten des durchschnittlichen Bruttogehalts aller Arbeitnehmer. Im Jahr 2000 lag dieser Wert beim knapp dreifachen, im Jahr 1980 beim fünffachen und im Jahr 1965 beim 15-fachen.[154]

310

Der progressive Verlauf des Einkommensteuertarifs hat zur Folge, dass sich Tarifsenkungen bei Steuerpflichtigen mit hohen Einkünften stärker auswirken als bei Steuerpflichtigen mit niedrigen Einkünften. Darin kann kein Verstoß gegen den mit dem progressiven Steuertarif verbundenen Umverteilungszweck gesehen werden. Vielmehr ist dieser Effekt eine logische Konsequenz eines progressiven Steuertarifs. Wer mit steigenden Einkünften (absolut und relativ) mehr Einkommensteuer bezahlt, wird umgekehrt bei einer Tarifsenkung stärker entlastet. Wer keine oder nur eine niedrige Einkommensteuer zu zahlen hat, kann von einer Tarifsenkung nicht oder nur in geringem Umfang profitieren.

311

Der Einkommensteuertarif wird aufgrund der jahresbezogenen Veranlagung auf das jeweilige Jahreseinkommen bezogen (§ 2 Abs. 7 EStG). Um bei schwankenden Einkünften Nachteile aus dem Abschnittsprinzip zumindest abzuschwächen, wird zum Teil vorgeschlagen, dass die Progression auf das Lebenseinkommen bezogen werden sollte.[155] Zumindest ist ein Progressionsausgleich über mehrere Jahre wünschenswert. Besonders deutlich werden die Nachteile aus der jahresbezogenen Berechnung des Steuersatzes bei Steuerpflichtigen, die einen Großteil ihrer Einkünfte innerhalb einer kurzen Zeitspanne beziehen. Beispiele hierfür sind Spitzensportler und zum Teil Künstler.

312

Um natur- und damit sektoralbedingte Gewinnschwankungen auszugleichen, wird bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auf Antrag die Einkommensteuer aus den durchschnittlichen Einkünften von drei Jahren errechnet. Wenn die Einkommensteuer innerhalb dieses Betrachtungszeitraums niedriger ist als bei einem Ansatz der jeweils erzielten Einkünfte, wird eine Tarifermäßigung gewährt, um diese Differenz auszugleichen (Tarifglättung, § 32c EStG).

313

In den meisten Fällen entspricht der aus dem Normaltarif abgeleitete Betrag der tariflichen Einkommensteuer (§ 2 Abs. 5 S. 1, Abs. 6 S. 1 EStG). Abweichungen ergeben sich, wenn der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus kommen für ausgewählte Einkünfte Sondersteuersätze zur Anwendung: gesonderter Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d EStG, ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG, nach § 34 Abs. 3 EStG und nach § 34b EStG sowie Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne nach § 34a EStG.

II. Progressionsvorbehalt

314

Der Progressionsvorbehalt ist dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte (steuerfreie) Einkünfte, die in der einkommensteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage nicht enthalten sind, bei der Berechnung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anzuwendenden Durchschnittssteuersatzes mit einbezogen werden (§ 32b EStG). Die steuerfreien und die steuerpflichtigen Einkünfte werden addiert. Aus dieser Summe wird nach dem Normaltarif die Einkommensteuer berechnet. Die steuerpflichtigen Einkünfte werden mit dem sich daraus ergebenden Durchschnittssteuersatz multipliziert.

315

Vom Progressionsvorbehalt erfasst werden zum einen zahlreiche Lohnersatzleistungen, wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Elterngeld, und zum anderen bestimmte ausländische Einkünfte, die von der deutschen Besteuerung nicht erfasst werden, weil sie entweder nicht steuerbar oder nicht steuerpflichtig sind.

Beispiel:

Ein lediger Arbeitnehmer erzielt steuerpflichtige Einkünfte von 35 000 €. Des Weiteren bezieht er Arbeitslosengeld von 15 000 €.

Der Progressionsvorbehalt ist dadurch gekennzeichnet, dass die steuerpflichtigen Einkünfte mit dem Steuersatz besteuert werden, der sich ergeben würde, wenn das Arbeitslosengeld gleichfalls der Besteuerung unterliegen würde:

 


steuerpflichtige Einkünfte 35 000 €
+ vom Progressionsvorbehalt erfasste steuerfreie Einkünfte 15 000 €
= für die Berechnung des Steuersatzes maßgebendes Einkommen („Steuersatzeinkommen“) 50 000 €

Aus der sich aus einem „Steuersatzeinkommen“ von 50 000 € ergebenden Einkommensteuer von 12 142 € errechnet sich ein Durchschnittssteuersatz von 24,283%. Mit diesem Steuersatz sind die steuerpflichtigen Einkünfte zu multiplizieren (= 35 000 €). Hieraus ergibt sich eine Einkommensteuer von 8 499 € (= 35 000 € × 24,283%).

Ohne Progressionsvorbehalt beträgt die Einkommensteuer auf die steuerpflichtigen Einkünfte 6 767 € oder 19,334%. Aus dem Steuersatzeffekt des Progressionsvorbehalts ergibt sich eine Erhöhung der Einkommensteuer um 1 731 €. Diese Mehrbelastung ist auf die Erhöhung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anzuwendenden Durchschnittssteuersatzes um 4,95 Prozentpunkte zurückzuführen: 1 732 € = 35 000 € × (24,283% – 19,334%). (Abweichungen beruhen auf Rundungsdifferenzen.)