Besteuerung von Unternehmen I

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2. Zielsetzungen beim Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen

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Aus dem System der Einkommensteuer lassen sich für den Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen drei Rechtfertigungsgründe ableiten. Kernargument für den Abzug von Sonderausgaben bildet die persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips, nach dem sich die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage aus dem disponiblen Einkommen des Steuerpflichtigen ergibt.[107] Darüber hinaus sind bei den Sonderausgaben Positionen enthalten, die auf einem Lenkungszweck (Förderzweck) beruhen oder die auf das Nettoprinzip (Ermittlung der Einkünfte als Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben sowie persönliche Zurechnung von Einnahmen) zurückzuführen sind.[108]

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Die persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips beinhaltet die Nichtsteuerbarkeit des eigenen und des familiären Existenzminimums.[109] Einkünfte, die für die Sicherung einer Mindest-Daseinsvorsorge benötigt werden, dürfen nicht besteuert werden. Ausgaben, die unvermeidbar (zwangsläufig, indisponibel) sind, müssen bei Ermittlung der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage zum Abzug zugelassen werden. Umgekehrt dürfen Ausgaben, die auf einer freien (beliebigen) Einkommensverwendung beruhen, das zu versteuernde Einkommen nicht mindern. Mit der persönlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips kann der Abzug als Sonderausgaben bzw außergewöhnliche Belastung begründet werden,


wenn und soweit die Ausgaben unvermeidbar (zwangsläufig) sind und

Akzeptiert man die persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips als eines der Kernmerkmale des deutschen Einkommensteuerrechts, müssen Ausgaben, die zweifellos als zwangsläufig anzusehen sind, als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Insoweit hat der Gesetzgeber keinen Gestaltungsspielraum.[111]

Bei den privat veranlassten Ausgaben, die die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer reduzieren, tritt ein Progressionseffekt auf. Je höher die Summe der Einkünfte ist, umso höher ist der Entlastungseffekt. Dieser Steuersatzeffekt ist eine logische Folgewirkung des progressiven Einkommensteuertarifs. Bei einer Definition der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage als „disponibles Einkommen“ lösen die abziehbaren Ausgaben einen Progressionseffekt aus. Wenn sich die Bemessungsgrundlage erhöht, steigt der Durchschnittssteuersatz. Diese Aussage gilt auch umgekehrt. Je höher die Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen sind, umso niedriger ist die einkommensteuerpflichtige Bemessungsgrundlage und – damit untrennbar verbunden – umso niedriger fällt der Durchschnittssteuersatz aus. Damit ist die betragsmäßige Entlastung durch den Abzug als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung umso höher, je höher die Einkünfte des Steuerpflichtigen vor Abzug dieser Ausgaben sind.

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Der Abzug als Sonderausgaben wird vom Gesetzgeber zum Teil damit begründet, dass er bestimmte wirtschafts-, sozial- oder kulturpolitische Zwecke erreichen möchte. Wird auf den Lenkungszweck abgestellt, müssen die Ausgaben nicht zwingend von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Alternativ ist die Einführung einer Steuerermäßigung, dh ein Abzug von der Steuerschuld, möglich. Es ist die Entscheidung des Gesetzgebers, ob er eine steuersatzabhängige oder eine bei allen Steuerpflichtigen betragsmäßig gleich hohe Förderung gewähren möchte.

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Bei den im Einkommensteuergesetz als Sonderausgaben bezeichneten Ausgaben handelt es sich in Teilbereichen um Ausgaben, die materiell dem Bereich der Einkommenserzielung zuzuordnen sind.[112] Bei derartigen Ausgaben ist die Zuordnung zu den Sonderausgaben systematisch unzutreffend. Der Sache nach handelt es sich bei diesen Ausgaben um (vorweggenommene) Erwerbsaufwendungen. Derartige Ausgaben müssten nach dem (sachlichen) Nettoprinzip in vollem Umfang als Werbungskosten zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden. Soweit es durch die Zuordnung zu den Sonderausgaben zu einer betragsmäßigen Begrenzung des Abzugs von der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage kommt, liegt ein Verstoß gegen die Konzeption der Einkommensteuer vor. Insoweit wird die sachliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips eingeschränkt.

Bei einem Teil der Ausgaben (so bei ausgewählten Unterhaltsleistungen) ist beim Zahlungsverpflichteten ein Abzug als Sonderausgaben nur unter der Voraussetzung zulässig, dass der Empfänger die von ihm vereinnahmten Beträge versteuert. Diese Verknüpfung zwischen der Besteuerung der beiden beteiligten Personen regelt im Ergebnis die persönliche Zurechnung von Einkünften. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass anhand des Nettoprinzips nicht nur zu entscheiden ist, ob der Zahlungsverpflichtete die von ihm geleisteten Ausgaben abziehen darf. Darüber hinaus ist festzulegen, ob der Zahlungsempfänger steuerpflichtige Einnahmen bezieht. Beim Nettoprinzip ist also im ersten Schritt das „Brutto“ zu bestimmen, von dem im zweiten Schritt Ausgaben abzuziehen sind, um zum „Netto“ zu kommen.[113]

3. Abgrenzung gegenüber dem Verlustabzug

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Negative Einkünfte, die durch den (internen und externen) Verlustausgleich im laufenden Jahr nicht ausgeglichen werden können, sind in den Verlustabzug einzubeziehen (§ 10d EStG). Beim Verlustabzug handelt es sich um eine interperiodische Verlustverrechnung, bei der Verluste eines Jahres mit positiven Einkünften saldiert werden, die der Steuerpflichtige in einem anderen Veranlagungszeitraum erzielt hat. Die Besonderheit besteht darin, dass durch den Verlustabzug über die Verrechnung mit positiven Einkünften, die der Steuerpflichtige in einem anderen Veranlagungszeitraum erzielt hat, das ansonsten bei der Einkommensteuer zu beachtende Abschnittsprinzip zurückgedrängt wird.[114]

Der Verlustabzug erfolgt vom Gesamtbetrag der Einkünfte und damit auf der gleichen Ebene wie der Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (§ 10d Abs. 1 S. 1 EStG). Diese Gleichstellung ist aber lediglich rechentechnischer Natur. Materiell besteht zwischen dem Verlustabzug einerseits und den Sonderausgaben sowie außergewöhnlichen Belastungen andererseits ein gravierender Unterschied. Der Verlustabzug folgt aus dem bei der Einkunftsermittlung zu beachtenden Prinzip der Nettobesteuerung. Er beruht also auf der sachlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips. Demgegenüber wird der Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen mit der persönlichen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips begründet.

II. Sonderausgaben

1. Allgemeines

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Der Begriff „Sonderausgaben“ ist gesetzlich nicht definiert. Vielmehr ist jeweils im Einzelnen spezifiziert, welche Ausgaben der Gesetzgeber zum Abzug von der einkommensteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage zulässt. Bei Sonderausgaben handelt es sich um eine Zusammenfassung von Sachverhalten, die sich nicht unter ein einheitliches Konzept einordnen lassen.[115]

Stellt man auf den Umfang ab, in dem Sonderausgaben steuerlich berücksichtigt werden können, lassen sie sich wie folgt einteilen:


unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben
beschränkt abziehbare Sonderausgaben.

Abb. 2.10:

Systematisierung der Sonderausgaben nach dem Umfang ihrer Abziehbarkeit


[Bild vergrößern]

Zusätzlich sind der Sonderausgaben-Pauschbetrag und die Vorsorgepauschale zu beachten.

232

Gemeinsame Voraussetzungen für den Abzug als Sonderausgaben sind,


dass die Aufwendungen weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind, dh die Ausgaben dürfen bei Ermittlung der Einkünfte nicht abgezogen werden, und
dass sie nicht im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Die Aufwendungen müssen tatsächlich erbracht worden sein. Eine bloße Verpflichtung reicht nicht aus. Sonderausgaben sind in dem Jahr abziehbar, in dem sie geleistet werden (Abflussprinzip, § 11 Abs. 2 EStG).

 

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Bei der Beurteilung der Ausgaben, die nach der gesetzlichen Regelung als Sonderausgaben abziehbar sind, wird jeweils geprüft, inwieweit sich die Zuordnung aus der „sachlichen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips“, dem „Lenkungszweck“ (Förderzweck) oder dem „Nettoprinzip“ (Ermittlung der Einkünfte als Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben sowie persönliche Zurechnung von Einnahmen) ableiten lässt.

2. Unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben

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Unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben dürfen in ihrer tatsächlich angefallenen Höhe von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Eine Begrenzung auf einen bestimmten Höchstbetrag besteht nicht.

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(a) Auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen können vom Zahlungsverpflichteten ohne betragsmäßige Begrenzung als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Zahlungen nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, wenn der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und wenn die Versorgungszahlungen auf folgenden Vorgängen beruhen:


Übertragung des Anteils an einer Personengesellschaft, die Einkünfte aus einer Gewinneinkunftsart bezieht,
Übertragung eines Betriebs (Einzelunternehmens) bzw Teilbetriebs oder

Die vom Leistenden als Sonderausgaben abgezogenen Beträge sind vom Empfänger als sonstige Einkünfte zu versteuern (§ 22 Nr 1a EStG).

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Ausschließliche Betrachtung der Person, die die Zahlungen leistet (Beurteilungsmaßstab: persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips). Die vorweggenommene Erbfolge wird zum Teil dadurch vollzogen, dass von der älteren Generation eine Einkunftsquelle übertragen wird und der Begünstigte dem Übertragenden einen Anspruch auf lebenslang zu zahlende Versorgungsleistungen einräumt. Die Höhe der Versorgungszahlungen bestimmt sich aus dem Versorgungsbedarf des Übertragenden, nicht aus dem Wert des übertragenen Vermögens. Damit liegt keine entgeltliche Geschäftsbeziehung vor, sondern ein privat veranlasster Vorgang.

Bei der Beurteilung sind zwei Denkansätze möglich: (a) Geht man davon aus, dass es sich bei der vorweggenommenen Erbfolge um eine freie Entscheidung handelt, ist die Verpflichtung zur Zahlung von derartigen Unterhaltsleistungen dispositiv. Für keinen der Beteiligten besteht (rechtlich) ein Zwang, eine derartige Vereinbarung zu treffen. (b) Alternativ können derartige Vereinbarungen aber auch so eingeordnet werden, dass sie notwendig sind, um die Einkunftsquelle als solche zu erhalten. Diese Sichtweise geht von der Vorstellung aus, dass die ältere Generation nicht mehr in der Lage ist, als Unternehmer zu agieren. Bei dieser Sichtweise ist von einer Zwangsläufigkeit iwS auszugehen.

Welche dieser beiden Argumentationen zutreffend ist, kann nicht allgemein angegeben werden. Die Einordnung hängt von den subjektiven Vorstellungen der beteiligten Personen und den speziellen Verhältnissen des konkreten Einzelfalls ab. Es sind Konstellationen denkbar, bei denen eine Zuordnung zur persönlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips zutreffend ist (zweiter Ansatz). Andererseits kann diese Regelung auch für steuerplanerische Zwecke genutzt werden, sodass eher von einer Vorschrift auszugehen ist, die der Erleichterung der Unternehmensnachfolge dient, m.a.W. dass es sich insoweit um eine Lenkungsnorm handelt (erster Ansatz).

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Gemeinsame Betrachtung des Leistenden und des Zahlungsempfängers (Beurteilungsmaßstab: Zurechnung von Einkünften nach dem Nettoprinzip). Der Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben beim Leistenden setzt voraus, dass der Empfänger die Versorgungsleistungen als sonstige Einkünfte versteuert (§ 22 Nr 1a EStG). Über diese Verknüpfung zwischen der Besteuerung von zwei Steuerpflichtigen wird bestimmt, wer von den beteiligten Personen die Einkünfte zu versteuern hat. Bei der steuerlichen Einordnung von Unterhaltsleistungen handelt sich auch um eine Regelung zur persönlichen Zurechnung von Einnahmen. Damit ist das Nettoprinzip (sachliche Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips) angesprochen. Das Nettoprinzip beinhaltet nämlich nicht nur die Frage, welche Ausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte abziehbar sind. Zusätzlich ist zu konkretisieren, welche Einnahmen beim Zahlungsempfänger der Besteuerung unterliegen. Soweit Einnahmen an eine andere Person weiterzuleiten sind, sollte diese der Zahlungsempfänger versteuern. Die Steuerpflicht besteht nicht bei demjenigen, dem diese Einnahmen zunächst zufließen, sondern bei demjenigen, bei dem die Einnahmen letztendlich verbleiben. Auch wenn üblicherweise bei der Diskussion um den Inhalt des Nettoprinzips (nur) auf die negative Wertkomponente abgestellt wird, darf nicht übersehen werden, dass auch die positive Wertkomponente konkretisiert werden muss. Da bei der Einkommensteuer Gewinne bzw Überschüsse besteuert werden (§ 2 Abs. 2 EStG), geht es beim Nettoprinzip nicht nur darum, welche Ausgaben als Erwerbsaufwendungen abziehbar sind, sondern auch um die Entscheidung darüber, welche Einnahmen steuerpflichtig sind.[117]

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(b) Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs sind betragsmäßig unbeschränkt als Sonderausgaben abziehbar (§ 10 Abs. 1a Nr 4 iVm § 22 Nr 1a EStG).[118] Während beim gesetzlichen Versorgungsausgleich die Versorgungsanwartschaften geteilt werden, bezieht beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich im ersten Schritt jeder die Leistungen, die er selbst erworben hat. Erst im zweiten Schritt werden die Versorgungszahlungen entsprechend den unterhaltsrechtlichen Grundsätzen aufgeteilt. Um die beiden Formen des Versorgungsausgleichs gleich zu behandeln, ist es sachgerecht, dass der Zahlungsverpflichtete die Beträge, die er weiterleiten muss, von seiner Bemessungsgrundlage abziehen kann. Insoweit ergibt sich der Abzug als Sonderausgaben aus der persönlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips (isolierte Betrachtung des Unterhaltsverpflichteten). Gleichzeitig wird über die Verknüpfung mit der Besteuerung des Zahlungsempfängers die persönliche Zurechnung von Einkünften geregelt. Insoweit ist das Nettoprinzip angesprochen (gemeinsame Betrachtung des Leistenden und des Zahlungsempfängers).

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(c) Die Kirchensteuer wird in dem Jahr, in dem sie gezahlt wird, ohne betragsmäßige Obergrenze den Sonderausgaben zugeordnet (§ 10 Abs. 1 Nr 4 EStG).

Bei Einkünften aus Kapitalvermögen, bei denen die Steuerschuld durch die Erhebung der 25%igen Kapitalertragsteuer abgegolten ist (Abgeltungsteuer), wird die Abziehbarkeit der Kirchensteuer als Sonderausgaben in pauschalierender Form berücksichtigt (§ 51a Abs. 2b iVm § 43, § 43a EStG). Der Abgeltungsteuersatz (dh die Einkommensteuer) reduziert sich nach folgender Formel (§ 32d Abs. 1 EStG):

Einkommensteuer = Einkünfte aus Kapitalvermögen/(4 + Kirchensteuersatz in %).

Ein zusätzlicher Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgaben im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung scheidet aus.

Durch den Abzug der gezahlten Kirchensteuer wird der Grundsatz durchbrochen, dass Personensteuern die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern. Bei der Kirchensteuer handelt sich zweifellos um eine privat veranlasste Ausgabe. Eine Zwangsläufigkeit ieS (im rechtlichen Sinne) liegt nicht vor.[119] Ob eine Zwangsläufigkeit iwS besteht, kann nicht anhand systematischer Überlegungen entschieden werden, vielmehr ist eine Wertentscheidung zu treffen, ob man die Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinschaft als sittliche Verpflichtung ansieht.[120] Da für Werturteile keine Vorgaben gemacht werden können, ist der Abzug als Sonderausgaben möglich, aber nicht zwingend.

Unbefriedigend ist, dass nur die Kirchensteuern als Sonderausgaben abziehbar sind, die aufgrund einer gesetzlichen Regelung von inländischen Religionsgemeinschaften erhoben werden, die nach Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 6 WRV als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden (insbesondere evangelische Kirche, katholische Kirche sowie jüdische Religionsgemeinschaft). Eine Lösung könnte darin bestehen, den Abzug der Kirchensteuer aus § 10 Abs. 1 Nr 4 EStG herauszunehmen und in den allgemeinen Spendenabzug nach § 10b EStG zu integrieren. Auf diese Weise könnte auch eine Gleichbehandlung mit anderen Religionsgemeinschaften erreicht werden.[121]

3. Beschränkt abziehbare Sonderausgaben

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Beschränkt abziehbare Sonderausgaben mindern zwar das zu versteuernde Einkommen. Der Abzug ist aber nur im Rahmen einer vorgegebenen Höchstgrenze zulässig:

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(a) Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten können bis zu einem Betrag von 13 805 € als Sonderausgaben abgezogen werden. Dieser Betrag erhöht sich um die vom Unterhaltsverpflichteten tatsächlich geleisteten Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung des Unterhaltsberechtigten, soweit diese Beiträge zur Erlangung von Versicherungsleistungen auf dem sozialhilferechtlich gewährleisteten Leistungsniveau erforderlich sind (Realsplitting, § 10 Abs. 1a Nr 1 EStG). Die vom Unterhaltsverpflichteten als Sonderausgaben abgezogenen Beträge sind vom Empfänger als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1a EStG zu versteuern.

Die Unterhaltsleistungen können nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Unterhaltsleistende die Identifikationsnummer (§ 139b AO) der unterhaltenen Person in seiner Steuererklärung angibt (§ 10 Abs. 1a S. 7 EStG).

Die Beurteilung der auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden, lebenslangen und wiederkehrenden Versorgungsleistungen (§ 10 Abs. 1a Nr 2 iVm § 22 Nr 1a EStG), lässt sich auf das Realsplitting weitgehend übertragen. Die Behandlung von Unterhaltsleistungen entspricht im Wesentlichen der persönlichen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips (isolierte Betrachtung des Unterhaltsverpflichteten). Gleichzeitig wird über die Verknüpfung mit der Besteuerung des Zahlungsempfängers die persönliche Zurechnung von Einkünften geregelt. Insoweit ist das Nettoprinzip angesprochen (gemeinsame Betrachtung des Leistenden und des Zahlungsempfängers).

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(b) Vorsorgeaufwendungen unterteilen sich in Altersvorsorgebeiträge, in Vorsorgeaufwendungen für eine Krankenbasis- und Pflegeversicherung sowie sonstige Vorsorgeaufwendungen. Zu den Altersvorsorgebeiträgen gehören insbesondere die Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen, berufsständischen Versorgungseinrichtungen und landwirtschaftlichen Alterskassen sowie die Beiträge zum Aufbau einer privaten kapitalgedeckten Altersversorgung auf Rentenbasis („Rürup-Versicherung“, § 10 Abs. 1 Nr 2 EStG). Eine Rentenversicherung liegt vor, wenn der Vertrag nur monatliche Zahlungen vorsieht, die lebenslang bezahlt werden, und wenn der Beginn der Rentenzahlungen nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres des Steuerpflichtigen liegt. Eine ergänzende Absicherung des Eintritts der Berufsunfähigkeit sowie, unter bestimmten Voraussetzungen, der Hinterbliebenen ist möglich. Der steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung ist den Altersvorsorgebeiträgen hinzuzurechnen.[122]

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Altersvorsorgebeiträge sind bis zu dem Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung (West) abziehbar. Bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich der Höchstbeitrag. Im Rahmen des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften wird der Höchstbeitrag aber zunächst nur anteilig gewährt. Im Jahr 2005 belief sich dieser Anteil auf 60%, maximal jedoch 60% der tatsächlich angefallenen Altersvorsorgebeiträge. Der Umfang der abziehbaren Altersvorsorgebeiträge steigt seit dem Jahr 2006 jährlich um zwei Prozentpunkte. Im Jahr 2020 ergibt sich ein abziehbarer Anteil von 90% des Höchstbeitrags. Der Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung entspricht dem Produkt aus dem Beitragssatz zur knappschaftlichen Rentenversicherung (im Jahr 2020 24,7%) und der Beitragsbemessungsgrenze in der knappschaftlichen Rentenversicherung (West) (im Jahr 2020 101 400 €). Somit beträgt der Höchstbeitrag im Jahr 2020 25 046 €, davon wirken sich 90% (= 22 541 €) als Sonderausgaben aus. Der volle Höchstbeitrag wird erst ab dem Jahr 2025 erreicht.

Der Umfang der abziehbaren Altersvorsorgebeiträge mindert sich bei sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern (Angestellte und Arbeiter) um den steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und bei Steuerpflichtigen, die für ihre Altersvorsorge keine eigenen Beiträge aufwenden müssen (zB Beamte) um einen fiktiven Rentenversicherungsbeitrag.

Beispiel:

Ein alleinstehender 30-jähriger Arbeitnehmer bezieht im Jahr 2020 einen Bruttoarbeitslohn von 40 000 €. Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich auf 7 440 € (= 18,6% von 40 000 €), die jeweils hälftig (= 3 720 €) vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu tragen sind. Der Arbeitnehmer zahlt für eine von ihm abgeschlossene kapitalgedeckte Altersversorgung auf Rentenbasis einen Jahresbeitrag von 2 000 €.


Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil 7 440 €
+ Beiträge zur kapitalgedeckten Altersversorgung 2 000 €
= Summe der Altersvorsorgebeiträge 9 440 €
berücksichtigungsfähige Altersvorsorgebeiträge90% des geringeren Betrags aus Höchstbeitrag (= 22 541 €) und den geleisteten Beiträgen (= 9 440 €)hier 90% von 9 440 € = 8 496 €
Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung 3 720 €
= als Sonderausgaben abziehbar 4 776 €

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Seit dem im Jahr 2005 vollzogenen Übergang von der vorgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften zu einer nachgelagerten Besteuerung handelt es sich bei Altersvorsorgebeiträgen materiell nicht mehr um Sonderausgaben. Da die mit diesen Altersvorsorgebeiträgen finanzierten Leistungen als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1 EStG besteuert werden, sind Altersvorsorgebeiträge als vorweggenommene Werbungskosten anzusehen.[123] Demnach müsste die Zuordnung zum Nettoprinzip der Behandlung als Sonderausgaben vorgehen, da Sonderausgaben definitionsgemäß nur vorliegen, wenn es sich bei den Ausgaben weder um Betriebsausgaben noch um Werbungskosten handelt.[124]

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(c) Die Beiträge für eine Krankenversicherung sind ohne betragsmäßige Begrenzung abziehbar, soweit sie der Basissicherung dienen. Darüber hinausgehende Beiträge (zB zur Finanzierung einer Chefarztbehandlung, eines Einzelzimmers im Krankenhaus oder eines Krankengelds) sind nicht als Sonderausgaben abziehbar. Wenn sich aus den Krankenversicherungsbeiträgen ein Anspruch auf Krankengeld ergeben kann, ist der jeweilige Beitrag um 4% zu vermindern (§ 10 Abs. 1 Nr 3 Buchst. a EStG). Gleichfalls als Sonderausgaben abziehbar sind die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung (soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung, § 10 Abs. 1 Nr 3 Buchst. b EStG) sowie die Beiträge zur Krankenbasis- und Pflegeversicherung, die der Steuerpflichtige für seinen Ehegatten oder seinen Lebenspartner und für seine Kinder leistet.

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Der Abzug der Beiträge zur Krankenbasis- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben beruht auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.[125] Die persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips erfordert, dass die Einkünfte, die zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts benötigt werden, nicht mit Einkommensteuer belastet werden dürfen. Zum Existenzminimum gehören auch die Ausgaben, die für Kranken- und Pflegeversicherungen geleistet werden, soweit die Versicherungsleistungen auf dem sozialhilferechtlich gewährleisteten Leistungsniveau liegen. Das sachliche Existenzminimum wird durch den Grundfreibetrag von 9 408 € sichergestellt. Die Nichtbesteuerung der Einkünfte, die zur Vorsorge für Krankheit und Pflegebedürftigkeit eingesetzt werden müssen, wird durch den Abzug der Beiträge zur Krankenbasis- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben gewährleistet.

Um eine Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen zu erreichen, werden nicht nur die von Arbeitnehmern zu zahlenden gesetzlichen Pflichtbeiträge zum Abzug zugelassen, sondern auch Beiträge für private Versicherungen, soweit sie Leistungen vorsehen, die mit der gesetzlichen Pflichtversicherung vergleichbar sind. Die Leitidee von Sonderausgaben, dass (nur) das disponible Einkommen der Besteuerung unterliegen darf, wird also bei Beiträgen zu einer Krankenbasis- und Pflegeversicherung in idealtypischer Weise erkennbar.

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(d) Unter sonstigen Vorsorgeaufwendungen werden folgende Versicherungsbeiträge zusammengefasst (§ 10 Abs. 1 Nr 3a EStG): Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen, soweit diese zur Finanzierung von Leistungen dienen, die über die Basisversorgung hinausgehen, Beiträge zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, Beiträge zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter § 10 Abs. 1 Nr 2 EStG fallen, Beiträge zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie Beiträge zu Risikolebensversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen, und Beiträge zu ausgewählten weiteren Lebensversicherungen.

Für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr 3 und 3a EStG können pro Kalenderjahr insgesamt bis zu 2 800 € abgezogen werden (§ 10 Abs. 4 EStG). Die Abzugsbegrenzung wirkt allerdings nur für die sonstigen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr 3a EStG. Die Vorsorgeaufwendungen für eine Krankenbasis- und Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr 3 EStG) über 2 800 € dürfen nämlich immer in vollem Umfang abgezogen werden. Ein zusätzlicher Abzug der sonstigen Vorsorgeaufwendungen scheidet dann aber aus. Ergebnis ist, dass die sonstigen Vorsorgeaufwendungen nur in dem Umfang als Sonderausgaben abgezogen werden können, in dem der Höchstbetrag noch nicht durch Beiträge für die Krankenbasis- und Pflegeversicherung aufgebraucht ist.

Für Steuerpflichtige, die ohne eigene Aufwendungen krankenversichert sind, reduziert sich der Höchstbetrag auf 1 900 €. Bei einer Zusammenveranlagung werden die jeweiligen Höchstbeträge der Ehegatten addiert, sodass sich ein gemeinsamer Höchstbetrag von 3 800 €, 4 700 € oder 5 600 € ergibt.

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Die Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen ist in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst.

Abb. 2.11: Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen[126]


Art der Vorsorgeaufwendungen Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen
Altersvorsorge (§ 10 Abs. 1 Nr 2 EStG) – gesetzliche Rentenversicherung, berufsständische Versorgungseinrichtungen, landwirtschaftliche Alterskassen – private kapitalgedeckte Altersversorgung auf Rentenbasis („Rürup-Versicherung“) 1. Addition der geleisteten Beiträge (einschließlich Arbeitgeberanteil) 2. Ermittlung des (anteiligen) Höchstbetrags2020: 90% von 25 046 € (50 092 € für zusammenveranlagte Ehegatten) ab 2025: 100% des Höchstbetrags zur knappschaftlichen Rentenversicherung 3. Ermittlung des geringeren Betrags aus geleisteten Beiträgen (1.) und (anteiligem) Höchstbetrag (2.) um Arbeitgeberanteil 4. Kürzung des Betrags aus (3) um den Arbeitgeberanteil
Krankenbasis- und gesetzliche Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr 3 EStG) keine gesonderte Ermittlung notwendig, da unbegrenzter Abzug
sonstige Vorsorgeaufwendungen(§ 10 Abs. 1 Nr 3a EStG) – über Basisversorgung hinausgehende Kranken- und Pflegeversicherungen – Versicherung gegen Arbeitslosigkeit – Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter § 10 Abs. 1 Nr 2 EStG fallen – Unfall- und Haftpflichtversicherungen – Risikolebensversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen – ausgewählte weitere Lebensversicherungen 1. Ermittlung des Höchstbetrags für Vorsorgeaufwendungen iSd § 10 Abs. 1 Nr 3 und Nr 3a EStG: 2 800 € (Grundsatz) bzw 1 900 € (für Steuerpflichtige, die ohne eigene Aufwendungen krankenversichert sind); bei zusammenveranlagten Ehegatten werden die jeweiligen Höchstbeträge addiert 2. Ermittlung des Unterschiedsbetrags aus Höchstbetrag (1.) und Vorsorgeaufwendungen für Krankenbasis- und gesetzliche Pflegeversicherung 3. wenn Unterschiedsbetrag aus (2) positiv: Abzug des kleineren Betrags aus positivem Unterschiedsbetrag (2.) und sonstigen Vorsorgeaufwendungenwenn Unterschiedsbetrag aus (2) negativ: kein Abzug der sonstigen Vorsorgeaufwendungen

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