Besteuerung von Unternehmen I

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4. Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten

a) Einkunftsermittlung

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Bei Überschusseinkunftsarten errechnet sich die Höhe der Einkünfte grundsätzlich aus der Summe der Einnahmen abzüglich der Summe der Werbungskosten (§ 8 – § 9a EStG).

Der bei Überschusseinkunftsarten geltende Einkommensbegriff orientiert sich methodisch an der Quellentheorie. Steuerbar sollen nur Nutzungs- oder Tätigkeitsvergütungen sein. Veränderungen des Werts der eingesetzten Wirtschaftsgüter bleiben nach der bei Überschusseinkunftsarten geltenden Konzeption grundsätzlich ausgeklammert. Aufgrund der Einführung einer generellen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG (private Kapitalanlagen) sowie der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Sonderregelungen in § 17 EStG (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei einer Beteiligung von mindestens 1%, wenn die Anteile dem Privatvermögen einer natürlichen Person zugerechnet werden) und § 23 EStG (private Veräußerungsgeschäfte) hat die Unterscheidung zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten aber materiell an Bedeutung verloren: Bei Gewinneinkunftsarten werden Veräußerungsgewinne aufgrund des in § 2 Abs. 2 EStG enthaltenen Einkommensbegriffs generell besteuert. Bei Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart eingesetzt oder die ohne Einkunftserzielungsabsicht genutzt werden, sind Veräußerungsgewinne aufgrund der in § 20 Abs. 2, § 17 und § 23 EStG enthaltenen Regelungen steuerbar. Die in § 2 Abs. 2 EStG vorgenommene Zweiteilung der Einkunftsarten wirkt sich in der praktischen Anwendung häufig nicht aus.

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Für die Feststellung der Einkünfte ist kein besonderes Verfahren vorgeschrieben. Es ist weder eine Buchführung noch ein Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) erforderlich. Eine Gegenüberstellung von Einnahmen und Werbungskosten ist ausreichend.

b) Einnahmen

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Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Überschusseinkunftsarten zufließen (§ 8 Abs. 1 S. 1 EStG).

Die Bewertung von Sachleistungen (Wohnung, Kost, Waren, sonstige Sachbezüge) orientiert sich am gemeinen Wert. Dieser Bewertungsmaßstab wird durch den – um übliche Preisnachlässe geminderten – am Abgabeort üblichen Endpreis oder durch den in der Sozialversicherungsentgeltverordnung festgesetzten Betrag konkretisiert (§ 8 Abs. 2 S. 1 EStG).[98]

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Einnahmen sind zu dem Zeitpunkt zu erfassen, zu dem sie dem Steuerpflichtigen zufließen (Zuflussprinzip, § 11 Abs. 1 EStG). Zufluss liegt vor, wenn der Steuerpflichtige wirtschaftlich die Verfügungsmacht über Geld oder über ein in Geldeswert bestehendes Wirtschaftsgut erlangt, wie beispielsweise Entgegennahme einer Zahlung, Gutschrift einer Überweisung auf dem Bankkonto, Entgegennahme eines Schecks oder Aufrechnung von gegenseitigen Forderungen.

Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als im Kalenderjahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit bezogen. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen.

Eine Besonderheit gilt für Ausgaben für Nutzungsüberlassungen von mehr als fünf Jahren, die im Voraus geleistet werden. Der Werbungskostenabzug ist entgegen dem Abflussprinzip gleichmäßig auf den Zeitraum zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. Der Empfänger kann die Einnahmen im Zuflusszeitpunkt versteuern oder gleichmäßig auf den Vorauszahlungszeitraum verteilen (§ 11 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 EStG). Wird dieses Wahlrecht ausgeübt, wird insoweit eine Übereinstimmung mit den Gewinnermittlungsmethoden hergestellt (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr 1 EStG).

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Die für Überschusseinkunftsarten wichtigsten steuerfreien Einnahmen finden sich in dem umfangreichen Katalog des § 3 EStG (zB Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Arbeitslosenhilfe, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Elterngeld), in § 3b EStG (Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit: Begrenzung auf einen bestimmten Prozentsatz vom Grundlohn, wobei als Grundlohn maximal 50 €/Stunde angesetzt werden darf), in § 8 Abs. 2 S. 11, 12 EStG, in § 8 Abs. 3 EStG sowie in H 3.0–H 3.65 EStH und in R 3.2–R 3.65, R 3b, R 8.2 LStR.

c) Werbungskosten

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Nach der gesetzlichen Definition sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG). Der Wortlaut deutet auf eine finale Begriffsbestimmung hin. Es besteht aber überwiegend die Meinung, dass Werbungskosten in gleicher Weise wie Betriebsausgaben nach dem Veranlassungsprinzip, also kausal, abzugrenzen sind.[99] In der praktischen Anwendung gelten als Werbungskosten:


Ausgaben und sonstige Vermögensminderungen,
die durch ein Verhalten veranlasst sind, das mit der Erzielung von Einnahmen im Zusammenhang steht,
sofern diese Einnahmen einer der Überschusseinkunftsarten zuzurechnen sind.

Eine Veranlassung durch eine der Überschusseinkunftsarten liegt vor, wenn die Ausgabe objektiv im Zusammenhang mit einer der vier Überschusseinkunftsarten steht und subjektiv zu deren Förderung getätigt wurde.

Durch Anlehnung an das Veranlassungsprinzip stellen auch


Ausgaben, die sich als erfolglos erweisen,
Ausgaben bei gesicherten Einnahmen,
vorweggenommene Ausgaben und
Ausgaben nach Beendigung der wirtschaftlichen Betätigung

Werbungskosten dar. Bei wörtlicher Interpretation der gesetzlichen (finalen) Werbungskostendefinition dürften diese Ausgaben die Einkünfte nicht mindern.

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Eine Besonderheit gilt für Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei denen als Werbungskosten ein Betrag von 801 € (Ledige) bzw 1 602 € (zusammenveranlagte Ehegatten) abgezogen werden kann. Der Abzug des Sparer-Pauschbetrags ersetzt den Abzug der tatsächlich angefallenen Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 S. 2 iVm § 20 Abs. 9 EStG). Dies gilt auch in dem Fall, in dem der Steuerpflichtige das Wahlrecht ausübt, die Einkünfte aus Kapitalvermögen in die Veranlagung einzubeziehen (Günstigerprüfung, § 32d Abs. 6 EStG). Bei Einkünften aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, wird also eine Bruttobesteuerung vorgenommen. Durch die damit verbundene Einschränkung des Nettoprinzips wird eines der bedeutsamsten Prinzipien der Einkommensbesteuerung verletzt.[100]

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Der Abzug von Werbungskosten ist nur bei den anderen Überschusseinkunftsarten möglich, dh bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie bei den sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG. § 9 Abs. 1 S. 3 EStG führt beispielhaft Ausgaben auf, die ohne weitere Prüfung als Werbungskosten abziehbar sind (Katalogwerbungskosten). Diese Vorschrift hat überwiegend deklaratorischen Charakter, da sich die meisten der genannten Ausgaben unter den allgemeinen Werbungskostenbegriff subsumieren lassen. Die Auflistung in § 9 EStG ist nicht erschöpfend. Darüber hinaus können sämtliche Ausgaben abgezogen werden, die den allgemeinen Werbungskostenbegriff erfüllen.

 

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Die Katalogwerbungskosten umfassen folgende Ausgaben (§ 9 Abs. 1 S. 3 EStG):


Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Überschusseinkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Hierzu gehören beispielsweise Schuldzinsen für ein vermietetes Haus, aber nicht Schuldzinsen für ein Haus, das lediglich mit der Absicht der Weiterveräußerung erworben wird.
Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge, soweit sie auf Gebäude oder auf Gegenstände entfallen, die dem Steuerpflichtigen zur Einnahmenerzielung dienen.
Beiträge an Berufsstände und sonstige Berufsverbände, zB Gewerkschaften und Kammern.
Aufwendungen für beruflich veranlasste Fahrten oder Mehraufwendungen für beruflich veranlasste Übernachtungen sowie Mehraufwendungen für Berufskraftfahrer.
Mehraufwendungen für eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung und Fahrtkosten für wöchentliche Familienheimfahrten. Zur Abgeltung der Aufwendungen für Familienheimfahrten kann für jeden vollen Entfernungskilometer (einfache Wegstrecke) zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und der ersten Tätigkeitsstätte eine Entfernungspauschale von 0,30 € verrechnet werden. In den Jahren 2021 bis 2023 erhöht sich die Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer auf 0,35 €/Entfernungskilometer und von 2024 bis 2026 auf 0,38 €/Entfernungskilometer.
Aufwendungen für Arbeitsmittel, wie Werkzeuge, typische Berufskleidung, Fachbücher oder beruflich genutzte Personalcomputer.
Abschreibungen einschließlich Sonderabschreibungen nach § 7b EStG und erhöhte Absetzungen (Durchbrechung des Abflussprinzips). Bei Wirtschaftsgütern mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von bis zu 800 € (ohne Umsatzsteuer) sind diese im Jahr des Zugangs in vollem Umfang als Werbungskosten zu verrechnen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr 7 iVm § 6 Abs. 2 EStG).

Der Werbungskostencharakter von Abschreibungen beruht auf ihrer Einkunftsermittlungsfunktion: Der Wertverlust der eingesetzten Wirtschaftsgüter (zB Gebäude) ist den vereinnahmten Nutzungsvergütungen zurechenbar (Nettoprinzip). Insoweit ist die Nennung lediglich deklaratorisch. Würde die Vermögensermittlungsfunktion der Abschreibungen stärker betont, wären Abschreibungen als Wertänderungen des Vermögens bei Überschusseinkunftsarten steuerlich nicht relevant. Die Zuordnung zu den Katalogwerbungskosten hätte rechtsbegründende Wirkung.

Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang mit Dienstreisen können innerhalb der in § 9 Abs. 4a EStG formulierten Grenzen als Werbungskosten abgezogen werden.

Für Geschenke, Bewirtungskosten, Ausgaben für Gästehäuser, Jagd oder Fischerei, Segel- oder Motorjachten und ähnliche Zwecke, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, Ausgaben, die die private Lebensführung berühren und die nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind, Geldbußen, Ordnungsgelder, Verwarnungsgelder, Zinsen auf hinterzogene Steuern, Bestechungs- und Schmiergelder, Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke sowie für Zuschläge bei Verletzung der im Zusammenhang mit Auslandssachverhalten bestehenden Aufzeichnungspflichten gelten die gleichen Abzugsverbote und Beschränkungen wie bei den Gewinneinkunftsarten (§ 9 Abs. 5 iVm § 4 Abs. 5, 6 EStG).

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet (§ 9 Abs. 6 EStG). Die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, werden grundsätzlich der privaten Sphäre zugeordnet, sodass diese Aufwendungen keine Erwerbsaufwendungen sind. Diese Aufwendungen können allerdings bis zu einem Betrag von 6 000 € als Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Nr 7 EStG).

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Die Regelungen zur (eingeschränkten) Abziehbarkeit von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie von Ausgaben für die beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung gelten nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch bei den anderen Überschusseinkunftsarten (§ 9 Abs. 3 EStG).

219

Die teilweise pauschalierende Begrenzung der Abziehbarkeit der Katalogwerbungskosten dient der Abgrenzung zwischen Ausgaben, die durch Einnahmen veranlasst sind (Abzug aufgrund des Nettoprinzips) und den Kosten der privaten Lebensführung (Nichtberücksichtigung der Verwendung des Einkommens für Konsumzwecke).

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Aus Vereinfachungsgründen gelten bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und bei bestimmten sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG für den Abzug von Werbungskosten Pauschbeträge. Diese Pauschbeträge werden angesetzt, wenn der Steuerpflichtige keine höheren Werbungskosten nachweist (§ 9a EStG). Von besonderer Bedeutung sind die Pauschalierung von Fahrtkosten für Dienstreisen bei der Benutzung eines eigenen PKW in Höhe von 0,30 €/km (R 9.5 LStR) sowie die Pauschalierung von bei Dienstreisen entstehenden Verpflegungsmehraufwendungen auf grundsätzlich 28 €/Abwesenheitstag (§ 9 Abs. 4a EStG).

221

Abgeordnete erhalten zur Abgeltung der durch das Mandat verursachten Aufwendungen eine steuerfreie Kostenpauschale (§ 12 Abs. 2 AbgG). Die Pauschale wird jeweils zu Beginn des Jahres an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst. Für Bundestagsabgeordnete beträgt die Kostenpauschale im Jahr 2020 53 971 €. Diese Kostenpauschale liegt damit deutlich über den üblicherweise gewährten Werbungskostenpauschalen.[103]

222

Werbungskosten sind grundsätzlich zu dem Zeitpunkt abziehbar, zu dem die Zahlung geleistet wird (Abflussprinzip, § 11 Abs. 2 EStG). Der Zeitpunkt, zu dem der Abfluss erfolgt, wird beispielsweise wie folgt festgelegt: Leistung einer Zahlung, Einreichung eines Überweisungsauftrags bei der Bank, Hingabe eines Schecks oder Verrechnung von gegenseitigen Forderungen. Eine Ausnahme gilt bei Ausgaben für langlebige Wirtschaftsgüter, die zeitanteilig in Form von Abschreibungen verrechnet werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr 7 EStG).

Regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die beim Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, gelten als im Kalenderjahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit angefallen. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen (§ 11 Abs. 2 S. 2 iVm Abs. 1 S. 2 EStG). Eine Besonderheit gilt für Ausgaben für Nutzungsüberlassungen von mehr als fünf Jahren, die im Voraus geleistet werden. Der Werbungskostenabzug ist entgegen dem Abflussprinzip gleichmäßig auf den Zeitraum zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 2 S. 3, 4 EStG).

Zweiter Teil Die Besteuerung des Erfolgs eines Unternehmens › Zweiter Abschnitt Einkommensteuer › D. Bemessungsgrundlage (zu versteuerndes Einkommen)

 
D. Bemessungsgrundlage (zu versteuerndes Einkommen)
I. Konzeptionelle Überlegungen

1. Ausgangspunkt: persönliche Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips

223

Die Einkommensteuer erfasst die Einkommenserzielung. Der Umfang und die Art der Einkommensverwendung (Konsumausgaben, Investitionen oder Sparen) sollen sich nicht auf die Höhe der Einkommensteuer auswirken. Die Verwendung des erwirtschafteten Einkommens gilt aus einkommensteuerlicher Sicht als nicht steuerbarer Vorgang. Ausgaben, die der Einkommensverwendung zugerechnet werden, dürfen deshalb die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht mindern. Der auf der sachlichen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips beruhende Grundsatz der Nichtberücksichtigung der (konsumtiven) Einkommensverwendung wird insbesondere aus § 12 EStG erkennbar. Nach dieser Vorschrift dürfen bei Ermittlung der Summe der Einkünfte folgende Ausgaben nicht abgezogen werden:


Ausgaben für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen (Kosten der privaten Lebensführung)
Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person (Unterhaltsleistungen)
Personensteuern (Einkommen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Solidaritätszuschlag) und die Umsatzsteuer auf privat veranlasste Wertabgaben
Geldstrafen und vergleichbare Belastungen.

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Der Grundsatz der Nichtbeachtung der (konsumtiven) Einkommensverwendung wird allerdings durch die persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips eingeschränkt. Das Abstellen auf die persönliche Komponente beruht auf steuerrechtlichen Überlegungen. Nach diesem Konzept sollen die Einkünfte besteuert werden, über die der Steuerpflichtige frei verfügen kann: das disponible Einkommen. Soweit die Einkünfte beispielsweise benötigt werden, um das eigene Existenzminimum zu sichern oder Unterhaltsleistungen gegenüber dem Ehegatten und den Kindern zu erbringen oder um Vorsorge für Notlagen und sonstige besondere Lebenslagen (zB Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit) zu treffen, sollen die am Markt erwirtschafteten Einkünfte nicht durch Einkommensteuerzahlungen geschmälert werden.

Das auf einem steuerjuristischen Ansatz beruhende Abstellen auf das disponible Einkommen ist umstritten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer mit dem am Markt erzielten Einkommen übereinstimmen sollte.[104] Als Begründung für den Vorzug der Besteuerung des Markteinkommens (ausschließliche Berücksichtigung der sachlichen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips) gegenüber der Besteuerung des disponiblen Einkommens (zusätzlich Einbezug der persönlichen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips) wird angeführt, dass die beiden Fragen „Soll das Ziel einer Umverteilung über einen progressiven Einkommensteuertarif verfolgt werden?“ und „Welche persönlichen Ausgaben sollen einkommensteuerlich berücksichtigt werden?“ voneinander zu trennen sind. Es dürfe nicht dazu kommen, dass bei der Berücksichtigung von persönlichen Ausgaben, wie Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern (zweite Frage), die durch den progressiven Tarif gewünschte Umverteilung (erste Frage) wieder rückgängig gemacht wird. Dieser Effekt trete aber ein, wenn auf die Besteuerung des disponiblen Einkommens und nicht auf die Besteuerung des Markteinkommens abgestellt wird.[105] Aus methodischer Sicht lässt sich dieser Meinungsstreit nicht lösen. Vielmehr hängt die Festlegung der Leitlinie, die der Einkommensteuer zugrunde liegen soll, von einer Wertentscheidung ab. Im Folgenden wird von der geltenden Rechtslage und der damit verbundenen steuerrechtlichen Sichtweise ausgegangen.

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Die persönliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips wird erst beachtet, wenn aus der Summe der Einkünfte die Bemessungsgrundlage „zu versteuerndes Einkommen“ abgeleitet wird. Wie bei der Abgrenzung des Einkommensbegriffs (§ 2 Abs. 1, 2 EStG) fehlt eine allgemeine Definition der berücksichtigungsfähigen Ausgaben. Es finden sich lediglich an verschiedenen Stellen des Einkommensteuergesetzes Vorschriften, in denen angegeben wird, welche privat veranlassten Ausgaben die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.

Von den zahlreichen Positionen, mit denen die Summe der Einkünfte in die Bemessungsgrundlage „zu versteuerndes Einkommen“ überführt wird, werden im Folgenden die wichtigsten angesprochen:


Sonderausgaben (§ 10 – § 10c EStG)
außergewöhnliche Belastungen (§ 33 – § 33b EStG)
Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale sowie für schutzwürdige Kulturgüter (Abzug „wie“ Sonderausgaben, § 10f, § 10g EStG).

Auf den Kinderfreibetrag und den Freibetrag für die Betreuung, Erziehung und Ausbildung des Kindes wird im Zusammenhang mit dem Familienleistungsausgleich eingegangen.[106]