Besteuerung von Unternehmen I

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c) Besonderheit bei den sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG

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Für Unterhaltsleistungen, Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen sowie aus einer betrieblichen Altersvorsorge in Form einer Direktversicherung, eines Pensionsfonds oder einer Pensionskasse gilt ein Werbungskosten-Pauschbetrag von insgesamt 102 € (§ 9a S. 1 Nr 3 EStG). Die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Werbungskosten-Pauschbetrags sind für jeden Ehegatten getrennt zu prüfen.

9. Kriterien zur Abgrenzung zwischen den sieben Einkunftsarten

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Die Voraussetzungen für das Vorliegen der sieben Einkunftsarten überschneiden sich zum Teil. Dennoch sind die Einnahmen einer bestimmten Einkunftsart zuzurechnen. Aus steuerrechtlicher Sicht lassen sich die wichtigsten Unterscheidungskriterien wie folgt zusammenfassen:


Den Gewinneinkunftsarten (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb) ist gemeinsam, dass die Merkmale Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt sind und dass der Umfang einer Vermögensverwaltung überschritten wird. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bzw die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gehen als spezielle Einkunftsart den Einkünften aus Gewerbebetrieb vor. Die Abgrenzung zwischen den drei Gewinneinkunftsarten erfolgt dadurch, dass land- und forstwirtschaftliche Betätigungen bzw freiberufliche und die weiteren selbständigen Tätigkeiten iSd § 18 EStG den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft bzw den Einkünften aus selbständiger Arbeit zugerechnet werden. Nur wenn keine dieser speziellen Aktivitäten vorliegt, führt die Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Das entscheidende Unterscheidungsmerkmal der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von den drei Gewinneinkunftsarten ist die fehlende Selbständigkeit, dh die Arbeitnehmereigenschaft des Steuerpflichtigen.
Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung haben mit den Gewinneinkunftsarten die vier Positivmerkmale (Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Einkunftserzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) gemeinsam. Die Abgrenzung entscheidet sich danach, ob der Rahmen einer Vermögensverwaltung überschritten wird. Wenn die Tätigkeit als Vermögensverwaltung beurteilt wird, liegen Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw aus Vermietung und Verpachtung vor. Tätigkeiten, die den Rahmen einer Vermögensverwaltung überschreiten, werden den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder einer der beiden anderen Gewinneinkunftsarten zugeordnet. Bei privaten Veräußerungsgeschäften und der Veräußerung von Kapitalanlagen ergibt sich das Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Gewinneinkunftsarten gleichfalls dadurch, dass diese Veräußerungsvorgänge im Rahmen einer Vermögensverwaltung anfallen.
In Abhängigkeit davon, ob Geld oder nicht in Geld bestehende Vermögenswerte zur Nutzung überlassen werden, wird zwischen den Einkünften aus Kapitalvermögen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung differenziert.
Bei den sonstigen Einkünften iSd § 22 Nr 3 EStG fehlt es an der Nachhaltigkeit der Tätigkeit sowie an der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Der Rahmen einer Vermögensverwaltung wird gleichfalls nicht überschritten.

10. Nicht steuerbare Einkünfte

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Nicht jede Einnahme stellt einen einkommensteuerbaren Vorgang dar. Der Einkommensteuer unterliegen nicht:

Einkünfte, die unter keine der sieben Einkunftsarten fallen. Die pragmatische Definition des Einkommensbegriffs bedeutet, dass eine Vermögensmehrung nur dann steuerbar ist, wenn die Einordnung in eine der sieben Einkunftsarten gelingt. Ist dies nicht möglich, handelt es sich um einen Vorgang, der einkommensteuerlich nicht steuerbar ist. Hierzu gehören zB Lotteriegewinne, Gewinne aus privaten Spielen und Wetten, Gewinne aus der Teilnahme an einem Preisausschreiben, Erbschaften, Geschenke, Finderlohn, Belohnungen für Hinweise zur Ergreifung eines Straftäters, mit Preisen verbundene Auszeichnungen, die nicht an eine bestimmte Leistung gebunden sind (zB Kunstpreise, Nobelpreis, Auszeichnung einer Bachelor- oder Masterarbeit, Förderpreis der Nürnberger Steuergespräche). Nicht steuerbar ist auch die Haushaltsproduktion, dh produktive Tätigkeiten, für die kein Entgelt bezahlt wird, wie zB Kochen, Waschen und Heimwerken, soweit sie vom Steuerpflichtigen selbst ausgeübt werden.

Einkünfte bei fehlender Einkunftserzielungsabsicht (Liebhaberei). Wenn eine Tätigkeit prinzipiell einer der sieben Einkunftsarten zurechenbar ist, bleibt sie dennoch steuerlich irrelevant, wenn keine Einkunftserzielungsabsicht besteht. Bei jeder Einkunftsart ist Voraussetzung für die Steuerbarkeit, dass der Steuerpflichtige zumindest langfristig einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben anstrebt. Kommt es in einer Gesamtbetrachtung zu keiner Vermögensmehrung, fallen sowohl die positiven als auch die negativen Komponenten nicht unter das Einkommensteuergesetz.

Einkünfte, die einem anderen zugerechnet werden (§ 12 Nr 2 iVm § 22 Nr 1 S. 2 EStG). Die Einkommensteuer trennt generell zwischen der Erzielung von Einkünften und deren Verwendung. Freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflichten sind im zu versteuernden Einkommen des Leistenden enthalten. Diese Zuwendungen dürfen von ihm nicht abgezogen werden; dem Empfänger werden keine steuerbaren Einnahmen zugerechnet.

Dieser Grundsatz wird bei Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten durchbrochen (Realsplitting, § 10 Abs. 1a iVm § 22 Nr 1a EStG). Diese Unterhaltsleistungen werden innerhalb bestimmter Grenzen vom Leistenden als Sonderausgaben abgezogen und sind vom Empfänger als sonstige Einkünfte iSd § 22 Nr 1a EStG zu versteuern.[70]

Von den nicht steuerbaren Einnahmen zu trennen sind steuerfreie Einnahmen. Nicht steuerbare Einnahmen werden vom Einkommensteuergesetz überhaupt nicht erfasst. Steuerfreie Einnahmen gehören dagegen grundsätzlich zu einer der sieben Einkunftsarten, sie bleiben lediglich aufgrund einer speziellen Befreiungsvorschrift (zB § 3, § 3b EStG) bei Ermittlung der Einkünfte außer Ansatz.

11. Bedeutung des § 24 EStG

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Nach § 24 EStG gehören zu den Einkünften nach dem Einkommensteuergesetz auch:


Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen, Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit und Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter.
Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit oder einem früheren Rechtsverhältnis. Dies gilt auch dann, wenn die Einnahmen dem Rechtsnachfolger zufließen. Beispiele: nachträgliche Betriebseinnahmen aus einem Gewerbebetrieb, Beamtenpension, Witwenrente aus einer Versorgungszusage des ehemaligen Arbeitgebers des verstorbenen Ehemanns.
Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke einschließlich darauf entfallender Zinsen.

Wie die Stellung in der Gliederung des Einkommensteuergesetzes zeigt, gilt diese Vorschrift für alle Einkunftsarten. Die genannten Tatbestände begründen keine eigenständige Einkunftsart. Die Zurechnung zu einer der sieben Einkunftsarten richtet sich nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien. Die Steuerpflicht der Vergütungen orientiert sich an den für die betreffende Einkunftsart geltenden Einkunftsermittlungsgrundsätzen.

 

Für die Festlegung des Besteuerungsumfangs hat die explizite Nennung zwar lediglich klarstellende Funktion. Für die Höhe des Steuersatzes ist sie jedoch in Teilbereichen materiell von Bedeutung. Für Nutzungsvergütungen und Zinsen (§ 24 Nr 3 EStG), die für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden, sowie für Entschädigungen (§ 24 Nr 1 EStG) wird in der Weise ein ermäßigter Steuersatz errechnet, dass diese Einkünfte rechnerisch auf fünf Jahre verteilt werden (ermäßigter Steuersatz nach einem Multiplikator-Mischtarif, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr 2, 3 EStG).[71]

12. Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebeneinkunftsarten

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Zu den Haupteinkunftsarten gehören Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nebeneinkunftsarten sind Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte iSd § 22 EStG.

Die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebeneinkunftsarten ist für die Abgrenzung der Einkunftsarten untereinander bedeutsam. Einkünfte werden immer einer Haupteinkunftsart zugerechnet, sofern sie deren Kriterien erfüllen. Die Erfassung im Rahmen einer Nebeneinkunftsart erfolgt nur dann, wenn keine Zuordnung zu einer der Haupteinkunftsarten möglich ist (Subsidiarität der Nebeneinkunftsarten).

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Bei den Haupteinkunftsarten gibt es keine Subsidiaritätsklausel. Die Abgrenzung zwischen ihnen erfolgt über die Definition der Einkunftsarten. So werden bei der Festlegung des Begriffs der Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Land- und Forstwirtschaft und die selbständige Arbeit ausdrücklich ausgenommen (§ 15 Abs. 2 EStG). Hinsichtlich des Merkmals der Selbständigkeit unterscheiden sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

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Einkünfte aus einer Nebeneinkunftsart werden aufgrund von Subsidiaritätsklauseln in folgenden Fällen einer anderen Einkunftsart zugewiesen:


Soweit Einkünfte aus Kapitalvermögen zu einer Haupteinkunftsart oder zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören, sind sie dort zu erfassen (§ 20 Abs. 8 EStG).
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind gegenüber den anderen Einkunftsarten nachrangig (§ 21 Abs. 3 EStG). Die Regelungen in § 20 Abs. 8, § 22 Nr 1 und § 22 Nr 3 EStG gehen aber vor.
Wiederkehrende Bezüge sind vorrangig einer der sechs anderen Einkunftsarten zuzurechnen (§ 22 Nr 1 EStG).
Einkünfte aus sonstigen Leistungen werden nur dann unter § 22 Nr 3 EStG erfasst, wenn sie weder zu einer der anderen sechs Einkunftsarten gehören noch unter eine der anderen Nummern des § 22 EStG fallen.
Ein privates Veräußerungsgeschäft liegt nicht vor, wenn ein Wirtschaftsgut veräußert wird, dessen Wert bei einer der anderen sechs Einkunftsarten anzusetzen ist (§ 23 Abs. 2 EStG). Beispiele: Ein Gewerbetreibender hält in seinem Betriebsvermögen Aktien. Die Dividenden sind nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Ein Gewerbetreibender vermietet ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens. Die Mieteinnahmen werden den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechnet, nicht den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.Altersrenten aus einer Versorgungszusage des Arbeitgebers („Betriebsrente“) sind zwar Leibrenten iSd § 22 Nr 1 EStG, sie sind aber vom Empfänger als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern.

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Die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebeneinkunftsarten und deren Abgrenzung untereinander führt zu einem Auseinanderfallen von steuerrechtlicher Einordnung einer Tätigkeit in eine der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes und Zuordnung zu einer der wirtschaftlichen Einkommenskategorien.[72] Betriebswirtschaftlich differenziert man die Einkünfte


danach, ob sie fest vereinbart werden (Kontrakteinkommen) oder ob sie gewinnabhängig sind (Residualeinkommen), dh wen die Chancen und Risiken aus dem Erfolg oder Misserfolg einer ökonomischen Transaktion treffen, und
danach, ob die Einkünfte durch den Einsatz von Geld- und Sachkapital oder durch den Einsatz der Arbeitskraft erzielt werden.

Die Abb. 2.7 verdeutlicht die wichtigsten Unterschiede zwischen steuerrechtlicher Einordnung und betriebswirtschaftlicher Beurteilung.

Abb. 2.7: Unterschiede bei der Zuordnung von Einkünften nach betriebswirtschaftlichen oder rechtlichen Kriterien


steuerrechtliche Einordnung Residualeinkommen Kontrakteinkommen
Einsatz von Geld- und Sachkapital Einsatz von Arbeitskraft Einsatz von Geld- und Sachkapital Einsatz von Arbeitskraft
Gewinneinkünfte gewerbliche Investitionen Aktien im Betriebsvermögen Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften freiberufliche Tätigkeit Arbeitseinsatz eines Gewerbetreibenden Anleihen im Betriebsvermögen Vermietung von Betriebsgrundstücken
Überschusseinkünfte Aktien im Privatvermögen private Veräußerungsgeschäfte Arbeitnehmer mit erfolgsabhängiger Entlohnung sonstige Leistungen iSd § 22 Nr 3 EStG Anleihen im Privatvermögen Vermietung von privatem Grundvermögen gelegentliche Vermietungen Arbeitnehmer mit fest vereinbartem Gehalt

III. Einkunftsermittlungsmethoden

1. Gemeinsame Prinzipien

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Die Summe der Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten bildet die Ausgangsgröße zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage „zu versteuerndes Einkommen“ (§ 2 Abs. 1, 5 EStG). Die Höhe der Einkommensteuer hängt entscheidend von der Art und Weise der Berechnung der Einkünfte ab.

Für die Berechnung der Höhe der Einkünfte gelten zwar für die verschiedenen Einkunftsarten unterschiedliche Einkunftsermittlungsmethoden. Aus dem Fiskalzweck der Einkommensteuer leiten sich jedoch drei gemeinsame Merkmale ab:


Trennung von Einkommenserzielung und konsumtiver Einkommensverwendung (Nichtabziehbarkeit der Kosten der privaten Lebensführung)
Nettoprinzip
Prinzip der Abschnittsbesteuerung.

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Die Einkommensteuer stellt auf die Einkunftserzielung ab. Der Ermittlung der Summe der Einkünfte liegt eine sachliche Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips zugrunde, dh es wird auf den am Markt erzielten Vermögenszuwachs abgestellt. Persönliche Verhältnisse und persönliche Ausgaben bleiben bei der Berechnung der steuerlich relevanten Vermögensmehrungen ausgeklammert. Die Kosten der privaten Lebensführung mindern die Summe der Einkünfte nicht. Persönliche Merkmale – und damit die persönliche Komponente der Leistungsfähigkeit – werden erst berücksichtigt, wenn aus den steuerpflichtigen Einkünften die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage „zu versteuerndes Einkommen“ abgeleitet wird.

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Aufgrund des Prinzips der Nettobesteuerung werden die Veränderungen des Reinvermögens besteuert, nicht die Veränderungen des Rohvermögens. Von den steuerpflichtigen Einnahmen sind die Ausgaben abzuziehen, die mit den Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Ausgaben müssen in kausalem Zusammenhang zum Betrieb (Gewinneinkunftsarten) bzw zur Tätigkeit der Einkommenserzielung (Überschusseinkunftsarten) stehen, dh sie müssen durch eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit veranlasst sein. Bei Gewinneinkunftsarten wird die Differenz zwischen den Betriebseinnahmen und den Betriebsausgaben besteuert, bei Überschusseinkunftsarten der Saldo zwischen den Einnahmen und den Werbungskosten. Das Nettoprinzip hat weiterhin zur Folge, dass negative Ergebnisse einer Tätigkeit mit positiven Einkünften aus einer anderen wirtschaftlichen Aktivität verrechenbar sein müssen. Der Verlustausgleich erlaubt eine Kompensation im gleichen Jahr (§ 2 Abs. 1, 3 EStG). Bei Verlusten, die innerhalb eines Veranlagungszeitraums nicht ausgeglichen werden können, erfolgt ein interperiodischer Verlustausgleich. Dieser wird als Verlustabzug bezeichnet (§ 10d EStG). Im geltenden Recht werden jedoch der Verlustausgleich und der Verlustabzug durch zahlreiche Einzelregelungen eingeschränkt. Soweit diese Beschränkungen wirksam werden, kommt es zu einem Verstoß gegen das Nettoprinzip.

Abb. 2.8:

Nettoprinzip

 

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Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung besagt, dass die Höhe der Einkünfte grundsätzlich nur von den Vorgängen beeinflusst wird, die innerhalb des in der Regel zwölfmonatigen Einkunftsermittlungszeitraums eintreten. Vorgänge, die davor oder die danach liegen, bleiben bei den Einkünften des laufenden Jahres unberücksichtigt (§ 2 Abs. 7 EStG). Aufgrund der für jeden Veranlagungszeitraum getrennt durchgeführten Ermittlung der Einkünfte ist es nicht ausgeschlossen, dass ein wirtschaftlicher Sachverhalt in den einzelnen Perioden steuerlich unterschiedlich beurteilt wird.[73] Der Verlustabzug führt dazu, dass das Nettoprinzip dem Abschnittsprinzip vorgeht.

2. Einteilung der Einkunftsarten nach der Art ihrer Ermittlung

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Ein wichtiges Kennzeichen der Einkommensteuer ist das Nebeneinander von zwei Einkommensbegriffen. Dieses duale System beeinflusst entscheidend die Art der Einkunftsermittlung. Zu differenzieren ist zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten. Zu den Gewinneinkunftsarten gehören die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und die sonstigen Einkünfte iSd § 22 EStG gelten als Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 EStG).

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Bei Gewinneinkunftsarten wird die sachliche Steuerpflicht in Anlehnung an die Reinvermögensänderungstheorie abgegrenzt, sodass jede Vermögensänderung steuerliche Relevanz besitzt. Periodisch erzielte Einkünfte werden genauso besteuert wie Veräußerungsgewinne. Bei den Aufwendungen wird gleichfalls nicht danach differenziert, ob sie mit laufenden Einkünften im Zusammenhang stehen oder ob sie Wertverluste von Wirtschaftsgütern betreffen. Bei den Gewinneinkunftsarten gilt – wie es in der Bezeichnung zum Ausdruck kommt – der Gewinn als Einkünfte. Die Gewinnermittlungsmethoden gliedern sich in:[74]


Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG
Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG
Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG)
pauschalierte Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr (§ 5a EStG)
Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG)
Schätzung nach § 162 Abs. 1, 2 AO.

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Leitlinie für die Überschusseinkunftsarten bildet die Quellentheorie, nach der lediglich die laufenden Einkünfte unter den Einkommensbegriff fallen. Nach diesem Ansatz werden einkommensteuerlich nur Tätigkeits- und Nutzungsvergütungen erfasst. Änderungen des Werts des Vermögens bleiben grundsätzlich als nicht steuerbare Tatbestände unberücksichtigt. Diese Aussage gilt unabhängig davon, ob es sich um Wertsteigerungen oder Wertverluste handelt. Bei den Überschusseinkunftsarten gibt es nur eine Einkunftsermittlungsart: Zu berechnen ist der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 8 – § 9a EStG).

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Gewinn- und Überschusseinkunftsarten stimmen hinsichtlich der periodisch auftretenden Vorgänge überein. Sie sind nach beiden Konzepten steuerbar. Abweichungen ergeben sich bei der Behandlung von Änderungen des Werts des eingesetzten Vermögens. Bei Gewinneinkunftsarten erhöhen Veräußerungsgewinne die Einkünfte, Wertverluste mindern sie. Demgegenüber ist bei den Überschusseinkunftsarten die Entwicklung des Werts des eingesetzten Vermögens grundsätzlich steuerlich unbeachtlich. Allerdings ist der bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die außerhalb einer Gewinneinkunftsart eingesetzt werden, erzielte Gewinn in vielen Fällen steuerpflichtig. Damit wird der konzeptionelle Unterschied zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten aufgehoben:[75]


Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch Veräußerungsgewinne (§ 20 Abs. 2 EStG).
Ist eine natürliche Person an einer Kapitalgesellschaft zu mindestens 1% beteiligt, sind Veräußerungsgewinne auch dann steuerpflichtig, wenn die Anteile ertragsteuerlich zum Privatvermögen gehören (§ 17 EStG).
Bei Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, die keine Kapitalanlagen sind, werden Veräußerungsgewinne erfasst, wenn zwischen Erwerb und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre (Grundstücke) bzw ein Jahr (andere Wirtschaftsgüter) liegen (privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 iVm § 22 Nr 2 EStG).

Ergebnis: Die Zweiteilung in Gewinn- und Überschusseinkunftsarten besteht zwar noch nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 1 EStG. Man könnte allerdings auch davon sprechen, dass nach dem geltenden Einkommensteuerrecht Veräußerungsgewinne generell besteuert werden: Bei Gewinneinkunftsarten durch den in § 2 Abs. 2 S. 1 EStG enthaltenen Einkommensbegriff „Gewinn“ und bei den Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart oder außerhalb der Einkunftserzielung eingesetzt werden, aufgrund der in § 20 Abs. 2, § 17 und § 23 EStG vorgenommenen Erweiterung der steuerbaren Einkünfte auf Veräußerungsgewinne.