Besteuerung von Unternehmen I

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C. Sachliche Steuerpflicht (Summe der Einkünfte)
I. Einkommensbegriff des Einkommensteuergesetzes

1. Fehlen einer theoretischen Leitlinie

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Bei der Einkommensteuer wird als Maßstab zur Messung der sachlichen Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person auf das erzielte Einkommen abgestellt. Diese Grundsatzentscheidung macht es erforderlich, zwischen der Einkommenserzielung (einkommensteuerlich bedeutsam) und der Verwendung des Einkommens für Konsumzwecke (einkommensteuerlich nicht relevant) zu trennen: Die Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte wird ausschließlich von Vorgängen beeinflusst, die mit einer wirtschaftlichen, mit Einkunftserzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Die Verwendung des am Markt erwirtschafteten Vermögenszuwachses darf sich auf die Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte nicht auswirken. Sie ist grundsätzlich dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen.

Das Konzept einer Besteuerung des erzielten Einkommens wird von Steuerwissenschaftlern häufig kritisiert. Um die Entscheidung zwischen heutigem Konsum einerseits und Sparen bzw Investition zur Finanzierung von zukünftigen Konsumausgaben andererseits durch die Besteuerung nicht zu verzerren, wird zum Teil ein Übergang von der einkommensorientierten Besteuerung (Einkommensteuer nach traditionellem Konzept) auf eine konsumorientierte Besteuerung gefordert. Erreichen lässt sich dieses Ziel nicht nur durch eine Konsumausgabensteuer (direkte Ermittlung des Konsums), sondern auch innerhalb einer Besteuerung, die formal als Einkommensteuer ausgestaltet ist. Das Konzept der Einkommensteuer müsste in diesem Fall durch eine Freistellung von gesparten/investierten Einkommensteilen (Cash-Flow-Steuer oder sparbereinigte Einkommensteuer: indirekte Ermittlung des Konsums, indem das Einkommen um die Investitionsausgaben bzw die Veränderung der Ersparnisse korrigiert wird) oder durch eine zinsbereinigte Einkommensteuer (Nichtbesteuerung von Zinseinnahmen bzw Nichtabziehbarkeit von Zinsausgaben sowie Steuerbefreiung in Höhe der marktüblichen Verzinsung des Eigenkapitals) modifiziert werden.[8]

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Die Entscheidung, bei der sachlichen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips auf das am Markt erzielte Einkommen abzustellen, legt noch nicht fest, wie die steuerpflichtigen Vermögensmehrungen zu definieren sind. Für die Konkretisierung des Einkommensbegriffs stehen grundsätzlich zwei Konzepte zur Verfügung:

(1) Nach der Quellentheorie gelten nur die Zuflüsse als steuerpflichtig, die regelmäßig aus einer Einkunftsquelle fließen. Unregelmäßig entstehende Einkünfte und Veränderungen des Werts des Vermögens (zB Veräußerungsgewinne, Minderungen des Werts eines Wirtschaftsguts) gehen nach dieser Einkommenskonzeption nicht in die Bemessungsgrundlage ein.

(2) Die Reinvermögensänderungstheorie differenziert nicht nach der Ursache der Vermögensänderung. Der Besteuerung unterliegen sowohl regelmäßig erzielte Einkünfte als auch die Veränderungen des Werts des Vermögens. Erfasst werden sämtliche, im abgelaufenen Wirtschaftsjahr eingetretene Vermögensmehrungen und -minderungen. Die Veränderung des Vermögens kann auf drei Wegen berechnet werden:

(a) Nach dem Konzept eines Gesamtvermögensvergleichs wird der Wert des Vermögens eines Steuerpflichtigen als Ganzes festgestellt. Nach dieser umfassenden Erfolgskonzeption ist der Gewinn als Veränderung des Ertragswerts des Steuerpflichtigen definiert. Der Ertragswert wird dadurch ermittelt, dass sämtliche in der Zukunft zu erwartenden Einzahlungsüberschüsse mit Hilfe eines Kalkulationszinssatzes auf den Betrachtungszeitpunkt abgezinst werden.

(b) Der Einzelvermögensvergleich geht grundsätzlich von einzelnen, als solche abgrenzbaren Wirtschaftsgütern aus. Modifiziert wird das daraus abgeleitete Einkommen durch bestimmte Abgrenzungsposten (wie Rechnungsabgrenzungsposten). Die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage eines Jahres hängt entscheidend davon ab, wie der Begriff „Wirtschaftsgut“ definiert wird, wie die einzelnen Wirtschaftsgüter bewertet werden und welche Abgrenzungsposten in den Einzelvermögensvergleich einbezogen werden.

(c) Beim Kassenvermögensvergleich wird in seiner einfachsten Form das Einkommen mit dem finanzwirtschaftlichen Zahlungsüberschuss gleichgesetzt, also der Differenz zwischen den Einzahlungen und Auszahlungen des abgelaufenen Jahres (Cash-Flow-Steuer). Beim Kassenvermögensvergleich ist eine Kassenrechnung ausreichend. Periodisierungsregelungen, wie Absetzungen für Abnutzungen (Abschreibungen), Rechnungsabgrenzungsposten oder Rückstellungen, bedarf es nicht.

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Das deutsche Einkommensteuergesetz orientiert sich bei der Abgrenzung des Einkommensbegriffs nicht an einer einheitlichen Leitlinie. Die Umschreibung der steuerpflichtigen Einkünfte beruht nicht auf einer bestimmten, im Gesetz oder in den Gesetzesbegründungen vorgegebenen Einkommenstheorie. Die sachliche Steuerpflicht wird vielmehr pragmatisch bestimmt: Steuerobjekt der Einkommensteuer bildet die Summe der Einkünfte aus sieben speziell definierten Einkunftsarten.

Die sieben Einkunftsarten sind (§ 2 Abs. 1 EStG):


Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
sonstige Einkünfte iSd § 22 EStG.

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Die Abgrenzung, welche Einnahmen innerhalb einer Einkunftsart steuerlich erfasst werden, folgt gleichfalls keiner einheitlichen Theorie. Aus historischer Sicht kann in einer groben Vereinfachung formuliert werden, dass das Einkommensteuergesetz zunächst der Quellentheorie (so das Preußische EStG von 1891) und anschließend der Reinvermögensänderungstheorie (so das EStG von 1920) folgte. Beide Prinzipien wurden jedoch zu keiner Zeit in reiner Form angewandt. Die anfängliche Entscheidung für die Quellentheorie wurde mit der teilweisen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen durchbrochen. In den Zeiten, in denen konzeptionell auf die Reinvermögensänderungstheorie abgestellt wurde, beschränkte sich der Umfang der Besteuerung bei mehreren Einkunftsarten auf die laufenden Zuflüsse.

Seit 1925 kennt das Einkommensteuergesetz prinzipiell ein Nebeneinander von zwei Einkommensbegriffen (§ 2 Abs. 2 EStG):


Gewinneinkunftsarten (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit) werden in Anlehnung an die Reinvermögensänderungstheorie besteuert.
Bei den Überschusseinkunftsarten (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte iSd § 22 EStG) orientiert sich die Abgrenzung der sachlichen Steuerpflicht eher an der Quellentheorie.

Bei Gewinneinkunftsarten entspricht die Einkunftsermittlung in Anlehnung an die Reinvermögensänderungstheorie dem Ziel der Einkommensteuer. Die positive Beurteilung gilt auch bei deren Konkretisierung. Die Einkunftsermittlung auf der Grundlage eines Einzelvermögensvergleichs (Instrument: Steuerbilanz) ist deshalb vom Ansatz her gerechtfertigt, da die anderen Unterformen der Reinvermögensänderungstheorie aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit nicht mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und Tatbestandsbestimmtheit vereinbar sind (Gesamtvermögensvergleich) bzw sich eher in ein konsumorientiertes Besteuerungssystem einordnen lassen (Kassenvermögensvergleich: Cash-Flow-Steuer).

Das Ziel der Einkommensteuer – Besteuerung des durch Markttransaktionen erwirtschafteten Vermögenszuwachses – lässt sich nur erreichen, wenn das am Markt erzielte Einkommen vollständig erfasst wird. Diese Anforderung wird erfüllt, wenn in die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sämtliche Vermögensänderungen eingehen. Für eine Trennung in regelmäßig fließende Einkünfte (die besteuert werden) und in aperiodische Vermögensänderungen sowie Veräußerungsgewinne (die nicht besteuert werden) lässt sich keine ökonomische Begründung anführen. Die bei Überschusseinkunftsarten geltende Quellentheorie ist abzulehnen, weil bei ihr die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage davon abhängt, aus welchen Komponenten sich das Markteinkommen zusammensetzt.

 

Bei der Beurteilung der in § 2 Abs. 2 EStG enthaltenen Zweiteilung in Gewinneinkunftsarten und Überschusseinkunftsarten ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei Aktivitäten, die einer der Überschusseinkunftsarten zugerechnet werden, in immer größerem Umfang Veräußerungsgewinne und andere aperiodische Vermögensmehrungen besteuert werden. Hervorzuheben sind drei Vorschriften:


Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 2 EStG auch Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen, obwohl es sich bei dieser Einkunftsart um eine Überschusseinkunftsart handelt. Die generelle Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von privaten Kapitalanlagen wurde zusammen mit der Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge im Jahr 2009 kodifiziert.
Ist eine natürliche Person an einer Kapitalgesellschaft zu mindestens 1% beteiligt, sind Veräußerungsgewinne auch dann als Einkünfte aus Gewerbebetrieb steuerpflichtig, wenn die Anteile zum Privatvermögen gehören (§ 17 EStG). Die Beteiligungsgrenze, ab der Veräußerungsgewinne von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die dem Privatvermögen einer natürlichen Person zugerechnet werden, steuerpflichtig sind, wurde im Zeitablauf von 25% über 10% auf 1% gesenkt.
Bei Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, die keine Kapitalanlagen sind, werden Veräußerungsgewinne dann erfasst, wenn zwischen Erwerb und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre (Grundstücke) bzw ein Jahr (andere Wirtschaftsgüter) liegen (privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 iVm § 22 Nr 2 EStG). Diese Haltefrist betrug in früheren Jahren nur zwei Jahre bzw sechs Monate.

Aufgrund der Einführung einer generellen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG sowie der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Sonderregelungen in § 17 EStG und § 23 EStG hat die Unterscheidung zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten insoweit an Bedeutung verloren. Die in § 2 Abs. 2 EStG vorgenommene Zweiteilung wirkt sich in der praktischen Anwendung häufig nicht mehr aus. Bei Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart eingesetzt werden, und bei Wirtschaftsgütern, die ohne Einkunftserzielungsabsicht genutzt werden, sind Veräußerungsgewinne nur dann nicht steuerbar, wenn es sich weder um private Kapitalanlagen handelt noch die Voraussetzungen des § 17 EStG (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei einer Beteiligung von mindestens 1%) noch die Voraussetzungen des § 23 EStG (privates Veräußerungsgeschäft) erfüllt sind. Die Zweiteilung in Gewinn- und Überschusseinkunftsarten besteht zwar noch nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 EStG. Man könnte allerdings auch davon sprechen, dass nach dem geltenden Einkommensteuerrecht Veräußerungsgewinne generell besteuert werden: bei Gewinneinkunftsarten durch den in § 2 Abs. 2 EStG enthaltenen Einkommensbegriff „Gewinn“ und bei Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart eingesetzt oder die ohne Einkunftserzielungsabsicht genutzt werden, aufgrund der in § 20 Abs. 2, § 17 und § 23 EStG vorgenommenen Erweiterung der steuerbaren Einkünfte auf Veräußerungsgewinne.

2. Einkunftserzielungsabsicht als Voraussetzung der Steuerbarkeit

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Einem Steuerpflichtigen werden nur dann steuerpflichtige Einkünfte zugerechnet, wenn er seine Tätigkeit mit der Absicht ausübt, auf Dauer eine Mehrung des Vermögens, dh einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben, zu erzielen (Einkunftserzielungsabsicht). Liegt Einkunftserzielungsabsicht vor, erhöhen Einnahmen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage und können Ausgaben, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Einnahmen stehen, abgezogen werden (Nettoprinzip).

Wird die Einkunftserzielungsabsicht verneint, ist die entsprechende Betätigung einkommensteuerlich irrelevant. Bei diesen Tätigkeiten wirken sich weder die Einnahmen noch die Ausgaben steuerlich aus. Derartige Aktivitäten werden der (konsumtiven) Einkommensverwendung zugerechnet, nicht der Einkommenserzielung.

Diese Grundaussagen ergeben sich aus der Zielsetzung der Einkommensteuer. Der mit ihr verfolgte Fiskalzweck kann nur erreicht werden, wenn positive Einkünfte vorliegen. Bei auf Dauer negativen Einkünften könnte der Staat mit der Einkommensteuer keine Einnahmen erzielen.

Einkunftserzielungsabsicht setzt bei jeder der sieben Einkunftsarten eine auf wirtschaftliche Vermögensmehrung gerichtete Tätigkeit voraus. Dieses für die Einkommensbesteuerung notwendige Merkmal wird beispielsweise danach beurteilt, ob ein Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und nach seiner Wesensart und nach der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann.[9]

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Wird die Tätigkeit aus privater Veranlassung ausgeübt, dh als Hobby oder ohne die Absicht, zumindest langfristig positive Einkünfte zu erzielen, wird von Liebhaberei gesprochen. Der steuerrechtliche Begriff „Liebhaberei“ umfasst zwei Merkmale: langjährige Verlusterzielung (objektives Kriterium) und Ausübung einer Tätigkeit aus persönlicher Neigung (subjektives Kriterium).

Zu den nicht steuerbaren Tätigkeiten gehören typischerweise das Halten einer Segeljacht, eines Flugzeugs oder eines Reitpferds. Dies gilt auch dann, wenn bei diesen Tätigkeiten in geringem Umfang Einnahmen erzielt werden, wie zB durch die entgeltliche Überlassung für kurze Zeit. Einkunftserzielungsabsicht besteht nur, wenn zumindest langfristig angestrebt wird, dass die Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Dies ist in den genannten (idealtypischen) Beispielen üblicherweise nicht der Fall. Mit der Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht soll vermieden werden, dass Kosten der privaten Lebensführung entgegen dem Ziel der Einkommensbesteuerung die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern.

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Die Einkunftserzielungsabsicht wird an der Absicht gemessen, Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben erzielen zu wollen. Ob tatsächlich eine Vermögensmehrung eintritt, ist grundsätzlich unerheblich.

Die Entscheidung, ob ein Überschuss entsteht, wird in einer Gesamtbetrachtung getroffen. Abzustellen ist auf den gesamten Zeitraum, in dem eine Tätigkeit ausgeübt wird. Werden in einzelnen Perioden Verluste ausgewiesen, ist dies unbeachtlich, sofern insgesamt ein Vermögenszuwachs erwirtschaftet wird. Es ist ausreichend, wenn die Einnahmen die Ausgaben in geringem Umfang übersteigen.

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Zur Beurteilung der Einkunftserzielungsabsicht ist eine Prognose der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben erforderlich. Insbesondere dann, wenn zu Beginn der Tätigkeit über mehrere Jahre Verluste ausgewiesen werden, bestehen zwischen den Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden häufig Meinungsverschiedenheiten, ob und in welchem Zeitraum die Anlaufverluste in der Zukunft (voraussichtlich) durch Vermögensmehrungen kompensiert werden.

Die Finanzverwaltung beurteilt die Einkunftserzielungsabsicht danach, ob langfristig positive steuerpflichtige Einkünfte anfallen. Die für das deutsche Einkommensteuerrecht charakteristische Trennung in Gewinn- und Überschusseinkunftsarten hat deshalb nicht nur Einfluss auf die Höhe der bei den einzelnen Einkunftsarten zu versteuernden Einkünfte, sondern auch auf die Prüfung, ob überhaupt steuerpflichtige Einkünfte anfallen. Aus systematischer Sicht ist allerdings ein Abstellen auf eine betriebswirtschaftliche Einkommensdefinition einer juristischen Abgrenzung des Umfangs der Einkünfte vorzuziehen.

Steuerersparnisse aus einer eventuellen Verlustverrechnung werden nicht als Einnahmen gewertet. Sie bleiben bei der Beurteilung der Einkunftserzielungsabsicht unberücksichtigt (§ 15 Abs. 2 S. 2 EStG).

Die Prüfung, ob eine Einkunftserzielungsabsicht vorliegt, bereitet in vielen Fällen erhebliche Schwierigkeiten. Diese Probleme würden entfallen, wenn man Einnahmen generell als steuerpflichtig betrachten würde und die Ausgaben, die der konsumtiven Einkommensverwendung zuzurechnen sind, nicht zum Abzug zulassen würde, dh wenn man sie als nichtabziehbare Betriebsausgaben bzw nichtabziehbare Werbungskosten behandeln würde.[10]

II. Einkunftsarten

1. Bedeutung der richtigen Zuordnung der Einkünfte

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Obwohl die sieben Einkunftsarten zur Summe der Einkünfte zusammengefasst werden, ist die Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart von erheblicher Bedeutung. Die Abgrenzung der Einkunftsarten untereinander wirkt sich auf zehn Ebenen aus:

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(a) Ein wirtschaftlicher Sachverhalt ist nur dann einkommensteuerlich relevant, wenn er die Kriterien einer der sieben Einkunftsarten erfüllt. Die Definition der Einkunftsarten entscheidet darüber, was Gegenstand der Besteuerung ist. Ist keines der gesetzlich formulierten Merkmale erfüllt, liegen keine steuerbaren Einkünfte vor. Beispielsweise sind Lotteriegewinne, Gewinne aus privaten Spielen und Wetten, Gewinne aus der Teilnahme an einem Preisausschreiben, Erbschaften, Finderlohn sowie Belohnungen für Hinweise zur Ergreifung eines Straftäters nicht einkommensteuerbar. Die Haushaltsproduktion (produktive Tätigkeiten, für die kein Entgelt bezahlt wird, wie Kochen, Waschen und Heimwerken, soweit sie vom Steuerpflichtigen selbst ausgeübt werden) wird von dem Einkommensbegriff des EStG gleichfalls nicht erfasst.

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(b) Die Unterscheidung zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten bestimmt die Art der Ermittlung der Einkünfte. Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünften aus Gewerbebetrieb und Einkünften aus selbständiger Arbeit ist der Besteuerungstatbestand umfassend definiert. In die Bemessungsgrundlage gehen sowohl laufende Einkünfte als auch Wertsteigerungen undverluste des zur Einkunftserzielung eingesetzten Vermögens ein (Gewinneinkunftsarten: Reinvermögensänderungstheorie). Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünften aus Kapitalvermögen, Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG beeinflussen grundsätzlich nur die periodisch anfallenden Vorgänge die Höhe der Einkünfte. Die Entwicklung des Werts des Vermögens ist vom Ansatz steuerlich irrelevant (Überschusseinkunftsarten: Quellentheorie). Aufgrund der Einführung einer generellen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG (private Kapitalanlagen) sowie der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Sonderregelungen in § 17 EStG (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei einer Beteiligung von mindestens 1%) und § 23 EStG (private Veräußerungsgeschäfte) hat sich jedoch insoweit die Besteuerung von Überschusseinkunftsarten an die von Gewinneinkunftsarten angenähert: Bei Gewinneinkunftsarten werden Veräußerungsgewinne aufgrund des in § 2 Abs. 2 EStG enthaltenen Einkommensbegriffs generell besteuert. Bei Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart eingesetzt oder die ohne Einkunftserzielungsabsicht genutzt werden, sind Veräußerungsgewinne aufgrund der in § 20 Abs. 2, § 17 und § 23 EStG enthaltenen Regelungen steuerbar.

 

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(c) Bei der Prüfung, ob eine Einkunftserzielungsabsicht vorliegt, wird auf die steuerpflichtigen Einkünfte abgestellt. Da der Besteuerungsumfang für die einzelnen Einkunftsarten in unterschiedlicher Form abgegrenzt wird (insbesondere bei der Erfassung von Veräußerungsgewinnen), hängt von der Zuordnung einer Tätigkeit zu einer bestimmten Einkunftsart auch ab, ob eine Tätigkeit steuerbar ist (Einkunftserzielungsabsicht wird bejaht) oder eine nicht steuerbare Liebhaberei (Einkunftserzielungsabsicht wird verneint) angenommen wird. Sind Veräußerungsgewinne (Veräußerungsverluste) zu erwarten, kann die Einkunftserzielungsabsicht bei Gewinneinkünften tendenziell eher (weniger) angenommen werden als bei Überschusseinkunftsarten.

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(d) Bei Einkünften aus Kapitalvermögen gilt ein Sondersteuersatz, der mit 25% deutlich unter dem Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 45% liegt (Abgeltungsteuer nach § 32d EStG).

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(e) Zahlreiche steuerliche Begünstigungen können nur in Anspruch genommen werden, wenn eine bestimmte Einkunftsart vorliegt. Beispiele sind der Freibetrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 3 EStG), der Freibetrag für Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 2 EStG), der Sparer-Pauschbetrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 9 EStG), die Freigrenze für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 3 S. 5 EStG), der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 9a S. 1 Nr 1 Buchst. a EStG), der Werbungskosten-Pauschbetrag für Versorgungsbezüge (§ 9a S. 1 Nr 1 Buchst. b EStG), der Werbungskosten-Pauschbetrag bei bestimmten sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG (§ 9a S. 1 Nr 3 EStG) sowie die Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne bei Gewinneinkunftsarten (§ 34a EStG), die Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum Ausgleich für die zusätzliche Belastung der gewerblichen Einkünfte mit Gewerbesteuer (§ 35 EStG) und der ermäßigte Steuersatz für die in § 34 und § 34b EStG definierten außerordentlichen Einkünfte (zB Gewinn aus der Veräußerung eines gewerblichen Einzelunternehmens oder des Anteils an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft).

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(f) Die Zuordnung zu einer Einkunftsart bestimmt den Besteuerungszeitpunkt. Beispielsweise gelten bei buchführungspflichtigen Gewerbetreibenden die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, sodass sich die zeitliche Erfassung der Betriebseinnahmen und -ausgaben nach dem Realisations- und Imparitätsprinzip richtet (§ 5 Abs. 1 EStG: Gewinnermittlung als Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen auf der Grundlage einer Steuerbilanz). Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und der Überschussrechnung nach § 8 und § 9 EStG gilt das Zufluss- und Abflussprinzip, wonach sich der Besteuerungszeitpunkt prinzipiell an Zahlungsvorgängen (Ein- und Auszahlungen) orientiert (§ 11 EStG).

Darüber hinaus hängt der Gewinnermittlungszeitraum in Teilbereichen von der Einkunftsart ab (§ 4a EStG).

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(g) Für den Ausgleich von negativen mit positiven Einkünften bestehen mehrere Beschränkungen, die bei den verschiedenen Einkunftsarten geregelt und jeweils unterschiedlich ausgestaltet sind. Beispiele hierfür sind § 2a, § 15 Abs. 4, § 15a, § 15b, § 17 Abs. 2 S. 6, § 20 Abs. 6, 7, 9, § 22 Nr 3 S. 3–4 und § 23 Abs. 3 S. 7–8 EStG.

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(h) Die Einkunftsart bestimmt die Art der Steuererhebung. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit kommt das Lohnsteuerabzugsverfahren zur Anwendung. Bei bestimmten Kapitalerträgen wird Kapitalertragsteuer erhoben.

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(i) Zum Teil übernehmen andere Steuerarten die bei den einzelnen Einkunftsarten vorgenommenen einkommensteuerlichen Wertungen oder die einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlagen.

Beispiele:

Die Entscheidung, ob Einkünfte aus einem Einzelunternehmen auf Ebene des Inhabers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert oder den Einkünften aus selbständiger Arbeit zugerechnet werden, ist auch für die Gewerbesteuer bedeutsam. Liegt einkommensteuerlich ein Gewerbebetrieb vor, gilt dies auch für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG).

Das einem gewerblichen Einzelunternehmen oder einer freiberuflichen Tätigkeit dienende Vermögen wird für die Erbschaft- und Schenkungsteuer der Vermögensart „Betriebsvermögen“ zugerechnet (§ 12 Abs. 5 ErbStG iVm § 95 Abs. 1, § 96 BewG).

Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer – den Gewerbeertrag – bilden die für die Einkommensteuer festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Ausgangsgröße (§ 7 S. 1 GewStG).

Die einkommensteuerliche Zuordnung einer Tätigkeit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bedeutet gleichzeitig, dass regelmäßig die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft verneint wird (§ 2 Abs. 2 Nr 1 UStG, Abschnitt 2.2 UStAE).

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(j) Da nach § 49 Abs. 1 EStG der Inlandsbezug bei den einzelnen Einkunftsarten in unterschiedlicher Weise abgegrenzt wird, entscheidet die Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart mit darüber, ob Steuerausländer im Inland beschränkt steuerpflichtig werden.

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Die erhebliche Bedeutung, die von der Zuordnung zu einer der sieben Einkunftsarten ausgeht, zeigt, dass das Ziel der Einkommensteuer, jede wirtschaftliche Tätigkeit in gleicher Weise zu besteuern (synthetische Einkommensteuer) weit verfehlt wird. Die Unterschiede haben in den letzten Jahren sogar noch zugenommen. Das deutsche Einkommensteuergesetz nähert sich immer mehr der Besteuerung von im Einzelnen definierten Einkommensteilen (Schedulensteuer). Besonders deutlich ist dies bei der Abgeltungsteuer, durch die für Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Sonderkategorie mit eigenständigen Besteuerungsregeln geschaffen wird, die sowohl für die Erfassung von Einnahmen (Sondersteuersatz von 25%) als auch für die Berücksichtigung von Ausgaben (kein Abzug von Werbungskosten) besondere Regelungen vorsehen. Diese Schedualisierung der Einkommensteuer führt auch dazu, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht in den Verlustausgleich zwischen den Einkunftsarten einbezogen werden.

Im Jahr 2014 betrug die Summe der Einkünfte im Durchschnitt 39 077 €. Die durchschnittlichen Einkünfte bei den einzelnen Einkunftsarten unterscheiden sich erheblich:[11]


Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 16 010 €
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 26 671 €
Einkünfte aus selbständiger Arbeit 37 982 €
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 34 467 €
5 313 €
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 5 007 €
sonstige Einkünfte iSd § 22 EStG 9 307 €