Kreuzfahrt mit Hindernissen

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Dann kahm ihm ein Gedanke. Die Gangway, das war die Lösung! Schnell rief er übers Telefon Rosi an und befahl ihr sofort mit einem Gabelstapler am Fuße der großen Gangway zu erscheinen.

Friedjof stürmte, das Handy am Ohr, durch die Gänge der Happy Sea und bellte weitere Befehle. Nach zehn Minuten fraßen sich die Scheinwerfer des Viehlasters durch die Nacht und beleuchteten die Gangway, welche soeben als provisorische Rampe an der mittlerweile geöffneten Luke der Provianträume befestigt wurde. Luigi erfasste mit einem Blick das von Proviantmeister Sommer erdachte Transportsystem. Er betätigte grinsend die Hupe, zum Zeichen, dass er das System begriffen hatte, und drückte den LKW-Auflieger rückwärts, dicht an die Gangway. Die beiden Heckklappen wurden geöffnet, und 150 Schweine erstürmten grunzend die Rampe. In den Gängen des Schiffs waren an allen Abzweigungen Besatzungsmitglieder positioniert, um die Tiere in die für sie vorgesehenen, defekten Kühlräume zu lenken. Nach fünf Minuten verließ das letzte Borstenvieh den LKW. Luigi hechtete wieder ins Führerhaus und raste in die Dunkelheit davon.

»Signore Mangiare, hier Sommer, ich benötige noch ein paar Ballen Stroh und Futter für die Schweine! Sie können das ja morgen mit den Lebensmitteln anliefern!«, erweiterte Friedjof telefonisch seine Bestellung für den nächsten Tag.

Danach rannte er zu den defekten Kühlräumen, um die Unterbringung der Schweine zu begutachten. Der Geruch im Proviantbereich war schier unerträglich. Die Schweine hatten ihrem Namen alle Ehre gemacht, und sämtliche Bereiche des Schiffes, durch die sie getrieben worden waren, zugeschissen. Die Crew war mit vor Mund und Nase gebundenen Taschentüchern emsig dabei, alles wieder zu säubern. »Was soll ich bloß mit lebenden Schweinen anfangen!! - Friedjof!!!«, schrie ihm schon von weitem der Chefkoch Jérôme Dupont entgegen.

Jérôme war als Franz Pohl im Ruhrgebiet aufgewachsen und hatte schon früh erkannt, dass er es mit dem Namen als Koch nicht weit bringen würde. »Ich bin Koch und kein Schlachter!! Wer soll die Schweine denn töten?? Was glaubst du wohl, was das für eine Sauerei gibt?!« »Darüber zerbrechen wir uns den Kopf, wenn es so weit ist, Jérôme. Sei froh, dass wir auf die Weise auf der gesamten Reise frisches Fleisch an Bord haben!!!«

Die beiden standen sich mit hochrotem Kopf wie zwei Stiere in der Arena gegenüber. Ohne über die Sache ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich Sommer um und stapfte in Richtung Rezeption davon.

»Hermine sind eigentlich die Chinesen für die Wäscherei vollzählig eingetroffen?!«

»Ich habe niemanden gesehen, aber eben hat einer der Reinigungskräfte einen ganzen Wagen sauberer Wäsche hier aus dem Aufzug gezogen. Anscheinend sind die schon am Arbeiten, Frau Klüsenpichler.« »Komisch, wenn ich so darüber nachdenke, habe ich eigentlich noch nie jemanden von denen hier gesehen. Schauen sie doch mal im Decksplan nach, wo auf der Happy Sea die Wäscherei genau untergebracht ist.«

Nachdem Hermine den Plan einige Zeit studiert hatte, schaute sie resigniert auf.

»Es ist keine Wäscherei eingezeichnet, aber ich weiß definitiv, dass unsere schmutzige Wäsche irgendwo auf dem Schiff gereinigt wird.«

»Seltsam, ist ja wie bei den Heinzelmännchen«, lachte Gerlinde. »Sind die Aushilfen schon eingetroffen, diese Studenten, die der Klose angeblich so günstig eingekauft hat?« »Ja Frau Klüsenpichler. Nur ein Zimmerkellner wurde von der Reederei noch nachgemeldet. Der soll aber Morgen hier aufschlagen.« »Wie spät haben wir`s Hermine?«

»Drei Uhr vierzig.« »Ist ja mitten in der Nacht Mädchen, kommen Sie, wir machen Feierabend für heute.«

»Nicht so schnell meine Damen!«, schnaubte Friedjof Sommer und stützte sich schwer atmend auf den Empfangstresen. »Schauen Sie bitte mal in ihrer Personalkartei nach, ob wir so etwas Ähnliches wie einen Bauern an Bord haben. Ich brauche dringend jemanden, der sich mit Schweinen auskennt.«

Gabriele schaute den Proviantmeister vorwurfsvoll an und rümpfte angewidert die Nase. »Du scheinst dich da schon ganz gut auszukennen, dem Geruch nach zu urteilen!«

Friedjof schnüffelte an seiner Kleidung und verdrehte genervt die Augen.

»Gerlinde, wir haben unten zwei kaputte Kühlräume, und deshalb 150 lebende Schweine gebunkert. Jetzt brauche ich dringend jemanden, der sich während der Fahrt um die Viecher kümmert!«

Gerlinde Klüsenpichler hatte in den vielen Jahren als Hotelchefin auf Kreuzfahrtschiffen schon so viel erlebt, dass sie sich jetzt über 150 lebende Schweine nicht wirklich wunderte. Sie quittierte Friedjofs Aussage lediglich mit einem leichten Anheben ihrer Brauen.

»Ich ich könnte dir einen Maschinenbaustudenten anbieten, der vor seinem Studium Landmaschinenmechaniker gelernt hat. Er ist unten im Maschinenraum als Monteur eingesetzt. Der ist der Einzige, der zumindest entfernt etwas mit Landwirtschaft zu tun hat.« »Wie heißt der Mann und welche Kabinennummer?« »Klopp, Kabine 25 im Unterdeck.« »Danke!«, hörten sie den Proviantmeister rufen, der schon auf halbem Weg zu den Aufzügen war.

Happy Sea, Unterdeck

Zischend öffneten sich die Aufzugstüren und Sommer betrat den Bereich der Mannschaftsunterkünfte. Hier, tief unten im Bauch der Happy Sea, war die Atmosphäre nicht so gediegen wie auf den mit Teppichboden ausgelegten Gängen der Passagierkabinen. Lediglich grüne Rostschutzfarbe bedeckte den blanken stählernen Fußboden. Dicke Versorgungsleitungen zierten die Wände und das dumpfe, allgegenwärtige Dröhnen des Schiffdiesels ersetzte romantisches Meeresrauschen. Der leichte Dieselgeruch war hier unten der Duft der großen weiten Welt.

»Klopp!!! Zu mir, sofort!«, schnarrte Sommers laute Stimme befehlsgewohnt durch den langen Gang.

In Kabine 25 dachte noch niemand ans Schlafen. Dichter Tabakqualm hing in der Luft des fensterlosen, da unter der Wasserlinie gelegenen Raumes. Die drei Bewohner hockten auf dem Fußboden und waren in eine Partie Poker vertieft.

»Klopp, sind Sie da!?« Die Frage wurde von lautem Klopfen an der Kabinentür begleitet.

»Ja?!«

Sommer riss die Tür auf und wedelte den Rauch beiseite, der auf ihn einströmte. »Hier ist Rauchverbot Jungs, hat man euch das nicht gesagt? - Na ja, ich will mal nicht so sein. Klopp, mitkommen, ich habe eine neue Aufgabe für sie!«

Sommer hatte in puncto Menschenführung so seine eigene Weltanschauung. Zwölf Jahre, als Feldwebel bei der Bundeswehr hatten ihn menschlich, auf das Niveau des berühmten Elefanten im Porzellanladen sinken lassen.

»Schon mal mit Schweinen zu tun gehabt?!!«

»Äh, Schweine, Herr Sommer?« »Spreche ich undeutlich, Klopp?!!«

»Äh, nein.« »Also Klopp, kennen Sie sich mit Schweinen aus?!«

»Wir hatten zu Hause etwas Landwirtschaft, da waren auch ein paar Schweine dabei, ja.« »Wunderbar Klopp, Sie sind mein Mann!«, schnarrte Sommer laut. »Ich habe eine neue Aufgabe für Sie. Ihr Job ist sozusagen kriegsentscheidend, äh- ich meine überlebenswichtig für die Ernährung unserer Gäste.« Nach ein paar Minuten erreichten sie den Bereich der Kühlräume. Sommer deutete auf eines der in die schweren Türen eingelassenen Fenster.

»Sie sind mir in den Nächsten zehn Tage für die Tiere hier verantwortlich! Ich verlass mich auf Sie!«

Harald Klopp starrte durch die Scheibe in den schwach beleuchteten Kühlraum und konnte nicht fassen, was er dort erblickte.

»Herr Sommer, Sie können die Tiere doch nicht einfach auf dem nackten Stahlboden liegen lassen, die werden doch krank!« »Äh, ja, für heute Nacht muss es gehen, morgen kommt Stroh und auch Futter für die Tiere, dadrum machen Sie sich mal keinen Kopp, Klopp.«

Über seinen eigenen kleinen Wortwitz grinsend drehte er sich um und lies Harald mit seiner neuen Aufgabe alleine.

Happy Sea, Brücke

»Ich dachte, du beziehst schon lange deine Rente Henning, kannst wohl nicht ohne den Salzgeruch, was alter Kumpel?!«

»Ich habe auch nicht mehr damit gerechnet, noch mal gebraucht zu werden, Knuth. Klose persönlich, rief letzte Woche bei uns an und jammerte, sein Steuermann sei plötzlich krank geworden. Da ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte als rumzusitzen, habe ich zugesagt. Zu Hause fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich verdiene hier in den zehn Tagen genau so viel wie früher in einem Monat.«

Kapitän Knuth Hinrichs freute sich, seinen alten Weggefährten Krummbiegel wiederzusehen. Dass ein Steuermann sich plötzlich krankgemeldet hatte, stimmte allerdings nicht ganz. Hennings Vorgänger hatte, wie so viele andere Besatzungsmitglieder gekündigt, nachdem ihnen seit Monaten von der Reederei kein Geld überwiesen worden war. Vor zwei Tagen war endlich die ausstehende Heuer auf Hinrichs Konto eingegangen.

»Wo führt uns die Reise denn hin Knuth?«

»Morgen Abend legen wir ab, erstmal nach Mallorca. Von da aus noch ein Schlag rüber auf die Kanaren und dann nonstop in die Karibik. Ist endlich mal was anderes als das ständige Hafengehoppel hier im Mittelmeer.«

Knuth beobachtete verwundert, dass sich Henning die einzelnen Stationen auf einem gelben Post-it Zettel notierte und neben das Steuerpult heftete, sagte aber nichts dazu.

Henning wusste, dass er sehr vergesslich geworden war, und nutzte seine hellen Momente, um sich alles Wichtige aufzuschreiben.

»Ah, da kommt das Tankschiff, sehr gut, dann kann es ja bald losgehn!«, rief Hinrichs erfreut.

Auf dem Kai trudelten nach und nach Luigi Mangiares LKW´s mit weiterem Proviant ein, der sofort in den großen Luken, der vorderen Bordwand verschwand.

 

»Was ist das für ein Gammel-Fraß?!«, schimpfte Jérôme Dupont laut und schleuderte wütend einen Kohlkopf durch die Küche. »Das Zeug ist ja jetzt schon welk!«

»Da musse du eben vorher eine paar Blätter apezupfe«, sagte Luigi Mangare, der ebenfalls das Verladen des Proviants kontrollierte.

»Wenne deine Chef, diese Klosse nur so wenig Euros bezahlt, wie solle ich da frische Ware liefern, hä, kannst du mir erkläre?!«

»Das kann ich doch gleich alles an die Schweine verfüttern!«, erboste sich Jérôme weiter.

»Nein, nein Signore Dupont, Futter für Schweine komme später!«, entgegnete Luigi mit einem Anflug von Grinsen.

»Ich habe gehört, Sie fahren auch mit Herr Mangiare. Dann sollten Sie aber ganz genau nachschauen, was Sie sich auf den Teller packen«, erwiderte Dupont, ebenfalls mit einem leichten Grinsen.

»Ich musse jetzt los meine Freund, musse noch packe für meine Urlaub. - Du verstehe, zehne Tag nix tun, nur faullenze unde ganze viele bunga-bunga«, grinste Luigi den Koch hämisch an. Er vollführte eine, seine letzten Worte unterstreichende eindeutige Handbewegung und verließ eilig das Schiff.

Auf der Backbordseite der Happy Sea, hatte das Tankschiff soeben zweitausendfünfhundert Tonnen Schweröl in die Tanks gepumpt und der Kapitän brachte Hinrichs den Lieferschein zur Unterschrift auf die Brücke.

»Wie lange hast du denn auf deine Heuer warten müssen Knuth?«, fragte Henning seinen alten Kumpel, als der Tankschiffkapitän Knuth den Lieferschein überreichte.

»Ach, das müssen so etwa zwei Monate gewesen sein. Jetzt hat der alte Klose auch schon seine anderen beiden Pötte zum Verkauf angeboten. Ich glaube, bei dem im Portemonnaie sieht`s nicht gut aus. Hast du denn schon deine Heuer für die zehn Tage bekommen Henning?«

»Ne, das kommt aber direkt nach der Reise, hat mir der Alte versprochen.«

Verwirrt schaute der Treibstofflieferant die beiden Seeleute an. Da er ein paar Jahre als Gastarbeiter in Deutschland verbracht hatte, war ihm kein Wort der Unterhaltung entgangen. Eilig machte er sich auf den Rückweg. Vom Tankschiff aus rief er sofort seinen Boss, Adriano Marini an.

»Was sagst du da, Pleite??!« »Ja Chef, ich hab genau gehört, wie der Kapitän das zum Steuermann gesagt hat.« »Wie viel hat der getankt?!« »2500 Tonnen, Chef!«

»Porco Miseria!!!« Adriano beendete das Gespräch und telefonierte umgehend mit seinem Bänker. Der versprach, sich schleunigst um eine Auskunft, die finanzielle Situation der Nautilus Reederei betreffend, zu bemühen.

Rezeption, am Nachmittag desselben Tages

»Hans-Rüdiger Feuerbaum, nebst Gattin«, stellte sich Hans-Werner Klose gestelzt vor. »Für mich müsste eine Suite gebucht sein.«

Klose trug eine dunkle Brille und hatte seinen breitkrempigen Borsalino tief ins Gesicht gezogen.

»Herr und Frau Feuerbaum? Einen Moment, ich schaue sofort nach. - Ja, hier haben wir Sie. Unsere beste Suite, die Nummer 100, Sir hier sind die Schlüssel. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise. Leon würdest du den Herrschaften bei dem Gepäck behilflich sein!«

»Diesen Koffer nehme ich selber!« schnappte Klose barsch, als Leon einen der eleganten Lederkoffer greifen wollte.

Hinter dem Inkognito reisenden Reederehepaar wartete schon der nächste Reisegast. Ein älterer unscheinbar aussehender Herr, der augenscheinlich allein reiste. »Gustav Klemm mein Name«, sagte der Herr leise. »Klemm, Klemm, ah ja, Außenkabine mit Balkon, die Nummer 115. Bitteschön, hier sind die Schlüssel. Leon müsste gleich zurück sein, um Ihnen mit ihrem Gepäck zu helfen.«

»Das schaffe ich selber, werte Dame, danke vielmals.«

Was für ein angenehmer Herr dachte sich Gerlinde.

Klemm drehte sich um und stieß mit einem älteren Mann zusammen, der hinter ihm gewartet hatte. »Oh Verzeihung mein Herr, wie ungeschickt von mir«, entschuldigte er sich und verließ eilig die Rezeption.

»Wenn ich um ihre werten Namen bitten dürfte?«, wandte sich Gerlinde an die drei Herren, von denen der eine noch seinen Mantel richtete. »Södermann, Hummel und Jäger, wir hatten eene Dreibettkabine jebucht.«

»Ja, die Nummer 220, Bitte schön, hier sind Ihre Schlüssel.«

»Dat Jeäpäck schaffe ma selba junge Frau, bemü`n se sich nich.«

Die drei Freunde gehörten in ihrer Heimat, dem schönen Niederblubberbach bei Berlin, dem örtlichen Angelverein an und reisten nie ohne ihre Ausrüstung. Alle drei trugen typische Anglermützen, die mit selbstgemachten Fliegen gespickt waren. Schwere Köcher voller Angelruten hingen über ihren Schultern. Ärmellose Anglerwesten mit gefühlten einhundert kleinen Taschen voller wichtiger Utensilien, um kapitale Schwertfische dem Meer zu entreißen, rundeten ihr Erscheinungsbild ab. Nach einem langen Marsch durch die endlosen Gänge des Schiffes erreichten die drei endlich ihre Kajüte.

»Kalle, Manni, nu kiekt euch det an. Wenn meene Alte wüsste, wie jut et uns jeht!« Er deutete auf den schmucken Balkon, mit gläsernem Geländer und dem aufgesetzten Mahagoni- Handlauf. »Ob wa von hier oben Angeln können, wat jlobt ihr?«, fragte Manni im Scherz. »Lasst et uns doch ma probieren!«, rief Kalle und packte seine Angel aus. Am Ende der Schnur hingen ein Haken, ein Bleigewicht und ein kleiner roter Schwimmer. Er warf mit einem eleganten Schwung die Angel aus. In Windeseile spulte sich die Schnur ab, bis der Schwimmer nach etwa zwölf Metern auf dem Wasser aufklatschte.

»Test bestanden Jungs Abendessen jesichert!«, scherzte Kalle, während er hastig an der Kurbel drehte, um den Haken wieder einzuholen. Dieser wollte jedoch nicht so wie Kalle.

»Mist, jetze hat er sich irjendwo verhakt.«

Er riss verbissen an der Schnur. Die Angelrute bog sich bedrohlich, bis der Haken urplötzlich abriss und die Schnur, samt Schwimmer und Bleigewicht sirrend nach oben pfiffen. Durch die zurückschnellende Angelrute, wie ein Geschoss beschleunigt, zischte der kleine Bleiklumpen an ihm vorbei.

Einen Balkon weiter oben änderte das Bleigewicht, abgelenkt durch den Handlauf des Balkongeländers, seine Flugbahn und wurde dadurch in eine Schleuderbewegung versetzt. Auf die Weise zusätzlich beschleunigt knallte es peitschengleich gegen die Wange des Beleuchters Paul Kuhn.

Paul stand seit ein paar Minuten auf den Balkon der Suite, um ganz entspannt eine Zigarette zu rauchen und die Aussicht zu genießen. Laut aufjaulend fasste er sich an die Wange. Ein heftiger Schmerz explodierte in seinem Backenzahn. Ein Deck tiefer kappte Kalle, als er den Schmerzensschrei vernahm, mit geübtem Schnitt die verräterische Angelschnur, hechtete in die Kabine und schlug die Balkontür hinter sich zu. Der Schrei, den er von oben vernommen hatte, war eindeutig menschlichen Ursprungs und konnte nur Ärger bedeuten.

Paul Kuhn stürzte mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Suite der Filmcrew zurück.

»Leute, irgendwas ist mir gerade gegen die Backe geknallt! Ich glaube, mein Zahn ist hin!«

»Ach scheiße Paul! Jetzt hast du mir die Szene versaut!«, fluchte Damian Hustler, einer der beiden männlichen Darsteller.

Damian litt, nachdem er sich einer chirurgischen Penisvergrößerung unterzogen hatte, unter Erektionsproblemen. Die kleinste Störung, oder dumme Bemerkung, konnten alles in sich zusammenfallen lassen, was fähige Chirurgen in stundenlangen schmerzhaften Sitzungen geschaffen hatten.»

»Lets mäik `ne halbe Stunde Pause, Piepel!«, rief Sascha König entnervt. »Damian, in `ner halben Stunde is das Teil wieder senkrecht, OK?!! Dolly, gib ihm noch `ne Viagra! In zehn Tagen will ich drei Filmchen reddy haben. Der Spaß hier kostet rialy matsch Manni! Paul, ab zum Doc, aber hurry!«

»Wo können wir uns ausziehen meine Dame, dies ist doch die ÄfGaGa-Kreuzfahrt, oder?«

Gerlinde Klüsenpichlers Nerven lagen blank. Seit Stunden schon trafen die Kreuzfahrtgäste ein und jeder hatte andere Wünsche. Dass dies jetzt auch noch eine FKK-Kreuzfahrt war, hatte ihr die Reederei nicht mitgeteilt. Routiniert umschiffte sie auch dieses Problem.

»Die FKK Bereiche werden im Moment noch ausgewiesen, meine Damen und Herren. Bitte begeben Sie sich erst mal in ihre Kabinen. Alles Weitere erfahren sie beim Abendessen.« »Gähe isch rescht in dä Annahm, dass däs Essä naggert eennomme wäd?« »Wie ich schon sagte, wir werden Sie baldmöglichst informieren.«

»Hermine machst du bitte hier weiter, ich muss mal eben telefonieren.«

Gerlinde verdrückte sich ins Hinterzimmer, nahm einen tiefen Schluck aus ihrer persönlichen Wodkaflasche und wählte die Nummer der Reederei in Hamburg.

»Nautilus Reederei, sie sprechen mit Samantha Klose«, säuselte es aus dem Hörer. »Ja hallo, hier spricht Gerlinde Klüsenpichler von der Happy Sea. Verbinden sie mich bitte mit Herrn Klose.« »Tut mir leid, Herr Klose ist nicht zu sprechen, ich könnte versuchen, ob ich Herrn Pfeifer erreiche. Der ist allerdings gerade mit dem Auto unterwegs. Worum geht es denn?« »Ich habe hier in Genua ein paar Gäste, die der Meinung sind, dies sei eine FKK-Kreuzfahrt. Ich bin mir da allerdings nicht so sicher.« »FKK!! Die alte Sau! - Nein, nicht Sie. Ich versuche Herrn Pfeifer zu erreichen, einen Moment bitte.«

Vorne in der Schlange an der Rezeption klingelte das Handy eines Mannes mit schwarzen Haaren und gelblich-brauner Hautfarbe. »Kamal, wer spricht?!« »Hier ist Samantha, Holger Schätzchen, wo bist du gerade.« »Ich kann jetzt nicht sprechen, was ist denn los?« »Ich habe die Klüsenpichler auf der anderen Leitung, die will wissen, ob das auch eine FKK-Kreuzfahrt ist!« »Sag ihr, das hat alles seine Richtigkeit. Ich muss Schlussmachen, ich bin jetzt dran.«

»Holger warte, da hat eben ein Signor Marini angerufen. Der war sehr wütend und wollte immer wieder Hans-Werner sprechen, und sofort sein Geld für den Treibstoff. Der Kerl hat so lange genervt, bis ich ihm verraten habe, dass Hans-Werner mit dem Geld auf dem Schiff ist. War das falsch Holger, Schatz? - Holger - bist du noch dran!?«

Holger, alias Kamal Murthy, indischer Student und Zimmerkellner hatte den Rest nicht mehr mitbekommen. Er wurde gerade von der Rezeptionistin angesprochen und musste deshalb das Gespräch abrupt beenden.

»Hallo, ich Kamal, ich hier als Zimmerkellner engagiert.« »Oh ja! Sie sind spät dran! Die anderen Hilfskräfte sind alle schon eingetroffen. Bitte begeben Sie sich in den Service Bereich, da bekommen sie ihre Uniform.«

»Und mein Gepäck?!« »Hier ist der Schlüssel, Kabine 26 Unterdeck. Aber beeilen Sie sich, hier ist ein Decksplan zur Orientierung.« Hermine drückte ihm den Flyer mit dem Schiffsplan in die Hand und widmete sich den letzten Gästen.«

Happy Sea, Brücke

»Umberto Marini hiere, bitte verbinden mich mite Signore Klose.«

»Herr Klose ist in Hamburg zu erreichen, nicht hier auf dem Schiff.« »Spreche iche mit die Kapitän der Happy Sea?« »Ja, Knuth Hinrichs hier, womit kann ich Ihnen helfen?« »Wann Sie auslaufe?« »Wir legen just in diesem Moment ab mein Herr, gibt es da irgendein Problem?« »Sie nixe fahre weg! Erst Sie zahle Rechnung füre Treibestoffe!« »Dat müssen Sie mit der Reederei ausmachen, damit hab` ich nichts zu tun, Herr Marini! Wir legen jetzt ab!«

»Stoope Sie!! Soforte!! Immediamente!! Sie hole soforte Klose an Telefono!!« »Leck mich doch am Arsch«, murmelte Hinrichs und drückte die AUS Taste seines Handys. Er griff sich das Funkgerät und gab den Befehl die Leinen loszuwerfen.

»Henning, wir legen ab!«

»Aye Sir!«, antwortete Henning Krummbiegel und gab Gas.

Der riesige Schiffsdiesel erhöhte wummernd seine Drehzahl und lieferte so den Strom, für die vier, um 360° drehbaren Elektromotoren. Damit war die Happy Sea in der Lage, sogar auf der Stelle zu wenden. Jetzt hatte Henning die Motoren zum Kai ausgerichtet, um das Schiff von der Mauer zu lösen und mehr in die Hafenmitte zu drücken. Dass hinten noch Festmachertaue um einen großen eisernen Poller gelegt waren, hatte er vergessen. Im Moment hatte Henning alles vergessen, was das Ablegemanöver betraf. Er starrte gedankenverloren auf den Hafen und fühlte sich mit sich selbst und der Welt vollkommen im Einklang.

Die schweren Taue spannten sich laut knarzend, im Kräftemessen, mit dem in die Kaimauer einbetonierten Poller. Der schien der Klügere zu sein und gab laut grummelnd nach. Einen Teil der Kaimauer mit sich reißend, pendelte der massive, eiserne Koloss mit lautem Rumms vor den strahlend weiß lackierten Rumpf der Happy Sea. Nachdem er dort eine deutlich sichtbare Delle hinterlassen hatte, flutschte er aus den Schlingen der Festmacherseile und versank im Hafenbecken.

 

Von all dem bekam Henning nichts mit. Er starrte noch immer mit verträumtem Blick nach vorn. Knuth Hinrichs sah den Poller fallen, aber da war es schon zu spät, noch etwas zu unternehmen. Verwundert schaute er zu seinem alten Kumpel Henning rüber. Hatte der denn überhaupt nichts gemerkt?

Knuth meldete über Funk den Schaden der Hafenbehörde und bat die Rechnung an die Reederei zu schicken.

Weiter vorn im Hafen hechtete Adriano Marini mit einem gewagten Sprung auf sein Tankschiff.

»Los!!! Maschine auf Vollgas!! Wir müssen die Happy Sea stoppen, sonst kann ich die 1,2 Mio. EUR für den Treibstoff vergessen!! Schnell Roberto gib Gas!!«

Die alte Dieselmaschine des Tankschiffs erwachte schnaubend zum Leben und der Kahn setzte sich vibrierend in Bewegung. Roberto hielt genau auf dem Bug der Happy Sea zu, um ihr den Weg aufs offene Meer abzuschneiden. Marini hatte sich oben auf Deck postiert und beobachtete angespannt, wie sich die Schiffe näherten. Es würde ein Kampf, David gegen Goliath, aber seine Existenz hing davon ab. Er war wild entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen.

Rezeption

»Hey Sweetheart, unsere Käbbin ist ein wenig zu littel. Wir können nicht rialy gut wörken. Kannst du mal mitkommen, wir haben wirklich big Problems.« »Aber selbstverständlich Herr König, dafür sind wir doch da«, sagte Gerlinde Klüsenpichler mit aufgesetztem, grenzwertigem Lächeln. Dieser Idiot mit seinem nervigen Denglish hatte Ihr zu ihrem Glück noch gefehlt. Sie griff unter den Tresen und verstaute einen kleinen Flachmann für Notfälle in ihrer Handtasche. Nüchtern war dieser Kerl, - ach was, der ganze scheiß Kahn, kaum zu ertragen.

Weniger robuste Gemüter, hätten wahrscheinlich schon das Handtuch geworfen und lägen mit Burnout auf der Couch des Psychiaters ihres Vertrauens. Nicht so Gerlinde. Sie versuchte die Wünsche, mit welchen die Kreuzfahrtgäste sie täglich aus der Reserve zu locken versuchten, zu erfüllen. Aber in schwierigen Fällen, wie dem, dieses, ihr ausgesprochen unsympathischen Sascha König, wurden Probleme von ihr schon mal großzügig mit Wodka verdünnt.

Nach einem kurzen Marsch durch die Gänge riss König die Kabinentür auf.

»Hier Lady, nun lucken sie mal, wie small das ist!«

Mit der Szene, welche sich Gerlinde darbot, hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Drinnen im großen Doppelbett kniete laut stöhnend Dolly Balloon, während Damian Hustler energisch versuchte, sein bestes Stück in eine senkrechte Stellung zu bringen.

»Nee Leute, ich schaff das nicht, wenn ihr mir alle so dicht auf der Pelle hängt!«,fluchte Damian laut.

Auf der linken Seite des King-Size Betts hatte Monika Simonis ihre Kamera aufgebaut, und blickte angestrengt durch das Okular. Links und rechts daneben standen Stative mit mehreren Strahlern, um die Szene perfekt auszuleuchten. Eigentlich die Aufgabe von Paul Kuhn, der allerdings noch immer beim Zahnarzt weilte. Rechts neben dem Bett lauerte Hugo Schimmelpfennig, eine lange Stange mit am Ende befestigten Mikrofon dicht über Dollys Kopf haltend, auf jedes noch so leise Stöhnen der Darsteller.

Hermann Reiher, Maskenbildner der Film-Crew beugte sich zum wiederholten Mal über Damian

»Hach, Määäänsch Däääämian, du transpiriiiiierst heute aber wieder hääääftig.«

Hektisch puderte er dem Hauptdarsteller die glänzende Stirn. »Hermann LASS ES, sonst wird das hier nie was!«, fluchte Damian der Verzweiflung nahe.

Happy Sea, Brücke

Steuermann Henning Krummbiegel hielt mit verträumtem Blick, trotz eines sich von links nähernden Tankschiffs, eisern auf die Hafenausfahrt zu.

Kapitän Hinrichs hatte sich in seine Kajüte zurückgezogen, um ein wenig zu ruhen, wie er es ausdrückte. In Wirklichkeit, und daran erinnerte sich Henning seltsamerweise genau, nutzte Hinrichs jede freie Minute, um seinem liebsten Hobby, dem Bau von Buddelschiffen zu frönen.

Der ist ja mutig, dachte Hennig in einem kurzen hellen Moment, mit Blick auf das Tankschiff, das ihnen nun gefährlich nahekam. Dann aber schweiften seine Gedanken wieder ab zu diesem netten jungen Mann, den er auf dem Kai kennengelernt hatte. Friseur war der, hatte er gesagt. Henning schaute auf den Monitor des abgeschalteten Radargeräts, in dem er sein Spiegelbild gut erkennen konnte. Ja, ich sollte den Friseur wirklich bald mal aufsuchen, so strubbelig, wie ich aussehe, dachte er sich.

Tankschiffkapitän Roberto Carrara drückte seit ein paar Sekunden so fest auf den Schalter des Nebelhorns, dass seine Fingerkuppe weiß anlief. Der Blödmann musste ihn doch sehen!

»Chef!! Soll ich abdrehen??!!«, schrie er durch das vordere geöffnete Fenster des kleinen Steuerstandes.

»Halt voll drauf, Roberto!! Wir müssen ihn stoppen, sonst bin ich ruiniert!!!«

Adriano Marini hatte soeben in einem Akt der Verzweiflung eine rote Signalrakete gezündet, die leuchtend in den Genueser Himmel stieg. Wie ein Derwisch mit den Armen fuchtelnd, hüpfte er auf Deck herum, um auf sich aufmerksam zu machen.

»Chef!! Ich Glaube, das geht jetzt voll in die Hose!!«

»Scheiseeee!! Kloseeee!!! Dafür wirst du bezaaaahlen!!!«

Mit diesen Worten hechtete der vor Wut schnaubende Händler maritimen Treibstoffes mit einem Kopfsprung in das brackige Hafenwasser von Genua. Die Happy Sea rammte den Bug des Tankers und drückte ihn kurz unter Wasser. Danach richtete sich das stark verbeulte Tankschiff wild schaukelnd wieder auf.

Ein Ruck ging durch die Happy Sea, nicht besonders stark, aber ausreichend, um Henning nach vorne stolpern zu lassen.

Er riss sich von der Betrachtung seines Haarschopfs los und schaute aus dem Fenster. Auf Grund des ungünstigen Winkels, war das Schiff des Italieners für ihn nicht zu sehen und so setzte er seine Fahrt unbeirrt fort.

Weiter hinten, in Sascha Königs Luxus Suite, bewirkte der Ruck gleichzeitig mehrere Dinge.

Ein blaues, oder vermutlich mehrfarbiges Auge würde Monika Simonis davontragen, da sie im Moment des Rucks, mit Selbigem durch das Okular der Filmkamera geblickt hatte.

Toningenieur Hugo Schimmelpfennig schlitterte, mit samt der dunkelblauen Auslegware, unter das Bett, wobei der lange Alugalgen seines Mikrofons unkontrolliert durch die Suite wirbelte und Sascha König schmerzhaft am Kopf traf.

Hauptdarstellerin Dolly Balloon knallte, auf Grund ihrer, einem Vierbeiner ähnelnden Stellung, heftig mit dem Schädel gegen das Kopfende des King-Size Betts.

Maskenbildner Hermann Reiher stürzte dem Hauptdarsteller so glücklich auf den verlängerten Rücken, dass Damian Hustlers bestes Stück endlich am Ziel war und Dolly einen erstaunten Aufschrei entlockte.

Gerlinde Klüsenpichler zog sich langsam am Türrahmen hoch, erfasste mit einem Blick die Situation und sagte breit grinsend: »Geht doch! Worüber regen Sie sich auf.«

Sie fummelte Ihren Flachmann aus der Tasche und schraubte hysterisch lachend, langsam den Deckel ab. Mit den Worten »Möchte jemand?«, hielt sie ihren Wodka in die Runde.

Tankschiff

»Herr Marini!!! Hier, nehmen Sie meine Hand, ich ziehe Sie raus!« Adriano fasste mit letzter Kraft die Hand seines Tankschiffkapitäns und rettete sich so aus dem nach Diesel stinkenden Hafenwasser.

Triefend nass und faulig riechend, langte er in die Innentasche seines ehemals beigefarbenen Sakkos.

»Merde!! Mein Handy ist futsch!! Schnell, gib mir dein Telefon, Roberto!«

Adriano hackte mit nassen Fingern die Nummer seines Mitarbeiters in die Tastatur.

»Totto?! Marini hier. Lass alles liegen, du hast `nen Job. Finde heraus, wo das Kreuzfahrtschiff Happy Sea als Nächstes anlegt. Dort fährst du hin und gehst am Bord. Du verlässt das Schiff erst, wenn du einen Hans-Werner Klose gefunden hast, und der in deiner Anwesenheit 1,2 Millionen, - ach was, - 1,5 Millionen EUR an mich überweist! Danach, oder gleichzeitig, brichst du ihm jeden verdammten Knochen im Leib, capito?!!« »Alles klar, Chef, betrachten sie die Sache als erledigt.« verabschiedete sich Totto Strozzi und machte sich umgehend auf den Weg zum Kreuzfahrtterminal.

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