StVO Straßenverkehrs-Ordnung

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Rückwärtsfahren: das gewollte Rückw.fahren im Rückw.Gang, nicht dagegen das unabsichtl. Rückw.fahren od. Zurückrollen ohne Motorkraft (Düsseldorf NZV 2000, 303). Aber auch das Rangieren zu zwei am Fahrb.Rand geparkten Fzg um rückwärts einzuparken (a.A. Koblenz DAR 2000, 84). Fahrer muss sich auch davon überzeugen, dass sich kein Hindernis dort befindet, wohin er weder im Rückspiegel noch durch Zurückschauen sehen kann („toter Winkel“) vgl. Oldenburg VRS 2001, 432 = NZV 2001, 377; ggf. Einweisung (Nürnberg VRS 80, 90 = NZV 91, 67). Besonders ist auf kleine Kinder zu achten, die sich hinter dem Fzg befinden können (Hamm VRS 42, 422). Die Vorschrift gilt auch beim Ausfahren aus Parkbuchten bzw. Parkständen im öff. Verkehrsraum auf die Fahrb. Auf Parkplätzen von Einkaufszentren hingegen nicht unmittelbar, aber über § 1 Abs. 2 (BGH DAR 2016, 260; zuvor umstr.: dafür LG Kleve NJW-Spezial 2010, 234; offen lassend Hamm NJW-RR 2013, 33; dagegen LG Saarbrücken ZfSch 2011, 494); auf privaten Parkplätzen (auch Parkhäuser etc.) trifft allerdings auch den Führer des vorbeifahrenden Fzg eine bes. Sorgfaltspflicht; § 1 Abs. 2 ist für beide anwendbar (LG Nürnberg-Fürth NZV 91, 357). Zum Anscheinsbeweis in solchen Fällen vgl. BGH DAR 2016, 197. Ggf. trifft bes. Sorgfaltspflicht auch den im Heckbereich eines Lkw befindl. Fußg., der vom Zurücksetzen bereits frühzeit. Kenntnis hatte (vgl. Oldenburg aaO). Bei Fahrbewegungen von anderen, nicht dem Fahrverkehr dienenden Straßenteilen (z.B. Grundstück) gilt § 10. Vgl. Dresden SVR 2007, 34.

16

Vorschr. wurde mit Novelle v. 20.4.2020 (BGBl I S. 815) eingefügt zum Schutz von Radf. und Fußg. im toten Winkel von größeren Kfz; dies soll neben den techn. Abbiegeassistenten, die intern. erst zu einem späteren Zeitpkt. verpflichtend vorgeschrieben sein werden, helfen, Abbiegeunfälle zu vermeiden. Vorschr. ist umstritten, Viele forderten die Spezifiz. der Schrittgeschw., einigen sind 7–11 km/h als Schrittgeschw. zu schnell, andere halten die Festlegung einer Höchstgeschw. generell nicht für wirksam, um die Sicht im toten Winkel während des Abbiegevorgangs zu verbessern. BMVI als VO-Geber wollte zunächst eine generelle Schrittgeschw. beim Abbiegevorgang. BR ging dies zu weit, er hat durch die Ergänzung des 3. Halbs. folgende Situation aus dem Anwendungsbereich verbannt: AB, Kraftfahrstr., Verkehrsverb. oder eine eigenständige Abbiegesituation durch Lichtzeichen „Grüner Pfeil“, weil dort Fuß- und Radverkehr nicht vorhanden bzw. zu befürchten seien (BR-Drs. 591/19 Beschl.).

§ 10 Einfahren und Anfahren

Wer aus einem Grundstück1, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2)2, aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2)3 auf die Straße oder von anderen Straßenteilen4 oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg5 auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen6. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen7; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen8.

Erläuterungen

1

Private Grundstücke, aber auch z. B. öff. Parkplätze und sonst. verkehrsrechtl. öff. Flächen wie Tankstellen. Ob eine Grundstücksausfahrt (§ 10) oder eine Straßeneinmündung (§ 8) vorliegt, entscheidet das Gesamtbild der äußerlich erkennbaren Merkmale bzw. die nach außen in Erscheinung tretende Verkehrsbedeutung (BGH VRS 73, 437, Köln NZV 1994, 279). Abgesenkter Bordstein als Abgrenzung ist für die Frage, ob es sich um ein Grundstück handelt, nicht zwingend erforderlich (BGH aaO). Anzeichen sind: kein eigener Straßenname, Verkehrsfläche dient nicht dem Verkehr als Zugang für dahinter liegende Grundstücke (München 10 U 4845/08, juris).

2

Fußgängerzone sind nur noch solche Flächen, die mit Z 242.1, 242.2 beschildert sind. In bes. Fällen kann auch an der „Einmündung“ einer Fußgängerzone in eine querende Fahrb. eine Vorfahrtbeschilderung angeord. werden (vgl. BGH DAR 88, 269 = VRS 75, 406 = NZV 88, 58), z. B., wenn dies nach den örtl. Verh. für eine klare Regelung notw. ist; die Vorfahrtregelung geht dann vor.

3

An der Nahtstelle zw. verk.beruh. Bereich und Fahrb. finden die Regeln über die Vorfahrt (§ 8) keine Anwendung. Selbst dann nicht, wenn Z 325.2 nicht unmittelbar im Einmündungs- bzw. Kreuzungsbereich, sondern einige Meter davor (BGH NZV 08, 193: 30 m) aufgestellt ist. Sollte Z 325.1 im Einmündungsbereich nicht durch den vorbeifahrenden Kfz-Führer erkennbar sein, und die Straßengestaltung nicht auf einen verk.beruh. Bereich hinweisen (kein anderer Belag, keine Bordsteinabsenkung), dürfte sich der annähernde VT außerhalb dieses Bereich nicht seiner Vorfahrt bewusst sein und die re-vor-li-Regel anwenden. Nötigenfalls ist eine Verständigung herbeizuführen. Die Haltung des BGH ist angesichts der nicht zu befürwortenden Beschilderungspraxis geboten, weil sich allein der den verk.beruh. Bereich Verlassende seiner Pflicht sicher sein kann.

4

Flächen, die zwar dem öff. Verk. aber nicht dem durchgehenden Verk. dienen z. B. Seitenstreifen, Gehweg, Beschleunigungstreifen (Naumburg NZV 2008, 25, BGH VersR 1985, 835; Saarbrücken NZV 2015, 492), besonderer Bahnkörper der Straßenbahn. Aber nicht Sonderfahrstreifen z. B. für Busse. Auch straßenbegleitender baulich angelegter Radweg, soweit dieser vor dem Kreuzungsbereich z. B. zur Verbesserung der Sichtwirkung auf die Straße geführt wird. Im Kreuzungsbereich gilt im Übrigen § 9, dann handelt es sich nicht um „Einfahren“ in die, sondern um ein Kreuzen der Fahrbahn. Ebenso auf Parkplätzen bei der Einfahrt von Parkflächen auf eine „Hauptstraße“ innerh. d. Parkplatzes, jedoch kein Vertrauensgrds. (Köln VRS 96, 412; vgl. auch Celle DAR 2000, 216). Zur Verantw. eines Fußg. der einen Fzgf. aus einer Hofeinfahrt auf die Fahrb. „winkt“ (vgl. AG Lahnstein NZV 2000, 379).

5

Bedeutung z.B. für Wohnwege oder -straßen, für einmünd. Radwege, die auf diese Weise in eine Fahrb. eingeführt (verschwenkt) werden. Gilt unabhängig von der Breite der eingeführten Straße/Weg; ist das Merkmal „abgesenkter Bordstein“ nicht klar erkennbar (z.B. bei sehr breiten „Einfahrten“), so ist Vorfahrtbeschilderung zu empfehlen (zur Zulässigkeit einer Vorfahrtbeschilderung in Fällen, die grds. § 10 unterliegen, vgl. BGH DAR 88, 269 = VRS 75, 406 = NZV 88, 58). Im Übrigen gelten die Regeln der Vorfahrt (§ 8) in solchen Fällen nicht (Zweibrücken DAR 92, 190 = VRS 82, 51); soweit die Entscheidung zusätzlich davon ausgeht, dass die Regelung „abgesenkter Bordstein“ auch für einen durchgehend „niedrigen“ Bordstein gilt, kann ihr jed. nicht gefolgt werden (vgl. Bouska DAR 98, 385). Vorfahrt und nicht die Regelung des § 10 gilt, wenn der Gehweg baulich unterbrochen ist, also der Bordstein nicht abgesenkt, sondern jeweils in die einmünd. Straße „hineingezogen“ ist; auch dies gilt ohne Rücksicht auf die Breite der einmünd. Straße. Im Einzelnen sind folg. Fälle zu unterscheiden:


a) [Bild vergrößern]

Absenkung des Gehwegs (Bordsteins) an der „Einmündung“. Anzuwenden ist nur § 10; kein Fall der Vorfahrt iSd § 8, vgl. Koblenz VersR 2003, 1454.


b) [Bild vergrößern]

Gehweg verläuft durchgehend – also nicht nur im Bereich der „Einmündung“ – mit niedrigem Bordstein (z.B. 2-3 cm). Kein Fall der „Absenkung“ des Bordsteins, daher ist nicht § 10, sondern § 8 (Vorfahrt) anzuwenden (vgl. Köln DAR 97, 79 und Bouska am zul. aO).

 

c) [Bild vergrößern]

Gehweg (Bordstein) ist im Bereich der „Einmündung“ unterbrochen. Anzuwenden ist nicht § 10, sondern § 8 (Vorfahrt).


d) [Bild vergrößern]

Gehweg ist im Bereich der „Einmündung“ unterbrochen. Jedoch ist die „Einmündung“ mit einer sog. Aufpflasterung (meist aus and. Baumaterial) ausgestattet. Keine „Absenkung“ des Bordsteins iSd § 10; anzuwenden ist § 8 (Vorfahrt), Beschilderung ist notw., wenn nicht „rechts vor links“ gelten soll. Die Zuordnung zu § 10 oder § 8 ist oftmals schwierig. Zu Beispielsfällen vgl. LG Kiel Urt. v. 19.4.2007 – 7 S 128/06, juris.

6

Vom Einfahrenden und Anfahrenden wird das Äußerste an Sorgfalt gefordert. Fließ. Verkehr muss jedoch unvermeidbare Behinderung in Kauf nehmen (BayObLG DAR 56, 133). Pflichten des Anfahrenden gleichen Pflichten des Wartepflichtigen bei Vorfahrt (Bremen VM 65, 7). Wenn Einblick in Straße nur dann vorhanden, wenn beträchtl. Teil des Fzg in der Fahrb. ist, dann Einweisungspflicht (BGH VM 66, 1). Versperren parkende Fzg die Sicht, dann gleichwohl grds. keine Pflicht, Einweiser zuzuziehen; vortasten zulässig (BayObLG VRS 61, 384; zu eng daher Celle VRS 80, 92, das ein „Hineintasten“ bei Ausfahrt aus Grundstück für unzulässig hält). Grds. darf fließ. Verk. darauf vertrauen, dass sein Vorrecht beachtet wird. Wer aus einer Grundstücksausfahrt herausfährt, muss damit rechnen, dass auf dem zu überquerenden Radweg ein Radf. in verkehrter Richtung fährt (KG VRS 68, 284; KG DAR 93, 257 = VM 93, 50; Düsseldorf DAR 96, 67 = VRS 91, 62), jedoch Mitverschulden des Radf. (KG aaO). Gesteigerte Sorgfaltspflicht nach § 10 gilt nicht, wenn Fzg aus dem fließ. Verkehr nach verkehrsbedingtem Warten am Straßenrand weiterfährt (BayObLG VRS 66, 52 = DAR 84, 31).

Bei kurzem Anfahren mit leichtem Schrägstellen des Wagens keine Behinderung (Hamburg VM 56, 627).

7

Beim Rechtsabbiegen aus Grundstück idR zuerst rechts blinken; folgt ein „Anfahren vom Fahrbahnrand“, dann auf linken Blinker umschalten.

8

Mögl. gegeben, in allen Fällen des § 10 (also nicht etwa nur bei der „Einmündung“ von Radwegen in eine Fahrb., obwohl die Regelung primär dafür geschaffen wurde) dessen Vorrangregel durch eine „Vorfahrtregelung“ (neg. Beschilderung mit Z 205) zu ersetzen. Damit wird zwar im Einzelfall die bes. strenge Regel des § 10 (Gefährdungsausschluss) durch die etwas „mildere“ Vorfahrtregel (keine Gefährdung bzw. wesentl. Behinderung) außer Kraft gesetzt; dieser „Nachteil“ wird aber durch die optische Verdeutlichung des „Nachrangs“ (Z 205) idR mehr als ausgeglichen. Die Hervorhebung der „notwendigen Klarstellung“ im Text der VO bedeutet, dass die Beschild. nicht der Regelfall sein darf, sondern nur zulässig ist, wenn sich aus den konkr. örtl. Umständen ergibt, dass der „Nachrang“ des „einfahrenden“ Verkehrs durch die bloße Regel des § 10 Satz 1 für einen durchschnittl. VT nicht hinreichend deutlich gemacht wird. Danach bietet die VO in den Fällen des § 10 nunmehr folg. Lösungen an:


a) Regelung nur durch § 10 Satz 1, z.B. bei „normalen“ Grundstücksausfahrten (max. etwa 5 m breit), bei der Ausfahrt aus baulich deutlich abgesetzten und mit Z 242.1 bzw. Z 325.2 gekennz. Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigten Bereichen;
b) einseitige neg. Vorfahrtbeschilderung (Z 205), z.B. bei Radwegen, die in eine Fahrb. münden und nicht eindeutig die Vorfahrtregelung der parallel verlauf. Fahrb. teilen, etwa bei „abgesetzten“ Radwegen, sowie bei isoliert verlauf. Radweg bei der Einführung in eine Fahrb., ebenso z.B. bei über einen abgesenkten Bordstein eingeführten Wohnwegen, wenn auf Grund der Breite des Weges Zweifel am „Nachrang“ entstehen können. Wichtig ist, dass auch der danach Vorfahrtberechtigte nach den örtl. Umständen die Rechtslage erkennen kann, z.B. weil sie einem „natürlichen Vorfahrtsempfinden“ entspricht (unterschiedl. Fahrb.breite, Beleuchtung usw.);
c) volle (pos. + neg.) Vorfahrtbeschilderung, wenn z. B. eine über einen abgesenkten Bordstein eingeführte Straße auf Grund ihrer Fahrb.breite den Bezug zu § 10 Satz 1 nicht ohne Schwierigkeiten erkennen lässt oder am Ende einer ausgedehnten, stark frequentierten, evtl. von öff. Verkehrsmitteln befahrenen Fußgängerzone. Vgl. insg. auch Bouska DAR 97, 337.

§ 11 Besondere Verkehrslagen

(1) Stockt der Verkehr, darf trotz Vorfahrt oder grünem Lichtzeichen1 nicht in die Kreuzung oder Einmündung eingefahren werden, wenn auf ihr gewartet werden müsste2.

(2) Sobad2a Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen2b zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden 2c, Fahrstreifen für eine Richtung 2d, eine freie Gasse bilden2e.

(3) Auch wer sonst nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder anderweitig Vorrang hat3, muss darauf verzichten, wenn die Verkehrslage es erfordert4; auf einen Verzicht darf man nur vertrauen4a 5, wenn man sich mit dem oder der Verzichtenden verständigt hat6.

Erläuterungen

1

In solchen Fällen darf also auch nicht darauf vertraut werden, dass vorausf. Fzg bei Grün durchfährt (so bisher Hamm VRS 29, 43, 297).

2

Kein „Stocken“, wenn lediglich Abbieger warten müssen, um bevorrechtigte VT durchfahren oder weitergehen zu lassen; hier also kein „Einfahrverbot“ (Düsseldorf VRS 76, 312 = DAR 89, 112; KG VRS 48, 462; Hamm DAR 93, 396). Im Übrigen verschulden nur, wenn Wartenmüssen im Kreuz.- oder Einmündungsbereich voraussehbar war, insbes. wenn eine Kreuzung durch wartende Fzg bereits überfüllt ist (Düsseldorf VM 95, 19; BayObLG VRS 56, 126 = VM 79, Nr. 13).

2a

Mit VO v. 14.12.2016 (BGBl I S. 2848) wurde für diesen Absatz der unbestimmte Begriff des „Stockens“ aufgegeben. In der Praxis war es zu Unsicherheiten gekommen, wann die Rettungsgasse genau zu bilden ist. Die Konkretisierung umfasst das „Dahinschleichen“ und „Stehen“ von Fzgkolonnen. Der Zeitpunkt ist damit konkreter bestimmt. Damit muss nicht erst beiseite gefahren werden, wenn Sonderrechtsfzge tats. herannahen oder nach den Umständen damit zu rechnen ist (z. B. wenn ein Unfall erkennbar ist). Daraus folgt, dass auch bei einem Stau infolge hoher Verkehrsdichte eine Rettungsgasse bereits zu bilden ist (dies kann bei Stop-and-go“-Verkehr zu einem gewissen „Schlangenlinienfahren“ führen).

2b

Z. B. Fzg des Rettungsdienstes oder des Techn. Hilfswerks, aber auch Abschleppfzg oder Schneeräumfzg der Straßenbauverwaltung. Motorradf. dürfen die Rettungsgasse nicht zum Durchschlängeln bei Stau benutzen. Länder lehnen dies aus Gründen der Verk.Si strikt ab. Zwar stünde hier idR ein Fahrstreifen (Raum den ein zweispuriges Fzg zum Fahren benötigt) zur Verfügung, welcher unter Beachtung der größtm. Sorgfalt und bei verkehrsgerechtem Verhalten aller VT auch gefahrlos befahrbar wäre. Des Weiteren wäre es Motorradf. im Gegensatz zu mehrspurigen Fzg idR jederzeit möglich, einen von hinten herannahendem Rettungsfzg den Rettungsweg durch Einscheren in die Pkw-Kolonne freizumachen, wenn denn die Fzg nicht zu dicht hintereinander aufgestellt sind. Zu bedenken ist aber, dass viele Kfz-Führer im stockenden Verkehr unerwartet den Fahrstreifen wechseln, weil sie meinen, dass auf dem anderen Fahrstreifen schneller voranzukommen oder um sich einen besseren Überblick über die Staulänge zu ermöglichen, Schlangenlinien fahren. Dies spricht von vornherein gegen Zulassung der Benutzung der Rettungsgasse, wenn die Fzg noch in Bewegung sind. Bei stehendem Verkehr wird die Fahrb. nach gewisser Standzeit oft durch Pkw-Fahrer und andere Insassen betreten. Sollte ein Unfall den Stau ausgelöst haben, käme es zudem in Höhe der Unfallstelle zu einer Anhäufung der Motorradfahrer und dann u. U. zur Behinderung der Rettungsfzg.

2c

Die Vorschrift betrifft – neben den AB – alle außerörtl. Straßen mit mind. zwei Fahrstreifen für eine Richtung; deshalb ist der Begriff „Richtungsfahrbahn“, der eigentl. baulich getrennte Fahrb. voraussetzt, hier missverständlich.

2d

Zur Vereinfachung der Regelung ist unabhängig von der Fahrstreifenanzahl nun immer rechts neben dem linken Fahrstreifen die Gasse zu bilden. Die VT müssen damit nicht mehr nach konkreter Örtlichkeit in Abhängigkeit der Fahrstreifenzahl ihr Verhalten ausrichten. Die Regelung ist damit einfacher zu befolgen.

Durch das 52. G zur Änderung des StGB zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom Mai 2017, wurde der Straftatb. der unterl. Hilfeleistung (§ 323c StGB) um einen neuen Abs. 2 ergänzt, der die Behind. von Pers. unter Strafe stellt, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder Hilfe leisten wollen (BGBl I S. 1226). Hiermit ist auch das Blockieren einer Rettungsgasse im Unglücksfall gemeint.

2e

Nötigenfalls ausweichen auf Seiten- oder Mittelstreifen. Seitenstreifen sollten allerdings, wenn irgend möglich, gleichwohl freibleiben, weil in der Praxis oft nur dort für Hilfsfzge ein Durchkommen ist. Stets ist § 38 Abs. 1 zu beachten, so dass beim Herannahen von Fzgen mit Sondersignalen jeweils situationsangepasst Platz zu schaffen ist.

 

3

Z. B. Gegenverkehr im Verh. zu Überholern (§ 5 Abs. 2) und Entgegenkommenden bei Hindernissen (§ 6 Satz 1); Vorfahrtberechtigte (§ 8, Z 205, 206, 301, 306); Geradeausfahr. oder Rechtsabbieger ggü. Abbiegern bzw. Linksabbiegern (§ 9 Abs. 3 u. 4), Fzg mit Sonderrechten (§ 35, § 38 Abs. 1), Gegenverkehr bei Z 208, 308; Fußg. ggü. einbieg. Fzg (§ 9 Abs. 3), auf Fußg.überwegen (§ 26, Z 293) u. an Haltestellen (§ 20, Z 224).

4

Verzicht kann aus Gründen der Sicherheit oder der Flüssigkeit des Verk. geboten sein. Wer auf Vorfahrt verzichtet, schafft atypische Verkehrslage, die ihn zu erhöhter Vorsicht auch ggü. nachf. Wartepflichtigen verpflichtet (Köln NZV 94, 110). Der „verzichtende“ Fahrer muss auch darauf achten, Fzg, die ihm nachfolgen, nicht zu gefährden; eine gew. Behinderung müssen „Nachfolger“ jedoch in Kauf nehmen, wenn Verzicht nach Abs. 3 geboten ist.

4a

Bes. geregelter Fall des allg. Vertrauensgrds. (vgl. Erl. 5), hier allerdings mit Verständigungspflicht.

5

Im Straßenverkehr gilt allg. der sog. Vertrauensgrundsatz. Er besagt: Ein VT der sich selbst vorschriftsmäßig verhält, darf grds. darauf vertrauen, dass auch die anderen VT sich nicht verkehrswidrig verhalten (BGH VRS 15, 450 = DAR 58, 335). Das gilt nicht, wenn nach der Erfahrung des Lebens oder nach den Umst. des Einzelfalls Anlass zu Misstrauen besteht (u. a. BGH VRS 19, 344; Koblenz VRS 44, 192; insbes. ggü. Fußg.: Hamm VRS 42, 202). Grds. darf also darauf vertraut werden, dass z. B. Vorfahrt auf Vorfahrtstraße (Z 306, 205, 206), AB (§ 18 Abs. 3, Z 330.1) oder bei sonst. Vorf.Regelung durch Z (Z 301, 205, 206), durch Lichtzeichen (§ 37) oder durch Polizeibeamte (§ 36) beachtet wird; dass Fußg., die am Straßenrand stehen und Verk. beobachten, nicht plötzlich auf Fahrb. treten (BGH VRS 23, 177 = VersR 62, 638; VersR 64, 826); dass ein Radf. nicht plötzlich ohne Z nach links abbiegt (RG JW 1936, 2999). Misstrauen ist geboten, wenn


a) erfahrungsgemäß Fehlverhalten zu erwarten ist, z. B. an Kreuz. u. Einm., an denen „rechts vor links“ (§ 8 Abs. 1 Satz 1) gilt. Kein Vertr. darauf, dass Lkw entspr. Überholverb. auf Autob. (Z 277) beachtet (Düsseldorf VM 65, 70); Vorrang des „Nachzüglers“ beim Räumen einer ampelgeregelten Kreuzung besteht zwar auch ggü. dem Gegenverkehr; darauf vertrauen darf der Berechtigte jed. nur nach Verständigung mit dem and. VT (Hamm NZV 91, 31)
b) Kinder sowie alte oder gebrechl. Leute beteiligt sind (u. a. BGH VRS 17, 204 = VM 59, 75; VRS 23, 267 = VM 63, 1; VRS 23, 445 = VM 63, 3; VM 63,9 = VersR 63, 89; VersR 70, 820; VRS 94, 33; Düsseldorf VM 65, 70; VRS 63, 257; ausnahmsweise gilt Vertrauensgrds. auch ggü. verkehrsunerfahrenen Personen – z. B. unbeaufsichtigten kleineren Kindern – wenn nach den konkr. Umständen vernünftigerweise kein Zweifel an ihrem verkehrsrichtigen Verhalten bestehen kann (Saarbrücken VRS 47, 344). Vgl. aber insoweit auch § 3 Abs. 2a und die dortigen Erl. (insbes. Erl. 5 u. 7); Achtung: zum Vertrauen auf das richtige Verhalten von Kindern unter vollendetem 8. Lebensj. auf Radwegen vgl. Erl. 18a zu § 2.
c) die Witterungs-, Sicht- u. Straßenverhältnisse schwierig sind (z. B. bei Nebel, starkem Regen, Schneefall, Glätte)
d) ein and. VT sich erkennbar verkehrswidrig verhält (BGH VRS 5, 133).

6

IdR unmissverständl. Handzeichen notwendig. Verwendung von Warnzeichen meist missverständl. u. nach § 16 auch unzulässig. Davon geht auch der BGH DAR 77, 157 zumind. für diejenigen Fälle aus, in denen der Fzgf. nicht zusätzl. Maßn. trifft (z. B. Herabsetz. d. Geschw.) oder Z (Handzeichen) gibt; allerdings muss der Kraftf. häufig damit rechnen, dass die Betät. der Lichthupe als Einräumung des Vorranges missverstanden wird.